TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/1 W225 2160781-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.10.2019
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Entscheidungsdatum

01.10.2019

Norm

AsylG 2005 §34 Abs3
AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §34 Abs5
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W225 2160780-1/27E

W225 2160784-1/28E

W225 2160783-1/35E

W225 2160781-1/31E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Dr. Barbara WEIß, LL.M. über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX1966 , 2.) XXXX , geb. XXXX1961 , 3.) XXXX , geb. XXXX2000 , 4.) XXXX , geb. XXXX1998 , StA. Afghanistan, alle vertreten durch RA Dr. Helmut Blum, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2017, 1.) Zl. 1020276100-14669636/BMI-BFA_STM_RD, 2.) Zl. 1020275800-14669601/BMI-BFA_STM_RD, 3.) Zl. 1020275408-14669687/BMI-BFA_STM_RD, 4.) Zl. 1020275702-14669741/BMI-BFA_STM_RD, zu Recht:

A)

I. Den Beschwerden wird stattgegeben und 1.) XXXX , 2.) XXXX , 3.)

XXXX sowie 4.) XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

II. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird 1.) XXXX , 2.) XXXX , 3.) XXXX sowie 4.) XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte(r) für die Dauer von einem Jahr erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die im Spruch genannten Beschwerdeführer zu 1.) und 2.) (im Folgenden: BF1 und BF2) reisten mit ihren gemeinsamen Kindern, dem minderjährigen Beschwerdeführer zu 3.) (im Folgenden: BF3), dem damals noch minderjährigen Beschwerdeführer zu 4.) (im Folgenden: BF4), sowie dem damals bereits volljährigen Beschwerdeführer zu W225 2160785-1, alle Staatsangehörige Afghanistans und der Religionsgemeinschaft der Sikhs und der Volksgruppe der Punjabi zugehörig, in das Bundesgebiet ein und stellten für sich sowie als gesetzliche Vertretung für den BF3 und den BF4 am 30.05.2014 gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz.

I.2. Diese Anträge begründeten die BF1 und der BF2 im Rahmen am 31.05.2014 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Niederösterreich durchgeführter niederschriftlicher Erstbefragungen damit, dass die gesamte Familie aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit zu den Sikhs in Afghanistan von Moslems misshandelt und verfolgt worden sei. Mehrmals sei die Familie auf der Straße mit Steinen und Tomaten beworfen und aufgefordert worden, zum Islam zu konvertieren. Vor etwa sechs Monaten sei der älteste Sohn der Familie entführt und erst nach Erfüllung einer Geldforderung wieder freigelassen worden. Bereits vor sieben Jahren sei eine Tochter verschwunden und bislang nicht mehr aufgetaucht.

I.3. Mit Schreiben vom 21.07.2015 teilte der im Spruch genannte Vertreter mit, durch die Beschwerdeführer zu deren rechtsfreundlichen Vertretung bevollmächtigt worden zu sein.

I.4. Am 15.04.2016 wurde die BF1 und der damals bereits volljährige BF4 von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) und in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Punjabi sowie ihrer Rechtsvertretung getrennt voneinander niederschriftlich einvernommen.

Die BF1 führte dabei aus, bereits seit über 30 Jahren mit dem BF2 verheiratet zu sein. Gemeinsam hätten sie fünf Kinder - den BF3, den BF4, den Beschwerdeführer zu W225 2160785-1 sowie eine verheiratete Tochter, die nach wie vor in Afghanistan lebe, und eine Tochter, die vor sechs oder sieben Jahren entführt worden sei. Die Familie stamme aus der Provinz Helmand und habe viel Geld gehabt. Afghanistan verlassen habe die Familie, da sie von Moslems bedroht, mit Steinen beworfen und zur Konversion gedrängt worden sei. Die BF1 selbst sei bei dem Vorfall, im Zuge dessen ihre Tochter vor sechs oder sieben Jahren bei einem Sikh-Tempel entführt worden sei, gestoßen und dabei verletzt worden. Auch davor habe es ein paar Kleinigkeiten gegeben. Fünf oder sechs Monate vor der Ausreise aus Afghanistan sei letztlich auch der älteste Sohn der Familie entführt worden. Man habe gedroht, ihm die Haare abzuschneiden und einen Moslem aus ihm zu machen bzw. ihn umzubringen, sollte man die Polizei einschalten. Nach Bezahlung einer Geldforderung sei er nach drei Tagen wieder freigelassen worden. Die anderen Kinder hätten wegen ihrer Religion nicht in die Schule gehen können.

In Österreich gefalle es der BF1 sehr gut. Sie erledige hier den Haushalt, gehe spazieren und könne sich frei bewegen. Deutsch spreche sie nicht.

Der BF4 führte seinerseits aus, die gleichen Fluchtgründe wie seine Eltern zu haben. Er selbst sei ab und zu von kleinen Kindern mit Steinen und Tomaten beworfen und an den Haaren gezogen sowie aufgefordert worden, ein Moslem zu werden. Auch der BF4 verwies auf die Entführung seines älteren Bruders etwa sechs Monate vor der Ausreise der Familie. Über die Entführung seiner Schwester wisse er nicht viel, da er damals noch jung gewesen sei.

I.5. Am 02.06.2016 wurde auch der BF2 von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des BFA und in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Punjabi sowie seiner Rechtsvertretung niederschriftlich einvernommen und gab dabei an, in Afghanistan ein Lebensmittelgeschäft betrieben zu haben. Die Probleme der Familie aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit hätten vor etwa zwölf Jahren begonnen. Die Situation sei jedoch immer schlechter geworden und die BF1 habe Angst gehabt, dass weitere Kinder oder sie selbst entführt werden würden. Der BF2 selbst sei immer wieder aufgefordert worden, Moslem zu werden, sich die Haare abzuschneiden und seine Frau den Moslems zu geben. Die seit Jahren verschwundene Tochter sei im Zeitpunkt ihrer Entführung mit der BF1 zu einem Sikh-Tempel gegangen. Der BF2 selbst sei am selben Tag zur Polizei, die ihm jedoch nicht geholfen habe. Der älteste Sohn der Familie sei sechs Monate vor der Einreise in das Bundesgebiet von vier Männern entführt worden. Mittels eines auf einen Stein gewickelten Briefes sei dem BF2 mitgeteilt worden, eine angeführte Telefonnummer anzurufen. Im Zuge dieses Telefonats sei dann ein Lösegeld von 50.000,-- US Dollar gefordert worden. Zwar habe der BF2 nur 20.000,-- US Dollar beschaffen können, sei sein Sohn jedoch trotzdem freigelassen worden.

I.6. Mit Schreiben vom 30.03.2017 nahm der Rechtsvertreter zu den vom BFA mit Schreiben vom 15.03.2017 übermittelten Länderberichten Stellung und nahm dabei insbesondere auf die Stellung der Sikhs und der Frauen in Afghanistan Bezug.

I.7. Mit den Bescheiden vom 08.05.2017, Zlen. 1.) 1020276100-14669636/BMI-BFA_STM_RD, 2.) 1020275800-14669601/BMI-BFA_STM_RD, 3.) 1020275408-14669687/BMI-BFA_STM_RD und 4.) 1020275702-14669741/BMI-BFA_STM_RD wies das BFA die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Beschwerdeführer nicht erteilt, gegen die Beschwerdeführer jeweils Rückkehrentscheidungen erlassen und eine Abschiebung nach Afghanistan jeweils für zulässig erklärt (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Das BFA stellte in den angeführten Bescheiden die afghanische Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer und deren Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Sikhs fest. Dem Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer fehle es an der erforderlichen Intensität, um asylrelevant zu sein. Insbesondere hätten sich die Schilderungen der Beschwerdeführer über die Entführungen einer Tochter und des ältesten Sohnes der Familie als vage und wenig konkret dargestellt und sei dem Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer letztlich die Glaubwürdigkeit abzusprechen. Im Falle der Beschwerdeführer sei vielmehr davon auszugehen, dass sie das Land aufgrund jahrelanger Anfeindungen und Diskriminierungen durch die muslimische Bevölkerung sowie der allgemeinen schlechten wirtschaftlichen Situation und der angespannten Sicherheitslage verlassen hätten. Eine Rückkehr der Beschwerdeführer nach Afghanistan erachtete das BFA als möglich und zumutbar. Insbesondere stelle Kabul eine der sichersten Provinzen in Afghanistan dar. Zwar sei die Bevölkerungsgruppe der Familie durchaus Diskriminierungen im Alltag ausgesetzt, Hinweise auf ethnisch oder religiös motivierte Gewaltverbrechen lägen jedoch nicht vor. Letztlich würden zudem die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen.

I.8. Mit Verfahrensanordnungen vom 15.05.2017 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

I.9. Gegen die oben angeführten Bescheide erhoben die Beschwerdeführer - gemeinsam mit dem Beschwerdeführer zu W225 2160785-1 - mit Schreiben vom 30.05.2017, beim BFA eingelangt am 01.06.2017, eine (gemeinsame) Beschwerde.

Begründend führten sie dabei aus, dass das BFA zwar festgestellt habe, dass Angehörige der Sikhs zahlreichen Diskriminierungen und Anfeindungen ausgesetzt seien, die geschilderten Vorfälle laut dem BFA jedoch keine Eingriffe erforderlicher Intensität darstellen würden, um asylrelevant zu sein. Die Beschwerdeführer wären jedoch durchaus bereit gewesen, detailliertere Angaben zu tätigen, sei dies seitens des BFA mit dem Hinweis, dass der Sachverhalt ohnedies bereits feststehe jedoch nicht ermöglicht worden. Von einer "intensiven Befragung" könne nicht die Rede sein. Die Familie habe jedenfalls aufgrund einer asylrechtlich relevanten Verfolgung aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur religiösen Minderheit der Sikhs Afghanistan verlassen müssen. Zudem sei die BF1 aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt. Da sich die Sicherheitslage in ganz Afghanistan schlecht darstelle, sei jedenfalls eine positive

Refoulemententscheidung zu treffen. Dem BF3 und dem BF4 sei darüber hinaus in Österreich bereits eine überdurchschnittliche Integration gelungen.

Es wurden die Anträge gestellt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen; die angefochtenen Bescheide dahingehend abzuändern, dass den Beschwerdeführern jeweils der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werde; in eventu die angefochtenen Bescheide dahingehend abzuändern, dass den Beschwerdeführern jeweils der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde; festzustellen, dass die Ausweisung der Beschwerdeführer dauerhaft unzulässig sei; in eventu die angefochtenen Bescheide aufzuheben und der Erstbehörde nach einer Verfahrensergänzung eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.

I.10. Mit Schreiben vom 03.08.2017 wurden die Beschwerdeführer zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen. Zugleich wurde ihnen das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vorab zur Information übermittelt.

I.11. An der am 24.08.2017 durch das Bundesverwaltungsgericht durchgeführten öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung nahmen sowohl die BF1 und der BF2 als auch der minderjährige BF3, der nun bereits volljährige BF4 sowie der Beschwerdeführer zu W225 2160785-1 (volljähriger Sohn der BF1 und des BF2) teil. Auch der im Spruch genannte und von den Beschwerdeführern bevollmächtigte Vertreter nahm an der Verhandlung teil. Das BFA verzichtete bereits mit den Schreiben vom 02.06.2017 auf die Teilnahme an der Verhandlung.

Im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Punjabi wurden die BF1 und der BF2 dabei getrennt voneinander ausführlich u.a. zu ihrer Identität, ihren Lebensumständen in Afghanistan, ihren Familienangehörigen in Afghanistan, ihren Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen und ihren Lebensumständen in Österreich befragt.

Als Beilagen zum Protokoll der mündlichen Verhandlung wurde ein Konvolut von seitens der Beschwerdeführer vorgelegter Unterlagen (u.a. ärztliche Bestätigungen; Beilagen A/1 bis A/8) sowie ein den Beschwerdeführern zur Kenntnis gebrachtes Gutachten eines länderkundigen Sachverständigen zur Lage der Sikhs in Afghanistan (Beilage I.) genommen.

I.12. Mit Schreiben vom 01.09.2017 übermittelten die Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht weitere Unterlagen (u.a. Schulzeugnisse, Deutschkursanmeldungen, diverse Unterstützungsschreiben).

I.13. Mit Schreiben vom 05.09.2017 wurden den Beschwerdeführern Informationen hinsichtlich Rückkehrunterstützungen und Reintegrationsmaßnahmen übermittelt.

I.14. Mit Schreiben vom 19.09.2017 wurde seitens der Beschwerdeführer auf die vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 05.09.2017 übermittelten Unterlagen Stellung genommen und der Antrag gestellt, den BF3, den BF4 und den Beschwerdeführer zu W225 2160785-1 einzuvernehmen.

I.15. Am 28.11.2017 wurde durch das Bundesverwaltungsgericht eine weitere öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt, im Zuge derer auch der BF3, der BF4 und der Beschwerdeführer zu W225 2160785-1 zu den bereits oben genannten Themenkreisen ausführlich befragt wurden. Zudem wurde die Ehefrau des Beschwerdeführers zu W225 2160785-1 als Zeugin befragt. Auf Antrag der Rechtsvertretung wurden zudem die BF1 und der BF2 ergänzend befragt.

Als Beilagen zum Protokoll der mündlichen Verhandlung wurden weitere seitens der Beschwerdeführer vorgelegte Unterlagen (darunter u.a. Bestätigungen über die Teilnahme an Sprachkursen, Schulbesuchsbestätigungen, Unterstützungsschreiben) genommen.

I.16. Mit Erkenntnis vom 21.12.2017, 1.) W225 2160780-1/13E, 2.) W225 2160784-1/14E, 3.) W225 2160783-1/18E und 4.) W225 2160781-1/15E wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden als unbegründet ab.

I.17. Mit Beschluss vom 12.12.2018, E 475-478/2018-10, behob der Verfassungsgerichtshof das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.12.2017 hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, der Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung, hinsichtlich des Ausspruches, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei sowie hinsichtlich der Festsetzung einer vierzehntägigen Frist zur freiwilligen Ausreise und lehnte die Behandlung der Beschwerde im Übrigen (somit hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten) ab.

I.18. Mit Beschluss vom 19.03.2019, Ra 2019/01/0079 bis 0082-3, wies der Verwaltungsgerichthof die gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.12.2017 gemeinsam erhobene Revision zurück.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

-

Einsicht in die die BF betreffenden und dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakte des BFA, insbesondere in die Befragungsprotokolle;

-

Befragung der BF1, des BF2, des BF3 und des BF4 sowie deren bereits zum Zeitpunkt der Einreise volljährigen Bruder, dem BF zu W225 2160785-1 und dessen Ehefrau (als Zeugin), im Rahmen öffentlicher mündlicher Beschwerdeverhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht am 24.08.2017 und am 28.11.2017;

-

Einsicht in die dem Verfahren eingeführten Länderberichte und Gutachten zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat;

-

Einsicht in die im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgelegten Unterlagen;

-

Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und das Grundversorgungssystem.

II.1. Sachverhaltsfeststellungen:

II.1.1. Zu den BF und ihren Fluchtgründen:

Die BF sind Staatsangehörige von Afghanistan, Angehörige der Volksgruppe der Punjabi sowie der Religionsgemeinschaft der Sikh. Die BF1 und der BF2 sind seit über 30 Jahren miteinander verheiratet. Die zum Zeitpunkt der Antragstellung noch mj. BF3 und BF4 sind die gemeinsamen Kinder der BF1 und BF2. Am 30.05.2014 stellten die BF gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz.

Die BF stammen aus der Provinz Helmand. Dort haben sie gemeinsam bis zu ihrer Ausreise in der Stadt XXXX , im Viertel XXXX , gelebt.

Der BF2 hat in Afghanistan ein Lebensmittelgeschäft betrieben und damit den Lebensunterhalt verdient sowie deren Existenz gesichert. Er spricht Punjabi, Farsi und Paschtu. Die BF1 war in Afghanistan Hausfrau und hat die meiste Zeit zu Hause verbracht. Sie spricht Punjabi und hat in Afghanistan keine Schul- oder Berufsausbildung absolviert. Der BF3 und der BF4 haben in Afghanistan eine Punjabi-Schule in einem Sikh-Tempel besucht. Der BF4 hat zudem im Lager seines Vaters mitgeholfen.

Von den Familienangehörigen der Beschwerdeführer hält sich eine Tochter der BF1 und des BF2 mit deren Familie in Afghanistan auf. Zudem hält sich ein Bruder der BF1 und dessen Familie in Afghanistan auf. Zu diesen besteht dzt. Kein Kontakt und kann nicht festgestellt werden, dass die in Afghanistan lebenden Angehörigen gewillt sind die BF bei einer Rückkehr finanziell zu unterstützen. Ein volljähriger Sohn der BF1 und des BF2 sowie dessen Ehefrau und Kind - die BF zu W225 2160785-1, W225 2179608-1 und W225 2160785-1 -halten sich im Bundesgebiet auf. Sonst verfügen die BF über keine weiteren Angehörigen im Bundesgebiet.

Die BF beziehen in Österreich Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Sie sind strafrechtlich unbescholten.

Die BF2 bis BF4 sind gesund. Die BF1 leidet an einer Polyarthritis und einer Schlafstörung und ist in medikamentöser Behandlung.

Es wird festgestellt, dass den BF der Status des Asylberechtigten nicht zukommt.

Ungeachtet der grundsätzlich in Afghanistan, insb. in Herat und Mazar-e-Sharif vorhandenen allgemeinen Existenzmöglichkeiten für Rückkehrer, ist bei der Situation der BF1 bei einer Rückkehr in die Heimat mittels Abschiebung davon auszugehen, dass die BF1 in eine sehr unsichere wirtschaftliche Situation geraten würde. Die BF1 wäre im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in der Lage, für sich selbst zu sorgen und sich eine - zumindest grundlegende - Existenz aufzubauen.

II.1.2 Zur Situation in Afghanistan:

II.1.2.1 Auszug Staatendokumentation:

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).

Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. - 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).

Zivilist/innen

Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres registrierte die UNAMA zwischen 1.1. und 30.9.2017 8.019 zivile Opfer (2.640 Tote und 5.379 Verletzte). Dies deutet insgesamt einen Rückgang von fast 6% gegenüber dem Vorjahreswert an (UNAMA 10.2017); konkret hat sich die Anzahl getöteter Zivilist/innen um 1% erhöht, während sich die Zahl verletzter Zivilist/innen um 9% verringert hat (UN GASC 20.12.2017). Wenngleich Bodenoffensiven auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer waren - führte der Rückgang der Anzahl von Bodenoffensiven zu einer deutlichen Verringerung von 15% bei zivilen Opfern. Viele Zivilist/innen fielen Selbstmordattentaten, sowie komplexen Angriffen und IEDs zum Opfer - speziell in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Kandahar und Faryab (UNAMA 10.2017).

Zivile Opfer, die regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben wurden, sind um 37% zurückgegangen: Von insgesamt 849 waren 228 Tote und 621 Verletzte zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben werden, um 7%: von den 1.150 zivilen Opfer starben 225, während 895 verletzt wurden. Die restlichen Opfer konnten keiner Tätergruppe zugeschrieben werden (UNAMA 10.2017).

High-profile Angriffe:

Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt Kabul in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)

Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in Kabul in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017; UN GASC 20.12.2017). In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen - in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten: je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vgl. NYT 20.10.2017; al Jazeera 20.10.2017).

Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC 21.10.2017). In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verlusten aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).

Am 7.11.2017 griffen als Polizisten verkleidete Personen/regierungsfeindliche Kräfte eine Fernsehstation "Shamshad TV" an; dabei wurde mindestens eine Person getötet und zwei Dutzend weitere verletzt. Die afghanischen Spezialkräfte konnten nach drei Stunden Kampf, die Angreifer überwältigen. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Guardian 7.11.2017; vgl. NYT 7.11.2017; UN GASC 20.12.2017).

Bei einem Selbstmordangriff im November 2017 wurden mindestens neun Menschen getötet und einige weitere verletzt; die Versammelten hatten einem Treffen beigewohnt, um den Gouverneur der Provinz Balkh - Atta Noor - zu unterstützen; auch hier bekannte sich der IS zu diesem Selbstmordattentat (Reuters 16.11.2017; vgl. UN GASC 20.12.2017)

Interreligiöse Angriffe

Serienartige gewalttätige Angriffe gegen religiöse Ziele, veranlassten die afghanische Regierung neue Maßnahmen zu ergreifen, um Anbetungsorte zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempeln vor Angriffen zu schützen (UN GASC 20.12.2017).

Seit 1.1.2016 wurden im Rahmen von Angriffen gegen Moscheen, Tempel und andere Anbetungsorte 737 zivile Opfer verzeichnet (242 Tote und 495 Verletzte); der Großteil von ihnen waren schiitische Muslime, die im Rahmen von Selbstmordattentaten getötet oder verletzt wurden. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017).

Im Jahr 2016 und 2017 registrierte die UN Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Seit 1.1.2016 wurden 27 gezielte Tötungen religiöser Personen registriert, wodurch 51 zivile Opfer zu beklagen waren (28 Tote und 23 Verletzte); der Großteil dieser Vorfälle wurde im Jahr 2017 verzeichnet und konnten großteils den Taliban zugeschrieben werden. Religiösen Führern ist es möglich, öffentliche Standpunkte durch ihre Predigten zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017).

Quellen:

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al Jazeera (20.10.2017): Deadly attacks hit mosques in Kabul and Ghor,

http://www.aljazeera.com/news/2017/10/dozens-feared-dead-attacks-afghanistan-171020142936566.html, Zugriff 20.12.2017

-

BBC (31.10.2017): Kabul Green Zone attacked by suicide bomber, http://www.bbc.com/news/world-asia-41819850, Zugriff 20.12.2017

-

BBC (21.10.2017): Afghan suicide mosque attacks kill scores of worshippers, http://www.bbc.com/news/world-asia-41699320, Zugriff 20.12.2017

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BS - Business Standard (24.11.2017): Key Haqqani network leader among dozens killed in Afghanistan, http://www.business-standard.com/article/news-ani/key-haqqani-network-leader-among-dozens-killed-in-afghanistan-117112400292_1.html, Zugriff 21.12.2017

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Guardian (7.11.2017): Kabul TV station defiantly resumes broadcasting moments after Isis attack ends, https://www.theguardian.com/world/2017/nov/07/gunmen-attack-kabul-tv-station-after-explosion, Zugriff 20.12.2017

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Handelsblatt (20.12.2017): Afghanistan stürzt in politische Krise, http://www.handelsblatt.com/politik/international/gouverneurs-abloesung-afghanistan-stuerzt-in-politische-krise/20759742.html, Zugriff 21.12.2017

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Politische Lage:

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9.2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017).

Parlament und Parlamentswahlen

Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9.2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.1.2017).

Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.4.2016, vgl. auch: CRS 12.1.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50 % mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25 % im Parlament und über 30 % in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 13.4.2016).

Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9.2016).

Parteien

Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die afghanische Parteienlandschaft ist mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des s

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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