TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/8 W224 2220702-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.08.2019
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Entscheidungsdatum

08.08.2019

Norm

ABGB §1332
AsylG 2005 §3
BFA-VG §52 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §33
VwGVG §33 Abs1
ZustG §17

Spruch

W224 2220702-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.05.2019, Zl. 1211535007-181053999/BMI-BFA_SGB_AST_03, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 06.11.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 16.11.2018 und am 21.12.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.

2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 22.03.2019, Zl. 1211535007-181053999, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).

3. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 28.03.2019 mittels RSa-Zustellung (vgl. § 21 ZustellG: Zustellung zu eigenen Handen) rechtswirksam an seine Zustelladresse zugestellt (§ 17 ZustellG: Zustellung durch Hinterlegung). Die Abholfrist begann am 28.03.2019.

5. Gegen den Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides des BFA erhob der Beschwerdeführer am 09.05.2019 Beschwerde. Gleichzeitig brachte er einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein, welcher sich im Wesentlichen darauf stützte, dass der Beschwerdeführer sich am 08.04.2019 zur Rechtsberatung begeben habe. Dort sei ein ausführliches Rechtsberatungsgespräch zu seinem Bescheid geführt und ihm die Beschwerdefrist mitgeteilt worden. Der zuständige Rechtsberater habe den Beschwerdeführer ersucht, nach dem 23.04.2019 wiederzukommen, da er bis dahin den Schriftsatz zur Beschwerde geschrieben habe. Jedoch sei der zuständige Rechtsberater dazwischen auf Urlaub gegangen und sei in dem Glauben gewesen, die während seines Urlaubs fällig werdenden Beschwerden habe er erledigt. Bei der gegenständlichen Beschwerde habe der zuständige Rechtsberater irrtümlich die falsche Beschwerdefrist im Fristenbuch abgehakt, nämlich das Datum 16.04.2019, und daher die Beschwerdefrist verwechselt. Der Beschwerdeführer sei davon ausgegangen, dass der Rechtsberater vor seinem Urlaub alle Beschwerden erledigt habe. Erst am 30.04.2019 sei der zuständige Rechtsberater bei der Durchsicht seiner Akten auf sein Versehen aufmerksam geworden und habe das weitere Vorgehen mit dem Beschwerdeführer besprochen. Dabei habe man sich für die Einbringung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand und die Erhebung einer Beschwerde entschieden. Der zuständige Rechtsberater sei ein korrekter und gewissenhafter Rechtsberater. Er kontrolliere immer die Rechtsmittelfristen und deren Berechnung und trage sie in sein Fristenbuch ein. Dieses Missgeschick sei ihm zum ersten Mal in seiner Laufbahn passiert. Die Beschwerdefrist sei aus Versehen des Rechtsberaters nicht richtig datiert worden und aus diesen Gründen sei die Beschwerde nicht fristgerecht eingebracht worden.

6. Mit Bescheid des BFA vom 21.05.2019, Zl. 1211535007-181053999/BMI-BFA_SGB_AST_03, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung abgewiesen, dass aus dem Vorbringen keine Anhaltspunkte dafür erkannt werden könnten, dass es zu der Fristversäumnis auf Grund eines unabwendbaren oder unvorhergesehenen Ereignisses gekommen wäre. Der Bescheid des BFA vom 22.03.2019 wurde dem Beschwerdeführer nachweislich am 28.03.2019 zugestellt und erwuchs in Rechtskraft. Die Angaben des Beschwerdeführers in Bezug auf die Versäumung der Rechtsmittelfrist legten keine schlüssigen und nachvollziehbaren Gründe für das versäumen der Beschwerdefrist dar. Es könne nicht, dass der Beschwerdeführer oder der Rechtsberater durch eine Erkrankung, eine Naturkatastrophe, eine menschliche Unzulänglichkeit oder Gewaltanwendung von außen an der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde gehindert worden sei. Aus diesem Grund könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis unverschuldeter Weise oder aufgrund eines nur leichten Versehens Anlass für die Versäumung der Beschwerdefrist gewesen sei.

7. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde am 19.06.2019 an das BFA. In der Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, bei der Eintragung der falschen Beschwerdefrist durch den Rechtsberater liege ein Grad des Verschuldens minderer Art vor. Die zumutbare Sorgfalt sei nicht außer Acht gelassen worden. Der Beschwerdeführer habe ohne sein Verschulden keine Möglichkeit gehabt, Kenntnis von der Einbringung der Beschwerde zu erlangen. Der Beschwerdeführer sei davon ausgegangen, dass die Beschwerde rechtzeitig eingebracht werde. Aufgrund der Zusicherung durch den Rechtsberater, dass die Übermittlung der Beschwerde rechtzeitig erfolgen werde, könne im gegenständlichen Fall von einem für den Beschwerdeführer unvorhergesehenen Ereignis gesprochen werden. Der Beschwerdeführer durfte auf jeden Fall damit rechnen, dass die Beschwerdeeinbringung noch fristgerecht erfolgen werde. Dass er sich auf die zugewiesene Rechtsberatung verlassen habe, entspreche der Lebensrealität eines Asylwerbers. Es bestehe aus der Sicht der Beschwerde kein Grund daran zu zweifeln, dass den Beschwerdeführer auch kein Verschulden bei der Auswahl der Hilfsperson treffe.

8. Die Beschwerde wurde am 01.07.2019 samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 22.03.2019, Zl. 1211535007-181053999, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 28.03.2019 mittels RSa-Zustellung (vgl. § 21 ZustellG: Zustellung zu eigenen Handen) rechtswirksam an seine Zustelladresse zugestellt (§ 17 ZustellG: Zustellung durch Hinterlegung). Die Abholfrist begann am 28.03.2019.

Der Beschwerdeführer erhob am 09.05.2019 Beschwerde den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22.03.2019, Zl. 1211535007-181053999. Gleichzeitig brachte er einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein.

Es ist nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist zur Einbringung der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 22.03.2019, Zl. 1211535007-181053999, einzuhalten und ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Verschuldens trifft.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen. Der verfahrensmaßgebliche Sachverhalt entspricht dem oben angeführten Verfahrensgang und konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei und vollständig festgestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Abweisung der - zulässigen - Beschwerde:

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn diese Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Vorweg wird darauf verwiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen zu untersuchen ist, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird (vgl. etwa VwSlg. 11.312/A sowie VwGH 21.5.1997, 96/21/0574). Den Antragsteller trifft somit die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat. Eine Auswechslung dieses Wiedereinsetzungsgrundes in der Beschwerde gegen die verwaltungsbehördliche Entscheidung ist unzulässig (vgl. VwGH 14.12.1995, 95/19/0622). Das BFA hatte daher ausschließlich das Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Antrag vom 09.05.2019 auf seine Tauglichkeit als Wiedereinsetzungsgrund zu prüfen.

Der Antragsteller hat - allenfalls durch die Beibringung tauglicher Bescheinigungsmittel - auch glaubhaft zu machen, dass zwischen dem die Wiedereinsetzung begründenden Ereignis und der Fristversäumnis ein Kausalzusammenhang besteht (vgl. Stoll, BAO III 2975).

Der Beschwerdeführer hat in seinem Antrag im Wesentlichen geltend gemacht, dass er sich am 08.04.2019 zur Rechtsberatung begeben habe. Dort sei ein ausführliches Rechtsberatungsgespräch zu seinem Bescheid geführt worden und ihm die Beschwerdefrist mitgeteilt worden. Der zuständige Rechtsberater habe den Beschwerdeführer ersucht, nach dem 23.04.2019 wiederzukommen, da er bis dahin den Schriftsatz zur Beschwerde geschrieben habe. Jedoch sei der zuständige Rechtsberater dazwischen auf Urlaub gegangen und sei in dem Glauben gewesen, die während seines Urlaubs fällig werdenden Beschwerden habe er erledigt. Bei der gegenständlichen Beschwerde habe der zuständige Rechtsberater irrtümlich die falsche Beschwerdefrist im Fristenbuch abgehakt, nämlich das Datum 16.04.2019, und daher die Beschwerdefrist verwechselt. Der Beschwerdeführer sei davon ausgegangen, dass der Rechtsberater vor seinem Urlaub alle Beschwerden erledigt habe. Erst am 30.04.2019 sei der zuständige Rechtsberater bei der Durchsicht seiner Akten auf sein Versehen aufmerksam geworden und habe das weitere Vorgehen mit dem Beschwerdeführer besprochen. Dabei habe man sich für die Einbringung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand und die Erhebung einer Beschwerde entschieden. Der zuständige Rechtsberater sei ein korrekter und gewissenhafter Rechtsberater. Er kontrolliere immer die Rechtsmittelfristen und deren Berechnung und trage sie in sein Fristenbuch ein. Dieses Missgeschick sei ihm zum ersten Mal in seiner Laufbahn passiert. Die Beschwerdefrist sei aus Versehen des Rechtsberaters nicht richtig datiert worden und aus diesen Gründen sei die Beschwerde nicht fristgerecht eingebracht worden.

Das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung ist dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten (VwGH 30.06.2016, Ra 2015/19/0155). Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hierbei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. VwGH 23.05.2014, 2014/02/0034).

Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (VwGH 29.1.2004, 2001/20/0425). Da es auf die persönlichen Fähigkeiten des Antragstellers ankommt, fällt seine Rechtskundigkeit und seine Erfahrung im Umgang mit Behörden (Gerichten) besonders ins Gewicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. etwa VwGH 29.03.2012, 2011/23/0180, mwN; 18.12.2014, Ra 2014/01/0015, mwN).

Immer dann, wenn ein Fremder das als Vollmachtserteilung zu verstehende Ersuchen um Vertretung im Sinne des § 52 Abs. 2 BFA-VG an die mit der Besorgung der Rechtsberatung betraute juristische Person richtet oder der juristischen Person (zudem) schriftlich ausdrücklich Vollmacht erteilt, ist dem Fremden das Handeln des sodann von der juristischen Person konkret mit der Durchführung seiner Vertretung betrauten Rechtsberaters - wie bei jedem anderen Vertreter - zuzurechnen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass sich der Fremde die konkrete Person, die letztlich in seinem Namen tätig wird, nicht aussuchen kann, weil die erforderliche fachliche Qualität jedes einzelnen Rechtsberaters durch entsprechende gesetzliche Regelungen sichergestellt ist. Fremde seien aber auch gesetzlich nicht verpflichtet, der mit der Besorgung der Rechtsberatung betrauten juristischen Person Vollmacht für seine Vertretung zu erteilen. Es steht ihm frei, (auch) andere Personen mit seiner Vertretung zu betrauen. Der Verwaltungsgerichtshof legt für die Vertretung durch einen Rechtsberater im asyl- und fremdenrechtlichen Beschwerdeverfahren den gleichen - strengen - Sorgfaltsmaßstab an wie für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt, bei dem ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden anzunehmen ist, wenn der Rechtsanwalt kein wirksames Kontrollsystem seines Kanzleiapparates oder die objektive Eignung und Bewährung von Kanzleiangestellten glaubhaft machen kann (vgl. VwGH 30.5.2017, Ra 2017/19/0113, mit Hinweis auf VwGH 20.6.2017, Ra 2017/01/0156; 21.9.2017, Ra 2017/22/0128).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss die Büroorganisation von Rechtsanwaltskanzleien den Mindestanforderungen einer sorgfältigen Organisation entsprechen. Dazu gehört insbesondere, dass die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Wahrnehmung von Prozesshandlungen sichergestellt ist und Unzulänglichkeiten infolge menschlichen Versagens durch entsprechende Kontrollen auszuschließen sind (vgl. VwGH 24.09.2003, 97/13/0224, mwN).

Vor diesem Hintergrund ist dem Beschwerdevorbringen entgegen zu halten, dass der den Beschwerdeführer vertretende Rechtsberater im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zum einen das Datum der Zustellung des Bescheides des BFA vom 22.03.2019 nicht richtig benennt, weil er angibt, der Bescheid sei am 26.03.2019 zugestellt worden (tatsächlich ist er am 28.03.2019 zugestellt worden). Danach führt der den Beschwerdeführer vertretende Rechtsberater aus, die Beschwerdefrist sei am 23.04.2019 abgelaufen. Der sei auf Urlaub gewesen, gibt jedoch in seinem Antrag nicht an, von wann bis wann genau sein Urlaub dauerte. Der Rechtsberater habe sich aber ein anderes Datum, nämlich den 16.04.2019, als jenes Datum abgehakt, an dem die Beschwerde einzubringen gewesen wäre. Der Rechtsberater habe somit die Beschwerdefristen verwechselt. Er legte eine Liste vor, aus welcher verschieden eingetragene Daten ersichtlich sind. Bei dem Datum 16.04.2019 ist ein Pfeil verzeichnet, ebenso bei dem Datum 19.04.2019, wobei an dieser Stelle auch die Abkürzung "BF" dazugeschrieben wurde.

Auch ein Irrtum über den Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides bzw. den Zeitpunkt der Hinterlegung eines Bescheides und der damit bewirkten Zustellung kann einen Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand darstellen. Aber nur, wenn die Unkenntnis von der ordnungsgemäßen Hinterlegung eines Schriftstücks, mit der die Zustellung bewirkt ist, nicht auf einem Verschulden der Partei beruht, welches den minderen Grad des Versehens übersteigt, ist sie geeignet, einen Wiedereinsetzungsantrag zu begründen (Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 73 mit Hinweisen auf die Judikatur). Davon kann etwa dann ausgegangen werden, wenn die Partei von der Zustellung des Bescheides durch Hinterlegung deshalb keine Kenntnis erlangt hat, weil die Verständigung von der Hinterlegung ohne ihr Wissen von einer anderen Hauspartei oder einer dritten Person entfernt worden ist, oder wenn ein Haushaltsangehöriger die Hinterlegungsanzeige aus dem Briefkasten entnimmt, ohne den Adressaten rechtzeitig davon in Kenntnis zu setzen.

Im vorliegenden Fall wurde im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Zustellung des Bescheides mit 26.03.2019, also zwei Tage vor der tatsächlichen Zustellung am 28.03.2019, benannt. Im selben Antrag wird nicht angegeben, dass der Beschwerdeführer von der Zustellung des Bescheides keine Kenntnis gehabt hätte. Der Beschwerdeführer tut aber in keiner Weise dar bzw. macht in weiterer Folge nicht glaubhaft, aus welchem Grund überhaupt ein Irrtum über den Zeitpunkt der Zustellung und damit einhergehend über die Beschwerdefrist besteht. Die vom Rechtsberater vorgelegte Liste mit den verschiedenen Daten ist nicht tauglich, in irgendeiner Weise einen Zusammenhang mit dem Beschwerdeverfahren des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des BFA in Zusammenhang zu bringen. Selbst wenn der Rechtsberater den 19.04.2019 als Frist zur Einbringung der Beschwerde eingehalten hätte, wäre die Beschwerde rechtzeitig gewesen. Die Rechtsmittelfrist ist tatsächlich auf Grund der Zustellung des Bescheides des BFA am 28.03.2019 nämlich erst am 25.04.2019 abgelaufen. Wenn der Rechtsberater die Beschwerde am 19.04.2019 - also zu jenem Zeitpunkt, den er sich nach eigenen Angaben selbst eingetragen hat - eingebracht hätte, wäre die Frist zur Beschwerdeeinbringung eingehalten worden. Es wird nicht dargetan, inwiefern ein vermeintlich früherer als der tatsächlich maßgebliche Zeitpunkt des Ablaufs der Beschwerdefrist ursächlich für die Versäumung der Frist ist. Das Eintragen eines früheren Zeitpunktes müsste jedenfalls zu einer rechtzeitigen Beschwerdeerhebung führen. Gegenständlicher Irrtum über einen früheren Zeitpunkt des Ablaufs der Rechtsmittelfrist ist daher nicht kausal für das Versäumen der Frist. In der vorgelegten Liste ist in der Rubrik "Erledigt" bei der "Klienten Nr. RBS 185107" das Wort "Ja" eingetragen. Soweit der Antrag auf Wiedereinsetzung anhand der vorgelegten Liste darlegen will, dass der Rechtsberater irrtümlich davon ausgegangen sei, er habe die Beschwerde am 19.04.2019 eingebracht, so ist insofern nicht von einem Versehen minderen Grades auszugehen, denn einem Irrtum darüber, dass vermeintlich, aber nicht tatsächlich eine Beschwerde eingebracht wurde, unterliegt ein sorgfältiger Mensch nicht. Im Übrigen ist aus der Liste nicht erkennbar, dass es sich bei "Klienten Nr. RBS 185107" tatsächlich um den Beschwerdeführer handelt.

Aus dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geht hervor, dass sich der Rechtsberater des Beschwerdeführers am 23.04.2019 auf Urlaub befand. Im Antrag wird nicht dargelegt, wann der Rechtsberater des Beschwerdeführers aus dem Urlaub zurückkehrte und aus welchem Grund er laut Angaben des Antrags erst am 30.04.2019 eine Durchsicht seiner Akten machte.

Bereits aus diesen Gründen hat das BFA den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht abgewiesen, denn das im Antrag auf Wiedereinsetzung enthaltene Vorbringen des Beschwerdeführers war nicht geeignet, das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes glaubhaft zu machen (vgl. VwGH 20.4.2001, 98/05/0083, mwN).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall konnte das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung darauf gestützt werden, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erschien, weil der Sachverhalt nach einem grundsätzlich ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde festgestellt wurde. Dieser Sachverhaltsfeststellung wurde in der Beschwerde nicht substantiiert entgegen getreten. Weder war der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen wurden in der Beschwerde nicht vorgetragen (zum Erfordernis einer schlüssigen Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Bescheid und zur Verhandlungspflicht bei Neuerungen VwGH 11.11.1998, 98/01/0308, und 21.01.1999, 98/20/0339; zur Bekämpfung der Beweiswürdigung in der Berufung VwGH 25.03.1999, 98/20/0577, und 22.04.1999, 98/20/0389; zum Abgehen von der erstinstanzlichen Beweiswürdigung VwGH 18.02.1999, 98/20/0423; zu Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens VwGH 25.03.1999, 98/20/0475). Darunter sind allerdings lediglich inhaltsleere Bestreitungen nicht zu verstehen (vgl. VwGH 16.5.2001, 99/09/0187, VwGH 2004/09/0033, VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018).

Das Bundesverwaltungsgericht hat vorliegend daher ausschließlich über eine Rechtsfrage zu erkennen (vgl. EGMR 20.6.2013, Appl. Nr. 24510/06, Abdulgadirov/AZE, Rz 34 ff).

Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage nicht von besonderer Komplexität ist (VfSlg. 17.597/2005; VfSlg. 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.6.2012, B 155/12).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Die Beurteilung, ob ein im Sinn des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG bzw. § 33 Abs. 1 VwGVG unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden zur Versäumnis geführt hat, also die Qualifikation des Verschuldensgrades, unterliegt - als Ergebnis einer alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden Abwägung - grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts, sodass keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt (VwGH 31.05.2017, Ra 2017/22/0064).

Schlagworte

Asylverfahren, Berechnung, Beschwerdefrist, Frist, Fristablauf,
Fristenkontrolle, Fristüberschreitung, Fristversäumung,
Glaubhaftmachung, Irrtum, minderer Grad eines Versehens,
Rechtsberatung, Rechtskraft, Rechtsmittelfrist, Rechtzeitigkeit,
Sorgfaltspflicht, unabwendbares Ereignis, unvorhergesehenes und
unabwendbares Ereignis, Urlaubsreise, Verschulden, Versehen,
verspätete Beschwerde, Verspätung, Wiedereinsetzungsantrag,
Zurechenbarkeit, Zustellung durch Hinterlegung, Zustellung zu
eigenen Handen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W224.2220702.2.00

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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