Index
50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des Ing. G C und der Mag. R C, beide in P, beide vertreten durch S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 24. März 1998, Zl. 319.980/3-III/A/2a/98, betreffend Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: T-Gesellschaft m.b.H. in P), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Nach dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides erteilte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Bescheid vom 24. März 1998 der mitbeteiligten Partei im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG die gewerbebehördliche Genehmigung zur Erweiterung ihrer näher bezeichneten Betriebsanlage um sieben Stellplätze und zur Unterlassung der Ausführung eines näher bezeichneten Erdwalles. Zur Begründung führte der Bundesminister aus, der von ihm beigezogene gewerbetechnische Amtssachverständige habe ausgeführt, die Stellplatzmitte sei über 200 m von den Grundstücken u.a. der Beschwerdeführer entfernt. Schon die tägliche Erfahrung lasse auf Grund dieser Entfernungsverhältnisse keine nennenswerten Immissionen in Form von Lärm, Erschütterungen und Abgasen erwarten. Auch ihm vorliegende Berechnungen eines Zivilingenieurbüros zeigten, daß die Schallimmissionen, herrührend von der Betriebsanlage, mindestens 13 dB unter dem vorhandenen nächtlichen energieäquivalenten Dauerschallpegel lägen und dieser daher praktisch nicht verändert werde. Selbst die Schallpegelspitzen lägen fast zur Gänze unter dem in der Nähe der Nachbarn ermittelten energieäquivalenten Dauerschallpegel. Es ergebe sich also durch die Änderung der Betriebsanlage keine wesentliche Veränderung der Ist-Situation bei den Nachbarn. Davon ausgehend gelangte der Bundesminister zu dem Ergebnis, daß die beantragte Änderung nach § 81 Abs. 1 GewO 1994 zu genehmigen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in dem Recht auf eine Entscheidung der Gewerbebehörde verletzt, die ihr Leben und ihre Gesundheit sowie das ihrer Familien als Nachbarn einer Betriebsanlage nicht gefährde und ihr Eigentum nicht verletze. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes machen sie geltend, die Ansicht der belangten Behörde, die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse würden durch die Änderung der Betriebsanlage in schalltechnischer Hinsicht nicht geändert und Schallpegelspitzen lägen fast zur Gänze unter dem in der Nähe der Nachbarn ermittelten energieäquivalenten Dauerschallpegel, sodaß durch den im Zuge der auf den neuen Stellplätzen entfalteten Tätigkeit neu entstehenden Lärm der Ist-Zustand nicht weiter verschlechtert werde, sei verfehlt. Tatsächlich sei dieser nunmehr als Maßstab herangezogene Ist-Zustand weitgehend erst durch die in rechtswidriger Weise, nämlich ohne Beiziehung der Beschwerdeführer als Nachbarn, erteilte gewerberechtliche Genehmigung der in Rede stehenden Betriebsanlage hervorgerufen worden. Das bedeute, daß sie zuerst insofern in ihren Nachbarrechten beschnitten worden seien, als für den Bescheidadressaten der ursprünglichen Genehmigung der ca. 50 Stellplätze, nämlich der mitbeteiligten Partei, für kurze Zeit eine Art "Strohmann" als Antragsteller aufgetreten sei, hinsichtlich dessen Firmensitz die Beschwerdeführer nach Ansicht der belangten Behörde keine Nachbarn gewesen seien. Auf der Basis dieser verfahrensrechtlichen Manipulationen seien sie zu Unrecht vom Hauptverfahren ausgeschlossen und ihre (dennoch erhobenen) Einwendungen nicht berücksichtigt und es sei die Genehmigung rechtswidrigerweise erteilt worden. Der ursprüngliche Antragsteller habe die beantragten Stellplätze niemals beansprucht. Von Anfang an sei das gesamte Projekt von der nunmehrigen mitbeteiligten Partei abgewickelt, umgesetzt und nunmehr genützt worden. Im anschließenden, vordergründig harmloseren, weil nur eine geringere Anzahl von Stellplätzen betreffenden Verfahren über die Erweiterung der Stellplätze seien die Beschwerdeführer zwar als Nachbarn der mitbeteiligten Partei und durch Erhebung von Einwendungen Parteien des Verfahrens gewesen, nunmehr werde ihren Einwendungen allerdings der inzwischen geschaffene status quo in lärmtechnischer Hinsicht entgegengehalten. Vor der Herstellung der Stellplätze sei die Verkehrssituation und somit die Lärmsituation in der Nähe ihrer Liegenschaften jedenfalls besser gewesen. Selbst das anfangs angekündigte Projekt von Stellplätzen und deren Nutzung durch die Vorgängerin der mitbeteiligten Partei hätten keine derartige Verschlechterung gebracht: Denn sowohl die Frequenz der Nutzung der Stellplätze durch den ursprünglichen Antragsteller als auch die von diesem vorgesehene Nutzung der weiter entfernten Ausfahrt - und nicht, wie durch die mitbeteiligte Partei, über die näher bei dem Haus der Beschwerdeführer gelegene Ausfahrt - hätten eine bedeutend geringere Lärmbelastung beim Haus der Beschwerdeführer gebracht. Die angegebene Zahl der Stellplätze sei auch insofern irreführend, als die Fläche eine Vergrößerung des Fuhrparks der mitbeteiligten Partei ermögliche und insbesondere zum Rangieren der Lkw genützt werde. Dazu komme die Lärmentwicklung beim Abbremsen und Anfahren auf der vor dem Haus der Beschwerdeführer gelegenen Kreuzung durch die den neuen Stellplatz anfahrenden Lkw, die dadurch oft verursachten Verkehrsstaus sowie die häufig eingeschalteten Kühlaggregate der abgestellten Lkw. Da die belangte Behörde diese Umstände nicht ermittelt und korrekt beurteilt habe, sondern bloß die mangelhaften Ausführungen der ersten Instanz wiedergebe, verletze sie darüber hinaus Verfahrensvorschriften.
Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmung. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage soweit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, ergibt sich aus dieser Bestimmung, daß Gegenstand eines Genehmigungsverfahrens nach § 81 GewO 1994 primär nur die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage, nicht jedoch schlechterdings die geänderte Betriebsanlage insgesamt zu sein hat. Nur dann, wenn die geplante Änderung auch zu einer Änderung der von der Altanlage ausgehenden Emissionen in einem die in § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen beeinträchtigenden Maße kommen kann, hat die Genehmigung nach § 81 Abs. 1 auch die bereits genehmigte Anlage zu erfassen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1998, Zl. 97/04/0165). Auch ist im Verfahren nach § 81 GewO 1994 die zugrunde liegende Genehmigung der Betriebsanlage nach § 77 GewO 1994 nicht auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen.
Von dieser Rechtslage ausgehend vermag der Verwaltungsgerichtshof in der Vorgangsweise der belangten Behörde, ihrer Beurteilung ohne Rücksicht auf die von den Beschwerdeführern behaupteten, dem Verfahren zur Erteilung der Grundgenehmigung für die in Rede stehende Betriebsanlage anhaftenden Mängel den durch die von der genehmigten Betriebsanlage ausgehenden Immissionen bestimmten Ist-Zustand zugrunde zu legen, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken. Es bildet daher auch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, wenn sich die belangte Behörde mit den von der bereits genehmigten Betriebsanlage ausgehenden Immissionen bei den Nachbarn nicht auseinandergesetzt und keine diesbezüglichen Ermittlungen gepflogen hat.
Auch mit dem in der Beschwerde enthaltenen Hinweis, der durch die genehmigte Betriebsanlage bestimmte bereits existierende Lärmpegel sei schon gesundheitsgefährdend, vermögen die Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun. Den Beschwerdeführern ist zuzugeben, daß der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1986, Slg. N. F. Nr. 12.314/A) die Genehmigung der Änderung einer Betriebsanlage, deren bisheriger konsensgemäßer Betrieb bei den Nachbarn bereits die Grenze der Gesundheitsgefährdung überschreitende Immissionen verursacht, für unzulässig erachtet hat, wenn nicht durch die projektierte Änderung das Emissionsverhalten der gesamten Betriebsanlage soweit verändert wird, daß die von der geänderten (Gesamt-)Anlage ausgehenden Immissionen die Grenze der Gesundheitsgefährdung im Sinn des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 unterschreiten. Diese Rechtsprechung kann aber im Hinblick auf die mit der Gewerberechtsnovelle 1997, BGBl. I Nr. 63/1997, dem § 81 Abs. 2 GewO 1994 angefügte Bestimmung des § 81 Abs. 2 Z. 9 leg. cit. nicht mehr aufrecht erhalten werden. Nach dieser Gesetzesstelle ist die Genehmigungspflicht der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage "jedenfalls", also auch ohne Rücksicht auf das Ausmaß der durch die bereits genehmigte Betriebsanlage bei konsensgemäßem Betrieb bei den Nachbarn verursachten Immissionen (u.a.) dann nicht gegeben, wenn durch die Änderung das Emissionsverhalten der Anlage nicht nachteilig beeinflußt wird. Schon aus Gründen einer am Gleichheitssatz orientierten Auslegung des Gesetzes kann daher der Umstand einer bereits durch den bisherigen konsensgemäßen Betrieb der Anlage verursachten Gesundheitsgefährdung der Nachbarn im Sinn des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 der Zulässigkeit einer Änderung der Anlage auch dann nicht entgegenstehen, wenn sich erst im Zuge eines eingeleiteten Genehmigungsverfahrens ergibt, daß durch die projektierte Änderung der Anlage, gegebenenfalls bei Einhaltung bestimmter Auflagen, das Ausmaß der Immission im Sinn des § 74 Abs. 2 GewO 1994 nicht vergrößert wird. Die nach § 81 erteilte Bewilligung ändert allerdings nichts an der Verpflichtung der Behörde - von Amts wegen oder über Antrag -, in einem Verfahren nach § 79 leg. cit. für die Wahrung der im § 74 Abs. 2 leg. cit. umschriebenen Interessen zu sorgen.
Da somit schon das Vorbringen in der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht gegeben ist, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998040095.X00Im RIS seit
18.02.2002