TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/23 W186 2183728-2

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Veröffentlicht am 23.01.2020
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Entscheidungsdatum

23.01.2020

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
FPG §46 Abs1 Z2
VwGVG §35

Spruch

W186 2183728-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen die Anwendung von unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form der Abschiebung am 31.01.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wegen der am 31.01.2018 erfolgten Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria wird gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag des BF auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

III. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat der BF dem Bund (Bundesminister für Inneres) die Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer stellte am 22.08.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23.08.2014 gab er an, dass er aus Uganda stamme und im September 2013 nach Libyen geflohen sei. Im August 2014 habe er Libyen aufgrund von Bombenanschlägen verlassen müssen und sei auf einem Schiff nach Italien und von dort aus mit dem Zug nach Österreich gelangt. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, homosexuell zu sein und in Uganda von der Polizei verfolgt zu werden. Bei einer Rückkehr befürchte er, verhaftet zu werden.

In der Folge wurde ein Sachverständigengutachten zur Feststellung des Mindestalters und ein weiteres Gutachten betreffend Sprachkompetenzen und Landeskenntnissen des Beschwerdeführers eingeholt. Im Rahmen dieser Gutachten wurde ein fiktives Geburtsdatum am XXXX sowie eine mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Hauptsozialisierung in Nigeria und nicht in Uganda festgestellt.

Am 15.05.2015 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Auf Vorhalt der durchgeführten Sprachanalyse gab er an, dass er nicht aus Uganda, sondern aus Nigeria stamme und von dort aus seine Flucht begonnen habe. Sein bereits verstorbener Vater sei aus Uganda gewesen. Er habe eine falsche Staatsbürgerschaft angegeben, weil ihm dies bei seiner Ankunft in Österreich geraten worden sei und er die Staatsbürgerschaft seines Vaters nicht verlieren wollte. Der Beschwerdeführer habe fliehen müssen, weil er homosexuell sei und einen Freund gehabt habe. Der Vater des Freundes habe damit gedroht den Beschwerdeführer umzubringen und Soldaten beauftragt, die die Mutter des Beschwerdeführers geschlagen haben. Er habe noch zwei Jahre ab dem Bekanntwerden der Beziehung in Nigeria gelebt. Daraufhin sei der Beschwerdeführer zusammen mit dem Freund und der Mutter nach Uganda zu einem Onkel gereist. In Nigeria hätten sie nie bleiben können, weil die Nachbarn eine solche Beziehung nie akzeptieren und der Vater des Freundes ihren Aufenthaltsort herausgefunden hätte.

Laut Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 07.07.2015 konnten die Angaben des Beschwerdeführers vor Ort nicht verifiziert werden.

2. Mit Bescheid vom 04.11.2015 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Des Weiteren wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt IV.). Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 20.11.2015 Beschwerde.

3. Das Bundesverwaltungsgericht hat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 21.04.2017 zu GZ I408 2118037-1/19E die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

4. Der Beschwerdeführer stellte am 02.10.2017 einen Antrag auf Unterstützung freiwilliger Rückkehrhilfe.

Nachdem eine für den 5.11.2017 geplante Abschiebung nicht durchgeführt werden konnte, da sich der Beschwerdeführer nicht in seinem Quartier aufhielt, wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) über den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 07.12.2017 die Schubhaft verhängt. Gegen die Inschubhaftnahme erhob der BF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

5. Am 29.12.2017 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, dass sich nichts geändert habe. Er sei nunmehr volljährig und führe in Österreich eine Beziehung. Das seien all seine Fluchtgründe.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA, Erstaufnahmestelle Ost (in der Folge: belangte Behörde), vom 15.01.2018 führte der Beschwerdeführer unter Beiziehung eines Rechtsberaters aus, dass er seit dem 22. August 2014 in Österreich sei und sich seither durchgehend in Österreich aufgehalten habe. Nachgefragt, ob die Fluchtgründe aus dem ersten Verfahren noch aufrecht seien, gab der Beschwerdeführer an, dass er nicht wisse, ob die alten Gründe noch aufrecht seien, aber er habe zahlreiche neue Gründe. Er habe eine Beziehung jetzt in Österreich und befürchte, dass er sich in seiner Heimat nicht frei bewegen könne. Sein Freund heiße " XXXX ". Sie seien zunächst Freunde gewesen und ab August 2016 sei ihm aufgefallen, dass ihn dieser verliebt ansehe. Sie hätten dann am 24.12.2016 gemeinsam ein Konzert besucht und sich dann zwei Mal pro Woche getroffen. Im Februar 2017 habe " XXXX " ihm das erste Mal gesagt, dass er ihn liebe. Seit Mai 2017 seien sie ein Paar. " XXXX " sei auch nigerianischer Staatsbürger und Asylwerber. Den Verfahrensstand kenne er nicht. " XXXX " sei schon vor ihm in Österreich gewesen, er wisse nicht seit wann genau, er schätze seit 4 bis 5 Jahren. Er wohne nicht mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt. In Österreich habe er keine Verwandten. Von seinem Freund sei er nicht finanziell abhängig. Er bestreite seinen Lebensunterhalt durch den Verkauf von Zeitungen. In der Folge wurden dem Beschwerdeführer aktuelle Länderfeststellungen zu Nigeria vorgelegt. Der Beschwerdeführer gab dazu eine Stellungnahme ab. Er sei seit seinem 14. Lebensjahr homosexuell. In Österreich habe er zwei Beziehungen gehabt. Nachgefragt gab er an, dass er eine Beziehung mit XXXX gehabt habe, den Nachnamen kenne er nicht. Diese Beziehung habe im Frühjahr 2015 begonnen und habe 7 Monate gedauert.

Am 23.01.2018 fand eine weitere niederschriftliche Befragung des Beschwerdeführers statt. Der Beschwerdeführer gab an, dass er am 15.01.2018 wegen Hämorriden operiert worden sei. Er bekomme jetzt Medikamente und müsse jeden Tag in der Früh zum Arzt im PAZ zur Kontrolle. In der Folge wurden dem Beschwerdeführer die Fragen und Antworten seiner Einvernahme vom 15.01.2018 zu Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit eingeräumt, dazu Ergänzungen vorzunehmen.

6. Im Anschluss wurde gegenüber dem Beschwerdeführer mit mündlich verkündetem Bescheid der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben. Dies wurde damit begründet, dass der nunmehrige Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich zurückzuweisen sei, da der Beschwerdeführer keinen neuen Sachverhalt vorgebracht habe, der nach Rechtskraft des Verfahrens am 27.04.2017 neu entstanden sei. Das Vorbringen werde als Ergänzung zu den Fluchtgründen des Erstverfahrens gesehen. Im Übrigen weise es keinen glaubhaften Kern auf.

Auch die allgemeine Lage im Herkunftsland, seine persönlichen Verhältnisse und sein körperlicher Zustand, habe sich nicht entscheidungswesentlich geändert. Eine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z. 3 AsylG beschrieben könne nicht angenommen werden.

7. Mit mündliche verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.01.2018 zu GZ W117 2183728-1/13Z wurde die Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3 FPG idgF als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft vom 07.12.2017 bis zum 28.12.2017 für rechtmäßig erklärt (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Beschwerde insofern, als sie sich gegen die Anhaltung vom 29.12.2017 bis 25.01.2018, richtet, gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG idgF iVm § 76 Abs. 6 FPG idgF stattgegeben und die Anhaltung für rechtswidrig erklärt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG idgF iVm § 76 Abs. 6 FPG idgF wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen (Spruchpunkt III.).

8. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.01.2018 stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig ist.

9. Der BF wurde am 31.01.2018 auf dem Luftweg nach Nigeria abgeschoben.

10. Mit Schriftsatz vom 12.03.2018, hg. eingelangt am 13.03.2018, erhob der Beschwerdeführer durch seinen im Spruch genannten Rechtsvertreter Beschwerde gegen die am 31.01.2018 erfolgte Abschiebung des BF. Hierbei wurde zusammengefasst vorgebracht, dass sich der BF in einem offenen Asylverfahren befinde. Zum Zeitpunkt der Abschiebung habe keine Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes vorgelegen. Das Asylverfahren des BF sei ex lege zugelassen worden. Dem BF sei deshalb zum Zeitpunkt der Abschiebung ein Aufenthaltsrecht zugekommen. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge die Abschiebung für rechtswidrig erklären, sowie die belangte Behörde zum Ersatz der Verfahrenskosten zu verpflichten.

11. Mit Schriftsatz vom 13.03.2018, hg. eingelangt am 14.03.2018, legte das Bundesamt eine schriftliche Stellungnahme vor, in der es die Abweisung der Beschwerde sowie Kostenersatz beantragte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist nigerianischer Staatsangehöriger und stelle infolge unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 22.08.2014 seinen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Dieser wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.04.2017 rechtskräftig abgewiesen. Der VfGH lehnte mit Beschluss vom 28.06.2017 die Behandlung der Beschwerde ab.

Gegen den BF bestand seit 27.04.2017 eine rechtskräftige durchsetzbare Rückkehrentscheidung.

Er kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und tauchte im Bundesgebiet unter.

Er verhinderte durch sein zweimaliges Untertauchen die ihm seit jedenfalls 28.06.2017 drohende Abschiebung nach Nigeria.

Sein am 29.12.2017 gestellter Asylantrag diente der Verzögerung respektive der Verhinderung der Abschiebung.

Mit mündlich verkündeten Bescheid der belangten Behörde vom 23.01.2018, der im Anschluss an die niederschriftliche Einvernahme des BF erlassen wurde, wurde der faktische Abschiebeschutz aufgehoben. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung mit Beschluss vom 29.01.2018.

Der BF litt an keinen schwerwiegenden Krankheiten. Er war bis auch ein Hämorriden leiden gesund. Die diesbezügliche Operation wurde bereits am 15.01.2018 vorgenommen.

Der BF wurde am 31.01.2018 mittels Charter auf dem Luftweg nach Nigeria abgeschoben. Zum Zeitpunkt der Abschiebung verfügte der BF über kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen resultieren aus den vorgelegten Verwaltungsakten des Asyl- und Maßnahmenbeschwerdeverfahrens, sowie aus den hg. Gerichtsakten im Beschwerdeverfahren über den ersten Asylantrag des BF (I408 2118037-1/19E), im Verfahren betreffend den faktischen Abschiebeschutz (I404 2118037-2/4E), sowie im Schubhaftverfahren (W117 2183728-1/13Z).

Die Angaben zur erfolgten Abschiebung des BF nach Nigeria beruhen auf einem Auszug aus der Anhaltedatei.

Insbesondere ergibt sich die Feststellung zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes mit mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes vom 23.01.2018 aus der mit selben Datum datierten Einvernahme des BF vor dem Bundesamt, sowie die Bestätigung dieser Entscheidung aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.01.2018 (Zl. I404 2118037-2/4E).

Die Angaben zum Gesundheitszustand des BF resultieren aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, FPG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

In diesem Sinne konnte die Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG iVm § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war. Umstände, die durch die weitere Hinterfragung zu klären gewesen wären, sind nicht hervorgekommen.

Zu Spruchpunkt A. I.: Abweisung der Beschwerde gegen die Abschiebung nach Nigeria

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA und gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG.

Da sich die gegenständliche Beschwerde gegen die Abschiebung des BF, und damit gegen eine Maßnahme unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt des 7. Hauptstückes des FPG richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 46 Abs. 1 FPG können Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

Es müssen also zur durchsetzbaren Rückkehrentscheidung, Anordnung zur Außerlandesbringung, zur Ausweisung bzw. zum Aufenthaltsverbot noch weitere Voraussetzungen hinzutreten; dass durchsetzbare Bescheide vorliegen, genügt noch nicht; dies ist nur eine der Voraussetzungen für die Abschiebung. Es muss daher ein Weg eröffnet sein, die Rechtswidrigkeit der Abschiebung trotz Vorliegens durchsetzbarer Bescheide betreffend Rückkehrentscheidung, Anordnung zur Außerlandesbringung, Aufenthaltsverbot oder Ausweisung geltend zu machen. Das Gesetz wird dem insofern gerecht, als es die Umsetzung des Bescheides als unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt bezeichnet und damit die Möglichkeit einer Maßnahmenbeschwerde eröffnet (VwGH 23.09.1994, 94/02/0139; VwGH 20.10.2011, 2010/21/0056).

Bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Abschiebung kommt es nach § 46 Abs. 1 FPG nicht nur auf das Vorliegen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Entscheidung, sondern auch auf die Erfüllung einer in den Z 1 bis 4 genannten Tatbestandsvoraussetzungen an. Überdies sieht die Bestimmung bei Vorliegen der dort genannten Bedingungen keine unbedingte Abschiebeverpflichtung vor, sondern stellt die Abschiebung in behördliches Ermessen (VwGH 30.08.2011, 2008/21/0020; VwGH 20.10.2011, 2010/21/0056). Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme ist die Behörde nicht auf die vorgebrachten Gründe beschränkt. Eine Abschiebung darf im Fall eines gestellten Antrages auf internationalen Schutz bis zur Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 12a Abs. 4 AsylG 2005 nicht stattfinden (vgl. VwGH 26.06.2014, 2013/21/0253).

Im vorliegenden Fall wurde der erste Asylantrag des BF mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.04.2017 rechtskräftig abgewiesen. Der VfGH lehnte mit Beschluss vom 28.06.2017 die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde ab. Gegen den BF lag somit zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung respektive der Abschiebung eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vor. Seinem Asylfolgeantrag vom 29.12.2017 aus dem Stande der Schubhaft wurde mit mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes vom 23.01.2018, der faktische Abschiebeschutz aberkannt. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung mit Beschluss vom 29.01.2018. Der BF hielt sich somit seit diesem Zeitpunkt (erneut) unrechtmäßig im Bundesgebiet auf und das Bundesamt konnte sich daher zu Recht auf eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung stützen.

Gemäß § 46 Abs. 1 FPG ist nun weiters zu prüfen, ob eine der in den Z 1 bis 4 genannten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt ist:

Hierzu ist festzuhalten, dass gegen den BF seit 27.04.2017 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung bestand und er seiner Verpflichtung zur Ausreise nicht nachgekommen ist, sodass der Tatbestand des § 46 Abs. 1 Z 2 FPG dadurch jedenfalls erfüllt ist. Wird eine Außerlandesbringung durchsetzbar, ist damit stets die Verpflichtung zum unverzüglichen Verlassen des Bundesgebietes verbunden (Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht [2014] § 46 FPG Anm 2).

Es ist weiters zu prüfen, ob im vorliegenden Fall ein Verbot der Abschiebung vorlag:

Gemäß § 50 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre. Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Für die Gewährung von Abschiebeschutz ist die maßgebliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Verletzung der Menschenrechte gefordert. Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen genügen hingegen nicht (vgl. VwGH 27.02.1997, 98/21/0427).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. VwGH 26.06.1997, 95/18/1293; 17.07.1997, 97/18/0336).

Im verfahrensgegenständlichen Fall kann nicht angenommen werden, dass der BF durch die Abschiebung nach Nigeria einer existentiellen Gefährdung oder sonstigen Bedrohung ausgesetzt war, sodass die Abschiebung eine Verletzung von Art. 2 oder Art 3 EMRK bedeuten würde.

Dass dem BF in Nigeria keine Gefahr für Leib oder Leben in einem Maße droht, welche die Abschiebung im Lichte des Art. 2 und Art. 3 EMRK unzulässig erscheinen lässt, hat bereits das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 21.04.2017 festgestellt. Weiters wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.01.2018 festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nach Nigeria vorliegen. Ebenso stellte das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 29.01.2018 bezüglich der Überprüfung der rechtmäßigen Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes fest, dass hierdurch keine Verletzung der EMRK iSd der Art. 2 und 3 EMRK vorliegt.

Die Beschwerde führt zu einer möglichen EMRK Verletzung nichts aus, sondern bezieht sich lediglich auf das ihres Erachtens bestandene Aufenthaltsrecht des BF zum Zeitpunkt der Abschiebung, wobei sie verkannte, dass dem BF noch vor seiner durchgeführten Abschiebung der faktische Abschiebeschutz - bestätigt durch das Bundesverwaltungsgericht - aberkannt worden war.

Die Voraussetzungen des § 46 FPG waren vielmehr unstrittig gegeben und die Beschwerde gegen die Abschiebung war daher als unbegründet abzuweisen.

Sonstige außergewöhnliche Umstände, die die Abschiebung des BF nach Nigeria unzulässig machen könnten, sind im gegenständlichen Verfahren nicht hervorgetreten.

Es konnten also insgesamt keinerlei Anhaltspunkte dafür gefunden werden, dass der BF durch seine Abschiebung nach Nigeria dem realen Risiko einer Verletzung des Art. 2 oder Art. 3 EMRK ausgesetzt war.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass der BF durch die von ihm mittels Maßnahmenbeschwerde bekämpfte Abschiebung am 31.01.2018, die zur Durchsetzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfolgte, nicht in seinen Rechten verletzt wurde.

Zu Spruchpunkt A.II. und A.III. Kostenentscheidung:

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Beschwerdeverfahren obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bzw. angefochtene Schubhaftverhängung und Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt werden, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Der belangten Behörde gebührt als obsiegende Partei Kostenersatz im gesetzlichen Umfang. Der Antrag des BF auf Kostenersatz war aufgrund der Beschwerdeabweisung abzuweisen.

Schlagworte

Abschiebung, faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig,
Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W186.2183728.2.00

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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