TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/18 W124 2226100-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.01.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

18.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §15b
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W124 2226100-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis IV. gemäß §§ 3,8,10, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 52 und 55 FPG abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 15b AsylG ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am XXXX den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selbigen Tag gab der BF zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat XXXX stamme, der Religion der Sikhs und der Volksgruppe der Punjabi angehöre. Zu seinem Fluchtgrund führte der BF aus, dass es in Indien keine Sicherheit geben würde. Die Polizei würde Leute ohne Grund verhaften und diese ohne Grund schlagen. Es würde wegen der "Khalistanbewegung" Auseinandersetzungen geben und Vorbereitungen für das Referendum 2020 laufen. Im Falle einer Rückkehr nach Indien befürchte dieser wieder geschlagen zu werden. Er sei schon am Rücken verletzt und geschlagen worden.

Zu seiner Schulausbildung führte der BF aus 10 Jahre die Grundschule, 2 Jahre ein College und im Anschluss daran drei Jahre ein höheres College besucht zu haben. Seine Eltern, ein Bruder und eine Schwester würden nach wie vor in Indien leben. Ausgereist sei er seines Wissens nach legal und habe sich dafür einen indischen Reisepass vom Passamt in XXXX ausstellen lassen.

2. Anlässlich seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX gab der BF an, dass er aus der Stadt

XXXX , Bundesstaat Punjab, stamme und die Sprache Punjabi spreche. Er habe bis zum Jahr 2012 das College besucht und sei wegen der Situation zu Hause bis ins Jahr 2015 nicht mehr in die Schule gegangen. Er habe seinen Bachelor machen wollen.

Zum Umstand, ob der BF in ärztlicher Behandlung stehen würde oder Medikamente einnehme, gab dieser an, dass es ihm gut gehen würde und er nicht in Behandlung sei. Er habe nur etwas Husten.

Vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsland habe der BF im Gemeindeverband XXXX im Distrikt XXXX gelebt. Er habe dort mit seinen Eltern gelebt. Sein Bruder würde sich dort nicht mehr aufhalten. Die Eltern, seine Schwester bzw. sein Bruder würden nach wie vor in Indien leben. Sie würden sich bei verschiedenen Verwandten aufhalten. Die Schwester des BF würde bei ihrem Mann in XXXX leben. Mit seinem im Ausland lebenden Bruder würde der BF keinen Kontakt haben. Das Verhältnis zu seinen im Herkunftsstaat lebenden Verwandten würde sehr gut sein.

Der Vater des BF habe früher gearbeitet, jetzt würde er es nicht mehr machen, da es ihm gesundheitlich schlecht gehen würde, nachdem er einen Herzinfarkt gehabt habe. Wie seine Familie derzeit ihren Lebensunterhalt bestreite wisse der BF nicht. Der BF selbst habe den Beruf des Malers erlernt und als Coach gearbeitet. 12 Jahre lang habe er die Grundschule besucht und mit einem Bachelor abgeschlossen. Sein Vater habe in der Landwirtschaft gearbeitet, während der BF als Maler tätig gewesen sei.

Angezeigt wurde der BF, weil sein Freund bei der "Khalistan" Bewegung sehr aktiv gewesen sei. Man habe ihn beschuldigt, ein aktives Mitglied zu sein. Deswegen sei er angezeigt worden. Erkennungsdienstlich sei der BF von den Behörden seines Landes nicht behandelt worden. Vier bis fünfmal sei er verhaftet worden.

Zu seinen eigentlichen Fluchtgründen führte der BF in der Folge aus:

(.......)

LA: Wieso wurden vier-bis Mal verhaftet?

VP: Ich wurde von der Polizei wegen meiner Freunde befragt, welche Mitglieder der Khalistan Partei sind. Ich wusste nicht wo meine Freunde waren, ich wurde trotzdem verhaftetet.

LA: Wann wurden Sie verhaftet?

VP: In den letzten vier bis fünf Monaten. Ich wurde nachts eingesperrt und in der Früh entlassen.

LA: Haben Sie Beweise, dass Sie vier -fünf Mal in Haft waren?

VP: Nein.

LA: Können Sie Beweise beschaffen?

VP: Nein.

LA: Gehörten Sie jemals selbst einer politischen Partei an?

VP: Nein.

LA: Hatten Sie jemals persönlich Probleme mit heimatlichen Behörden bzw. werden Sie von heimatlichen Behörden - etwa Polizei, Militär oder sonstigen Behörden - offiziell in Ihrer Heimat gesucht, besteht ein Haftbefehl gegen Sie?

VP: Ja, ich hatte Probleme mit der Polizei. Ich wurde als Landesverbrecher verzeichnet, da ich Reden über die Khalistan Bewegung gehalten habe.

LA: Haben Sie in Ihrem Heimatland jemals aus eigenem Antrieb, d. h. von sich aus eine Sicherheitsdienststelle, Polizeidienststelle oder Staatsanwaltschaft oder Gericht aufgesucht? Haben Sie jemals eine solche Einrichtung aufgesucht weil Sie von diesen Behörden etwas benötigt haben?

VP: Ich ging zwar zu Polizei, aber mir wurde nie geholfen. Außerdem wollte mich die Polizei zwingen dass ich die Namen meiner Freunde nenne.

LA: Wie oft waren Sie bei der Polizei?

VP: Zweimal. In den 4-5 Monaten als von der Polizei verhaftet wurde, aber anstatt dass mir geholfen wurde, wurde ich von der Polizei geschlagen. Ich wurde so brutal geschlagen, dass sogar Holzstücke in meine Haut eindrangen.

LA: Wann wurden Sie geschlagen?

VP: Jedes Mal als ich verhaftet wurde, in diesen 4-5 Monaten. Ein genaues Datum kann ich ihnen nicht nennen.

LA: Wieso wurden Sie geschlagen?

VP: Ich wurde die ganze Nacht geschlagen, bis ich den Aufenthaltsort meiner Freunde bekannt gab, ich wusste aber nicht wo sie waren und somit wurde ich die ganze Nacht geschlagen.

LA: Wissen Sie wann Sie geschlagen wurden?

VP: Fünf Mal, ich kann mich an das genau Datum nicht erinnern, Es war zwischen Juni und Juli 2019.

LA: Waren Sie wegen Ihren Verletzungen beim Arzt?

VP: Ja, ich ging sogar in ein Spital. Ich ging in das Spital in XXXX , der Arzt meinte, wenn ich auf die gleich Stelle wieder geschlagen wird, könnte ich sogar sterben.

LA: Haben Sie Befunde aus dem Krankenhaus?

VP: Nein, aber Röntgenbilder, diese habe ich aber in Indien.

LA: Wissen Sie wann Sie im Krankenhaus in Indien waren?

VP: Im Juli 2019.

Anm: Bei Ihrem Aufgriff wurde Ihnen angeboten betreffend ihrer Rückenschmerzen sich ärztliche Untersuchungen zu lassen, verweigerten diese aber.

VP: Ich wurde aber ärztliche untersucht, ich habe eine Salbe bekommen. Ich habe auch starken Husten und habe nur einmal hier im Lager ein Medikament erhalten. Gestern habe ich von 13:00-16:00 Uhr geartet und ich habe kein Medikament bekommen, man sagte mir ich solle heute wieder kommen.

LA: Gehörten Sie jemals einer bewaffneten Gruppierung an? (bei pos.

Antwort: Funktion, Dauer, Position, Tätigkeiten, Gründe des Beitritts, ideologischer Inhalt, Sitz der Gruppierung)

VP: Nein.

LA: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie Ihre Fluchtgründe!

VP: Ich habe große Gesundheitliche Problem, als ich Indien von der Polizei geschlagen wurde sind gewisse Substanzen in meine Haut eingedrungen, dadurch ist in meinem Rücken ein Tumor entstanden, wenn ich in Indien weitergelebt hätte, wäre ich in Indien gestorben. Derzeit suchen die Punjabis bis zum Jahr 2020 einen eigenen Staat namens Khalistan zu gründen, es werden in Dörfern und Städten junge Männer verhaftet, ich habe Angst dass man mich tötet. Viel wurden schon getötet.

LA: Waren Sie bezüglich Ihres Tumors schon beim Arzt?

VP: Nein, sie können mich untersuchen.

LA: Wurde es in Indien festgestellt das Sie einen Tumor haben?

VP: ich war in Indien in ein sehr gutes Spital, ich habe Medikamente erhalten, mir wurde gesagt dass ich einen Tumor am Kreuz habe.

Anm: AW wird aufgefordert zum Arzt zu gehen und Befunde bis zum XXXX bei der Behörde einzubringen.

LA: Haben Sie Beweise, dass viele junge Männer verhaftet wurden oder gar getötet?

VP: Nein, ich habe keine Beweise.

LA: Haben Sie sonst Probleme, außer den geschilderten, in Ihrem Heimatland?

VP: Nein.

LA: Warum haben Sie sich nicht dauerhaft in einem anderen Landesteil Ihres Heimatlandes niedergelassen, um diesen Problemen zu entgehen?

VP: In jedem Staat in Indien gibt es derzeit Problem wegen der Kahlistan Bewegung.

LA: Haben Sie sich in einen anderen Landesteil Indiens niedergelassen?

VP: nein, es gibt keine Verwandten außerhalb von Punjab.

LA: Welche Probleme erwarten Sie im Falle Ihrer Rückkehr in Ihre Heimat?

VP: Ich könnte getötet werden, ich könnte sterben.

(.....)

VP: Ich habe Angst um mein Leben.

LA: Sie haben schriftliche Feststellungen zu Indien ausgefolgt bekommen, mit dem Hinweis, dass Sie bei der heutigen Einvernahme die Möglichkeit haben, dazu Stellung zu beziehen. Möchten Sie zu diesen schriftlichen Feststellungen eine Stellungnahme abgeben?

VP: Die derzeitige Lage in Indien ist äußerst kritisch und gefährlich. Man ist in der Lage alles zu tun.

LA: Wovon bestreiten Sie in Österreich Ihren Lebensunterhalt?

VP: Ich bin der GVS.

LA: Sie sind derzeit in Grundversorgung?

VP: Ja.

LA: Sind oder waren Sie in Österreich jemals berufstätig?

VP: Nein.

LA: Sind Sie in Österreich Mitglied in Vereinen oder Organisationen?

VP: Nein.

LA: Haben Sie in Österreich Kurse oder Ausbildungen absolviert?

VP: Nein.

LA: Wie gut sprechen Sie Deutsch?

VP: Ich spreche kein Deutsch.

LA: Welche Sprache sprechen Sie am besten?

VP: Ich spreche am besten Punjabi und Hindi.

LA: Haben Sie in Österreich Verwandte?

VP: Nein.

LA: Leben Sie mit einer sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft, wenn ja, beschreiben Sie diese Gemeinschaft?

VP: Ich lebe in der BS-OSt.

LA: Ich beende jetzt meine Befragung. Möchten Sie sonst noch irgendwelche Angaben machen?

VP: Nein.

(.....)

3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem BF wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und des weiteres gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen zur Person des BF aus, dass mangels Vorlage eines unbedenklichen Ausweis-, oder Reisedokuments die Identität des BF nicht feststehen würde. Im Verfahren hätten sich keine Hinweise dafür ergeben, dass der BF an einer schweren körperlichen Krankheit oder an einer schweren beziehungsweise krankheitswerten psychischen Störung leiden würde, welche im Falle einer Rückführung nach Indien eine unzumutbare Verschlechterung seines Gesundheitszustandes nach sich ziehen würde.

Zum Gesundheitszustand wurde ausgeführt, dass der BF am Anfang seiner Einvernahme selbst angegeben habe, dass es ihm gesundheitlich gut gehen und er an Husten leiden würde. Am Ende der Einvernahme habe der BF angegeben, dass er am Kreuz einen Tumor haben würde. Dieser sei seinen Aussagen nach in Indien in einem sehr guten Spital festgestellt und medikamentös behandelt worden. Die Behörde habe dem BF eine Frist für die Vorlage von Befunden bis zum XXXX eingeräumt, welche bis zum Tag der Erstellung des Bescheides nicht vorgebracht worden seien. Er habe immer noch die Möglichkeit sich in Indien ärztlich untersuchen zu lassen.

Das Vorbringen, wonach der BF in Indien mit der indischen Polizei Probleme gehabt haben soll, würden nicht als glaubhaft gewertet werden. Eine Gefährdung auf Grund seiner ethnischen, nationalen, religiösen Zugehörigkeit, seiner politischen Überzeugung oder seiner Zugehörigkeit zu einer besonderen sozialen Gruppe habe der BF nicht glaubhaft machen können. Aus dem Vorbringen des BF würde sich nicht der geringste Anhaltspunkt auf das Vorliegen einer Gefährdung seiner Person durch den indischen Staat bzw. Gefährdung, dass der indische Staat den BF nicht zu schützen fähig oder willens wäre, ergeben.

Die Angaben würden sich als unglaubhaft darstellen, nachdem der BF immerhin sechs Tage unbehelligt in XXXX weiterleben habe können. Wenn der BF tatsächlich von der Polizei gesucht worden wäre oder man diesen Straftaten vorgeworfen hätte, wäre davon auszugehen gewesen, dass der BF gefunden worden wäre. Aus welchen Grunde die Polizei den BF nach wie vor suchen würde, obwohl dieser aus der Anhaltung bzw. aus dem Gefängnis entlassen worden sei, sei nicht nachvollziehbar und somit sein Vorbringen unglaubwürdig. Aus den Länderinformationen zu Indien würde sich ergeben, dass in Indien 21 Millionen Sikhs leben und 16 Millionen davon im Punjab angesiedelt sein würden. Dies stelle insgesamt 60% der Bevölkerung des Punjabs dar. Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion würde kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte darstellen. Im Punjab würden Sikhs einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte ausmachen. Überdies hätten Sikhs auch die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen Indiens niederzulassen und ihre Religion frei auszuüben.

Es sei vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative auszugehen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass es in Indien kein geordnetes Meldewesen geben würde. Der BF habe nicht glaubhaft begründen können, wie er in einer beliebigen anderen Stadt in Indien gefunden werden solle. Die Angaben, die Polizei hätte den BF deshalb festgenommen, weil seine Freunde an der Bewegung Khalistans beteiligt gewesen wären, würden für das BFA nicht glaubhaft sein. Der BF habe diesbezüglich keine Beweise vorlegen können.

Dass der BF nach einer Rückkehr nach Indien nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine wirtschaftlich existenzbedrohende Lage geraten würde, sei schon deshalb anzunehmen, weil es sich beim BF um einen grundsätzlich gesunden Mann im arbeitsfähigen Alter handeln würde, der offenkundig auch bisher schon sein Auskommen in Indien gefunden habe. Dass es ihm nicht zumutbar sei seinen Lebensunterhalt nach einer Rückkehr durch Gelegenheitsarbeiten zu verdienen oder sich beruflich anders zu orientieren, ergebe sich weder aus den Angaben des BF, noch könne aus den dem Verfahren zugrunde gelegten Länderinformationen erkannt werden, dass die objektive Lage in Indien dies von vornherein als aussichtlos erscheinen lasse.

Zum Eingriff in das Privat-, und Familienleben wurde ausgeführt, dass ein Teil seiner Familie nach wie vor im Heimatland leben würde und der BF hingegen im Bundesgebiet über keinerlei familiäre oder verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte verfüge. Dass keine besondere Integrationsverfestigung bestehe, ergebe sich schon aus der relativen Kürze des bisherigen Aufenthaltes in Österreich. Seit seiner illegalen Einreise habe der BF zu keinem Zeitpunkt ernsthaft damit rechnen können, dass ihm ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zukommen könne. Der BF habe keine Verwandten im Bundesgebiet, allfällige freundschaftliche Beziehungen seien zu einem Zeitpunkt eingegangen worden, an dem sich der BF seiner prekären aufenthaltsrechtlichen Position bewusst sein habe müssen, illegal eingereist zu sein. Er sei auf Dauer nicht selbsterhaltungsfähig und habe keine über das Regelmaß hinausgehende Integration erkannt werden können.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde. Nach Wiederholung der Fluchtgründe wurde moniert, dass das BFA keine Grundlage dafür habe einfach aus einem persönlichen Gefühl des Referenten heraus eine negative Entscheidung zu fällen, die mit mangelnder Glaubwürdigkeit begründet sein würde. Der BF habe ausreichendes Vorbringen erstattet, dass konkrete Recherchen der Behörde hätte auslösen müssen. Die aktuellen Probleme wegen der Unabhängigkeitsbestrebung "Khalistans" hätten als allgemein bekannt vorausgesetzt werden müssen, zumal das BFA zur Führung einer Staatendokumentation verpflichtet sein würde.

In Verbindung, dass dem BF auch die Zugehörigkeit zu den Sikh zugestanden werden würde, ergebe sich, dass das Vorbringen auf Grund der Probleme mit der Unabhängigkeitsbestrebung in der Heimatregion höchstpersönlich verfolgt worden zu sein, nicht prima vista unrelevant sein würde. Bei einer unparteiischen Prüfung des Vorbringens hätte das BFA zum Schluss kommen können, dass sich die vom BF geschilderten Umstände wahrscheinlich zugetragen hätte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat XXXX , gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs und der Volksgruppe der Punjabi an. Seine Identität steht nicht fest. Er beherrscht die Sprache Hindi, sowie etwas Englisch. Im Herkunftsstaat besuchte er zehn Jahre die Grundschule, zwei Jahre ein College und im Anschluss drei Jahre ein höheres College. Zuletzt arbeitete der BF als Drucker. Er ist ledig und hat keine Kinder.

Die Verfolgungsbehauptungen des BF sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Der BF hatte im Herkunftsstaat niemals persönlich Probleme mit den heimatlichen Behörden.

Der BF hat keine Verwandten oder sonstigen Familienangehörigen in Österreich und lebt mit niemandem in einer Familiengemeinschaft oder familienähnlichen Gemeinschaft. Er geht keiner Beschäftigung nach und spricht kein Deutsch. Er hat keine Kurse oder Ausbildungen absolviert und ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer Organisation. Der BF bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist strafgerichtlich unbescholten.

Im Herkunftsstaat leben weiterhin die Eltern des BF, mit denen dieser ein gutes Verhältnis pflegt, bei Verwandten von diesen. Die Schwester des BF lebt mit deren Ehegatten in XXXX . Der BF ist gesund und steht im erwerbsfähigen Alter.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat werden die vom BFA den Verfahren zugrunde gelegten Länderberichte herangezogen:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 9.8.2019, Aufhebung Sonderstatus für Jammu und Kaschmir (Relevant für Abschnitt 2./Politische Lage und Abschnitt 3.1./Regionale Problemzone Jammu und Kaschmir).

Indien hat am 5.8.2019 den in der Verfassung festgelegten Sonderstatus (ZO 6.8.2019) der mehrheitlich muslimischen Region (FAZ 6.8.2019) des indischen Teils von Kaschmir per Dekret beendet (ZO 6.8.2019). Unmittelbar darauf hat das Parlament in Delhi die Aufhebung jenes Artikels 370 der indischen Verfassung beschlossen (FAZ 7.8.2019), welcher Jammu und Kaschmir einen Sonderstatus einräumt und vorgeschlagen, den Staat in zwei Unionsterritorien, nämlich Jammu und Kaschmir sowie Ladakh aufzuteilen (IT 6.8.2019).

Der Artikel 370 gewährt der Region eine gewisse Autonomie, wie eine eigene Verfassung, eine eigene Flagge und die Freiheit, Gesetze (BBC 6.8.2019) mit Ausnahme zu Belangen der Außen- wie auch der Verteidigungspolitik (DS 7.8.2019) zu erlassen. Dies stellte einen Kompromiss zwischen der zu großen Teilen muslimischen Bevölkerung und der hinduistischen Führung in Neu-Delhi dar (ARTE 7.8.2019).

Neben dem Artikel 370 wurde auch der Artikel 35A aufgehoben, welcher dem lokalen Parlament erlaubte festzulegen, wer Bürger des Teilstaats ist und wer dort Land besitzen und Regierungsämter ausüben kann (NZZ 5.8.2019).

Die auch in Indien umstrittene Aufhebung der Autonomierechte befeuert die Spannungen in der Region. Kritiker befürchten, dass die hindu-nationalistische Ministerpräsident Narendra Modi und seine Regierung eine "Hinduisierung" des Gebiets anstreben (TNYT 6.8.2019).

Damit Unruhen verhindert werden, haben die indischen Behörden sämtliche Kommunikationskanäle unterbrochen, zusätzlich 10.000 Soldaten (SO 4.8.2019) in die hoch militarisierte Region entsendet (ARTE 7.8.2019) und führende Regionalpolitiker wurden unter Hausarrest gestellt (FAZ 7.8.2019), Medienberichten zufolge wurden bei Razzien im Bundesstaat Jammu und Kashmir mittlerweile mehr als 500 Personen festgenommen (HP 8.8.2019).

Pakistan, das ebenfalls Anspruch auf die gesamte Region erhebt (ORF 5.8.2019), verurteilt den Schritt als illegal und richtet durch das pakistanische Militär eine klare Drohung an Indien und kündigt an, den UN-Sicherheitsrat anzurufen (ZO 6.8.2019). Der pakistanische Regierungschef Khan warnt vor den verheerenden Folgen, die eine militärische Auseinandersetzung haben könnte (FAZ 7.8.2019).

Kritik an dem Schritt der indischen Regierung kommt auch aus Peking (FAZ 6.8.2019). Chinas Außenminister Hua Chunying hat den Schritt Indiens zur Abschaffung des Sonderstatus Kaschmirs als "nicht akzeptabel" und "nicht bindend" bezeichnet (SCMP 7.8.2019).

Es gibt vereinzelte Berichte über kleinere Aktionen des Wiederstandes gegen das Vorgehen der Sicherheitskräfte, welche jedoch offiziell nicht bestätigt worden sind (BBC 7.8.2019).

Anmerkung:

Zuletzt drohte die Situation im Februar 2019 zu eskalieren, nachdem bei einem Selbstmordanschlag dutzende Polizisten in der Region und Hindu-Nationalisten die Bewohner Kaschmirs für das Attentat verantwortlich gemacht haben (ARTE 7.8.2019).

Die Krise zwischen Indien und Pakistan spitzte sich daraufhin derart zu, dass es zu gegenseitigen Luftschlägen gekommen war [siehe KI vom 20.2.2019].

Quellen:

• ARTE - (7.8.2019): Kaschmir: Eskaliert der Konflikt zwischen Indien und Pakistan erneut?

https://www.arte.tv/de/articles/kaschmir-eskaliert-der-konflikt-zwischen-indien-und-pakistan-erneut, Zugriff 8.8.2019

• BBC - British Broadcasting Corporation (6.8.2019): Article 370:

What happened with Kashmir and why it matters, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-49234708, Zugriff 7.8.2019

• BBC - British Broadcasting Corporation (7.8.2019): Article 370:

Kashmiris express anger at loss of special status, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-49261322, Zugriff 8.8.2019

• DS - Der Standard (7.8.2019): Kaschmir-Konflikt: Pakistan weist indische Diplomaten aus,

https://www.derstandard.at/story/2000107163187/pakistan-weist-indische-diplomaten-aus-toter-bei-protesten-in-srinagar, Zugriff 8.8.2019

• FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (7.8.2019): Warnungen aus Islamabad,

https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/kaschmir-konflikt-warnungen-aus-islamabad-16321737.html, Zugriff 8.8.2019

• HP - Huffpost (8.8.2019): India Arrests Over 500 In Kashmir As Pakistan Suspends Railway Service, https://www.huffpost.com/entry/india-arrests-over-500-in-kashmir-as-pakistan-suspends-railway-service_n_5d4c19a7e4b09e729742389e?guccounter=1, Zugriff 9.8.2019

• IT - India Today (6.8.2019): Article 370: China says opposed to Ladakh as Union Territory,

https://www.indiatoday.in/india/story/china-reaction-jammu-kashmir-article-370-1577915-2019-08-06, Zugriff 7.8.2019

• NZZ - Neue Züricher Zeitung (5.8.2019): Indien hebt den Autonomiestatus Kaschmirs auf und riskiert, die Spannungen in der Region drastisch zu verschärfen, https://www.nzz.ch/international/kaschmir-indien-provoziert-mit-der-aufhebung-des-sonderstatus-ld.1499966, Zugriff 9.8.2019

• ORF - Österreichischer Rundfunk (5.8.2019): Indien streicht Kaschmirs Sonderstatus, https://orf.at/stories/3132670/, Zugriff 5.8.2019

• SCMP - South China Morning Post (7.8.2019): China calls India's move to scrap Kashmir's special status 'not acceptable' and not binding,

https://www.scmp.com/news/china/diplomacy/article/3021712/china-calls-indias-move-scrap-kashmirs-special-status-not, Zugriff 7.8.2019

• SO - Spiegel Online (4.8.2019): Pakistan bittet Trump um Vermittlung,

https://www.spiegel.de/politik/ausland/kaschmir-nach-terrorwarnung-verlassen-tausende-das-gebiet-a-1280384.html, Zugriff 6.8.2019

• TNYT - The New York Times (6.8.2019): In Kashmir Move, Critics Say, Modi Is Trying to Make India a Hindu Nation, https://www.nytimes.com/2019/08/06/world/asia/jammu-kashmir-india.html, Zugriff 7.8.2019

• ZO - Zeit Online (7.8.2019): Pakistan weist indischen Botschafter aus,

https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-08/kaschmir-konflikt-pakistan-indischer-botschafter-ausweisung-hasan, Zugriff 8.8.2019

KI vom 27.5.2019, Wahlergebnis Lok Sabha, Wahl zum Unterhaus vom 11.4.2019 bis 19.5.2019 (Relevant für Abschnitt 2.Politische Lage).

Indiens Regierungspartei BJP (Bharatiya Janata Party) von Premierminister Narendra Modi hat die Parlamentswahl in der bevölkerungsreichsten Demokratie der Welt deutlich gewonnen. Die Hindu-Nationalisten erreichten eine absolute Mehrheit der 545 Sitze im Unterhaus (SZ 23.5.2019), wie in der Nacht zum Freitag, aus der Auszählung der abgegebenen Stimmen, durch die Wahlkommission, hervorging. Staatspräsident Ram Nath Kovind wird somit aller Voraussicht nach Premierminister Modi erneut für eine zweite fünfjährige Amtszeit zum Regierungschef ernennen (ZO 24.5.2019), in welcher dieser Indien mit einer neuen, größeren parlamentarischen Mehrheit regieren wird (IT 24.5.2019), Dieses Ergebnis stellt die deutlichste Wiederwahl einer indischen Regierungspartei seit 1971 dar (SZ 23.5.2019).

Mehr als 8.000 Kandidaten traten zur Wahl an, die in sieben Phasen über knapp sechs Wochen, in der Zeit vom 11. April bis zum 19. Mai, durchgeführt wurde (SZ 23.5.2019). Rund zwei Drittel der rund 900 Millionen wahlberechtigten Einwohner Indiens gaben ihre Stimmen ab (IT 24.5.2019), was einer Wahlbeteiligung von 67 Prozent entspricht (SZ 23.5.2019). Dabei siegte die BJP in insgesamt 303 Wahlkreisen (ECI 24.5.2019; vgl. BBC 24.5.2019).

Oppositionsführer Rahul Gandhi, Chef der zuvor jahrzehntelang regierenden Kongresspartei hat die Niederlage akzeptiert und gratulierte Modi zu dessen Sieg (ZO 24.5.2019; vgl. BBC 23.5.2019). Die Kongresspartei bleibt zweitstärkste Kraft im Parlament (ZO 24.5.2019). Sie verbessert sich voraussichtlich geringfügig im Vergleich zu ihrem bislang schlechtesten Wahlergebnis vor fünf Jahren (AJ 24.5.2019).

Modis populistische Politik spaltet das Land. In seiner Amtszeit kam es häufig zu Gewalt von Hindus gegen Muslime und andere Minderheiten. Außerdem wird Modis Wirtschaftspolitik kritisiert (ZO 24.5.2019). Er betonte im Wahlkampf die nationale Sicherheit und stellte sich als Beschützer des südasiatischen Landes - vor allem gegen den Erzfeind Pakistan - dar. Kurz vor der Wahl war es beinahe zu einem Krieg der nuklear bewaffneten Nachbarn gekommen (SZ 23.5.2019).

Nach Angaben des indischen Außenministeriums gratulierten bereits einige Staats- und Regierungschefs Modi zu seinem Wahlsieg, darunter der russische Präsident Wladimir Putin, Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und der pakistanische Premier Imran Khan - noch bevor das Wahlergebnis offiziell war (ZO 24.5.2019).

Premierminister Narendra Modi führt seit dem 25.9.2019 Gespräche zur Bildung eines neuen Kabinetts (REUTERS 24.5.2019).

Quellen:

• AJ - Al Jazeera (24.5.2019): India elections 2019: All the latest updates,

https://www.aljazeera.com/news/2019/05/indian-general-elections-2019-latest-updates-190521080547337.html, Zugriff 24.5.2019

• BBC - British Broadcasting Corporation (24.5.2019): India general election 2019: What happened?

https://www.bbc.com/news/world-asia-india-48366944, Zugriff 24.5.2019

• BBC - British Broadcasting Corporation (23.5.2019): India election 2019: Narendra Modi thanks voters for 'historic mandate', https://www.bbc.com/news/world-asia-india-48389130, Zugriff 24.5.2019

• ECI - Election Commission of India (24.5.2019): Result Status, Status Known For 542 out of 542 Constituencies, Last Updated at 08:10:02 pm On 05/24/2019,

http://results.eci.gov.in/pc/en/partywise/index.htm, Zugriff 24.5.2019 (20:00 Uhr)

• IT - India Today (24.5.2019): Election results 2019: Ab ki baar, 300 paar: Modi makes it mumkin for BJP, https://www.indiatoday.in/elections/lok-sabha-2019/story/election-results-2019-narendra-modi-wins-big-bjp-300-seats-1533550-2019-05-24, Zugriff 24.5.2019

• REUTERS (24.5.2019): Modi begins talks for new cabinet after big election win, Zugriff 24.5.2019

• SZ - Süddeutsche Zeitung (23.5.2019): Regierung von Premier Modi siegt bei Marathon-Wahl deutlich, https://www.sueddeutsche.de/politik/indien-modi-wahl-hindu-1.4459235, Zugriff 23.5.2019

• ZO - Zeit Online (24.5.2019): Regierungspartei gewinnt absolute Mehrheit bei Parlamentswahl,

https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-05/indien-parlamentswahl-narendra-modi-bharatiya-janata-absolute-mehrheit, Zugriff 24.5.2019

KI vom 6.3.2019, aktuelle Ereignisse im Kaschmir-Konflikt (relevant für Abschnitt 3.1./regionale Problemzone Jammu und Kaschmir).

Indien ist am 26.2.2019 zum ersten Mal seit dem Krieg im Jahr 1971 in den pakistanischen Luftraum eingedrungen und flog als Vergeltung für den Selbstmordanschlag vom 14.2.2019 [Anm.: vgl. dazu KI im LIB Indien vom 20.2.2019] einen Angriff auf ein Trainingslager der islamistischen Gruppierung Jaish-e-Mohammad außerhalb der Stadt Balakot (Region Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Pakistan). Dies liegt außerhalb der umkämpften Region Kaschmir (SZ 26.2.2019; vgl. FAZ 26.2.2019b, WP 26.2.2019). Indien ist überzeugt davon, dass der Selbstmordanschlag vom 14. Feber von Pakistan aus geplant und unterstützt wurde (NZZ 26.2.2019).

Über die Auswirkungen des Bombardementsgehen die Angaben auseinander: Während indische Behörden darüber berichten, dass fast 200 (CNN News 18 26.2.2019) Terroristen, Ausbilder, Kommandeure und Dschihadisten getötet und das Lager komplett zerstört wurden, bestätigt das pakistanische Militär zwar den Luftangriff (DW 26.2.2019), verlautbart jedoch, dass sich die indischen Flugzeuge ihrer Bombenlast nahe Balakot hastig im Notwurf entledigt hätten, um sofort aufgestiegenen pakistanischen Kampfjets zu entkommen. Nach pakistanischen Angaben gibt es weder eine große Anzahl an Opfern (Dawn 26.2.2019; vgl. FAZ 26.2.2019a), noch wäre Infrastruktur getroffen worden (DW 26.2.2019).

Beobachter zeigten sich skeptisch, dass bei diesem Militärschlag tatsächlich eine große Anzahl an Terroristen an einem Ort getroffen worden sein könnte. Anwohner des Ortes Balakot berichteten der Nachrichtenagentur Reuters, sie seien am frühen Morgen durch laute Explosionen aufgeschreckt worden. Sie sagten, dass nur ein Mensch verletzt und niemand getötet worden sei. Außerdem erklärten sie, dass es in der Vergangenheit tatsächlich ein Terrorlager in dem Gebiet gegeben habe. Dieses sei aber mittlerweile in eine Koranschule umgewandelt worden (FAZ 26.2.2019b).

Die pakistanischen Streitkräfte haben am 27.2.2019 eigenen Angaben zufolge zwei indische Kampfflugzeuge über Pakistan abgeschossen und bestätigten die Festnahme eines Piloten. Ein Sprecher der indische Regierung bestätige den Abschuss einer MiG-21 (Standard 27.2.2019). Der indische Pilot wurde den indischen Behörden am 1.3.2019 am Grenzübergang Wagah übergeben. Der pakistanische Ministerpräsident Imran Khan bezeichnete die Freilassung als eine "Geste des Friedens" (Zeit 1.3.2019).

Pakistan hat am 27.2.2019 seinen Luftraum vollständig gesperrt (Flightradar24 27.2.2019) und am 1.3.2019 für Flüge von/nach Karatschi, Islamabad, Peschawar und Quetta (am 2.3. auch Lahore) wieder geöffnet (Flightradar24 27.2./1.3./2.3.2019; vgl. AAN 1.3.2019). Der komplette Luftraum wurde - mit Einschränkungen - am 4.3. freigegeben (Dawn 6.3.2019; vgl. Dawn 4.3.2019b).

Am 2.3.2019 wurde gemeldet, dass bei Feuergefechten im Grenzgebiet von Kaschmir mindestens sieben Menschen getötet und zehn weitere verletzt worden waren. Gemäß indischen Medienberichten seien im indischen Teil der Konfliktregion eine 24 Jahre alte Frau und ihre beiden Kinder durch Artilleriebeschuss ums Leben gekommen sowie acht weitere Personen verletzt worden. Nach Angaben der pakistanischen Sicherheitskräfte wurden im pakistanischen Teil Kaschmirs ein Bub und ein weiterer Zivilist sowie zwei Soldaten getötet und zwei weitere Menschen verletzt. Die Armeen der verfeindeten Nachbarn hatten seit 1.3.2019 immer wieder an verschiedenen Stellen über die de-facto-Grenze zwischen den von Pakistan und Indien kontrollierten Teilen Kaschmirs geschossen (Presse 2.3.2019). Am 3.3.2019 meldeten beide Seiten, dass die Lage entlang der "Line of Control" wieder relativ ruhig sei (Reuters 3.3.2019)

Der pakistanische Informationsminister bestätige am 3.3.2019, dass eine entscheidende Aktion gegen die extremistischen und militanten Organisationen Jaish-e-Mohammad (JeM) sowie Jamaatud Dawa (JuD) mit ihrem Wohltätigkeitsflügel Falah-i-Insaniat Foundation (FIF) unmittelbar bevorstehe. Dieses Vorgehen würde in Übereinkunft mit dem National Action Plan (NAP) stehen. Der Beschluss dazu sei bereits lange vor dem Anschlag auf indische Sicherheitskräfte am 14.2. gefallen und erst jetzt veröffentlicht worden. Die Entscheidung sei nicht auf Druck Indiens getroffen worden (Dawn 4.3.2019a).

Quellen:

• AAN - Austrian Aviation Network (1.3.2019): Pakistan öffnet den Luftraum wieder teilweise,

http://www.austrianaviation.net/detail/pakistan-oeffnet-den-luftraum-wieder-teilweise/, Zugriff 4.3.2019

• CNN News 18 (26.2.2019): Surgical Strikes 2.0: '200-300 Terrorist Dead',

https://www.news18.com/videos/india/surgical-strikes-2-0-200-300-terrorist-dead-2048827.html, Zugriff 26.2.2019

• Dawn (26.2.2019): Indian aircraft violate LoC, scramble back after PAF's timely response: ISPR, https://www.dawn.com/news/1466038, Zugriff 26.2.2019

• Dawn (4.3.2019a): Govt plans decisive crackdown on militant outfits,

https://www.dawn.com/news/1467524/govt-plans-decisive-crackdown-on-militant-outfits, Zugriff 4.3.2019

• Dawn (4.3.2019b): Pakistan airspace fully reopened, says aviation authority, https://www.dawn.com/news/1467600, Zugriff 6.3.2019

• Dawn (6.3.2019): Airlines avoiding Pakistan's eastern airspace, making flights longer,

https://www.dawn.com/news/1467798/airlines-avoiding-pakistans-eastern-airspace-making-flights-longer, Zugriff 6.3.2019

• DW - Deutsche Welle (26.2.2019): Indische Jets fliegen Luftangriff in Pakistan,

https://www.dw.com/de/indische-jets-fliegen-luftangriff-in-pakistan/a-47688997, Zugriff 26.2.2019

• FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2019a): Indien fliegt Luftangriffe in Pakistan,

https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indien-fliegt-angriffe-gegen-mutmassliche-islamisten-in-pakistan-16060732.html, Zugriff 4.3.2019

• FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2019b): Pakistan: Wir behalten uns vor, auf Indiens Angriffe zu reagieren, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indische-luftwaffe-verletzt-den-pakistanischen-luftraum-16061769.html, Zugriff 4.3.2019

• Flightradar24 (27.2.2019; Ergänzungen am 1.3.2019 und 2.3.2019):

Tensions between India and Pakistan affect air traffic, https://www.flightradar24.com/blog/tensions-between-india-and-pakistan-affect-air-traffic/, Zugriff 4.3.2019

• NZZ - Neue Züricher Zeitung (26.2.2019): Die Spirale der Eskalation dreht,

https://www.nzz.ch/meinung/indien-bombardiert-pakistan-spirale-der-eskalation-dreht-ld.1462893, Zugriff 26.2.2019

• Presse, die (2.3.2019): Kaschmir: Sieben Tote bei Schüssen an Grenze von Indien und Pakistan, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5588780/Kaschmir_Sieben-Tote-bei-Schuessen-an-Grenze-von-Indien-und-Pakistan, Zugriff 4.3.2019

• Reuters (3.3.2019): India-Pakistan border quiet but Kashmir tense amid militancy crackdown,

https://www.reuters.com/article/us-india-kashmir-pakistan-idUSKCN1QK093, Zugriff 6.3.2019

• Reuters (4.3.2019): Pakistan adds flights, delays reopening of commercial airspace,

https://www.reuters.com/article/us-india-kashmir-pakistan-airports/pakistan-adds-flights-delays-reopening-of-commercial-airspace-idUSKCN1QL0SH, Zugriff 5.3.2019

• Standard, der (27.2.2019): Pakistan schießt indische Kampfjets ab, Premier warnt vor "großem Krieg", https://derstandard.at/2000098654825/Drei-Tote-bei-Absturz-von-indischem-Militaerflugzeug-in-Kaschmir, Zugriff 4.3.2019

• SZ- Süddeutsche Zeitung (26.2.2019): Indien bombardiert pakistanischen Teil Kaschmirs,

https://www.sueddeutsche.de/politik/indien-pakistan-luftangriff-1.4345509, Zugriff 26.2.2019

• WP - The Washington Post (26.2.2019): India strikes Pakistan in severe escalation of tensions between nuclear rivals, https://www.washingtonpost.com/world/pakistan-says-indian-fighter-jets-crossed-into-its-territory-and-carried-out-limited-airstrike/2019/02/25/901f3000-3979-11e9-a06c-3ec8ed509d15_story.html?utm_term=.ee5f4df72709, Zugriff 26.2.2019

• Zeit, die (1.3.2019): Pakistan lässt indischen Piloten frei, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-03/kaschmir-konflikt-pakistan-indischer-pilot, Zugriff 4.3.2019

KI vom 20.2.2019, Selbstmordanschlag auf indische Sicherheitskräfte Awantipora/Distrikt Pulwama/Kaschmir am 14.2.2019, Feuergefecht in Pinglan/Distrikt Pulwama/Kaschmir am 18.2.2019 (relevant für Abschnitt 3.1./regionale Problemzone Jammu und Kaschmir).

Bei einem Selbstmordanschlag (TOI 15.2.2019) auf indische Sicherheitskräfte im Gebiet von Goripora bei Awantipora im Distrikt Pulwama in Kaschmir wurden am 14.2.2019 mindestens 44 Menschen getötet. Dutzende wurden verletzt (IT 15.2.2019).

Wie durch die Polizei mitgeteilt wurde, explodierte ein mit etwa 350 Kilogramm Sprengstoff beladener Geländewagen auf einer Autobahn im Distrikt Pulwama (DS 14.2.2019). Ziel des Anschlags war ein Konvoi von 78 Bussen der paramilitärischen Polizeitruppe Central Police Reserve Force (CRPF), der auf der streng bewachten Verbindungsstraße zwischen den Städten Jammu und der Hauptstadt des indischen Bundesstaates Jammu und Kaschmir Srinagar, unterwegs war (DW 14.2.2019). Die aus Pakistan stammende Terrorgruppe Jaish-e-Mohammed (JeM) reklamierte den Anschlag für sich (ANI 14.2.2019).

Die Gruppe, welche in Pakistan entstanden ist, verfügt dort über Rückzugsgebiete und nutzt Kaschmir als Arena für ihre Gewalttaten. Indien geht davon aus, dass die Terroristen von Kreisen innerhalb des pakistanischen Militärs unterstützt werden (SZ 15.2.2019).

Lokalen Beamten zufolge stellt der erfolgte Bombenanschlag den schlimmsten Anschlag in der umkämpften Region seit drei Jahrzehnten dar (TNYT 14.2.2019).

Indiens Premierminister Narendra Modi sprach auf Twitter von einem "niederträchtigen Angriff" und bezeichnete die Toten als "Märtyrer" und kündigte des Weiteren an, dass "Die Opfer, die unsere mutigen Sicherheitskräfte gebracht haben, [...] nicht vergeblich sein [werden]" (DS 14.2.2019). Während Pakistan Vorwürfe hinter dem Selbstmordanschlag zu stehen zurückweist, fordert die indische Regierung von Pakistan gegen die Gruppe vorzugehen (DS 15.2.2019).

Bei einer mit dem Bombenanschlag im Zusammenhang stehenden Aktion der indischen Sicherheitskräfte wurden am 18.2.2019 bei einem Feuergefecht zwischen Militanten und der indischen Armee in Pinglan im Distrikt Pulwama fünf Angehörige der indischen Sicherheitskräfte, drei Militante und ein Zivilist getötet. Mindestens sieben Sicherheitskräfte wurden verletzt. Nach Angaben der Polizei waren die getöteten Militanten Mitglieder der JeM, welche am Anschlag des 14.2.2019 im nahe gelegenen Awantipora beteiligt waren (TIT 18.2.2019).

Auf die Ankündigung des pakistanischen Premierministers Imran Khan, die Behauptungen Indiens zu untersuchen, und auf dessen Warnung, Pakistan würde Vergeltungsmaßnahmen gegen jede indische Militäraktion ergreifen (TNYT 19.2.2019), reagierte Indien in heftiger Form, indem es Islamabad als "das Nervenzentrum des Terrorismus" bezeichnete (TOI 19.2.2019). Die Spannungen zwischen Indien und Pakistan haben sich intensiviert; beide Länder haben ihre Botschafter zu Konsultationen zurückgerufen (TNYT 19.2.2019).

Anmerkung:

Auf einen Angriff auf einen Militärstützpunkt in Kaschmir, bei welchem 19 indischen Soldaten getötet wurden, reagierte Indien im September 2016 eigenen Angaben zufolge mit einem "chirurgischen Schlag" im pakistanischen Teil Kaschmirs. Auch damals machte Indien JeM für den Anschlag verantwortlich (DS 14.2.2019).

Kommentar:

Die Lage vor Ort wird weiterhin beobachtet und gegebenenfalls wird mit weiteren Kurzinformationen reagiert.

Quellen:

-

ANI - Asia News International (14.2.2019): 12 CRPF personnel killed in terror attack in Kashmir, https://www.aninews.in/news/national/general-news/12-crpf-personnel-killed-in-terror-attack-in-kashmir20190214170929/, Zugriff 14.2.2019

-

DS - Der Standard (15.2.2019): Pakistan weist Verantwortung für Terror in Indien von sich,

https://derstandard.at/2000098045261/Pakistan-weist-Verantwortung-fuer-Terror-in-Indien-von-sich, Zugriff 15.2.2019

-

DS - Der Standard (14.2.2019): Dutzende Tote bei Anschlag auf indische Sicherheitskräfte in Kaschmir, https://derstandard.at/2000098009156/Zwoelf-Soldaten-in-Kaschmir-durch-Anschlag-getoetet, Zugriff 14.2.2019

-

DW .- Deutsche Welle (14.2.2019): Viele Tote bei Terroranschlag in Kaschmir,

https://www.dw.com/de/viele-tote-bei-terroranschlag-in-kaschmir/a-47523658 Zugriff 14.2.2019

-

IT - India Today (15.2.2019): Kashmir terror attack: Pakistan says attack matter of concern, rejects India's charges | As it happened, https://www.indiatoday.in/india/story/pulwama-awantipora-jammu-and-kashmir-terror-attack-live-1456117-2019-02-14, Zugriff20.2.2019

-

SZ - Süddeutsche Zeitung (15.2.2019): Der andere Wahlkampf, https://www.sueddeutsche.de/politik/indien-und-pakistan-der-andere-wahlkampf-1.4331915, Zugriff 17.2.2019

-

TIO - Times of India (15.2.2109): Pulwama terror attack: What we know so far,

https://timesofindia.indiatimes.com/articleshow/67994287.cms?utm_source=contentofinterest&utm_medium=text&utm_campaign=cppst, Zugriff 18.1.2019

-

TIT - The Irish Times (18.2.2019): Four Indian soldiers among dead in Kashmir gun battle,

https://www.irishtimes.com/news/world/asia-pacific/four-indian-soldiers-among-dead-in-kashmir-gun-battle-1.3797668, Zugriff 19.2.2019

-

TNYT - The New York Times (19.2.2019): Pakistan Offers to Investigate Deadly Suicide Bombing in Kashmir, https://www.nytimes.com/2019/02/19/world/asia/pakistan-imran-khan-india-kashmir.html?rref=collection%2Ftimestopic%2FKashmir&action=click&contentCollection=world&region=stream&module=stream_unit&version=latest&contentPlacement=1&pgtype=collection, Zugriff 19.2.2019

-

TNYT - The New York Times (14.2.2019): Kashmir Suffers From the Worst Attack There in 30 Years, https://www.nytimes.com/2019/02/14/world/asia/pulwama-attack-kashmir.html?rref=collection%2Ftimestopic%2FKashmir&action=click&contentCollection=world&region=stream&module=stream_unit&version=latest&contentPlacement=4&pgtype=collection, Zugriff 14.2.2019

-

TOI - Times of India (19.2.2019): "Pakistan is nerve centre of terrorism": India rejects Imran Khan's statement on Pulwama terror attack,

https://timesofindia.indiatimes.com/india/pakistan-is-nerve-centre-of-terrorism-india-rejects-imran-khans-claims-on-pulwama-terror-attack/articleshow/68066363.cms, Zugriff 19.2.2019

2. Politische Lage

Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 23.1.2019; vgl. AA 18.9.2018). Die Zentralregierung hat im indischen Föderalsystem deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten. Indien verfügt über 29 Bundesstaaten und sechs Unionsterritorien (AA 11.2018a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 20.4.2018). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 11.2018a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 18.9.2018), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 11.2018a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 18.9.2018). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten