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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des G in Wien, vertreten durch Dkfm. DDr. Gerhard Grone (mittlerweiliger Stellvertreter: Dr. Peter Prikosovits, Wien VII, Kaiserstraße 67), Rechtsanwalt in Wien VII, Neubaugasse 12-14/20, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Jänner 1997, Zl. 10.440/22-II/13/97, betreffend Löschung erkennungsdienstlicher Daten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 1. September 1995 wurde der Beschwerdeführer in Wien auf der Linken Wienzeile in seinem Fahrzeug in Gesellschaft von zwei männlichen Jugendlichen (im Alter von 15 und 16 Jahren) angetroffen. Im Zuge der polizeilichen Erhebungen wurden in der Wohnung und im Fahrzeug des Beschwerdeführers Nacktaufnahmen von männlichen Jugendlichen sichergestellt. Der Beschwerdeführer hat bei der polizeilichen Einvernahme am 8. September 1995 ausgesagt, den Kontakt zu den beiden Burschen im Prater geknüpft zu haben. Die im PKW vorgefundenen Photos habe ein in Deutschland lebender Freund angefertigt. Der Beschwerdeführer, der zwei der darauf abgebildeten Jugendlichen persönlich kenne, habe die Bilder in Österreich ausarbeiten lassen. Er habe in Tschechien mit männlichen Personen zwischen 16 und 18 Jahren, welche die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besäßen, sexuellen Kontakt gehabt. Dieses Verhalten wäre in Tschechien nur strafbar, wenn dabei die Abhängigkeit der Jugendlichen mißbraucht worden wäre.
Am 12. Februar 1996 hat die Staatsanwaltschaft Wien die Anzeige gemäß § 90 Abs. 1 StPO mit der Erklärung zurückgelegt, daß zur weiteren Verfolgung des Beschwerdeführers wegen §§ 206 (Beischlaf mit Unmündigen), 207a (pornographische Darstellungen mit Unmündigen) und 209 (gleichgeschlechtliche Unzucht mit Personen unter 18 Jahren) StGB kein Grund gefunden wird.
Im Zuge dieser polizeilichen Erhebungen wurde der Beschwerdeführer erkennungsdienstlich behandelt.
Am 22. März 1996 beantragte der Beschwerdeführer u.a. die Mitteilung, ob die erkennungsdienstlichen Daten bereits gelöscht worden seien, wenn dies noch nicht geschehen sei, die Löschung der Daten, und für den Fall, daß die Löschung verweigert werde, die bescheidmäßige Absprache, warum die Voraussetzungen für die Löschung nicht vorlägen.
Mit dem im Devolutionsweg ergangenen Bescheid vom 13. Jänner 1997 hat der Bundesminister für Inneres den Antrag auf Löschung der erkennungsdienstlichen Daten "gemäß § 73 Abs. 1 Z. 4 in Verbindung mit § 74 Abs. 1 und Abs. 2 SPG" abgewiesen.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl. Nr. 566/1991 (SPG) in der anzuwendenden Fassung haben folgenden Wortlaut:
"§ 16. ...
(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer
1. nach dem Strafgesetzbuch (StGB) BGBl. Nr. 60/1974, oder
...
strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird.
(3) Ein gefährlicher Angriff ist auch ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet ist, eine solche Bedrohung (Abs. 2) vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird.
...
§ 65. (1) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, Menschen, die im Verdacht stehen, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln. Hievon kann solange abgesehen werden, als nicht zu befürchten ist, der Betroffene werde weitere gefährliche Angriffe begehen.
...
§ 73. (1) Erkennungsdienstliche Daten, die gemäß § 65 ermittelt wurden, sind von Amts wegen zu löschen,
...
4. wenn gegen den Betroffenen kein Verdacht mehr besteht, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben, es sei denn, weiteres Verarbeiten wäre deshalb erforderlich, weil aufgrund konkreter Umstände zu befürchten ist, der Betroffene werde gefährliche Angriffe begehen;
...
(4) Dem Betroffenen ist über Verlangen Auskunft zu erteilen, ob erkennungsdienstliche Daten nach Abs. 1 Z. 1, 2, 4 oder 5 oder nach Abs. 2 von Amts wegen gelöscht wurden. Ist die Löschung deshalb nicht erfolgt, weil die Voraussetzungen hiefür nicht vorliegen, so ist dies auf Antrag des Betroffenen mit Bescheid festzustellen; auf dieses Recht ist in einer zunächst formlos zu erteilenden Auskunft hinzuweisen.
...
§ 74. (1) Erkennungsdienstliche Daten, die gemäß § 65 Abs. 1 ermittelt wurden, sind, sofern nicht die Voraussetzungen des § 73 vorliegen, auf Antrag des Betroffenen zu löschen, wenn der Verdacht, der für ihre Verarbeitung maßgeblich ist, schließlich nicht bestätigt werden konnte oder wenn die Tat nicht rechtswidrig war.
(2) Dem Antrag ist nicht stattzugeben, wenn weiteres Verarbeiten deshalb erforderlich ist, weil aufgrund konkreter Umstände zu befürchten ist, der Betroffene werde gefährliche Angriffe begehen.
..."
Die wegen des gegen den Beschwerdeführer gehegten Verdachtes, aufgrund dessen die erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 65 Abs. 1 SPG durchgeführt wurde, erstattete Anzeige wurde von der Staatsanwaltschaft gemäß § 90 StPO zurückgelegt. In einem derartigen Fall sind die erkennungsdienstlichen Daten - bei Zurücklegung wegen evidenter Entkräftung des Verdachts, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. April 1998, Zl. 97/01/0623) - gemäß § 73 Abs. 1 Z. 4 SPG von Amts wegen bzw. - wenn die Zurücklegung erfolgte, weil der Verdacht der Begehung eines gefährlichen Angriffes nicht bestätigt werden konnte oder die Tat nicht rechtswidrig war - gemäß § 74 Abs. 1 SPG auf Antrag zu löschen, wobei auch in Fällen, in denen eine amtswegige Löschung in Betracht käme, über einen - hier vorliegenden - Antrag mit Bescheid abzusprechen ist. Eine Löschung kommt jedoch nicht in Betracht, wenn trotz Einstellung des Strafverfahrens ein gefährlicher Angriff im Sinne des § 16 SPG (bzw. eine entsprechende Verdachtslage) vorliegt, was etwa dann gegeben ist, wenn eine in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Tatbestandsverwirklichung gesetzte straflose Vorbereitungshandlung (§ 16 Abs. 3 SPG) vorliegt. Aber selbst wenn kein Verdacht der Begehung eines gefährlichen Angriffes mehr besteht, hat die Löschung - im Interesse der Allgemeinheit an einer effizienten Strafverfolgung und an einer raschen Aufklärung von Straftaten - zu unterbleiben, wenn aufgrund konkreter Umstände zu befürchten ist, der Betroffene werde gefährliche Angriffe begehen (§§ 73 Abs. 1 Z. 4 und 74 Abs. 2 SPG).
Wenn auch aus der Tatsache, daß der Beschwerdeführer in Tschechien sexuelle Kontakte zu männlichen Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft im Alter zwischen 16 und 18 Jahren unterhalten hat - ein Verhalten, das in Tschechien (und daher gemäß § 65 Abs. 1 StGB auch in Österreich) nicht strafbar ist -, nicht ohne weiteres geschlossen werden kann, der Beschwerdeführer werde dieses in Österreich mit Strafe bedrohte Verhalten auch im Inland setzen, kann der belangten Behörde im Ergebnis nicht entgegengetreten werden, wenn sie aufgrund des gesamten Verhaltens des Beschwerdeführers die Befürchtung hegte, dieser werde gefährliche Angriffe begehen. Es muß berücksichtigt werden, daß sowohl im PKW des Beschwerdeführers als auch in dessen Wohnung einschlägige Nacktaufnahmen von männlichen Jugendlichen, die dem Beschwerdeführer teilweise persönlich bekannt sind, gefunden wurden und er mit zwei Burschen im Schutzalter des § 209 StGB, zu denen er den Kontakt im Prater geknüpft hat, in seinem PKW angetroffen wurde. Obwohl aus diesem Verhalten nicht geschlossen werden kann, der Beschwerdeführer habe einen gefährlichen Angriff - durch eine ausführungsnahe straflose Vorbereitungshandlung - begangen, sind darin nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer zugestandenen Neigung zu sexuellen Kontakten mit männlichen Jugendlichen konkrete Umstände zu erblicken, die befürchten lassen, der Beschwerdeführer werde gefährliche Angriffe begehen, sodaß eine Weiterverarbeitung von erkennungsdienstlichen Daten im Interesse der Allgemeinheit geboten erschien.
Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive BescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997010261.X00Im RIS seit
05.04.2001