Entscheidungsdatum
21.01.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
G313 2219372-9/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX geb. XXXX, StA.
Ghana, BFA-Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A) Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt
der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 05.02.2019 wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 57 AVG die Schubhaft zwecks Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.
2. Der BF befindet sich seit 05.02.2019, 09:20 Uhr, durchgehend in Schubhaft.
3. Es folgten vor dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) amtswegige Schubhaftüberprüfungen:
Mit Erkenntnissen des BVwG vom 26.6.2019, Zl. G314 2219372-1, nach mündlicher Verkündung, G314 2219372-2, nach mündlicher Verkündung am 24.07.2019, vom, Zl. G306 2219372-4, nach mündlicher Verkündung am 22.08.2019, und vom 03.10.2019, Zl. G302 2219372-5/6E, nach mündlicher Verkündung am 24.09.2019, nach Überprüfung am 26.11.2019 Zl G313 2219372-7/3 E und zuletzt am 27.12.2019, ZL G302 2219372-8/4Z wurde jeweils nach amtswegiger Prüfung festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
4. Die verfahrensgegenständliche Aktenvorlage zur amtswegigen Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft erfolgte am 20.1.2020.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Ghana.
1.2. Der BF reiste mittels Visum D, ausgestellt durch die Österreichische Botschaft Abuja, am 09.12.2016 in das Bundesgebiet ein. Der Zweck des Visums war die Abholung eines Aufenthaltstitels, welcher den Besuch einer Ausbildung ermöglichen sollte. Der BF war als Vollzeitstudent für einen bestimmten Studienlehrgang eingeschrieben. Der Zweck des anfänglichen Visums wurde irrtümlich gewidmet. In weiterer Folge wurden dem BF durch das Generalkonsulat München ein Visum D, gültig von 01.02.2017 bis 01.06.2017, und ein Visum C, gültig von 01.06.2017 bis 31.08.2017, ausgestellt. Die D-Visa dienten dem Aufenthalt in Österreich und für Reisen im Gebiet der Schengen-Mitgliedstaaten. Das C-Visum war für die Arbeitsaufnahme in Österreich und Reisen im Schengen-Raum im Rahmen eines Praktikums gültig.
1.3. Spätestens am 06.02.2018 verließ der BF Österreich und reiste nach Deutschland, wo er am 07.02.2018 einen Asylantrag stellte. Unter Berufung auf die Dublin III-Verordnung erachtete Deutschland Österreich für die Behandlung des Asylantrages als zuständig. Nach mehreren gescheiterten Überstellungsversuchen teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Eingabe vom 25.09.2018 mit, dass sich die Überstellungsfrist, weil der BF zum damaligen Zeitpunkt auf der Flucht war, auf 18 Monate ausweiten würde.
In der Folge wurde der BF am 04.02.2019 von Deutschland nach Österreich überstellt.
1.4. Am 04.02.2019 wurde der BF aufgrund seines unrechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich festgenommen und im Anschluss daran in das zuständige Polizeianhaltezentrum (im Folgenden: PAZ) eingeliefert.
Ebenso am 04.02.2019 wurde der BF von einem Beamten des PAZ im Beisein eines Dolmetschers für die englische Sprache einvernommen, wobei dem BF auch schubhaftrelevante Fragen für das BFA gestellt wurden.
1.5. Am 04.02.2019 wurde gegen den BF ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung eingeleitet.
1.6. Mit Bescheid des BFA vom 05.02.2019 wurde über den BF die Schubhaft zwecks Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.
1.7. Am 11.02.2019 stellte der BF während aufrechter Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit BFA-Bescheid vom 26.02.2019 wurde dem BF kein Asylstatus und auch kein Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Ghana zulässig ist, gegen den BF ein Einreiseverbot erlassen und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Nach Erhebung einer Beschwerde dagegen ist diese Entscheidung mit Erkenntnis des BVwG vom 08.05.2019 in Rechtskraft erwachsen.
1.8. Da der BF angeblich seinen Reisepass auf dem Weg nach Deutschland verloren hat, wurde mit 16.02.2019 ein HRZ-Verfahren eingeleitet. Seither haben mehrere Urgenzen bezüglich der Ausstellung eines HRZ für den BF stattgefunden.
Zuletzt ist eine Sonderurgenz am 16.10.2019 direkt an den ghanaischen Botschafter LAWSON ergangen.Seitens des BMI wurde die Erlangung eines HRZ ebenfalls vorangetrieben.
Am 12.11.2019 wurde dem Schubhäftling nochmals angeboten unter Rückkehrhilfe freiwillig auszureisen, dieses Angebot wurde abgelehnt.
Am 24.11.2019 kam eine Zustimmung für eine ID-Mission seitens der ghanaischen Botschaft.
Der Termin für die ID-Mssion durch den zuständigen Konsul wird am 16-18.März in Wien stattfinden.
Sobald die Identifizierung seitens der ghanaischen Delegation stattgefunden hat, ist laut Mitteilung des BFA nach HRZ-Zustimmung mit der Abschiebung des Schubhäftlings zu rechnen.
1.9. Fest steht, dass der BF in Österreich keine familiären, sozialen, beruflichen oder sonstigen Bindungen, seit 18.08.2017 keinen Wohnsitz hat und über keine Existenzmittel verfügt, um seinen Lebensunterhalt auf legale Weise bestreiten zu können.
1.10. Vor dem BVwG wurde die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft überprüft wie oben angeführt durchgeführt wurde jeweils nach amtswegiger Prüfung festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen beruhen auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt A):
3.1. Zuständigkeit:
Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a Abs. 4 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, idF BGBl. I Nr. 70/2015, lautet:
"§ 22a. (...)
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(...)."
Mit Vorlage des Verwaltungsaktes beim BVwG am 22.10.2019 gilt die gegenständliche Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen BF eingebracht. Das BVwG hat nunmehr festzustellen, ob zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.
3.2. Relevante Rechtsvorschriften und Judikatur:
3.2.1. Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG),
lautet:
"§ 76. (...).
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. (...),
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
(...).
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(...)."
Als "Fluchtgefahr" nach Art. 2 lit. n Dublin-VO gilt das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven - vom nationalen Gesetzgeber - gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zur Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte. Die in diesem Sinne gesetzlich festgelegten Kriterien des Vorliegens von Fluchtgefahr finden sich in § 76 Abs. 3
FPG.
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist oder wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-VO vorliegen (§ 76 Abs. 2 FPG). Dabei ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
Der mit "Dauer der Schubhaft" betitelte § 80 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG),
lautet:
"§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.
(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.
(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,
kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.
(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.
(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.
(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.
(...)."
3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:
Der BF ist Staatsbürger von Ghana, demnach Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.
Gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG darf die Schubhaft nur dann angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist.
Im gegenständlichen Fall wurde mit Bescheid des BFA vom 05.02.2019 über den BF zwecks Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt.
Diese Schubhaftanordnung erfolgte, nachdem der BF am 04.02.2019 von Deutschland nach Österreich rücküberstellt, in ein PAZ verbracht und gegen ihn am 04.02.2019 ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erlassen worden war.
Der BF wirkte jedoch nicht am Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mit, sondern stellte während aufrechter Schubhaft - offenbar nur zur Verfahrensverzögerung - am 11.02.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz. Da der BF angeblich auf dem Weg nach Deutschland seinen Reisepass verloren hat, musste am 16.02.2019 ein HRZ-Verfahren eingeleitet werden. Mit BFA-Bescheid vom 26.02.2019 wurde dem BF sowohl der Status des Asyl-, als auch der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, und gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Ghana zulässig ist, gegen den BF ein Einreiseverbot erlassen und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Diese Entscheidung ist mit 08.05.2019 in Rechtskraft getreten. Der BF gab im Zuge des vor dem BVwG geführten vierten amtswegigen Schubhaftprüfung in der mündlichen Verhandlung am 22.08.2019 ausdrücklich an, Österreich nicht freiwillig verlassen zu wollen. Auch nach nochmaligem Angebot einer Rückkehrberatung am 12.11.2019 ist der BF nicht bereit freiwillig das Land zu verlassen .
Der BF hat in Österreich keine familiären, sozialen, beruflichen oder sonstigen Bindungen, keinen gesicherten Wohnsitz und auch keine Existenzmittel, mit denen ihm die Bestreitung seines Lebensunterhaltes auf legale Weise möglich wäre.
Da der BF nicht am Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitgewirkt hat, sondern, nachdem er am 05.02.2019 in Schubhaft verbracht worden war, dort am 11.02.2019 - offenbar nur zur Verfahrensverzögerung - einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, gegen ihn mit 08.05.2019 eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot rechtskräftig geworden ist, und der BF in Österreich keine familiären, sozialen, beruflichen Bindungen, seit 18.08.2017 keinen Wohnsitz und keine Existenzmittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes hat, besteht jedenfalls Fluchtgefahr nach § 76 Abs. 3 Z. 1, Z. 3 und Z. 9 FPG.
Wie im Zuge des vorangegangenen Schubhaftverfahrens in der mündlichen Verhandlung am 24.09.2019 vor dem BVwG festgehalten, spricht auch die Äußerung des BF in der mündlichen Verhandlung am 03.06.2019 (im Zuge der ersten amtswegigen Schubhaftprüfung vor dem BVwG), nach Haftentlassung seine Freunde in Europa kontaktieren zu wollen, für eine Fluchtgefahr. Dass der BF grundsätzlich geneigt dazu ist, seinen Lebensunterhalt mittels illegal erworbener Einkünfte zu finanzieren, zeigt sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung am 26.06.2019 (im Zuge der zweiten amtswegigen Schubhaftprüfung vor dem BVwG), er könnte eventuell in Versuchung geraten, Drogen zu verkaufen, da er mittellos ist.
Unter Berücksichtigung des gesamten bisherigen Verhaltens und im Zuge der vorangegangenen Schubhaftverfahren vor dem BVwG in mündlichen Verhandlungen erstatteten Vorbringens des BF, der sich wegen Ablaufs seines Visums in Österreich nach Deutschland abgesetzt, dort einen Asylantrag gestellt und sich dann den Behörden durch Untertauchen entzogen hat, und lange Zeit nicht - erst am 04.02.2019 - von Deutschland nach Österreich rücküberstellt werden konnte, wird mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen, dass der BF nach Schubhaftentlassung untertauchen und zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes kriminellen Machenschaften, etwa in Zusammenhang mit für die Bevölkerung besonders gefährlichen Drogen, wie er es bereits in der mündlichen Verhandlung am 26.06.2019 im fünften Schubhaftverfahren vor dem BVwG öffentlich angekündigt hat, nachgehen wird.
Mit Aktenvorlage wurde unter anderem mitgeteilt:
"Es wurde in der Schubhaftverhandlung vom 24.09.2019 die Möglichkeit einer Wohnunterkunft bei einer gewissen Frau (...) behandelt. Dazu wurde seitens der Rechtsberatung so wie auch vom Schubhäftling selbst längerer Kontakt sowie regelmäßige Besuche seitens der Frau (...) behauptet.
Dazu wird seitens der Behörde angemerkt, dass seit 04.05.2019 kein Besuch von Privatpersonen stattgefunden hat und daher die Aussagen der Rechtsberatung sowie des Schubhäftlings in Bezug auf eine Unterkunftsmöglichkeit außerhalb der Schubhaft ausgeschlossen wird."
Dem Vorbringen des BF in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 24.09.2019, egal, wo er unterkomme, dort zu bleiben, konnte daher nicht gefolgt werden. Der belangten Behörde folgend handelt es sich beim BF um eine unzuverlässige Person, welcher die Glaubwürdigkeit abgesprochen wird.
Angesichts des bisherigen Fehlverhaltens des BF und seines ausdrücklichen Vorbringens in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 22.08.2019 befragt danach, ob er Österreich freiwillig verlassen würde, bestehe gegen ihn doch eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot, Österreich nicht freiwillig verlassen zu wollen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der BF sich nach Schubhaftentlassung an irgendeiner bestimmten Wohnadresse den Behörden zur Verfügung hält, sondern ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass er, sobald er Möglichkeit dazu hat, in Österreich oder anderswo im Schengen-Raum untertauchen wird.
Aktueller Stand ist, dass zwischen 18. Und 20.3 .2020 eine ID -Mission in Wien stattfinden wird. Sobald die Identifizierung durch die ghanaische Delegation stattgefunden hat und eine HRZ-Zustimmung gibt ist mit einer Abschiebung innerhalb von zwei Wochen nach Erlangung eines HRZ zu rechnen.
Laut HRZ-Abteilung gab es auch in der Vergangenheit keine Probleme mit Ghana bei Rückführungen nach ausgestellten HRZ. Wie bereits im Zuge der mündlichen Verhandlung am 24.09.2019 festgehalten, funktionieren der belangten Behörde folgend die Flugabschiebungen nach Ghana zudem reibungslos.
Im gegenständlichen Fall wird aufgrund der persönlichen Unglaubwürdigkeit und Unzuverlässigkeit des BF eine fortgesetzte Anhaltung in Schubhaft dringend für notwendig gehalten und die Aufrechterhaltung der Schubhaft unter Berücksichtigung des auf Hochtouren laufenden HRZ-Verfahrens, vor allem der auf die zuletzt am 16.10.2019 an den ghanaischen Konsul ergangene Sonderurgenz und der Zustimmung zur ID Mission im März 2020in Wien bald erwarteten Ausstellung eines HRZ für verhältnismäßig gehalten.
Wie in den vorangegangenen amtswegigen Schubhaftprüfungen wird auch nach verfahrensgegenständlicher amtswegiger Prüfung nach Akten- und Beschwerdevorlage am 20.1.2020 seitens des BVwG festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.
3.2.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG kann unter anderem dann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Fest steht, dass im gegenständlichen Fall auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu keinem anderen Ergebnis führen könnte, erscheint doch der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage als geklärt, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen wurde.
Zu Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Fluchtgefahr, Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Schubhaft,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G313.2219372.9.00Zuletzt aktualisiert am
10.03.2020