TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/15 W215 2131347-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.01.2020
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Entscheidungsdatum

15.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W215 2131347-1/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Bundesrepublik Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.06.2016, Zahl 1046773807-140230249, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG, § 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017,

§ 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, und § 55 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, dessen Identität nicht feststeht, reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 30.11.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer wurde am 02.12.2014 erstbefragt und gab zusammengefasst an, er habe mit seinen Eltern, fünf Brüder und drei Schwestern im XXXX gelebt, sei von dort über den internationalen Flughafen am 29.11.2014 mit seinem Schlepper in die Türkei geflogen und am 30.11.2014 von der Türkei, mit dem Zielland Österreich, direkt nach Wien Schwechat. Der Beschwerdeführer habe seine Heimat verlassen, weil er dem Minderheitenclan der Madhiban angehöre, welcher in der Bundesrepublik Somalia von größeren Clans verfolgt werde. Im Herkunftsstaat herrsche seit längerer Zeit Bürgerkrieg und es gebe dort keine Zukunft, man könne dort kein normales Leben führen. Deshalb habe der Beschwerdeführer sein Land verlassen, er fürchte dort um sein Leben.

Am XXXX musste der Beschwerdeführer aus disziplinären Gründen aus der Grundversorgung abgemeldet werden, nachdem er, laut Abschlussbericht der Landespolizeidirektion XXXX vom XXXX , in Verdacht stand am XXXX im Stiegenhaus seiner Unterkunft für Asylwerber die Tatbestände der gefährlichen Drohung und der versuchten schweren Körperverletzung verwirklicht zu haben, indem er mit einem Küchenmesser Stichbewegungen in Richtung des Kopfes bzw. des Halses eines anderen Asylwerbers ausführte. Dieser Asylwerber wurde dabei nicht verletzt, gab aber an, dass der Beschwerdeführer in seine rechten Hand, in welcher er das Küchenmesser mit einer Klingenläge von ca. 10 cm gehalten habe, erhoben und versucht hätte, ihm von links nach rechts die Kehle durchzuschneiden. Er habe gerade noch eine Stiege nach unten ausweichen können und der Beschwerdeführer habe zu ihm gesagt: "Es ist mir egal, wenn die Polizei kommt. Auch wenn ich ins Gefängnis komme, irgendwann komme ich raus und dann werde ich dir sowieso die Kehle durchschneiden".

In einer niederschriftlichen Befragung am 25.03.2016 führte der Beschwerdeführer im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass er am XXXX , wegen einer Rauferei, einen Gerichtstermin in XXXX habe und derzeit in Grundversorgung sei. Der Beschwerdeführer gehöre dem Clan der Madhiban an, diese würden sich ausschließlich wegen ihrer Berufe von anderen Clans unterscheiden. Der Beschwerdeführer habe in XXXX in seinem, im Eigentum der Familie stehenden, Elternhaus gelebt und sich im Oktober 2014 entschlossen mit dem Flugzeug auszureisen, wobei seine Mutter die Reise finanziert habe. Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass es Streitigkeiten wegen des Elternhauses mit einem Nachbarn gegeben habe und es dabei zu Handgreiflichkeiten zwischen diesem und dem Vater des Beschwerdeführers gekommen sei. Später sei der Vater in der Arbeit vom Nachbarn und anderen Männer, die alle einem Mehrheitsclan angehört hätten, geschlagen worden, woraufhin der Vater den Nachbarn erstochen habe. Der Vater sei danach geflüchtet, man habe ihn nicht gefunden und gesagt, dass man einen seiner Angehörigen töten werde. Seiner Mutter sei zu Hause ein Zahn ausgeschlagen, einem Bruder mit einem Nagel ins Auge gestochen und eine Schwester geschlagen worden, sodass diese in Folge schwerhörig wurde, während fünf bis sechs Männer zu Hause nach dem Beschwerdeführer suchten, um ihn als ältesten Sohn seines Vaters aus Rache zu töten. Der Beschwerdeführer habe alles zu Hause gehört und gesehen und sei nach Aufforderung seiner Mutter weggelaufen. Die fünf bis sechs Männer hätten den Beschwerdeführer verfolgt, ihm ein langes Messer nachgeworfen und damit am Fuß verletzt. Die Verfolger seien der Blutspur des Beschwerdeführers, dieser habe stark geblutet, gefolgt, der Beschwerdeführer habe sich aber im Nachbarhaus versteckt, wo man ihn nicht gefunden habe. Man habe ihm dort die Wunde verbunden und danach ins Krankenhaus gebracht, wo die Wunde genäht wurde. Der Beschwerdeführer habe sich, als er nach zwei Wochen im Krankenhaus erfahren habe, dass seine Verfolger wussten, dass er im Krankenhaus sei, sechs Monate in einem Haus fünf bis sechs Gehminuten vom Krankenhauses entfernt bei einer Frau versteckt, die nicht viele Kinder gehabt habe; es habe sich um ein kinderloses Ehepaar gehandelt. Der Beschwerdeführer habe dieses Haus sechs Monate lang nicht verlassen, wisse aber nicht, welchen Beruf der Ehemann ausgeübt habe und sei nach sechs Monaten ausgereist.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des XXXX vom XXXX , rechtskräftigt seit XXXX , wegen des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs. 1 StGB iVm

§ 61 zweiter Satz StGB und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach

§ 107 Abs. 1 und 2 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB iVm § 5 Z 4 JGG zu einer bedingen Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren gemäß § 43 Abs.1 StGB verurteilt.

Laut Bericht der Landespolizeidirektion XXXX wurde der Beschwerdeführer aus seiner Unterkunft für Asylwerber weggewiesen, nachdem er einem anderen Asylwerber einen Porzellanteller gegen den Kopf geworden haben soll, der dabei eine Rissquetschwunde und einen Stirnbeinbruch erlitt. Angestellte der Unterkunft für Asylwerber hielten den Beschwerdeführer zurück, da er weiter gegen den stark blutenden anderen Asylwerber vorging, der später im Krankenhaus stationär aufgenommen wurde.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.06.2016, Zahl 1046773807-140230249, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 30.11.2014 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt II.) abgewiesen, gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für seine freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.06.2016, Zahl 1046773807-140230249, zugestellt am 28.06.2016, erhob der Beschwerdeführer am 26.07.2016 fristgerecht die gegenständliche Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer persönlich glaubwürdig sei zumal das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht berücksichtigt habe, dass er minderjährig sei und ihm Asyl zu gewähren sei.

2. Die Beschwerdevorlage vom 27.07.2016 langte am 29.07.2016 im Bundesverwaltungsgericht ein.

Im Strafregister scheint folgend zweiter Verurteilung des Beschwerdeführers auf: Urteil des XXXX vom XXXX , rechtskräftig seit XXXX , nach

§§ 88 Abs. 1, 88 Abs. 4 1. Fall StGB, § 15 StGB, § 83 Abs. 1 StGB, Datum der (letzten) Tat XXXX , verhängte Freiheitsstrafte drei Monate bedingt, Probezeit drei Jahre.

Zugleich wurde mit Beschluss des XXXX vom XXXX , die zum rechtskräftig Urteil des XXXX verhängte Probezeit auf insgesamt fünf Jahre verlängert.

Am 16.10.2019 langte ein vom Bundesverwaltungsgericht eingeholtes XXXX Gutachten von XXXX , im Bundesverwaltungsgerichte in.

Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 22.11.2019 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt. Es erschienen der Beschwerdeführer und sein Rechtsanwalt. Das ordnungsgemäß geladene Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte sich mit Email vom 20.11.2019 für die Verhandlung entschuldigt und die Übermittlung der Verhandlungsschrift ersucht. In der Verhandlung wurden die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan. Der Beschwerdeführer und sein Rechtsanwalt verzichteten auf Einsichtnahme und Ausfolgung. Den Parteien wurde eine Frist von zwei Wochen zur Erstattung von Stellungnahmen eingeräumt.

Am 09.12.2019 langten eine schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 06.12.2019 im Bundesverwaltungsgericht ein, zudem ein Bericht Somalia: Die Minderheitengruppe der Gabooye/Midgan vom 05.07.2018 sowie ein 241 Seiten langer Bericht von EASO aus dem Jahr 2018 zum Thema Beweiswürdigung und Glaubhaftigkeitsprüfung im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Noch am selben Tag langten zudem ein Artikel zu einer Fact-Finding Mission in der Bundesrepublik Somalia Stand Jänner 2018, Auszüge aus einem undatierten Journal für psychosomatische Medizin mit einem undatierten Artikel zum Thema psychische Erkrankungen im Asylverfahren (Seiten 44 bis 55 des Journals) sowie ein 492 Seiten langer Bericht zu allgemeinen Lage in der Bundesrepublik Somalia Stand 17.10.2017 im Bundesverwaltungsgericht ein.

Am 02.01.2020 brachte der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme im Bundesverwaltungsgericht ein, in welcher er Auszüge aus seinem bisherigen Vorbringen im Asylverfahren darlegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1. Die Identität des Beschwerdeführers kann nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Somalia und gehört dem moslemischem (sunnitischen) Glauben an.

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 30.11.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.06.2016, Zahl 1046773807-140230249, gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt II.) abgewiesen wurde. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für seine freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

2. Der Beschwerdeführer stammt aus dem XXXX , entschloss sich im Oktober 2014 seinen Herkunftsstaat zu verlassen und reiste problemlos über den internationalen Flughafen aus der Bundesrepublik Somalia aus bzw. übern einen internationalen Flughafen in die Republik Türkei ein und flog von dort nach Wien Schwechat. Am 30.11.2014 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz ein und gab an noch nie Identitätsdokumente besessen zu haben.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer dem Clan der Madhiban angehört, wegen Blutrache oder seiner Clanzugehörigkeit vor seiner Ausreise aus der Bundesrepublik Somalia verfolgt wurde; es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr in der Bundesrepublik Somalia deswegen verfolgt werden wird.

3. Der Beschwerdeführer lebte bis zu seiner Ausreise, gemeinsam mit seinen Eltern und acht Geschwistern, im Elternhaus, welches im Eigentum seines Vaters steht; der Vater ist zudem Eigentümer mehrerer Grundstücke.

Der Beschwerdeführer weist eine 4,5 cm Narbe über Achillessehe und Fersenbein rechts und 3 cm Narbe rechter Außenknöchel auf.

Vom Beschwerdeführer wurde in einer XXXX XXXX keine depressive Symptomatik angeführt. Es fand sich ein im Wesentlichen stabiler psychopathologischer Querschnittsbefund. Der Beschwerdeführer gibt an zu glauben, dass er einen verstärken Körpergeruch aufweise und deswegen Leute in der XXXX über ihn reden würden. Dies ist aus psychiatrischer Sicht im Sinne einer sensitiven Wahrnehmung mit möglichen paranoiden bzw. sensitiven Reaktionsbereitschaft zu interpretier, aber nicht als Ausdruck eines Wahngeschehens und wäre diesbezüglich eine psychotherapeutische Behandlung im Sinne einer supportiven Gesprächstherapie empfehlenswert. Es ist jedenfalls keine psychische Erkrankung in einem Ausmaß fassbar, dass die Reisefähigkeit des Beschwerdeführers beeinträchtigt wäre. Da eine Rückführung in die Bundesrepublik Somalia entgegen den Wünschen und Zielen des Beschwerdeführers sein wird, kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass es zu einer Verschlechterung der nunmehr abgelaufenen Anpassungsstörung kommen könnte. Es ist beim Beschwerdeführer keine psychische Erkrankung fassbar, die ihn außer Lage setzen würde, in der Bundesrepublik Somalia den Geschäften des täglichen Lebens nachzukommen. Es finden sich keine Hinweise auf das Vorliegen einer psychischen Erkrankung in einem Ausmaß, die mit einer Eigengefährdung einhergehen würde sowie keine Hinweise auf bisherige eigengefährdende bzw. suizidale Handlungen. Es ist beim Beschwerdeführer keine psychische Erkrankung in einem Ausmaß fassbar, dass dadurch die Geschäftsfähigkeit beeinträchtigt wäre, keine psychische Erkrankung oder geistige Behinderung, die den Beschwerdeführer daran hindern würde, seine Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils selbständig zu regeln. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Anregung eines Sachwalterschafts-/Erwachsenenvertretungsverfahrens.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr in der Bundesrepublik Somalia ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit droht oder er Gefahr läuft, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können oder in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation gerät. Der Beschwerdeführer kann jedenfalls mit der Unterstützung seiner zahlreichen Familienmitglieder und Clanangehörigen in XXXX rechnen und wäre zudem in der Lage dort seinen Lebensunterhalt Kraft eigener Arbeit zu bestreiten.

4. In Österreich leben keine Verwandten des ledigen, kinderlosen Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer hat von XXXX 516 Unterrichtseinheiten an einem Bildungsangebot " XXXX " auf dem Sprachniveau A1 teilgenommen mit den " XXXX " Deutsch als Zweitsprache, Englisch, Mathematik, Bildungsberatung und Berufsorientierung, Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Lern- und Soziale Kompetenz. Der Beschwerdeführer brachte ein Schreiben vom 24.05.2019 in Vorlage, worin seine Deutschlehrerin seine sprachlichen Fortschritte lobt. Im Schreiben vom XXXX teilt eine Sozialarbeiterin und Psychotherapeutin für systemisch Familientherapie, zusammengefasst mit, dass sich der Beschwerdeführer an sie wende, wenn er Begleitung bei Behördenwegen benötige oder bei der Bewältigung alltäglicher Herausforderung Rat suche. Mit Schreiben vom 14.06.2019 teilte der Bewährungshelfer des Beschwerdeführers mit, dass dieser seit August die Kontakttermine einhalte bzw. falls er dieses verpasse, sich eigenständig melde um neue zu vereinbaren, der Beschwerdeführer eine Volkshochschule besuche, zuletzt im XXXX straffällig wurde, mittlerweile ein wertvolles Mitglied unserer Gesellschaft geworden sei und der Bewährungshelfer um eine positive Entscheidung im Asylverfahren ersuche. Im Schreiben vom 08.11.2019 verwies der Bewährungshelfer des Beschwerdeführers zusammengefasst auf seine Angaben im Schreiben vom 14.06.2019. Der Beschwerdeführer hat von XXXX 108 Unterrichtseinheiten am Bildungsangebot " XXXX " auf dem Sprachniveau A2 mit den " XXXX " Deutsch als Zweitsprache, Englisch, Mathematik, Bildungsberatung und Berufsorientierung, Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Lern- und Soziale Kompetenz teilgenommen, angegeben seit zwei Jahren Vormittages unter der Woche täglich eine Schule zu besuchen, Nachmittags von seiner Nachhilfelehrerin bei den Hausübungen unterstützt zu werden, hat aber bis dato immer noch keinen Schulabschluss geschafft bzw. die Prüfungen nicht bestanden und bis dato immer noch kein Prüfungszeugnis vorgelegt. Der Beschwerdeführer konnte sich Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 22.11.2019 in Deutsch verständlich machen, verstand aber viele Fragen nicht und musste lange nachdenken, bevor er in Deutsch antworten konnte. Der Beschwerdeführer hat angegeben, an Samstagen fünf bis sechs Stunden ehrenamtlich beim XXXX beim Essenverteilen zu helfen, ist aber kein Vereinsmitglied. Besondere Abhängigkeitsverhältnisse zu Personen in Österreich liegen nicht vor und sind allfällige freundschaftlichen Beziehungen zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem sich der Beschwerdeführer seiner unsicheren aufenthaltsrechtlichen Stellung bewusst sein musste. Der XXXX Beschwerdeführer lebt seit seiner Asylantragstellung von der österreichischen Grundversorgung und ist noch nie einer Erwerbstätigkeit nachgegangen.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des XXXX vom XXXX , wegen des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs. 1 StGB iVm § 61 zweiter Satz StGB und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB iVm § 5 Z 4 JGG zu einer bedingen Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren gemäß § 43 Abs.1 StGB verurteilt.

Mit Urteil des XXXX vom XXXX , rechtskräftig seit XXXX , wurde der Beschwerdeführer nach §§ 88 Abs. 1, 88 Abs. 4 1. Fall StGB, § 15 StGB, § 83 Abs. 1 StGB, Datum der (letzten) Tat XXXX , zu einer verhängte Freiheitsstrafte von drei Monaten bedingt, Probezeit drei Jahre, verurteilt.

Zugleich wurde mit Beschluss des XXXX vom XXXX , die zum rechtskräftig Urteil des XXXX verhängte Probezeit auf insgesamt fünf Jahre verlängert.

Bezüglich der fremdgefährdenden Handlungen des Beschwerdeführers findet sich kein Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers.

5. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird festgestellt:

Allgemein

In der Bundesrepublik Somalia leben schätzungsweise 15,45 Millionen Menschen (2019, World Population Review [AA Überblick Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019]).

Im Hinblick auf beinahe alle zu beleuchtenden Tatsachen ist Somalia faktisch zweigeteilt:

a) In den Gliedstaaten Süd- und Zentralsomalia, wo auch die Hauptstadt Mogadischu liegt, herrscht in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der vom VN-Sicherheitsrat mandatierten Friedensmission der Afrikanischen Union AMISOM (African Union Mission in Somalia) gegen die radikalislamistische, al-Qaida-affiliierte al-Schabaab-Miliz. Die Gebiete sind nur teilweise unter der Kontrolle der Regierung, wobei zwischen der im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkten Kontrolle der somalischen Bundesregierung und der Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete durch die Regierungen der föderalen Gliedstaaten Somalias, die der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen, unterschieden werden muss. Weite Gebiete stehen aber auch unter der Kontrolle der al-Schabaab-Miliz oder anderer Milizen. Diese anderen Milizen sind entweder entlang von Clan-Linien organisiert oder, im Falle der Ahlu Sunna Wal Jama'a, auf Grundlage einer bestimmten religiösen Ausrichtung. Zumindest den al-Schabaab-Kräften kommen als de facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihnen kontrollierten Gebieten gemäß des 2. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen zu. Der Gliedstaat Puntland State of Somalia, der das Horn von Afrika im engeren Sinne umfasst, hat sich 1998 mit internationaler Unterstützung konstituiert. Er strebt keine Unabhängigkeit von Somalia an und ist einer der fünf offiziellen föderalen Gliedstaaten Somalias, wenngleich mit größerer Autonomie. Es konnten einigermaßen stabile staatliche Strukturen etabliert werden. Al-Schabaab kontrolliert hier keine Gebiete mehr, sondern ist nur noch in wenigen schwer zugänglichen Bergregionen mit Lagern vertreten, ebenso wie der somalische Ableger des sog. "Islamischen Staats". Stammesmilizen spielen im Vergleich zum Süden eine untergeordnete Rolle. Allerdings ist die Grenzziehung im Süden sowie im Nordwesten nicht eindeutig, was immer wieder zu kleineren Scharmützeln, im Süden auch zu schwereren gewaltsamen Auseinandersetzungen führt.

b) Das Gebiet der früheren Kolonie Britisch-Somaliland im Nordwesten Somalias hat sich 1991 für unabhängig erklärt, wird aber bisher von keinem Staat anerkannt. Allerdings bemühen sich die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit. Das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft wurde durch die mehrfache Verschiebung der Parlamentswahlen und schwerwiegende Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Abkommen zum Betrieb des Hafens von Berbera auf die Probe gestellt. Al-Schabaab kontrolliert in Somaliland keine Gebiete. Die Grenze zu Puntland ist allerdings umstritten, hier kam es im Berichtszeitraum zu zum Teil heftigen militärischen Auseinandersetzungen zwischen somaliländischen und somalischen (puntländischen) Truppen.

Grundsätzlich gilt, dass die vorhanden staatlichen Strukturen sehr schwach sind und wesentliche Staatsfunktionen von ihnen nicht ausgeübt werden können. Von einer flächendeckenden effektiven Staatsgewalt kann nicht gesprochen werden (AA 04.03.2019).

Seit 2012 gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 01.08.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten, waren es 2016 über 14.000 Wahlleute. Allgemeine freie Wahlen bleiben das Ziel für 2020/21. Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed, genannt "Farmajo", zum Präsidenten, und im März bestätigte es Hassan Ali Khaire als Premierminister und das neue Kabinett. Die Regierung von Präsident Farmajo verfolgt eine intensive Reformagenda in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Sicherheit. Allerdings stehen mächtige Teile der Clan-Eliten der Regierung und ihrem Reformkurs kritisch gegenüber. Hinzu kommen immer wieder Spannungen in den Beziehungen Mogadischus zu den föderalen Gliedstaaten, die den politischen und wirtschaftlichen Fortschritt des Landes lähmen (AA Innenpolitik Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019).

Seit dem Ende der Übergangsperiode und dem Beginn des New Deal Prozesses 2013 wurde wiederholt der politische Wille zur umfassenden Reform des Staatswesens (Etablierung von Rechtsstaatlichkeit, Schutz von Menschenrechten, Demokratisierung, Föderalisierung) bekundet. 2016 und 2017 konnten mit der Gründung der Gliedstaaten und einem relativ demokratisch erfolgten Machtwechsel wichtige Weichen in Richtung Demokratisierung, legitimer Staatsgewalt und Föderalismus erreicht werden. In den anderen Bereichen ist die Situation nach wie vor mangelhaft. Insbesondere das Verhalten der Sicherheitskräfte, Aufbau, Funktionsweise und Effizienz des Justizsystems und die Lage im Justizvollzug entsprechen nicht den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes (AA 04.03.2019).

Der UN Security Council verlängerte am 27.03.2019 das Mandat der UN-Hilfsmission in Somalia (UNSOM) bis zum 31.03.2020 (BAMF 01.04.2019).

ad a) Somalia

Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen, insbesondere Clan-Strukturen, vergeben. Traditionell benachteiligte Gruppen wie Frauen, Jugendliche, ethnische Minderheiten, LGBTI, Behinderte usw. sehen sich somit nicht oder nicht hinreichend vertreten Im November und Dezember 2016 wurde von über 14.000 Wahlmännern und -frauen ein 275-köpfiges Parlament gewählt. Dieser Prozess ist ein bemerkenswerter demokratischer Fortschritt, da noch bei der letzten "Wahl" die Mitglieder des Parlaments unmittelbar durch einzelne Clanälteste bestimmt worden waren. Die Präsidentschaftswahl fand am. 8. Februar 2017 statt, als Gewinner ging der frühere Premierminister Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmajo" hervor, am 29. März wurde die neue Regierung unter Premierminister Hassan Ali Khayre bestätigt und vereidigt (AA 04.03.2019).

Jubalands Sicherheitsminister Abdirashid Hassan Abdinur (Abdirashid Janan) wurde am 31.08.2019 von der somalischen Bundesregierung (FGS) in Mogadischu verhaftet. Ihm werden verschiedene Verbrechen vorgeworfen, darunter Tötungen, Folter, rechtswidrige Inhaftierungen und die Blockierung der humanitären Hilfe in 2014 und 2015. Amnesty International fordert einen fairen Gerichtsprozess vor einem Zivilgericht. Die Regierung Jubalands nannte die Verhaftung eine "Entführung" und "illegal". Die Verhaftung erfolgt in einer Zeit zunehmender Spannungen zwischen der FGS und der Regionalverwaltung in Jubaland: im August weigerte sich die Bundesregierung, die Ergebnisse der Bundestagswahlen anzuerkennen, die Ahmed Madobe erneut zum Regionalpräsidenten wählten (BAMF 09.09.2019).

(AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Innenpolitik, Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2019, 04.03.2019

USDOS, U.S. Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2018, Somalia, 13.03.2019, https://www.state.gov/documents/organization/289253.pdf

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 01.04.2019,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2006127/Deutschland___Bundesamt_f%C3%BCr_Migration_und_Fl%C3%BCchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_01.04.2019_%28deutsch%29.pdf

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Überblick, Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/somalia/203130

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 09.09.2019,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2016900/Deutschland___Bundesamt_für_Migration_und_Flüchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_09.09.2019_%28deutsch%29.pdf)

Parteiensystem

ad a) Somalia

Es gibt keine Parteien im westlichen Sinn. Die politischen Loyalitäten bestimmen sich in erster Linie durch die Clan-Zugehörigkeit oder religiöse Bindung an informelle Gruppierungen. Im September 2016 verabschiedete der Präsident ein Parteiengesetz, das die Grundlage für eine Parteienbildung werden soll. Trotz vorgesehener Mechanismen, die eine breite geografische Repräsentanz in den Parteien sicherstellen sollen, ist nicht ausgeschlossen, dass die Parteienbildung im Wesentlichen anhand von Clan-Zugehörigkeit stattfindet und somit zu einer weiteren Manifestierung des Clan-Systems führt (AA 04.03.2019).

Eine Besonderheit der Politik und Geschichte Somalias liegt in der Bedeutung der Clans. Clans sind auf gemeinsame Herkunft zurückgehende Großfamilienverbände mit einer bis zu siebenstelligen Zahl von Angehörigen. Die Kenntnis der Clanstrukturen und ihrer Bedeutung für die somalische Gesellschaft ist ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis der politischen und historischen Entwicklungen in Somalia. Die übergeordneten Clans in Somalia sind die Hawiye, Darod, Issaq, Dir und der Clanverbund der Digil-Mirifle bzw. Rahanweyn. Aufgrund des jahrzehntelangen Bürgerkriegs ist es nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Issaq und Digil-Mirifle stellen wohl je 20 bis 25 Prozent der Gesamtbevölkerung, die Dir deutlich weniger. Über 95 Prozent aller Somalier fühlen sich einem Sub-Clan zugehörig, der genealogisch zu einem der Clans gehört. Auch diese Sub-Clans teilen sich wiederum in Untereinheiten auf. Die Zugehörigkeit zu einem Clan bzw. Sub-Clan ist ein wichtiges Identifikationsmerkmal und bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA Innenpolitik Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019).

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2019, 04.03.2019

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Innenpolitik, Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162)

Abstammungslinie

Die in der somalischen Gesellschaft übliche Art, seine Abstammungslinie aufzuzählen, heißt Abtirsiimo (auch Abtirsiin). Dies bedeutet wörtlich übersetzt "das Zählen der Väter". Ein Somali beginnt diese Aufzählung bei sich bzw. seinem eigenen Vater, nennt dann den Großvater, den Urgroßvater etc. Die Linie setzt sich theoretisch fort bis zu den somalischen Gründervätern Samaale und Saab bzw. von diesen aus weiter über den Propheten Mohammed bis hin zum ersten Menschen, Adam. Im Rahmen dieser Aufzählung wird - beginnend auf der tiefsten Stufe - auch die Zugehörigkeit zu den verschiedenen Clan-Stufen erwähnt. Dabei gibt es aber einen entscheidenden Unterschied zwischen der top-down-Aufzählung der Clanzugehörigkeit und der bottom-up-Aufzählung der Abstammungslinie. In der Abstammungslinie werden alle männlichen Vorfahren genannt, einschließlich jener, die einem Clan ihren Namen gegeben haben. Bei der Clanzugehörigkeit hingegen sind es nur eben jene, die einem Clan, Sub-Clan etc. ihren Namen gegeben haben. Nun ist aber der Stammvater des Sub-Clans meist nicht der Sohn des Clanvaters. In der Regel liegen zwischen ihnen mehrere Generationen. Diese werden bei der top-down-Aufzählung meist ausgelassen. Deshalb umfasst die bottom-up-Aufzählung (Abtirsiimo) deutlich mehr Positionen als die top-down-Aufzählung der Clanzugehörigkeit. Kinder beginnen üblicherweise ab dem Alter von etwa fünf bis acht Jahren, ihren Abtirsiimo zu lernen. Sie beherrschen diesen ab dem Alter von acht bis elf Jahren. Das Wissen wird ihnen von den Eltern oder Großeltern vermittelt. Abtirsiimo wird beispielsweise dann angewandt, wenn man das genaue Verwandtschaftsverhältnis zu einer anderen Person herausfinden möchte, wenn starke Clans ihre Dominanz gegenüber Minderheiten zeigen möchten, um berühmte Personen eines Clans zu preisen, und in Erbschaftsfragen. Er ist auch nützlich, um die Eltern oder Verwandten von unbegleiteten Kindern herauszufinden. Auch die berufsständischen Gruppen und teils die ethnischen Minderheiten haben einen Abtirsiimo. Der Unterschied zu den "noblen" Clans besteht darin, dass er nur bis zum Gründervater der Gruppe zurückreicht, nicht zu Samaale oder Saab; dies sind meist ungefähr 25 Generationen (SEM 31.05.2017).

(SEM, Staatssekretariat für Migration, EJPD, Schweizerische Eidgenossenschaft, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Focus Somalia, Clans und Minderheiten, 31.05.2017, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf)

Madhiban/Madhibaan

Verschiedenen Quellen zufolge leben Madhiban über Somalia verstreut. Sie leben im Norden und in Zentralsomalia, so auch in Hiraan, Mogadischu und Kismayo. Laut Informationen der Asylforschungsberatung (ARC) aus dem Jahr 2017 lebten Madhiban auch über Südsomalia verstreut. Die Madhiban stammen ursprünglich aus den Distrikten Mudug und Nugal, wo sie traditionell mit verschiedenen Hawiye-Clans, darunter Gurgate, in Verbindung standen (EASO 29.01.2019).

Für die berufsständischen Gruppen gibt es zahlreiche somalische Bezeichnungen, bei denen regionale Unterschiede bestehen. Häufig genannt werden Waable, Sab, Madhiban (Madhibaan) und Boon. Zur Regierungszeit von Präsident Siyaad Barre (1969-1991) nannte man sie Dan Wadaag. Die landesweit geläufige Bezeichnung Midgaan ist negativ konnotiert (er bedeutet "unberührbar" oder "ausgestoßen") und wird von den Berufsgruppen-Angehörigen als Beleidigung empfunden; sie bevorzugen Begriffe wie Madhibaan oder Gabooye. Nach Angaben der meisten Gesprächspartner der Fact-Finding Mission umfasst er nicht alle Berufsgruppen, aber zumindest vier untereinander nicht verwandte Clans berufsständischer Gruppen: Tumaal, Madhibaan, Muse Dheriyo und Yibir. Die Madhibaan sind ursprünglich Jäger, heute aber als Färber, Gerber, Schuhmacher und in anderen Berufen tätig. Sie leben im ganzen somalischen Kulturraum. Einer Quelle zufolge gibt es auch innerhalb der Berufsgruppen-Clans stärkere und schwächere Abstammungslinien, die schwächeren seien marginalisiert. Vertreter einer Nichtregierungsorganisation, die sich für Minderheiten einsetzt, widersprachen aber dieser Darstellung. Einer anderen Quelle zufolge sind die urbanen Gabooye generell bessergestellt als andere Berufsgruppen. Heute hat sich die Situation für die Gabooye im Vergleich zur Zeit um die Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Weder das traditionelle Recht Xeer noch Polizei und Justiz benachteiligen gemäß Erkenntnissen der Fact Finding Mission die Minderheiten systematisch. Xeer-Verträge wurden - gemäß Informationen aus dem Jahr 2009 - nur zwischen Mehrheitsclans geschlossen, Minderheiten waren meist ausgeschlossen. Sie können dem Xeer-System aber indirekt beitreten durch ein vertraglich festgelegtes Klientelverhältnis mit einem Mehrheitsclan. Das Brauchtumsrecht Xeer sieht Allianzen zwischen Gruppen vor, die Gaashaanbuur genannt werden. Dabei gibt es verschiedene Arten von Allianzen: Nachbarschaft, Angeschlossene, Anhänger und Vortäuschende (bzw. "Adoption"). Die letztere heißt Sheegad. Diesen Status haben normalerweise anzahlmäßig schwache Clans wie z.B. berufsständische Gruppen, da er ihnen erlaubt, gegen außen die Clan- bzw. Abstammungslinie und damit auch den Schutz des alliierten Mehrheitsclans zu übernehmen. Shegaad kann aber auch von Angehörigen eines Mehrheitsclans in Anspruch genommen werden. Während Gabooye auf unterer Ebene noch über Repräsentanten verfügen, sind sie bei Entscheidungen auf höheren Ebenen auf Allianzen mit relevanten Clans angewiesen, um repräsentiert zu werden. Quellen der Fact-Finding Mission zeichneten ein teils neues Bild. So hat beispielsweise in Somaliland die Anerkennung von Gabooye-Suldaans zu einer Aufwertung der berufsständischen Gruppen geführt. Damit geht auch soziale Sicherheit einher. Die Gabooye haben im Xeer ihre Rechte. Zusätzlich sind Verfahren im Xeer meist nicht korrumpierbar und fairer. Allerdings gibt es hier auch Ausnahmen: Laut einer Quelle der Fact Finding Mission macht es beispielsweise einen Unterschied, ob ein Gabooye oder ein Angehöriger eines Mehrheitsclans Täter bei einer Vergewaltigung ist - bzw. ob das Opfer Gabooye oder Mehrheitsangehörige ist. Der gesellschaftliche Umgang mit den Angehörigen von Minderheiten hat sich in den letzten Jahren verbessert. Insbesondere unter jungen Leuten ist die Einstellung zu ihnen gemäß Erkenntnissen der Fact-Finding Mission positiver geworden. Obwohl ein gewisses Stigma weiterhin besteht, ist es mittlerweile für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten, wie mehrere befragte Quellen übereinstimmend aussagten. Dabei handelt es nicht nur um einen oberflächlichen Wandel, sondern um einen "change of mind-set" - selbst bei älteren Generationen. Die offizielle Anerkennung von Minderheiten Clanältesten in Somaliland hat ihren gesellschaftlichen Ruf dort generell verbessert. Ein Gesprächspartner der Fact-Finding Mission ging sogar davon aus, dass in den Städten Somalilands in den nächsten Jahren die Clans zunehmend an Bedeutung verlieren und dafür die Gesellschaftsschichten bzw. soziale Klassen wichtiger werden könnten. Schon jetzt sind die soziale Stufe und die damit verbundene Armut für viele das Hauptproblem. Früher kam es vor, dass Angehörige der Mehrheitsclans Minderheiten-Angehörige aufgrund von Vorurteilen beschimpften. Die soziale Interaktion mit Angehörigen berufsständischer Gruppen wie z. B. das Grüßen oder gemeinsame Mahlzeiten war eingeschränkt. Nach Einschätzung einer westlichen Botschaft kommt es im Allgemeinen zu keinen gezielten Angriffen oder Misshandlungen der Gabooye (SEM 31.05.2017).

Zu den Gabooye/Midgan gehören unter anderem die Gruppen Madhibaan. Im Norden setzen sich die Gobooye aus den Tumaal (Schmiede), Midgan (Schuster, Jäger und Sammler, Giftmacher und Haarschneider) sowie den Yibir zusammen. Eine örtliche NGO habe laut Bericht des DIS vom Jänner 2013 in Mogadischu angegeben, marginalisierte Gruppen wie etwa die Midgan würden größere Ängste als Angehörige der größeren Clans haben. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die Polizei und die Sicherheitskräfte bislang "schwache Einrichtungen" seien (Accord 23.02.2013).

Die MRG (Minority Rights Group International) berichtet im Juni 2012, dass Minderheitengruppen, wie etwa die Gaboye und Madhiban, zu Tausenden in Binnenvertriebenenlager in Somaliland, Puntland und Kenia ziehen würden, wo sie erneut von Diskriminierung betroffen seien. Minderheitengruppen würden außerhalb der traditionellen somalischen Clanstruktur stehen und deshalb über kein Schutzsystem verfügen. Aufgrund sozialer Segregation, Existenznot und politischer Manipulation seien Minderheitengruppen in größerem Ausmaß von Vergewaltigung, Angriffen, Entführung, Beschlagnahmung von Eigentum und den Konsequenzen von Dürre bedroht. Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Jahresbericht zur Menschenrechtslage vom Februar 2014 (Berichtszeitraum: 2013), dass unter anderem die Madhiban und Gabooye zu den Minderheitengruppen zählen würden. Minderheitengruppen, die oft über keine bewaffneten Milizen verfügen würden, seien unverhältnismäßig oft von Tötung, Folter, Vergewaltigung, Entführung und Plünderung durch Milizen und Angehörige von Hauptclans betroffen, die von diesen ungestraft verübt würden. Viele Minderheiten würden in großer Armut leben und von zahlreichen Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung betroffen sein (Accord 12.06.2015).

Wie allgemein bekannt gelten die Madhiban - wie auch andere Angehörige berufsbezogener Kasten (Waable) - als ärmste und marginalisierteste Gruppe in Somalia. Dies wird von mehreren Quellen unzweifelhaft bestätigt. Kasten bzw. Waable bzw. Madhiban sind generell arm und leben in großer Not. Nur wenige konnten jemals die Mittel aufbringen, ins Ausland zu fliehen; so sind diese Menschen auch von Geldflüssen aus der Diaspora weitgehend ausgeschlossen. Gleichzeitig verfügen Angehörige berufsständischer Kasten nur über eine durch ihr geringes Einkommen verursachte schwache Kaufkraft. Dadurch und gleichzeitig auch durch den Ausschluss aus traditionellen Netzwerken bleibt ihnen auch der Zugang zu lukrativen wirtschaftlichen Möglichkeiten verwehrt. Ständische Berufskasten haben traditionell weder das Recht auf Eigentum an Land und Vieh noch das Recht, sich an lokalen Geschäften, Marktwirtschaft oder Politik zu beteiligen. Wenn Kinder überhaupt eingeschult werden, werden diese auch bald wieder von der Schule genommen, um sie als Arbeitskraft einzusetzen. Minderheitenvertreter beklagen, dass ihnen das Recht auf Bildung versagt bleibt. Oft leben sie auch in separaten Wohngebieten. Angehörige von berufsständischen Kasten sind üblicherweise auf ihre traditionellen Berufe beschränkt, bzw. können sie nur derartigen - oder verwandten - Berufen nachgehen. Die Waable [= berufsständische Kasten; also auch Madhiban] besaßen weiterhin keine politische Macht. Sie waren auf lokaler Ebene nicht vertreten und wurden weiterhin von Waranle und Wadaad beeinflusst. Selbst in den Städten, wo sie größere Bewegungsfreiheit hatten, lebten sie in getrennten Gebieten, in Vorstadtghettos. Insgesamt bedeutete der Ausbruch des Bürgerkrieges eine Verschlechterung der Situation der Waable. Nicht nur, dass sie an den drastischen Folgen der Kämpfe zu leiden hatten, traf sie insbesondere auch der Rückschritt der Somali-Gesellschaft als Ganzes. Je weiter entfernt die Erinnerung an staatliche Strukturen zurücklag, desto mehr verfiel vor allem Süd- und Zentralsomalia in eine Zeitreise zum traditionellen Urzustand zurück, zu den historisch verankerten Reglements der Gesellschaft.

Dieser Rückschritt traf die Minderheiten aus mehreren Richtungen:

erstens verloren sie den staatlichen Schutz. Da sich über Jahrzehnte der Staatlichkeit vor allem in den Städten traditionelle Schutzmechanismen auf ein formelles Maß reduziert hatten, fanden sich die Waable wie auch andere ethnische Minderheiten ohne Schutz bzw. Patron wieder. Dementsprechend waren es vor allem in den ersten Jahren des Bürgerkrieges die Minderheiten, welche im Konflikt besonders zum Ziel wurden und überproportional von Tötungen, Vergewaltigungen und Plünderung betroffen waren. Zweitens mussten sich die Angehörigen der Berufskasten aus Mangel einer Alternative zum Patron in das alte System einfügen, wodurch ihnen auf längere Sicht die Möglichkeit genommen wurde, die Ansätze einer Emanzipation fortzuführen. Drittens wurden sie vom rasch entstehenden System der Geldflüsse aus der Diaspora größtenteils ausgeschlossen, da nur wenige von ihnen die Mittel aufbringen konnten, ins Ausland zu fliehen. Selbst bei der Hilfe durch humanitäre Organisationen wurden die Minderheiten diskriminiert. Zum Beispiel sind üblicherweise keine Stellen im öffentlichen Dienst für sie verfügbar. Gleichzeitig verfügen die Waable nur über eine durch ihr geringes Einkommen verursachte schwache Kaufkraft. Dadurch und gleichzeitig auch durch den Ausschluss aus traditionellen Netzwerken bleibt ihnen auch der Zugang zu lukrativen wirtschaftlichen Möglichkeiten verwehrt. Professor Markus Höhne zitiert die in Somaliland tätige Minderheiten-NGO VOSOMWO. Nach deren Aussagen, würden Minderheiten - und hier speziell Frauen - Grundrechte verweigert, so zum Beispiel das Recht auf Bildung. Schon Anfang der 2000er, als einige europäische Regierungen davon ausgingen, dass in Somalia die schlimmste Zeit überstanden sei, war die Angabe der Zugehörigkeit zu einer Minderheitengruppe in Somalia ein relativ sicheres Mittel, um in Europa Asyl zu bekommen. Klarerweise haben auch Angehörige von "noblen" Clans von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, und sich als Minderheitenangehörige (z.B. Midgan oder Ashraf) ausgegeben (BFA Anfragebeantwortung 23.01.2017).

In Mogadischu leben Vertreter der meisten Clans und Minderheiten. In Mogadischu kommen Menschen, über Clangrenzen hinweg, zu Arbeits-und Bildungszwecken und im sozialen Umfeld zusammen sowie um zu heiraten. Einige Gruppen von Minderheiten haben eine gut etablierte Gemeinschaft in Mogadischu, und einige haben in den letzten Jahren ihre Geschäfte und Existenzen wiederaufgebaut. Es gibt keine Aufzeichnungen über die Clan- oder Gruppenzugehörigkeit der Einwohner von Mogadischu, aber nach Angaben lokaler Auskunftspersonen sind "die meisten" Clans in der Stadt vertreten ... Außerdem sind Somalias Regierung und Parlament, in dem alle vier großen Clans in Südsomalia (Darod, Dir, Hawiye und Rahanweyne/Digil) sowie Minderheiten repräsentiert sind (siehe zum Beispiel UNSOM 2016), in Mogadischu vertreten. Obwohl Mogadischus Bevölkerung

weitgehend nach Clan-Zugehörigkeit ... und ihre Loyalität in erster

Linie beim eigenen Clan liegt, ist wichtig zu betonen, dass die Menschen in Bezug auf Arbeit, Handel, Schulbildung und andere soziale Rahmenbedingungen über die Clangrenzen hinweg zusammenkommen. Auch Leute aus verschiedenen Clans heiraten (U.K. Jänner 2019).

(U.K. Home Office, Country Policy and Information Note Somalia, Majority clans and minority groups in south and central Somalia, Version 3.0 Jänner 2019,

https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/773526/Somalia_-_Clans_-_CPIN_V3.0e.pdf

SEM, EJPD, Schweizerische Eidgenossenschaft, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, bzw. nunmehr SEM, Staatssekretariat für Migration, Focus Somalia, Clans und Minderheiten, 31.05.2017, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zur Lage der Gaboye/Midgan, Zahl a-9202-2 (9229), 12.06.2015, http://www.ecoi.net/local_link/309154/448404_de.html

Accord Anfragebeantwortung zu Somalia, Aktuelle Lage von Angehörigen der Madhiban/Midgan, Zahl a-8293, 23.02.2013

Staatendoku, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Somalia, Madhiban in Kismayo, 23.01.2017

EASO, Anfragebeantwortung zur somalischen Kaste der Madhiban, 29.01.2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2002652/SOM_Q3.pdf)

Sicherheitslage

Der Alltag der Menschen vor allem im Süden und in der Mitte Somalias bleibt von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und den sie unterstützenden internationalen Kräften (AMISOM) einerseits und der radikalislamistischen Terrorgruppe

al-Schabaab andererseits geprägt. Mit Waffengewalt ausgetragene Streitigkeiten zwischen rivalisieren Clans oder Sub-Clans kommen hinzu. In den Regionen Puntland und Somaliland ist die Lage insgesamt stabiler. In den zwischen Puntland und Somaliland umstrittenen Grenzregionen (Regionen Sool und Sanaag sowie im östlichen Teil der Region Togdheer) kam es in jüngerer Zeit wieder verstärkt zu bewaffneten Auseinandersetzungen, insbesondere um den umstrittenen Ort Tukaraq. Spannungen und gelegentliche bewaffnete Zusammenstöße gibt es auch in der Stadt Galkayo an der Südgrenze Puntlands mit Galmudug, die Lage hat sich aber seit der Durchführung gemeinsamer Polizeipatrouillen stark verbessert (AA Innenpolitik Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019).

Für westliche Staatsangehörige besteht in ganz Somalia (dies gilt auch für Somaliland und Puntland) ein sehr hohes Entführungsrisiko, ausländische Staatsangehörige werden auch immer wieder Opfer von Mordanschlägen. Außerordentlich gefährlich ist die Lage in Zentral- und Südsomalia, einschließlich des Großraums Mogadischu, wobei jedoch auch in den anderen Landesteilen wie Puntland (Nordosten) und Somaliland (Norden) mit extremer Unsicherheit, Entführungen sowie Terror- und Selbstmordanschlägen gerechnet werden muss. Im ganzen Land besteht die Gefahr von nicht explodierten Minen und Bomben. Sehr hohe Kriminalität (BMEIA Stand 01.10.2019 abgefragt 08.01.2020).

Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat. Gleichwohl gibt es keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland (Regionen Awdaal, Wooqoi Galbeed, Toghdeer, Sool, Sanaag) im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al-Schabaab-Miliz in Frage gestellt (AA 04.03.2019).

Sicherheitskräfte führten im Juli 2019 mit Unterstützung der USA weiterhin Einsätze gegen die al-Schabaab durch. Bei unbestätigten Luftangriffen wurden am 11.07.2019 Berichten zufolge Dutzende al-Schabaab-Kämpfer in Jilib getötet. Unbekannte Bewaffnete hätten im Norden des Landes das Feuer auf ein Fahrzeug in Galkayo in Puntland eröffnet. Mindestens fünf Zivilisten wurden getötet. Bei einem US-Luftangriff am 27.07.2019 wurde ein Mitglied des Islamischen Staates in Somalia (ISIS) getötet. Streitkräfte Somalilands stießen am 10.07.2019 nahe Dhoob in der Region Sanaag mit Kräften von Colonel Arre zusammen, der 2018 von Somaliland nach Puntland übergelaufen war. Vier Soldaten wurden getötet. Bei weiteren Zusammenstößen in der Ortschaft Karin wurden Berichten zufolge zwei somaliländische Soldaten getötet. In der Region Gedo töteten Sicherheitskräfte zwischen 03. und 09.06.2019 fünf al-Schabaab-Kämpfer. Bei Angriffen der al-Schabaab auf kenianische Soldaten am 24.06.2019 wurden in Burgavo in Lower Juba neun al-Schabaab-Kämpfer getötet. In der Region Bay wurden bei Zusammenstößen nahe Bur Eyle am 22.06.2019 elf Soldaten und fünf Kämpfer getötet. In der Region Lower Shabelle wurde bei einem Angriff der al-Schabaab auf einen Militärstützpunkt in Bulo Marer am 27.06.2019 drei Kämpfer und zwei Soldaten getötet, in Jamame wurden zudem mindestens acht Kämpfer getötet. Am 11.06.2019 nahmen die Streitkräfte Puntlands den Militärstützpunkt in Af-Urur kampflos ein, nachdem dieser zuvor, am 08.06.2019, von der al-Schabaab eingenommen worden war. Am 14. Juni 2019 kam es in der Region Sanaag zu Zusammenstößen zwischen Streitkräften Puntlands und Somalilands. Es wurden keine Toten oder Verletzten berichtet. Zwischen 04. und 25.06.2019 wurden laut US-Angaben sechs ISIS-Mitglieder und vier al-Schabaab-Kämpfer bei US-Luftangriffen getötet (Accord Sicherheitslage 04.12.2019).

Entwicklung von Konfliktvorfällen in der Bundesrepublik Somalia vom Juni 2017 bis Juni 2019:

Bild kann nicht dargestellt werden

(Accord 19.12.2019).

Im ersten Halbjahr 2019 kam es zu folgenden Konfliktvorfällen:

XXXX (Accord Sicherheitslage 04.12.2019).

ad a) Somalia

In vielen Gebieten der Gliedstaaten Somalias und der Bundeshauptstadt Mogadischu herrscht Bürgerkrieg. In den von al-Schabaab befreiten Gebieten kommt es weiterhin zu Terroranschlägen durch diese islamistische Miliz. Am 14. Oktober 2017 kam es zu einem der verheerendsten Anschläge der Geschichte Somalias mit über 500 Todesopfern und zahlreichen Verletzten. Ein LKW brachte eine Sprengladung in einer belebten Kreuzung in Mogadischu zur Detonation. Die Al-Schabaab Miliz wird hinter dem Anschlag vermutet, hat sich jedoch nicht offiziell dazu bekannt Seitdem hat es wiederholt Anschläge im Stadtgebiet von Mogadischu mit bis zu 40 Todesopfern gegeben (AA 04.03.2019).

Bei einer Operation US-gestützter somalischer Spezialeinheiten am 13.01.2019 in mehreren Ortschaften außerhalb der Stadt Janaale (Region Lower Shabelle) wurden 85 al-Schabaab-Kämpfer getötet, unter ihnen fünf ausländische Staatsangehörige, so ein somalischer Radiosender. Die ausländischen Kämpfer stammten aus Tansania, Ägypten, Mauretanien, Jemen und Syrien. Al-Schabaab tötete am 18.01.2019 nach eigenen Angaben 57 Soldaten bei einem Angriff auf einen äthiopischen Militärkonvoi nahe der Stadt Burhakaba (Region Bay). Die äthiopische Militärführung machte keine Angaben zur Anzahl der Opfer. Die US-Streitkräfte gaben bekannt, dass bei einem Luftangriff gegen al-Schabaab am 19.01.2019 nahe Jilib (Region Middle Juba) 52 Extremisten ums Leben gekommen seien. Die Operation soll nach Angriffen der al-Schabaab auf zwei Stützpunkte der somalischen Armee erfolgt sein, bei denen laut al-Schabaab mindestens 41 somalische Soldaten das Leben verloren (BAMF 21.01.2019).

Mutmaßliche al-Schabaab-Kämpfer ermordeten am 30.01.2019 einen Gemeindeältesten in Afgoye (Region Lower Shabelle). Das Opfer hatte an der Auswahl der Delegierten für die Parlamentswahl 2016/2017 teilgenommen. Mutmaßliche al-Schabaab-Kämpfer feuerten am 28.01.2019 Granaten auf einen Kontrollpunkt der Sicherheitskräfte in Jowhar (Region Middle Shabelle). Die Anzahl der Opfer ist nicht bekannt. AFRICOM tötete bei einem Luftangriff am 30.01.2019 in der Nähe der Ortschaft Shebeeley bei Beled Weyne (Region Hiraan) 24 Extremisten (BAMF 04.02.2019).

Ein al-Schabaab-Extremist ermordete in Boosaaso am 04.02.2019 einen italienischen Staatsangehörigen, der für die emiratische Gesellschaft DP World in der Verwaltung des Hafens von Boosaaso arbeitete. DP World hatte im Jahr 2017 einen Vertrag über 30 Jahre für die Verwaltung und Entwicklung des Hafens von Boosaaso erhalten. Dagegen hatten damals zahlreiche Einwohner der Stadt protestiert. Al-Schabaab-Angehörige ermordeten nahe der Ortschaft Dhanaane (Region Lower Shabelle) am 05.02.2019 zwei hochrangige Offiziere der somalischen Armee mit einer Sprengfalle. Am 04.02.2019 sollen bei einer Operation der somalischen Armee nahe dem Dorf Farsooley (Region Lower Shabelle) 40 al-Schabaab-Kämpfer getötet worden sein. Sechs Soldaten starben am 06.02.2019 bei einem Angriff der al-Schabaab auf einen Stützpunkt von somalischem Militär und Sicherheitskräften Jubalands in der Region Lower Juba. Bei einer US-gestützen Boden- und Luftoffensive des somalischen Militärs gegen al-Schabaab nahe Barire (Region Lower Shabelle) sollen am 07.02.2019 zehn Extremisten getötet worden sein. United States Africa Command (AFRICOM) unternahm mehrere Luftangriffe. Für einen Angriff am 05.02.2019 nahe Leego (Region Bay) wurden keine Opferzahlen bekanntgegeben. Bei Angriffen am 06.02.2019 nahe Gendershe (Region Lower Shabelle) und 07.02.2019 nahe Barire (Region Lower Shabelle) wurden elf bzw. vier Extremisten getötet. Ein weiterer Luftangriff am 08.02.2019 nahe Kismayo (Region Lower Juba) tötete acht al-Schabaab-Kämpfer (BAMF 11.02.2019).

Bei zwei Luftangriffen des United States Africa Command (AFRICOM) nahe der Stadt Janaale (Region Lower Shabelle) am 11.02.2019 wurden nach Angaben von U.S.-Angaben elf bzw. vier Extremisten getötet. Zivilisten sollen entgegen anderslautender Behauptungen der al-Schabaab nicht zu Schaden gekommen sein. Einheiten des somalischen Militärs und Sicherheitskräfte des Bundesstaates Jubaland griffen am 12.02.2019 Stützpunkte der al-Schabaab nahe der Stadt Jamame (Region Lower Juba) an. Flugzeuge unbekannter Herkunft unternahmen am 14.02.2019 nahe der Stadt El Adde (Region Gedo) einen Luftangriff, bei dem mindestens 13 al-Schabaab-Angehörige ums Leben gekommen sein sollen. Bei einem Angriff der al-Schabaab auf die Baledogle Airbase nahe Wanlaweyne (Region Lower Shabelle) kamen nach Angaben der Extremisten drei U.S.-Soldaten ums Leben. AFRICOM bestritt dies. Puntländische Sicherheitskräfte nahmen im Rahmen einer Operation gegen den IS nordöstlich der Stadt Boosaaso am 11.02.2019 mehrere Personen fest, die sich dem IS anschließen wollten (BAMF 18.02.2019).

Eine Explosion von zwei Sprengfallen der al-Schabaab am 20.02.2019 zerstört

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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