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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des J in Oberwart, vertreten durch Rechtsanwälte Steflitsch OEG, Rechtsanwaltspartnerschaft in 7400 Oberwart, Hauptplatz 14, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 21. Jänner 1998, Zl. II-ST-328/8-1997, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben auf seine Ehefrau, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 21. Jänner 1998 wurden der Antrag des Beschwerdeführers - eines rumänischen Staatsangehörigen - vom 24. Mai 1994 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und der damit verbundene Antrag auf Erstreckung der Verleihung auf seine Ehegattin gemäß §§ 10 Abs. 1 und 3, 18 sowie 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer (erst) seit 27. Februar 1990 seinen ununterbrochenen Hauptwohnsitz im Inland nachweisen könne. Er erfülle damit nicht die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG, wonach einem Fremden die Staatsbürgerschaft verliehen werden könne, wenn er seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik habe. Von dieser Voraussetzung könne zwar gemäß § 10 Abs. 3 leg. cit. abgesehen werden, wenn es sich um einen Minderjährigen handle oder wenn der Fremde seit mindestens vier Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik habe und ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliege. Die vom Einbürgerungswerber vorgebrachten Gründe könnten nicht als solche besonders berücksichtigungswürdigen Gründe gewertet werden. Es handle sich dabei zwar um berücksichtigungswürdige Gründe, solche reichten jedoch nicht aus, die Staatsbürgerschaft vorzeitig zu verleihen. Es müßten nämlich besonders berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen, ein solcher sei vom Einbürgerungswerber nicht vorgebracht worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes "und" infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz erst seit Februar 1990 im Gebiet der Republik Österreich hat und daß er damit die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG nicht erfüllt. Wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, käme die Verleihung der Staatsbürgerschaft an ihn daher nur bei Vorliegen eines "besonders berücksichtigungswürdigen Grundes" im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG in Betracht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22. April 1998, Zl. 97/01/0763, m.w.N.) handelt es sich dabei um eine zwingende Verleihungsvoraussetzung.
Was unter einem "besonders berücksichtigungswürdigen Grund" zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt. Gemäß dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Dezember 1995, Slg. Nr. 14.382, ist zur Ermittlung der Bedeutung dieses unbestimmten Rechtsbegriffes das ganze Gesetz in seinem Regelungszusammenhang miteinzubeziehen. Demnach spreche es für das Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger Gründe, wenn den in den §§ 10 Abs. 4, 11a, 12, 13 und 14 StbG umschriebenen Tatbestandsmerkmalen ähnliche oder vergleichbare Voraussetzungen vorliegen. Auch aus § 11 StbG lasse sich entnehmen, auf welche Momente es bei Ermittlung des Begriffsinhaltes "besonders berücksichtigungswürdiger Grund" im Sinne des § 10 Abs. 3 leg. cit. ankomme.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann - soweit nicht der eindeutige Gesetzeswortlaut entgegensteht - die (aktuelle) Aufzählung in dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 betreffenden Bericht des Verfassungsausschusses (875 BlgNR 10. GP, 4) eine Auslegungshilfe bieten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. März 1998, Zl. 97/01/0291). Als besonders berücksichtigungswürdige Gründe werden dort genannt:
Anerkennung als Konventionsflüchtling, sonstiges Fehlen des Schutzes des Heimatstaates oder Unzumutbarkeit, diesen in Anspruch zu nehmen, besondere Bindung an Österreich, Ehe eines Fremden mit einer Staatsbürgerin, Geburt im Inland, längerer Voraufenthalt in Österreich, Versäumung einer Frist für die Wiedererlangung der Staatsbürgerschaft, Mangelberuf, völlige Anpassung an die österreichischen Verhältnisse in Sprache und Lebensart.
Im vorliegenden Beschwerdefall hat der Verleihungswerber im Verwaltungsverfahren ins Treffen geführt, daß ihm die Stellung eines Konventionsflüchtlings zukomme und daß seinen Eltern (seiner Mutter und seinem Stiefvater) die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden sei. Außerdem spreche er gut Deutsch (in einem Begleitschreiben seines Arbeitgebers ist von "fließenden Deutschkenntnissen" die Rede), arbeite seit 1. Juni 1990 bei einer österreichischen Stahlbaufirma - für die er unabkömmlich sei - und sei im Inland sozial voll integriert. Die belangte Behörde legte dieses Vorbringen, freilich ohne dazu ausdrückliche Feststellungen zu treffen, ihrer Entscheidung zugrunde und gelangte zu dem Ergebnis, daß der Beschwerdeführer damit wohl berücksichtigungswürdige Gründe geltend mache. § 10 Abs. 3 StbG verlange jedoch besonders berücksichtigungswürdige Gründe; einen derartigen Grund habe der Beschwerdeführer nicht vorgebracht.
In der Beschwerde bleibt die durch reichhaltige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gestützte Ansicht der Behörde, die geltend gemachten Umstände stellten je für sich keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG dar, offenkundig unbestritten. Es wird allerdings die Auffassung vertreten, eine Gesamtbetrachtung müsse zu dem Ergebnis führen, daß die Voraussetzung des § 10 Abs. 3 StbG erfüllt sei.
Damit ist die Beschwerde im Recht.
Grundsätzlich ist zunächst festzuhalten, daß entgegen dem in der Gegenschrift eingenommenen Standpunkt nichts gegen eine kumulative Betrachtungsweise dergestalt spricht, daß mehrere Umstände erst in Summe einen besonders berücksichtigungswürdigen Grund ergeben können. Das Gesetz stellt nämlich keinen Katalog von in Frage kommenden Gründen auf, auf die die Beurteilung im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG beschränkt wäre. Auch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist stets von der Zulässigkeit einer derartigen Gesamtbetrachtung ausgegangen, hat sie doch immer wieder betont, daß etwa die Flüchtlingseigenschaft für sich allein keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund darstelle (vgl. zuletzt das schon erwähnte Erkenntnis vom 22. April 1998, Zl. 97/01/0763).
Auch im angefochtenen Bescheid wird unterstellt, daß der Beschwerdeführer "anerkannter Konventionsflüchtling" sei. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, daß ungeachtet der vom Bundesminister für Inneres als Berufungsinstanz ausgesprochenen Feststellung des Verlustes der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 3. März 1997 gegen diese Annahme keine Bedenken bestehen, weil das Verfahren nach § 5 Asylgesetz 1991 auf Grund der vom Beschwerdeführer gegen den genannten Bescheid beim Verfassungsgerichtshof erhobenen und an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde (hg. protokolliert zur Zl. 97/01/1079) gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997 mit 1. Jänner 1998 in das Stadium vor Erlassung des Berufungsbescheides zurückgetreten ist.
Fragt man, was im vorliegenden Beschwerdefall neben der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers zu seinen Gunsten in Betracht gezogen werden kann, so ist zweifelsohne die österreichische Staatsbürgerschaft seiner Mutter und seines Stiefvaters zu nennen. Dadurch besteht ein Naheverhältnis zu Österreich, dem zwar für sich betrachtet keine ausreichende Relevanz zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1998, Zl. 96/01/1140), das jedoch - wie die Wertungen der §§ 11a, 16, 17 und 25 Abs. 2 StbG zeigen (siehe dazu das schon erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Dezember 1995) - bei Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzung des § 10 Abs. 3 StbG mitzuberücksichtigen ist. Miteinzubeziehen ist ferner der Umstand, daß der Beschwerdeführer, seinem Vorbringen und den beigelegten Unterlagen zufolge, seit 1. Juni 1990 bei einer österreichischen Stahlbaufirma beschäftigt ist und dort eine für das Unternehmen infolge seiner Ausbildung und seiner Fremdsprachenkenntnisse wertvolle Stellung innehat. Wenn darin auch keine ausreichenden Indizien für einen "Mangelberuf" im Sinne der Aufzählung in dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 betreffenden Bericht des Verfassungsausschusses erblickt werden können (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1998, Zl. 96/01/0834), so wird dadurch doch die besondere Bedeutung des Beschwerdeführers für ein österreichisches Unternehmen zum Ausdruck gebracht, welchem Umstand im gegebenen Zusammenhang nicht von vornherein jede Relevanz abgesprochen werden kann. Darüber hinaus dokumentiert der Beschwerdeführer durch die so umschriebene Tätigkeit besondere Verläßlichkeit und Leistungsbereitschaft, was ungeachtet dessen, daß die Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit im Regelfall schon über § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG eine zwingende Verleihungsvoraussetzung darstellt, ebenfalls zu seinen Gunsten ins Gewicht fällt. Nicht unmaßgeblich sind schließlich die guten Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers, weil - wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt - daraus auf eine weit fortgeschrittene Integration im Inland geschlossen werden muß. Bezeichnenderweise kommt dieser Gesichtspunkt auch in der schon mehrfach erwähnten Aufzählung in dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 betreffenden Bericht des Verfassungsausschusses zum Ausdruck ("völlige Anpassung an die österreichischen Verhältnisse in Sprache und Lebensart").
Im Ergebnis kann der Beschwerdeführer damit auf eine Reihe von Umständen verweisen, die ungeachtet seines erst achtjährigen inländischen Wohnsitzes in Summe eine ausnehmend hohe Integration ergeben. Der Fall des Einbürgerungswerbers unterscheidet sich demnach auf Grund konkreter Umstände in für die Verleihung der Staatsbürgerschaft relevanten Bereichen von der Situation, in der sich ein Fremder nach einem gleich langen inländischen Aufenthalt bei zu erwartenden Integrationsbemühungen üblicherweise befindet, sehr deutlich. Der Gerichtshof gelangt daher zu der Auffassung, daß "ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund" für die vorzeitige Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer besteht (vgl. abermals das hg. Erkenntnis vom 22. April 1998, Zl. 97/01/0763).
An diesem Ergebnis vermag auch die von der belangten Behörde zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nichts zu ändern. Keinem der angeführten Erkenntnisse (vom 30. April 1997, Zl. 96/01/0293, vom 22. Mai 1996, Zl. 96/01/0091 und Zl. 96/01/0092, vom 25. Februar 1987, Zl. 87/01/0013, vom 22. Juni 1994, Zl. 93/01/1255, vom 15. Juni 1988, Zl. 86/01/0191, und vom 29. Jänner 1997, Zl. 94/01/0744) lag ein Fall zugrunde, der der vorliegenden Konstellation gleicht und in dem ein derart hoher Assimilierungsgrad wie hier zutage getreten ist.
Indem die belangte Behörde ungeachtet dessen davon ausging, daß kein besonders berücksichtigungswürdiger Grund vorliege, hat sie die Rechtslage verkannt; der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998010087.X00Im RIS seit
18.02.2002