Entscheidungsdatum
10.09.2019Norm
AsylG 2005 §35 Abs1Spruch
W165 2131373-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin nach Beschwerdevorentscheidung des Österreichischen Generalkonsulates Istanbul vom 16.06.2016, Zl. Istanbul-GK/KONS/1478/2016, aufgrund des Vorlageantrages der XXXX geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch 1. Dr. Martin Dellasega, Dr. Max Kapferer Rechtsanwälte, Schmerlingstraße 2/2, 6020 Innsbruck und 2. MMag. Salih SUNAR, Rechtsanwalt, Salurner Straße 14, 6020 Innsbruck, über die Beschwerde gegen den Bescheid des Österreichischen Generalkonsulates Istanbul vom 29.04.2016, Zl. Istanbul-GK/KONS/0722/2016, beschlossen:
A) Das Verfahren wird gemäß den §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG als
gegenstandslos eingestellt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), eine Staatsangehörige Syriens, stellte unter gleichzeitiger Vorlage diverser Urkunden am 15.12.2015 beim Österreichischen Generalkonsulat Istanbul einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005.
Begründend gab die BF an, dass sie ihrem Ehemann, der in Österreich asylberechtigt sei, nachziehen wolle.
Die angegebene, in Österreich lebende Bezugsperson hat seit 21.08.2015 den Status eines anerkannten Flüchtlings.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) teilte dem Österreichischen Generalkonsulat Istanbul nach Erhalt der Antragsunterlagen der BF mit Schreiben vom 11.03.2016 gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Gewährung des Status eines Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. In einem Beiblatt zur negativen Wahrscheinlichkeitsprognose wurde ausgeführt, dass die von der BF vorgelegte Heiratsurkunde als gefälscht anzusehen sei, weshalb keine Eigenschaft als Familienangehörige nachgewiesen werden habe können.
Mit Schreiben vom 11.03.2016 wurde der BF die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) eingeräumt. Der BF wurde mitgeteilt, dass das BFA nach Prüfung mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Begründend wurde ausgeführt, dass aufgrund der vorgelegten gefälschten Heiratsurkunde die Eigenschaft als Familienangehörige nicht habe nachgewiesen werden können, weshalb die BF auch nicht die Voraussetzungen gemäß § 35 AsylG 2005 iVm § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 erfülle.
Am 21.03.2016 brachte die BF eine Stellungnahme in englischer Sprache ein. Darin wird insbesondere ausgeführt, dass die von ihr vorgelegten Dokumente korrekt und auch von einem syrischen Gericht zur Verfügung gestellt worden seien. Der Stellungnahme wurden mehrere Hochzeitsfotos (Schwarz-Weiß-Kopien) angeschlossen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29.04.2016 verweigerte das österreichische Generalkonsulat Istanbul nach Aufrechterhaltung der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose durch das BFA die Erteilung des Einreisetitels gem. § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 mit der Begründung, dass das BFA nach Prüfung mitgeteilt habe, dass in dem dem Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels zugrunde liegenden Fall die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Eigenschaft als Familienangehörige aufgrund der vorgelegten gefälschten Heiratsurkunde nicht habe nachgewiesen werden können, weshalb die BF die Voraussetzungen gemäß § 35 AsylG 2005 iVm § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 nicht erfülle. Die von der BF im Zuge der Stellungnahme übermittelten Hochzeitsfotos hätten die Zweifel aufgrund des geschilderten Sachverhalts nicht zerstreuen können.
Gegen den Bescheid richtet sich die am 27.05.2016 fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in welcher die BF im Wesentlichen geltend machte, dass das von der belangten Behörde geführte Verfahren aufgrund antizipierender Beweiswürdigung an schwerwiegenden Verfahrensmängeln leide. Insbesondere habe die Erstbehörde kein ordentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt und seien vorliegende Beweisergebnisse stillschweigend übergangen und in die Beweiswürdigung nicht einbezogen worden. Dieses willkürliche Vorgehen belaste den gesamten Bescheid mit schwerwiegender Rechtswidrigkeit und sei dieser jedenfalls aufzuheben bzw. in eine Antragstattgebung abzuändern. Der angefochtene Bescheid stütze sich laut Aufforderung zum Parteiengehör vom 11.03.2016 auf eine Einschätzung eines Dokumentenberaters. Sowohl während des Ermittlungsverfahrens als auch während des Laufes der Beschwerdefrist sei der BF bzw. ihren Vertretern keine Akteneinsicht gewährt worden. Es könne daher nicht nachvollzogen werden, aufgrund welcher Umstände die belangte Behörde zur Feststellung gelangt sei, dass die Heiratsurkunde gefälscht und infolgedessen der Antrag abgewiesen worden sei. Der angefochtene Bescheid sei daher nicht überprüfbar und leide an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Die angebliche Kompetenz des Dokumentenberaters lasse sich keinesfalls nachvollziehen, da aufgrund der verweigerten Akteneinsicht weder dessen Name noch dessen Ausbildung oder sonstige relevante Daten des beruflichen Werdeganges bekannt seien. Unabhängig davon sei ein bloßer Bericht zu angeblichen Fälschungsmerkmalen einer zu Krisenzeiten entstandenen Urkunde allein jedenfalls nicht dazu geeignet, eine nach syrischem Recht gültig geschlossene Ehe als ungültig darzustellen. Es sei sehr wahrscheinlich, dass ein Standesamt, dem keine kriegswichtige Funktion zukomme, selbst nicht mehr das nötige Material habe, um den Erfordernissen entsprechende Urkunden auszustellen. Der angefochtene Bescheid beruhe daher auf einem völlig untauglichen Beweismittel und sei daher jedenfalls nichtig. Der Ehemann der BF habe in seinen Einvernahmen angegeben, dass er die BF am 20.11.2011 in Syrien traditionell geheiratet habe und die Eheschließung am 01.01.2012 legitim nach syrischem Recht beim Standesamt in Aleppo registriert worden sei. Da dieses Vorbringen von der Erstbehörde völlig ignoriert worden sei, leide der angefochtene Bescheid an einem weiteren schwerwiegenden Begründungsmangel. Hinzukomme, dass die BF in einem Krisengebiet lebe und allein dadurch bereits erschwerend Zugang zu Beweismitteln habe. Aufgrund des Kriegszustandes in Syrien habe die BF keine Behörde und kein Gericht gefunden, welches die Echtheit von Dokumenten beglaubigen würde. Der Dokumentenberater des BMI selbst führe in einem ähnlich gelagerten Verfahren aus, dass die Überprüfung der Echtheit von syrischen Urkunden aufgrund der derzeitigen Situation nicht möglich sei. Dies von der BF zu verlangen, sei Willkür. Durch das Verwehren der Akteneinsicht durch Ignorieren der diesbezüglichen Anträge seien der Grundsatz der Waffengleichheit verletzt und die Geltendmachung von Parteirechten verhindert worden. Im vorliegenden Fall sei der Einreiseantrag einzig und allein aufgrund des Berichtes des Dokumentenberaters abgelehnt worden, weshalb dieser Bericht das zentrale Element des vorliegenden Verfahrens darstelle. Dem Verfahren hafte eine zu Unrecht erfolgte Verwehrung der Akteneinsicht an und sei somit auch der Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet. Die Mangelhaftigkeit des Verfahrens und die unrichtige rechtliche Beurteilung hätten zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK geführt. Das Verwehren der Einreise stelle einen Eingriff dar, da eine erzwungene räumliche Trennung von Ehepartnern nicht bloß geringfügig sei und beide in ihrem Recht auf ein Familienleben benachteiligt seien. Der Eingriff sei nicht gerechtfertigt, da sich der Bescheid auf ein willkürliches Ermittlungsverfahren und rechtswidrige Akteneinsichtsverweigerung stütze.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 16.06.2016 wies das Österreichische Generalkonsulat Istanbul die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab.
Am 20.06.2016 wurde beim Österreichischen Generalkonsulat Istanbul ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht.
Mit Schreiben des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres vom 25.07.2016, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 29.07.2016, wurden der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.
Die BF reiste ungeachtet der Ablehnung ihres Einreiseantrages mit Bescheid des Österreichischen Generalkonsulates Istanbul vom 29.04.2016 im Mai 2017 irregulär in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte hier am 02.05.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, der am 23.01.2019 rechtskräftig positiv beschieden wurde (vgl. aktueller IZR-Auszug). Die BF lebt seit ihrer illegalen Einreise in das Bundesgebiet mit ihrem hier seit 21.08.2015 asylberechtigten Ehegatten im gemeinsamen Haushalt (siehe aktueller ZMR-Auszug).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Einstellung des Verfahrens:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG, FPG) nicht getroffen, und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht. Neben dem Fall der Zurückziehung der Beschwerde kann analog zu § 33 VwGG eine Einstellung auch bei Klaglosstellung des Beschwerdeführers (Wegfall der Beschwer) in Betracht kommen. Dies grundsätzlich sowohl bei formeller Klaglosstellung wegen Beseitigung des für den Beschwerdeführer belastenden Abspruchs als auch bei materieller Klaglosstellung wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses (Art 132 B-VG); vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren² (2018) § 28 VwGVG, Anm. 5).
Auf den gegenständlichen Sachverhalt finden diese allgemeinen Erwägungen Anwendung wie folgt:
Der BF wurde mit Bescheid vom 29.04.2016 die Ausstellung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 verweigert. Die BF reiste dessen ungeachtet im Mai 2017, somit illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 02.05.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, der am 23.01.2019 rechtskräftig positiv beschieden wurde. Die BF lebt seit ihrer illegalen Einreise in das Bundesgebiet mit ihrem hier seit 21.08.2015 asylberechtigten Ehegatten im gemeinsamen Haushalt.
Die BF ist somit nunmehr in Österreich als Asylberechtigte aufhältig, welches Ziel sie ursprünglich mit der Beantragung eines Einreisetitels verfolgt hat, sodass ein nach wie vor bestehendes Rechtsschutzinteresse zu verneinen ist.
Im Sinne eines nicht mehr vorhandenen rechtlichen Interesses an einer Sachentscheidung war das Verfahren als gegenstandslos einzustellen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich im vorliegenden Fall auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Diese wird durch die Erläuterungen (ErlRV 2009 BlgNR XXIV. GP, 7) gestützt, wonach eine Einstellung des Verfahrens durch Beschluss zu erfolgen hat.
Schlagworte
Asylgewährung, Asylverfahren, Einstellung, Gegenstandslosigkeit,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W165.2131373.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.03.2020