Entscheidungsdatum
15.01.2020Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
G313 2209843-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Nordmazedonien, vertreten durch RA Mag. Stefan ERRATH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.10.2018, Zl. XXXX, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wurde gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gemäß § 52 Abs. 4 FPG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß 46 FPG nach Mazedonien (nunmehr: Nordmazedonien) zulässig ist (Spruchpunkt II.), ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage(Spruchpunkt III.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von sechs Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.).
2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Es wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den angefochtenen Bescheid zu beheben, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
3. Am 21.11.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Nordmazedonien.
1.2. Er hält sich seit dem Jahr 2008 im österreichischen Bundesgebiet auf.
1.3. Der BF hat in Österreich seine Mutter, seinen Stiefvater und seine Schwester als familiäre Anknüpfungspunkte.
1.4. Er war zuletzt von 19.08.2014 bis 19.08.2019 im Besitz eines Daueraufenthaltstitels-EU.
1.5. Der BF besuchte in Nordmazedonien die Volksschule und in Österreich im Zeitraum von 2008 bis 2014 eine Sonderschule für schwerstbehinderte Kinder.
Mit Bescheid des zuständigen Stadtschulrates von Jänner 2009 wurde auf Antrag des BF zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfes - unter vollentsprechender Entsprechung seines Antrages - ein solcher festgestellt.
1.6. Der BF wurde in Österreich mehrmals rechtskräftig strafrechtlich verurteilt (im Februar 2017 wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften und Körperverletzung, im Juni 2017 wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften und im August 2017 wegen Diebstahls und schweren Raubes), wobei seitens des Strafgerichts von einer herabgesetzten Dispositionsfähigkeit des BF aufgrund einer Intelligenzminderung, nicht jedoch von einer Dispositionsunfähigkeit, ausgegangen wurde.
Zuletzt wurde dem BF vom Strafgericht ein Strafaufschub zwecks Absolvierung gesundheitsbezogener Therapiemaßnahmen in Bezug auf seine Suchtmittelabhängigkeit gewährt.
1.7. Der BF war im Bundesgebiet erwerbstätig, ist dabei jeweils jedoch nur kurzzeitigen Beschäftigungen nachgegangen.
1.8. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid wurde, ein rechtmäßiger Aufenthaltsstatus des BF zugrunde gelegt, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Nordmazedonien zulässig ist und gegen den BF ein auf die Dauer von sechs Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. getroffenen Feststellungen beruhen auf dem vorliegenden Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.
Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1
B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm11). Gemäß dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Wie oben ausgeführt, ist aufgrund von § 17 VwGVG die subsidiäre Anwendung von § 66 Abs. 2 AVG durch die Verwaltungsgerichte ausgeschlossen.
Im Gegensatz zu § 66 Abs. 2 AVG setzt § 28 Abs. 3 VwGVG die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr voraus.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 (Waffenverbot), in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebrauch macht.
Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).
3.2. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid wurde im Wesentlichen gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Nordmazedonien zulässig ist und gegen den BF ein auf die Dauer von sechs Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen.
Dieser Bescheid erging, nachdem der BF zum ihm vom BFA vorgehaltenen Ergebnis der Beweisaufnahme eine schriftliche Stellungnahme abgegeben und diverse Nachweise vorgelegt hatte.
Das BFA traf im angefochtenen Bescheid unter anderem unter dem Untertitel "Zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat / im Zielstaat" folgende Feststellungen:
"Sie sind laut Aktenlage gesund und im arbeitsfähigen Alter.
(...). Vom Gericht wurde zwar von einer herabgesetzten Dispositionsfähigkeit auf Grund einer Intelligenzminderung ausgegangen, es wurde aber nicht festgestellt, dass sie dispositionsunfähig sind. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass sie in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, was durch den Umstand bestärkt wird, dass Arbeitsverhältnisse bestanden und derzeit auch ein Beschäftigungsverhältnis besteht.
Es wurde kein Abreißen von Bindungen zum Heimatland behauptet, und ist davon auszugehen, dass sich in ihrem Heimatland Familienangehörige befinden, welche sie dort unterstützen können. Sie haben die Hälfte ihres Lebens in ihrem Heimatland verbracht, und sind für die ha. Behörde keine Umstände feststellbar, welche eine Rückkehr in ihr Heimatland als unzumutbar erscheinen lassen, da sie selbst angegeben haben, in ihrem Heimatland weder strafrechtlich noch politisch verfolgt zu werden."
Die belangte Behörde hat bei ihren Feststellungen die sich aus dem Akteninhalt ergebende Tatsache, dass der BF in Österreich nachweislich die Sonderschule für schwerstbehinderte Kinder besucht hat und demnach (geistig) behindert ist, außer Acht gelassen.
Die Nachweise für den Sonderschulbesuch des BF in Österreich wurden dem BFA mitsamt weiterer Nachweise und einer an das BFA gerichteten schriftlichen Stellungnahme zum dem BF vorgehaltenen Ergebnis der Beweisaufnahme übermittelt.
Auf die geistige Behinderung des BF ist die belangte Behörde gar nicht eingegangen, sondern stellte diese fest, der BF sei "laut Aktenlage gesund".
Das BFA hat unter dem Untertitel "Zur Lage im Herkunftsstaat / im Zielstaat" zwar bestimmte Feststellungen, nicht jedoch entsprechende Länderfeststellungen getroffen. Diese wären, um überhaupt feststellen zu können, ob eine Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat zulässig ist, jedoch unbedingt notwendig gewesen.
Länderfeststellungen zur (medizinischen) Versorgungslage und zur Lage bzw. (Rechts-) Stellung von (schwerst-) behinderten Personen in Nordmazedonien bzw. zu etwaig dort vorkommenden diskriminierenden Behandlungen dieser Personengruppe sind aufgrund der geistigen Behinderung des nunmehr 23 Jahre alten BF, der dem Akteninhalt folgend in Österreich nachweislich im Zeitraum von 2008 bis 2013 eine Sonderschule für schwerstbehinderte Kinder besucht hat, im angefochtenen Bescheid ausständig.
Die belangte Behörde ging, ohne dies zuvor vor dem Hintergrund entsprechender Länderberichte zu Grundversorgung/Sozialhilfe in Nordmazedonien näher ermittelt zu haben, davon aus, dass der BF "in der Lage" sei, seinen "Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, was durch den Umstand bestärkt" werde, "dass Arbeitsverhältnisse bestanden und derzeit auch ein Beschäftigungsverhältnis besteht".
Die erwähnten im angefochtenen Bescheid ausständigen für die gegenständliche Entscheidung relevanten Länderfeststellungen sind somit nachzuholen, um hinreichend begründet aufgrund der Aktenlage vor dem Hintergrund entsprechender aktueller Länderberichte ein Abschiebungshindernis für den BF ausschließen zu können.
Das BFA ging zudem davon aus, dass sich deshalb, weil "kein Abreißen von Bindungen zum Heimatland behauptet" worden sei, im Heimatland des BF noch Familienangehörige befinden", welche den BF dort unterstützen könnten.
Bezüglich der in Österreich aufhältigen Familienangehörige hielt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid fest:
"Familiäre Bindungen bestehen im Bundesgebiet laut Aktenlage zu ihrer Mutter und ihrer Schwester. Auch ihr Stiefvater lebt im gemeinsamen Haushalt."
Die belangte Behörde stellte bestehende familiäre Bindungen des BF im Bundesgebiet fest, setzte sich jedoch nicht mit der Intensität dieser Bindungen näher auseinander. Dies wäre jedoch unter Berücksichtigung des von der belangten Behörde selbst festgestellten Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet bereits seit 2008 und der von der Behörde unberücksichtigt gelassenen geistigen Behinderung des BF unbedingt notwendig gewesen, um auf eine Nahebeziehung bzw. einem Abhängigkeitsverhältnis iSv Art. 8 EMRK und damit auf ein in Österreich bestehendes Familienleben schließen zu können.
Sollte die belangte Behörde - nach durchgeführter Interessensabwägung - wie im angefochtenen Bescheid zum Ergebnis gelangen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei gerechtfertigt und verhältnismäßig, und weiterhin die Erlassung eines Einreiseverbotes befürworten, wird sie das gesamte Verhalten des BF im Bundesgebiet bzw. die den im Verfahrensgang des angefochtenen Bescheides aufgezählten rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden strafbaren Handlungen des BF näher zu berücksichtigen haben, ist eine solche nähere Berücksichtigung doch für die Vornahme einer konkreten, einzelfallbezogenen Beurteilung der Gefährdungsprognose unbedingt notwendig.
Das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren war in den angeführten Punkten somit mangelhaft, sodass die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückverwiesen wird.
4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da im gegenständlichen bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G313.2209843.1.00Zuletzt aktualisiert am
10.03.2020