TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/16 W222 2227422-1

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Veröffentlicht am 16.01.2020
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Entscheidungsdatum

16.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W222 2227422-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.11.2019, Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 27.08.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am gleichen Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, am XXXX / Indien geboren worden und ledig zu sein. Im Heimatland würden seine Eltern leben. Er habe 10 Jahre in seinem Heimatland die Schule besucht und anschließend als Hilfsarbeiter gearbeitet. Er gehöre der Volksgruppe der Punjabi an. Der Beschwerdeführer gab an, immer nach Österreich gewollt zu haben. Er habe gehört, dass Österreich sehr schön und sicher sei. Er habe auch gehört, dass man in Österreich Asyl bekomme - mit der Möglichkeit einer Arbeitsaufnahme. Er wisse nicht, durch welche Länder er gereist sei. Er habe ein Visum für Russland gehabt. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer Folgendes an: "Meine Großeltern haben ihr ganzes Vermögen an mich vererbt. Meine Eltern haben sich aber scheiden lassen. Mein Vater hat dann eine andere Frau geheiratet. Meine Stiefmutter erfuhr bald darauf, dass ich alles von meinen Großeltern geerbt habe. Daraufhin bedrohte mich meine Stiefmutter mit dem Tod. Meine Stiefmutter will mein ganzes Erbe. Deshalb musste ich mein Heimatland verlassen. Ich habe Ihnen all meine Fluchtgründe genannt. Ich habe keine anderen Fluchtgründe mehr." Bei einer Rückkehr habe er Angst vor seiner Familie. Sie würden ihn töten.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 12.11.2019 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab der Beschwerdeführer

Folgendes an: ["]

F: Bitte geben Sie Ihre Personendaten (Name, Alter, Volksgruppenzugehörigkeit, Religion, Familienstand, Staatsangehörigkeit) bekannt. Die VP wird aufgefordert den Namen, das Geburtsdatum und den Geburtsort auf ein Blatt Papier zu schreiben. Die VP ist nicht in der Lage seinen Namen richtig zu schreiben und kann ebenso nicht den Namen seines Geburtsdorfes aufschreiben.

F: Warum können Sie Ihren Namen und den Geburtsort nicht in Punjabi aufschreiben?

A: Meine Eltern sind sehr früh gestorben, meine Tante ließ mich nicht zur Schule gehen.

Vorhalt: Sie haben anlässlich Ihrer Erstbefragung angegeben Sie wären 10 Jahre in Ihrem Heimatdorf zur Schule gegangen, jetzt behaupten Sie nicht zur Schule gegangen zu sein. Was sagen Sie dazu?

A: Ja, das stimmt, ich habe aber auch länger auf Feldern gearbeitet. Ich war nicht regelmäßig in der Schule.

Vorhalt: Aber Ihren Namen und den Namen Ihres Geburtsortes müssten Sie nach 10 Jahren Schulbesuch - wenn dieser auch nicht regelmäßig war - aufschreiben können! Was sagen Sie dazu?

A: Ich war sehr selten in der Schule.

F: Bitte geben Sie Ihre Personendaten (Name, Alter, Volksgruppenzugehörigkeit, Religion, Familienstand, Staatsangehörigkeit) bekannt.

A: XXXX , geboren am XXXX , in XXXX , in Indien. Ich bin ledig und habe keine Kinder. Ich gehöre der Volksgruppe der Jat an. Ich gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikh an. Ich bin indischer Staatsangehöriger.

Vorhalt: Sie haben bei Ihrer Erstbefragung angegeben in XXXX geboren worden zu sein und der Volksgruppe der Punjabi zu sein! Was sagen Sie dazu?

A: Nein, das stimmt nicht, ich wurde in XXXX geboren. Das muss falsch aufgeschrieben worden sein. Die Sprache ist Punjabi, nicht die Volksgruppe. Ich wurde gefragt, welche Sprache ich spreche und die Sprache ist Punjabi.

Anm.: Der Antragsteller wird nochmals ausführlich zur verpflichtenden Mitwirkung im Verfahren (auch im Falle der Beiziehung von Sachverständigen, allenfalls auch der Vertretungsbehörden) sowie der Mitwirkung an der Klärung der Identität und des Alters in jedem Verfahrensstadium vor dem BFA hingewiesen. Er wurde eindringlich darüber aufgeklärt, dass den Angaben im Asylverfahren eine besondere Glaubwürdigkeit zukommt.

F: Haben Sie das verstanden?

A: Ja.

F: Wie verstehen Sie den anwesenden Dolmetscher?

A: Danke gut.

F: Wann waren Sie zuletzt beim Arzt?

A: Als ich in Traiskirchen im Lager war. Nachgefragt gebe ich an, dass ich wegen der Aufnahmeuntersuchung beim Arzt war.

F: Befinden Sie sich in Österreich in regelmäßiger ärztlicher Behandlung, nehmen Sie regelmäßig Medikamente?

A: Nein, ich bin gesund. Ich nehme keine Medikamente und befinde mich in keiner Therapie.

F: Haben Sie Angehörige in einem anderen Staat der EU?

A: Nein.

F: Haben Sie Familienangehörige in Österreich?

A: Nein.

F: Sie wurden bereits anlässlich der Asylantragstellung am 27.08.2019 niederschriftlich einvernommen. Können Sie sich daran erinnern? Haben Sie damals der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

A: Ja, ich habe die Wahrheit gesagt.

F: Können Sie nun irgendwelche Personaldokumente oder andere Beweismittel vorlegen?

A: Nein.

A: Folgende weitere Dokumente werden in Vorlage gebracht:

* Keine

F: Haben Sie je einen Reisepass besessen?

A: Ja, meinen indischen Reisepass mit einem russischen Visum, den gab ich in Moskau meinem Schlepper, der hat den Pass bei sich behalten.

F: Wann und bei welcher Behörde wurde der Pass ausgestellt, wie lange ist der Pass gültig?

A: Mein indischer Reisepass wurde vom Passamt in Amritsar ausgestellt. Das Datum weiß ich nicht mehr.

F: Haben Sie sich den Reisepass anlässlich Ihrer Flucht aus Indien ausstellen lassen?

A: Ja, ich habe einen Freund beauftrag den Reisepass für mich ausstellen zu lassen.

F: Haben Sie den Reisepass offiziell oder gefälscht ausstellen lassen?

A: Nein, es war alles korrekt, ich wollte nur sagen, dass mein Freund dafür bezahlt hat.

F: Habe ich Sie richtig verstanden. Der Reisepass war korrekt für Sie von den indischen Behörden ausgestellt und Sie haben sich den Reisepass unmittelbar vor Ihrer Ausreise für Ihre Flucht ausstellen lassen?

A: Ja.

Vorhalt: Sie sind doch erst vor sehr kurzer Zeit aus Indien ausgereist! Demzufolge müssten Sie wohl wissen wann der Reisepass ausgestellt worden ist! Was sagen Sie dazu?

A: Nein, der Reisepass wurde bereits vor zwei Jahren ausgestellt.

F: Haben Sie jemals strafbare Handlungen in Indien oder einem anderen Land begangen?

A: Nein.

F: Wurden Sie deswegen gerichtlich verurteilt? Wenn ja - von welchem Gericht verurteilt - Datum Gerichtsverhandlung - Höhe Strafmaß, wo haben Sie die Strafhaft verbüßt? Wann wurden Sie entlassen? Können Sie diesbezüglich Beweismittel in Vorlage bringen?

A: Nein.

F: Werden Sie von heimatlichen Behörden, Polizei, Gericht, Staatsanwaltschaft gesucht?

A: Nein.

F: Besteht ein Haftbefehl gegen Ihre Person?

A: Nein.

F: Hatten Sie in Ihrer Heimat Probleme mit den Behörden, den Sicherheitsbehörden, den Gerichten, Staatsanwaltschaft?

A: Nein.

F: Haben Sie sich jemals freiwillig, das heißt von sich aus an heimatliche Behörden, Sicherheitsbehörden, Gerichte, Staatsanwaltschaft etc. gewandt?

A: Nein.

F: Waren Sie in Ihrem Heimatland jemals politisch oder religiös tätig? Mitglied einer Partei oder Organisation?

A: Nein.

F: Haben Sich Ihre Familienangehörigen politisch oder religiös betätigt?

A: Die Familie meiner Stiefmutter gehört zu politischen Kreisen.

F: Bitte machen Sie dazu nähere Angaben!

A: Die Eltern meiner Stiefmutter haben Kontakte zu Ministern.

F: Mehr können Sie dazu nicht sagen?

A: Nein, weil ich nie bei Ihr zu Hause war.

F: Woher wissen Sie nun, dass die Eltern Ihrer Stiefmutter Kontakte zu Ministern haben?

A: Das habe ich von meinem Großvater und von meiner Stiefmutter erfahren, dass die Familie meiner Stiefmutter Kontakte zu Ministern pflegen.

F: Ist das alles was Sie zu den politischen Kontakten der Familie Ihrer Stiefmutter sagen können oder wollen?

A: Ja.

F: Sind Sie jemals konkreten persönlichen Verfolgungshandlungen durch private Dritte und/oder heimatliche Behörden, staatliche Stellen aufgrund Ihrer politischen Gesinnung, religiösen Glaubenszugehörigkeit, Nationalität , Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, Volksgruppenzugehörigkeit ausgesetzt gewesen? Die Bedeutung der Begriffe wurden der VP anhand von Beispielen ausführlich erklärt und erläutert.

A: Nein. Ich hatte einen Landwirtschaftsstreit.

F: Fühlen Sie sich wohl, können Sie sich konzentrieren und verstehen Sie den Dolmetscher einwandfrei?

A: Ja, es geht mir gut und ich verstehe den Dolmetscher einwandfrei.

FLUCHTGRUND

F: Geben Sie bitte Ihre Fluchtgründe die Sie zur Ausreise aus Indien veranlasst haben bekannt. Schildern Sie bitte von den ausschlaggebenden Gründen für Ihre jetzige Ausreise. Was ist in Ihrer Heimat passiert, dass Sie sich zur Flucht entschlossen haben? Schildern Sie die Ereignisse in chronologischer Reihenfolge und so detailreich, dass sich ein Außenstehender ein Bild Ihrer Situation machen kann.

Schildern Sie Ihre Gründe bitte daher unter Angabe von Einzelheiten und anscheinenden Nebensächlichkeiten.

A: Mein Großvater hat ein landwirtschaftliches Grundstück auf meinen Namen überschrieben. Nach seinem Tod hatte ich Probleme, mit meiner Stiefmutter. Ich erhielt Drohanrufe meiner Stiefmutter und von deren Familienangehörigen. Ich sagte zu Ihnen ich werde euch meine Landwirtschaft nicht geben, da sie mir gehört. Sie bedrohten mich mit dem Tod. Ein paar Mal wurde ich auch angegriffen. Ich erzählte meine Probleme meinem Freund und der sagte mir, es wäre besser ins Ausland zu gehen.

F: Sind das alle Ihre Fluchtgründe?

A: Ja, das ist alles.

Aufforderung

Sie erstatten bloß ein abstraktes Vorbringen. Im Asylverfahren ist das Aufstellen von allgemeinen Behauptungen nicht ausreichend. Sie müssen Ihr Vorbringen glaubhaft machen. Glaubhaft können Sie Ihr Vorbringen nur machen, indem Sie in allen Einzelheiten und konkret von den fluchtauslösenden Vorfällen berichten. Machen Sie konkrete Angaben zu den Geschehnissen (Vorfallszeiten, Vorfallsörtlichkeiten, Personendaten, etwaig beteiligte Personen, Umstände und Ihre höchstpersönliche Betroffenheit).

A: Ich habe Ihnen ja alles erzählt. Nach dem Tod meines Großvaters begannen meine Probleme. Davor hatte ich überhaupt keine Probleme.

F: Erzählen Sie in allen Details von den fluchtauslösenden Ereignissen.

Welche Vorfälle veranlassten Sie zur Flucht? Konkret, im Detail, bitte! (Was ist wann, wo wie, weswegen geschehen. Wann wurden Sie bedroht, wie wurden Sie bedroht, wer hat Sie bedroht, etc. etc. etc.

A: Ja, das ist alles. Mehr kann ich nicht sagen.

F: Ist das Alles was Sie über Ihre höchstpersönlichen Flucht/Ausreisegründe, welche sie immerhin zum Verlassen Ihres Heimatlandes und Ihrer Familienangehörigen sowie Aufgabe Ihrer Existenz sagen können/wollen?

A: Ja, das ist alles. Außerdem musste ich die ganze Haushaltsarbeit machen. Meine Stiefmutter ließ mich die gesamte Haushaltsarbeit machen. Wenn ich Geld wollte, gab sie mir kein Geld.

F: An welchen Adressen waren Sie im Heimatland aufhältig und mit wem haben Sie dort zusammengelebt? Unter aufhältig sind auch jene Adressen zu verstehen, wo Sie nicht gemeldet waren und wo Sie für einen Zeitraum gelebt haben, der über einen normalen Besuch hinausreicht.

A: Indien, Provinz Punjab, Dorf XXXX . Als meine Probleme sich verstärkt haben bin ich zu meinem Freund in die Stadt gezogen.

F: In welche Stadt?

A: XXXX .

F: Waren in dieser Stadt Vorfälle?

A: Dort wurde ich ein paar Mal angegriffen.

F: Bitte machen Sie dazu konkrete Angaben. Was ist wann, wo, wie geschehen?

A: Ich war eines Tages mit meinem Freund auf dem Motorrad unterwegs, da wurde ich von jemandem mit einem Hockeyschläger geschlagen. Da ich keine anderen Feinde habe, bin ich überzeugt, dass diese Personen von meiner Stiefmutter geschickt worden sind.

F: Ist das alles was Sie dazu angeben können?

A: Ja, das ist alles.

F: Warum haben Sie diesen Vorfall nicht angezeigt?

A: Die Regierung gehört denen, ich war dort ganz alleine.

F: Bitte machen Sie konkrete Angaben zu Ihrer Stiefmutter und zu deren Familie. Wer sind diese Personen?

A: Ich war nie bei Ihrer Familie. Ich weiß nur, dass die Familie Kontakte mit den Ministern hatte.

F: Ist das alles was Sie zu Ihrer Stiefmutter und zu deren Familie sagen können?

A: Mein Großvater hat mich großgezogen, ich war nie bei ihr zu Hause, deswegen kann ich keine weiteren Angaben über sie machen.

F: Welche Schulbildung haben Sie?

A: 10 Jahre.

F: Was haben Sie beruflich gemacht und wovon haben Sie gelebt?

A: Als mein Großvater noch gelebt hat, habe ich in der Landwirtschaft gearbeitet, damals hatte ich auch noch keine Probleme. Nach seinem Tod haben mich meine Freunde unterstützt.

F: Waren Sie in der Lage Ihren Lebensunterhalt durch Ihre berufliche Tätigkeit zu finanzieren?

A: Ja. Aber mein Leben war in Gefahr.

F: Geben Sie bitte die Personendaten Ihrer nächsten Angehörigen im Heimatland bekannt!

A:

Vater: XXXX , ca. 45 Jahre alt, aufhältig in meinem Heimatdorf XXXX

.

Mutter: XXXX , sie ist bereits an einem natürlichen Tod verstorben.

Cousin väterlicherseits:

XXXX , er ist viel älter als ich, etwas jünger als mein Vater. Er ist in meinem Heimatdorf aufhältig.

F: Ihr Vater ist nach wie vor mit Ihrer Stiefmutter verheiratet?

A: Ja. Nachgefragt gebe ich an, dass sie nach wie vor zusammenleben.

F: Warum hat Ihr Vater nichts gegen Ihre Stiefmutter unternommen?

A: Er sagt vor ihr nichts.

F: Warum nicht?

A: Das weiß ich nicht.

F: Warum haben Sie Ihren Vater nie darauf angesprochen?

A: Ich habe es ihm oft gesagt, aber er hat nie auf mich gehört.

Vorhalt: Wenn Sie oft mit Ihrem Vater gesprochen haben, müssten Sie doch wissen warum er nicht auf Sie gehört hat! Ihr Vater muss doch irgendetwas gesagt haben! Was sagen Sie dazu?

A: Das kann ich nicht erklären.

F: Wovon leben Ihre Familienangehörigen (Vater) im Heimatland?

A: Sie leben von der Landwirtschaft.

F: Verfügen Sie im Heimatland über Haus- Grundbesitz? (Im Falle ja, wo genau, wer lebt in dem Haus, vl. Verpachtet etc.)

A: Ja. Wir haben Landwirtschaft. Nachgefragt gebe ich an, dass wir Ackerbau betreiben. Wir pflanzen Reis und Weizen an. Nachgefragt gebe ich an, dass meine Familie davon leben kann. Wir haben ein großes Ackerland.

F: Haben Sie noch Kontakt ins Heimatland? Wenn ja, mit wem? (telefonisch, E-Mail, postalisch, etc.)

A: Ja, mit meinem Freund. Über Whats up, täglich. Nachgefragt gebe ich an, dass es meinem Freund gut geht. Nachgefragt gebe ich an, dass er nichts Besonderes berichtet, da er in der Stadt wohnt.

F: Geben Sie bitte an wann und wie Sie Ihre Heimat verlassen haben und nach Österreich gereist sind.

A: Vor ca. vier Monaten habe ich Indien verlassen und reiste ich legal mit einem Flugzeug aus Indien aus. Ich flog nach Russland. Von dort habe ich meinen Freund kontaktiert und er sagte, wenn ich weiterreisen möchte könne er meine Reise organisieren. Dann hat er meine Weiterreise organisiert.

F: Wer ist Ihr Freund?

A: Mein Freund ist mein Freund.

F: Ist Ihr Freund ein Schlepper?

A: Nein.

F: Wie kann er dann Ihre Weiterreise von Indien aus organisieren?

A: Er hat Kontakte zu Schleppern.

F: Wie kamen Sie nun von Moskau nach Österreich?

A: Die Schlepper haben mich zu fuß durch die Wälder bis zur Grenze gebracht, dann haben wir die Grenze überquert. Anschließend fuhr ich mit dem Taxi hierher.

F: Wer hat Ihre Ausreise finanziert? Wie hoch waren die Kosten?

A: Die Reise kostete ca. 600.000 bis 700.000 Rupien (gem. Dolmetsch ca. 8.000€).

Es gibt eine Firma namens RTO. Diese hat mir Geld geliehen, da sie mich kannten, da wir immer unsere Ernte an die Firma verkauft haben. Auch meine Freunde haben mir geholfen.

F: Wie groß ist das Grundstück das Ihnen gehört?

A: Insgesamt haben wir 20 Killa (entspricht gem. Dolmetsch ca. 20 Hektar), davon gehören ca. 10 Killa mir.

F: Was ist ein Killa in Indien wert?

A: Es hängt von der Lage ab. Wenn es direkt an der Straße liegt kann es Millionen Rupien kosten. Nachgefragt gebe ich an, dass mein gesamtes Ackerland an die Straße grenzt und es daher sehr viel wert ist.

F: Warum haben Sie Ihr Ackerland nicht verkauft?

A: Die lassen das nicht zu.

F: Wie ist das möglich, Sie haben angegeben, das Ackerland wäre bereits auf Sie überschrieben worden?

A: Rechtlich ist es so, dass ich zum Verkauf des Grundstückes die Unterschrift meines Vaters brauche, ansonsten kann ich das Grundstück nicht verkaufen.

F: Was war Ihr Zielland? Hatten Sie eines?

A: Nein. Ich wollte nur in ein sicheres Land reisen, wo ich die nächsten zwei, drei Jahre gut leben kann.

F: Was meinen Sie mit zwei, drei Jahren, was wäre im Anschluss?

A: Dann gehe ich zurück nach Indien und verwalte meine Landwirtschaft.

F: Wann haben Sie den Entschluss zur Ausreise gefasst?

A: Nachdem ich angegriffen worden bin, habe ich beschlossen, das Land zu verlassen. Wann das war kann ich mich nicht mehr erinnern.

F: Könnten Sie in einem anderen Ort, einer anderen Millionenstadt im Subkontinent Indien leben und arbeiten?

A: Nein.

F: Weswegen nicht?

A: Meine Freunde sagten mir, geh ins Ausland. Ich sagte OK ich fliege ins Ausland.

F: Was hätten Sie zu befürchten, wenn Sie heute nach Indien zurückkehren würden?

A: Das was früher mit mir passiert ist. Nachgefragt gebe ich an, dass ich bereits alles erzählt habe.

F: Besuchen Sie einen Deutschkurs? Sprechen Sie bereits Deutsch?

A: Nein, ich bin erst seit Kurzem da.

Anm.: Die Frage wurde auf Deutsch gestellt. Die VP konnte die Frage nicht verstehen und auch nicht auf Deutsch antworten. Die VP spricht nicht Deutsch.

F: Haben Sie einen sonstigen Bezug (Freunde, Bekannte, österr. Vereinsmitgliedschaften) zu Österreich?

A: Nein.

F: Wovon leben Sie zurzeit in Österreich?

A: Einmal war ich arbeiten, da wurde ich von der Polizei kontrolliert und mir wurde gesagt ich darf nicht arbeiten. Ich bekomme im indischen Tempel mein Essen.

F: Durch welche Arbeitstätigkeit könnten Sie in Österreich Ihr Leben finanzieren?

A: Ich könnte als Zeitungszusteller arbeiten. Nachgefragt gebe ich an, dass ich jede Arbeit annehmen kann, auch schwere körperliche Arbeit auf dem Bau. Jede Hilfsarbeitertätigkeit.

F: Leben Sie im Bundesgebiet in einer Ehe oder eheähnlichen Beziehung oder einer dem gleichkommenden Partnerschaft?

A: Nein.

F: Hatten Sie jemals einen Aufenthaltstitel in Österreich, der nicht auf dem Asylantrag begründet?

A: Nein.

F: Wie haben sie den Dolmetscher verstanden? Vom Inhalt, von der Sprache?

A: Ja.

F: Waren Sie in der Lage alles zu erzählen, Ihr Vorbringen umfassend vorzubringen? Hatten Sie genug Zeit dazu? Möchten Sie noch etwas hinzufügen?

A: Ja. Ich hatte genug Zeit, ich habe alles verstanden und möchte nichts hinzufügen. ["]

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Indien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs.1 Ziffer 5 BFA-Verfahrensgesetz aberkannt (Spruchpunkt VI.). Gem. § 55 Absatz 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl betreffend die konkreten Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes unter anderem aus, dass das Vorbringen nicht glaubhaft ist: "Ihre persönliche Unglaubwürdigkeit wurde aufgrund Ihrer vollkommen widersprüchlichen Angaben anlässlich Ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA festgestellt.

So wurden Sie im Verlauf Ihrer niederschriftlichen Einvernahme vom Leiter der Amtshandlung aufgefordert Ihren Namen, Ihr Geburtsdatum und Ihren Geburtsort auf ein Blatt Papier zu schreiben. Sie waren nicht in der Lage dieser Aufforderung nachzukommen. Darauf mit Vorhalt angesprochen, dass es vollkommen unglaubhaft ist, dass Sie zehn Jahre die Schule besucht haben wollen und nicht einmal in der Lage dazu sind Ihren Namen und den Namen Ihres Geburtsdorfes (Heimatdorfes) in Ihrer Muttersprache aufzuschreiben gaben Sie an, dass Ihre Eltern verstorben wären und Ihre Tante Sie nicht zur Schule gehen habe lassen.

Dem sind aber Ihre weiteren Angaben bezüglich Ihres gesamten Fluchtvorbringens diametral entgegengesetzt. So führten Sie im Folgenden vollkommen widersprüchlich aus bei Ihrem Großvater aufgewachsen zu sein. Keine Rede von irgendeiner Tante, die Sie auch bei Ihren in der Heimat aufhältigen Familienmitgliedern nicht aufgeführt haben. Weiters bleibt bezüglich obig ausgeführtem äußerst befremdlich, dass Sie im weiteren Verlauf Ihrer niederschriftlichen Einvernahme angegeben haben, lediglich Ihre Mutter wäre eines natürlichen Todes verstorben. Ihr Vater aber mit einer anderen Frau verheiratet und wäre diese Familienkonstellation auch fluchtauslösend für Sie gewesen.

Aus Sicht der erkennenden Behörde haben Sie schon in Bezug auf Ihre verwandtschaftlichen Verhältnisse ausschließlich zu konstruieren und zu manipulieren versucht, um Ihr Konstrukt hinsichtlich Ihrer Fluchtgeschichte zu untermauern.

Ebenso unterstreichen Ihre Angaben rund um Ihre schulische Ausbildung Ihre persönliche Unglaubwürdigkeit. Sie wollen der Behörde glaubhaft machen 10 Jahre die Schule in Ihrer Heimat Indien besucht zu haben und wären nicht in der Lage Ihren Namen und Ihren Geburtsort aufzuschreiben. Auch dahingehend wurden Sie im Verlauf Ihrer Einvernahme vor der erkennenden Behörde mit Vorhalt angesprochen und führten vollkommen lebensfremd ins Treffen, Sie hätten vorwiegend auf Feldern landwirtschaftlich gearbeitet und wären nicht regelmäßig bzw. nur sehr selten zur Schule gegangen.

Auch diesbezüglich muss das BFA zu dem Schluss kommen, dass Sie hinsichtlich Ihrer persönlichen Verhältnisse ausschließlich konstruieren und manipulieren, aber offensichtlich den Überblick über die vielfältigen Falschangaben verloren haben und demgemäß nicht mehr in der Lage waren Ihr gedankliches Konstrukt kohärent aufrecht zu erhalten. Denn selbst wenn Sie über 10 Jahre nicht regelmäßig die Schule besucht hätten wäre wohl der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechend anzunehmen, dass Sie zumindest Ihren Namen und den Namen Ihres Geburtsortes ergo Ihres Heimatdorfes aufschreiben könnten.

Im Kontext zu Ihrer persönlichen Unglaubwürdigkeit dürfen auch Ihre Angaben bezüglich Ihres angeblichen Reisedokumentes nicht unerwähnt bleiben. Auch dahingehend haben Sie ausschließlich konstruiert und versucht vor der Behörde unwahre Angaben zu machen.

So wollen Sie einerseits dieses Dokument anlässlich Ihrer Fluchtgründe beantragt haben um andererseits zu behaupten Sie hätten Ihren Reisepass schon vor zwei Jahren ausgestellt erhalten. Auch diesbezüglich tritt für das BFA Ihre persönliche Unglaubwürdigkeit zu Tage.

Ebenso durch Ihre vollkommen abstrusen Angaben bezüglich Ihrer Fluchtroute muss die erkennende Behörde Ihre persönliche Unglaubwürdigkeit ein weiteres Mal als bestätigt betrachten. So gaben Sie an Indien legal nach Moskau verlassen zu haben. Von Moskau wollen Sie nun zu Fuß, durch Wälder, bis an die österreichische Grenze gelangt sein. Nun entbehrt es jedweder Denkmöglichkeit, dass Sie die Strecke von Moskau bis an die österreichische Grenze (rund 1900 Km) zu Fuß - in der von Ihnen angegeben Zeit von ca. 2 Monaten - in der Lage gewesen wären zu bewältigen.

Auch Ihre Angaben, wie Sie zu den immerhin rund 600.000 bis 700.000 Rupien (8.000 €), die Sie für Ihre Flucht aus Indien aufgewendet hätten, gekommen sein wollen, entbehren jedweder Lebensnähe, den wollen Sie Ihr vermeintliches Grundstück, das Ihnen Ihr Großvater angeblich überschrieben haben solle, nicht verkaufen haben können, da dahingehend die Unterschrift Ihres Vaters unabdingbar gewesen wäre. Nicht unerwähnt soll dabei - wie obig bereits beweiswürdigend festgestellt - bleiben, dass Ihre Eltern bereits verstorben sein sollen.

Nun ist es absolut nicht nachzuvollziehen, dass Ihnen eine Firma (RTO), lediglich wegen vorangegangener Geschäfte, die wohl auch vorwiegend Ihr Vater mit dieser Firma (RTO) geführt hätte, Ihnen diese Firma ohne jedwede Sicherheit die nicht unerhebliche Summe von 8.000 € ausgeliehen hätte. Selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung, dass die Firma RTO eine so erhebliche Summe verleihen würde, wäre wohl der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechend anzunehmen, dass diese Firma Sicherheiten einbehalten oder verlangt hätte. Dies führt den allgemeinen Denkgesetzen folgend zu dem Schluss - wieder bei hypothetischer Wahrunterstellung - dass diese Firma auf Ihr angebliches Grundstück zurückgegriffen hätte. In deduktiver Ableitung dieser gedanklichen Konstruktion muss aber nun davon ausgegangen werden, dass auch dahingehend von einer Zustimmung Ihres Vaters - wie Sie es anlässlich einer allfälligen Veräußerung Ihres angeblichen Grundstückes behauptet haben - nicht abgesehen werden könnte.

Schlussendliche tritt Ihre persönliche Unglaubwürdigkeit auch durch Ihre vollkommen widersprüchlichen Angaben in Bezug auf Ihre vermeintliche Stiefmutter deutlich hervor. So behaupten Sie einerseits Sie hätten niemals bei Ihrer Stiefmutter gelebt und könnten daher über Ihre Stiefmutter und auch über deren Familie keinerlei Angaben machen. Um aber anderorts Ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor der Behörde anzugeben, Sie wären durch Ihre Stiefmutter gezwungen worden die Haushaltsarbeit leisten und hätten niemals Geld von Ihr dafür bekommen.

Zusammengefasst muss die erkennende Behörde aufgrund obiger beweiswürdigender Ausführungen zu dem Schluss kommen, dass Sie in Ihrem Verfahren ausschließlich manipulieren und konstruieren. Sie stellen vollkommen widersprüchliche, nicht nachzuvollziehende Behauptungen auf, die jedweden Denkgesetzen widersprechen und ist Ihnen daher jedwede persönliche Glaubwürdigkeit abzusprechen."

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien und stammt aus dem Punjab. Der Beschwerdeführer hat in Indien 10 Jahre die Grundschule besucht und bis zur Ausreise als Hilfsarbeiter gearbeitet. Im Bundesgebiet verfügt der Beschwerdeführer über keinerlei Familienangehörige, er lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft, hingegen halten sich sein Vater und ein Cousin in Indien auf. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer die deutsche Sprache beherrscht, einer regelmäßigen Beschäftigung nachgeht, sich sozial engagiert oder hier Freunde gefunden hat. Er ist gesund und arbeitsfähig.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aus den von ihm genannten Gründen verlassen hat.

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Indien wird das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zugrunde gelegt und insbesondere Folgendes festgestellt:

Politische Lage:

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).

Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:

FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.

Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien, Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_F210BC76845F7B2BE813A33858992D23/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

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CIA - Central Intelligence Agency (15.11.2016): The World Factbook

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India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

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Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 4.1.2017

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 4.1.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2016): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (11.2016): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, http://liportal.giz.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.12.2016

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9.2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9.2016b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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