TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/7 W105 2182114-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.10.2019
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Entscheidungsdatum

07.10.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W105 2182114-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald BENDA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 04.12.2017, Zl. 1101061102-16016616/BMI-BFA-STM-RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.06.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer wird gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 07.10.2020 erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 05.01.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 10.01.2016 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er an, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara/Sadat und in der iranischen Stadt Mashhad geboren und habe zuletzt dort gelebt. Sie hätten kein Geld gehabt, um in die Schule zu gehen und hätten sie keine Todesurkunde für die verstorbene Mutter bekommen können und sei dies der Grund, warum sie hierhergekommen seien.

Am 16.11.2017 wurde der Antragsteller niederschriftlich vor der Erstbehörde einvernommen und gab er auf Befragen nach seinem Gesundheitszustand an, unter Vergesslichkeit zu leiden und Medikamente hiefür zu nehmen. Im Weiteren wurde festgehalten, dass der Antragsteller sich derzeit eines Rollstuhles bedienen müsse, da er von einem LKW angefahren worden sei, wobei sein Becken gebrochen wurde. Inhaltlich gab der Antragsteller zu Protokoll, er sei im Iran geboren und sei noch nie in Afghanistan gewesen. Den Iran habe er vor etwa zwei Jahren (gerechnet vom Datum der niederschriftlichen Einvernahme) verlassen. Im Iran habe er ein Jahr die Schule besucht und sodann als Hilfsarbeiter am Bau gearbeitet. Seine Ausreise habe sein Vater finanziert. Im Iran lebe noch ein Onkel väterlicherseits und sei sein Vater hier in Österreich und seine Mutter bereits vorverstorben. Geschwister habe er keine. In Afghanistan habe er keine Angehörigen. In Afghanistan habe er keine wie immer gearteten Probleme gehabt.

Zu seinen Antragsgründen gab der Antragsteller zentral zu Protokoll, sein Vater habe kein Geld gehabt, um ihm die Schule zu finanzieren und sei er drogensüchtig geworden. Er habe ein schweres Leben gehabt und habe sein Vater nicht für seinen Drogenkonsum aufkommen können. Er habe des Weiteren die iranische Karte für afghanische Flüchtlinge verloren und hätten ihm die Behörden eine Neuausstellung verweigert. Man habe ihm gesagt, dass er entweder nach Syrien in den Krieg oder nach Afghanistan müsse. Sein Vater habe ihm gesagt, dass sie nach Europa gehen sollten und wäre es hier besser. Sein Vater habe ihn in XXXX /Iran noch in eine Drogenentzugsanstalt gebracht und habe er dort einen Monat verbracht. Nach der Entlassung habe der Vater Hab und Gut verkauft. Eine konkrete, ihn betreffende Bedrohungssituation im Iran verneinte der Antragsteller. Sein Vater sei bereits vor ca. 32 Jahren aus Afghanistan geflohen und kenne er den Grund hiefür nicht. Auf Befragen, was er für den Fall der Rückkehr nach seinen Herkunftsstaat Afghanistan befürchte, gab der Antragsteller an, er habe Afghanistan noch nie gesehen und wisse er dennoch, dass er sicher sei, dass er durch IS und andere Gruppierungen in Gefahr sei. Seitens der Regierung habe er nichts zu befürchten. Außer seinem Vater lebe noch eine Tante in XXXX und wisse er deren Status jedoch nicht.

In weiterer Folge befand sich der Antragsteller aufgrund einer Selbstverletzung einhergehend mit Alkoholmissbrauch in Gefolge einer suizidalen Krise vom 30.03.2017 bis 13.04.2017 in spitalsärztlicher Pflege. Von 21.09.2017 bis 12.10.2017 war der Antragsteller erneut in stationärer Pflege; dies mit der Diagnose Polytrauma nach einem Verkehrsunfall am 21.09.2017.

2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit oben genanntem Bescheid vom 04.12.2017 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Weiters wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III), gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkte V. und VI.). Schließlich sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Zum Gesundheitszustand des Antragstellers wurde festgestellt, dass der Antragsteller an keiner lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Krankheit leide und habe ebenso wenig eine Verfolgungssituation im Herkunftsstaat Afghanistan festgestellt werden können. Im Weiteren wurden umfangreiche Feststellungen zur Allgemeinsituation in Afghanistan getroffen.

Beweiswürdigend wurde festgehalten, dass der Antragsteller medizinische Berichte vorgelegt habe, welche bestätigen würden, dass er an einer reaktiven Depression leide und habe eine Recherche ergeben, dass die genannten Symptome bei dieser Krankheit nicht zwangsläufig lebensbedrohlich sich äußern würden. Er sei aufgrund eines Beckenbruches vorübergehend an den Rollstuhl gebunden. Zu seinen Fluchtgründen wurde ausgeführt, dass jedenfalls kein zeitlicher Zusammenhang bestehe und hätten seine Eltern laut deren eigenen Angaben ihren Heimatstaat bereits verlassen, als er selbst zwei oder drei Jahre alt gewesen wäre. Er habe sich seitdem nur im Iran aufgehalten und auch dort gearbeitet. Er selbst mache keine weiteren Fluchtgründe betreffend Afghanistan geltend. Eine Rückkehr sei aufgrund der unterschiedlichen Sicherheitslagen in Afghanistan nicht generell unzumutbar und stünden ihm gemäß den vorliegenden Länderfeststellungen vor dem Hintergrund seines Gesundheitszustandes mehrere medizinische Einrichtungen zur Verfügung.

3. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.04.2019 wurde dem Antragsteller im Vorlauf zur anberaumten öffentlichen mündlichen Verhandlung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Kenntnis gebracht, sowie wurde er auf die aktuellen UNHCR Guidelines-Afghanistan verwiesen.

Hiezu brachte der Antragsteller eine Stellungnahme vom 13.05.2019 ein, in welcher er unter anderem auf die dem Länderinformationsblatt zugrundeliegenden Quellen verwies und ausführte, dass hinsichtlich der Rückkehrsituation auf lediglich eine Quelle zurückgegriffen worden sei und sei das Thema deshalb einseitig und nicht ausgewogen und keinesfalls objektiv abgehandelt worden. Des Weiteren sei die Aktualität der Quellen nicht gegeben. Überdies sei auch aufgrund der mangelnden Namensnennung von Quellenpersonen keine Nachvollziehbarkeit des Ergebnisses im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gegeben. Weiters sei das der Quelleninformation zugrundeliegende Sample nicht repräsentativ, bezogen auf die seitens UNHCR geschätzte Zahl von 2,5 Millionen registrierten afghanischen Flüchtlingen. Wie aufgezeigt würde die Heranziehung des Länderinformationsblattes im gegenständlichen Fall unter Hinweis auf eine namhaft gemachte Quelle nicht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entsprechen. In diesem Zusammenhang wurde auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur gebotenen Aktualität von Informationsmaterial verwiesen.

Zur Lage in Afghanistan bezog sich der Beschwerdeführer auf eine Anfrage von Pro Asyl, wonach eine pauschalierte Ablehnung von Anträgen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BRD) mit dem Verweis auf sogenannte inländische Schutzalternativen innerhalb Afghanistans nicht mehr aufrecht zu erhalten sei. In diesem Zusammenhang wurde auf einen Lagebericht der Deutschen Auswärtigen Amtes verwiesen. In den letzten beiden Jahren sei die Ablehnung afghanischer Asylsuchender rapide gestiegen und dies regelmäßig begründet mit dem Hinweis, Verfolgte hätten an einem Ort in Afghanistan Schutz finden können. Eine Ausweichmöglichkeit sei zu Unrecht angenommen worden und somit durch den Lagebericht des Deutschen Außenamtes allen Hardlinern die Legitimation entzogen. Das Deutsche Außenamt spreche nunmehr davon, dass die Absorptionsfähigkeit der genutzten Ausweichmöglichkeiten, vor allem im Umfeld größerer Städte durch die hohe Zahl der Binnenvertriebenen und Rückkehrern bereits stark in Anspruch genommen sei. Ausweichmöglichkeiten würden nicht existieren. Überlandstraßen würden überdies von den Taliban kontrolliert werden. Rückkehr für über den Iran geflüchtete Personen sei kaum möglich. Wer keine sozialen und familiären Netzwerke habe, könne nicht zurückkehren. Rückkehrer hätten überdies einen schweren Stand - so auch Berichte von EASO 2016 - sei UNHCR davon ausgegangen, dass eine interne Schutzalternative in den vom aktiven Konflikt betroffenen Gebieten nicht gegeben gewesen sei. 2018 habe UNHCR festgestellt, dass 54 % der Binnenvertriebenen in Afghanistan in Provinzhauptstädten untergekommen seien. Diese Städte könnten nunmehr die Herausforderungen nicht mehr bewältigen. Des Weiteren sei auf eine herrschende Dürre im Norden und Westen Afghanistans verwiesen. In den Jahren 2016 und 2017 seien mehr als 1,5 Millionen aus Afghanistan aus Pakistan und dem Iran zurückgekehrt, was zu einer enormen Belastung der bereits überbeanspruchten Aufnahmekapazität geführt habe. Die UNHCR-Richtlinie von 2018 gehe konkret auf Kabul als interne Schutzalternative ein und habe die Sicherheitslage für die Zivilbevölkerung sich weiter verschlechtert. Die Armut steige insgesamt an. Zur Situation in Mazar-e Sharif werde festgehalten, dass die Provinz Balkh eine relativ sichere Provinz sei. Dem sei entgegenzuhalten, dass kürzlich gerade auch dort Anschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen stattgefunden hätten. Gemäß dem Bericht EASO werde zu Einzelpersonen und sich gegen diesen gerichtete Handlungen durch bewaffnete Akteure im Konflikt beschrieben, dass regierungsfeindliche Gruppen in der Lage seien, auch in Städten Gegner gezielt zu eliminieren. Gemäß UNHCR müsse eine Schutzalternative zumutbar sein; sohin müsse es Zugang zu Unterbringung, grundlegender Infrastruktur sowie den wichtigen Services wie Trinkwasser, Hygiene, Gesundheitsversorgung und Bildung geben; sowie weiters die Möglichkeit, sich einen Lebensunterhalt zu erwirtschaften oder bewiesene und nachhaltige Unterstützung.

4. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Im Rahmen des Beschwerdeschriftsatzes brachte der Antragsteller vor, Angehöriger der Volksgruppe "der Sadat" und Angehöriger des schiitischen Glaubens zu sein. Er habe fast sein ganzes Leben im Iran verbracht und sei er bei Rückkehr als Schiit und Angehöriger einer Minderheit sowie Rückkehrer aus dem Iran bzw. dem westlichen Ausland tagtäglich landesweiter Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt. Aufgrund der Verschlechterung der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage im afghanischen Staatsgebiet drohe einer Verletzung der von Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte. Eine innerstaatliche Fluchtalternative liege nicht vor, da er keine Angehörigen mehr in Afghanistan habe und sei er überdies bei einem Unfall in Österreich schwer verletzt worden und könne nicht von einer hinreichenden medizinischen Versorgung im Heimatland ausgegangen werden. Weiterhin wurde gerügt, dass die erkennende Behörde die ihr auferlegte Ermittlungspflicht verletzt habe; so seien keine näheren Fragen dazu gestellt worden, dass der Antragsteller zu einer religiösen Minderheit, nämlich der schiitischen Sadat gehöre. Auch die Länderberichte über die Hazara seien unzureichend und tendenziös. In diesem Zusammenhang verwies der Antragsteller auf eine Anfragebeantwortung von ACCORD vom 25.10.2017 zur Lage der Sadat. So würden die Sadat eine Untergruppierung der Hazara bilden und würden sie sich hinsichtlich ihrer Abstammung auf den Propheten Mohammed zurückführen und seien sie ursprünglich Araber gewesen. Manchmal würden sich Sadat selbst als Hazara bezeichnen oder von anderen als solche bezeichnet werden. Gemäß einer namhaft gemachten Quelle würden Sadat eher im positiven Sinne anders behandelt, dies deshalb, da sie aufgrund der Zurückführung auf Mohammed besonders respektiert würden. Weiters sei der Name Sayed (anders für Sadat) gleichsam ein Ehrentitel der Nachkommen des Propheten Mohammed. Die Sadat oder Sayed seien keine ethnische, sondern vielmehr eine religiöse Funktionsgruppe.

Weiterhin wurde auf gewisse Spannungen innerhalb der Gruppen der Hazara zu den Sadat aufgezeigt; ist es da sich die Sadat gleichsam als elitäre Gruppe präsentieren würden.

Dass den Angehörigen der Sadat oder Sayed in Afghanistan eine erhöhte Verfolgungsgefahr drohe, ergebe sich vor allem aus den Richtlinien von UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom April 2016. In diesem Zusammenhang seitens UNHCR darauf hingewiesen, dass Hazara per se gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt seien. Im Weiteren ging die Beschwerde auf die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan ein; dies insbesondere durch Heranziehung verschiedener Quellen aus den Jahren 2017 und 2018.

Hätte die Erstbehörde ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und eine ordnungsmäßige Beweiswürdigung vorgenommen, hätte es zur Feststellungen gelangen müssen, dass dem Antragsteller aufgrund seiner Zugehörigkeit zur religiös-ethnischen Minderheit der schiitischen Sadat asylrelevante Verfolgung drohe. Dies werde dadurch untermauert, da er die Kriterien des UNHCR erfülle.

Im Weiteren wurde darauf verwiesen, dass eine sogenannte inländische Fluchtalternative generell in Afghanistan nicht bestehe.

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 14.06.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Das Beschwerderechtsgespräch gestaltete sich im Wesentlichen wie folgt:

(BF2 = gegenständlicher Beschwerdeführer, BF1 = Vater des Beschwerdeführers)

"Beginn der Befragung

I. Zum aktuellen Zustand des BF1 und 2:

R: Wie geht es Ihnen gesundheitlich (sowohl in psychischer als auch in physischer Hinsicht [die Begriffe werden mit dem BF abgeklärt, sodass ihm diese geläufig sind]): Sind Sie insbesondere in ärztlicher Behandlung, befinden Sie sich in Therapie, nehmen Sie Medikamente ein?

BF1: Mir geht es gut, ich habe eine Augenoperation gehabt und benütze manchmal Augentropfen, ansonsten geht es mir gut.

BF2: Ich hatte einen Autounfall, meine beiden Oberschenkel waren gebrochen und auch das Becken und der Rücken. Manchmal habe ich Rückenschmerzen im Schlaf. Ich leide auch an Vergesslichkeit und verliere meine Sinne.

R: Stehen Sie diesbezüglich in Behandlung?

BF2: Ich stehe unter ärztlicher Aufsicht. Wenn ich sehr viele Schmerzen habe, werde ich ins Landeskrankenhaus gebracht. Dort werde ich aufgenommen und wieder entlassen.

R: Wann waren Sie das letzte Mal im Spital?

BF2: Vor 2 Monaten.

R: Wie lange waren Sie im Spital?

BF2: Vor einem Jahr wurde ich operiert und vor 2,5 Monaten war ich im Spital.

II. Zum Verfahren vor dem BFA bzw. den Organen des öffentlichen

Sicherheitsdienstes:

R: Sie wurden bereits beim BFA bzw. vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Polizei) niederschriftlich einvernommen. Haben Sie dort immer die Wahrheit gesagt oder möchten Sie etwas richtig stellen?

BF1: Ich weiß es nicht, es wurde uns dort nichts vorgelesen, was ich gesagt habe.

R: Allen Protokollen ist entnehmbar, dass diese Ihnen rückübersetzt wurden und haben Sie Seite für Seite die Vollständigkeit und Richtigkeit des Textes bestätigt.

BF1: Ich wurde nicht lange befragt, nicht einmal eine halbe Stunde bei der zweiten Einvernahme. Es wurde mir auch nicht rückübersetzt.

R: Wie war es dann bei der Einvernahme vor dem BFA?

BF1: Ich habe bei der Einvernahme mitgeteilt, dass ich 25 Jahren vorher aus Afghanistan ausgereist bin und erst jetzt nach Europa geflüchtet bin. Ich bin ein Analphabet, ich kann nicht einmal Englisch.

R unterbricht: Wurde Ihnen das Protokoll rückübersetzt?

BF1: Nein.

BF2: Nein. Niemand hat mir was gesagt.

III. R: Hatten Sie in Österreich schon einmal Probleme mit Staatsanwaltschaft, Polizei oder Gericht?

BF1: Nein.

BF2: Ich hatte auch keine Probleme. Einmal war ich mit einem Freund zusammen, er hatte etwas eingesteckt, ich wurde mit ihm festgenommen. Ich habe eine 20 Euro Strafe bezahlt und das war alles.

R: Was können Sie zum Stand Ihrer Integration berichten?

BF1: Ich habe ein bisschen in der Gemeinde mitgeholfen und habe ein paar Kurse besucht.

R: Haben Sie Deutschprüfungen abgelegt?

BF1: Nein, ich habe nur die Kurse besucht. Mir wurde gesagt, dass ich im hohen Alter bin und ich das nicht brauche.

RV legt vor: Eine Deutschkursbestätigung vom 25.02.2019 sowie ein Zertifikat eines Feuerlöschkurses vom 27.06.2018 für BF1

BF2: Ich habe nur ein Monat einen Kurs besuchen können, weil ich diesen Autounfall hatte und dann konnte ich den Kurs nicht mehr besuchen.

R: Das Gericht kann sich auf Grund Ihrer Angaben nunmehr ein Bild über ihre privaten Verhältnisse in Österreich machen und erscheinen hierzu seitens des Gerichts keine weiteren Fragen offen. Wollen Sie sich noch weitergehend zu Ihren privaten und familiären Bindungen in Österreich bzw. ihrer Integration äußern?

BF1: Ich habe hier Bekannte, die mich auch hierher gebracht haben, sonst habe ich niemanden.

BF2: Ich habe keine Freunde, weil sie meine Sprache nicht verstehen. Ich versuche mit Zeichen mich verständlich zu machen.

R: Gibt es noch Familienangehörige in Österreich?

BF1: Meine Schwester ist hier.

BF2: Meine Tante väterlicherseits ist hier.

R: Leben Sie mit diesen Familienangehörigen zusammen?

BF1: Nein, wir sind in XXXX und sie sind in XXXX .

R: Werden Sie finanziell unterstützt?

BF1: Nein.

BF2: Nein.

BF2 wird gebeten den Saal zu verlassen.

IV. Fluchtgründe des BF:

R: Sie sind Angehöriger der Volksgruppe der Sadat und Schiit, stimmt das?

BF1: Ja. Ich sehe, dass die Moslems unterschiedlich sind. Die Schiiten sind in dem Iran unglücklich, was soll ich dazu sagen.

R: Sind Sie also ethnisch Angehöriger des Volkes der Hazara?

BF1: Nein, wir sind Sadat.

R: Über welche Schulbildung verfügen Sie?

BF1: Ich habe keine Schulausbildung.

R: Welchen Beruf haben Sie gewöhnlich ausgeübt?

BF1: Ich habe das Militär in Afghanistan gemacht, dann war Revolution in Afghanistan. Ich bin in den Iran eingereist, habe als Arbeiter gearbeitet. Ich habe beispielsweise Kleiderhaken als Holz produziert oder Schulschränke gebaut. Ich war 35 Jahre im Iran.

R: Was war Ihr letzter ausgeübter Beruf im Iran?

BF1: Ich war auf der Baustelle tätig und habe die Baustelle bewacht, damit nichts gestohlen wird.

R: Haben Sie im Iran noch Familienangehörige?

BF1: Meine gesamte Familie ist im Iran, in Afghanistan habe ich keine Familienangehörige.

R: Haben Sie Kontakt zur Familie im Iran?

BF1: Nur mit einem Bruder.

R: Sie haben bei der Ersteinvernahme angegeben vor ca. 10 bis 15 Jahren aus Afghanistan nach dem Iran geflüchtet zu sein (bezogen auf die Einvernahme im Jänner 2016). Können Sie sich erinnern in welchem Jahr Sie tatsächlich Afghanistan Richtung Iran verlassen haben?

BF1: Ich war schon lange im Iran, ich war tatsächlich seit fast 35 Jahren im Iran. Das habe ich nicht gesagt, ich habe gesagt, dass ich vielleicht länger als 35 Jahren im Iran war.

R: Warum haben Sie letztlich den Iran verlassen und sind nach Österreich gekommen?

BF1: Ich habe den Iran verlassen müssen, weil mein Sohn mit 16 Jahren seine Ausweiskarte verloren hat und wir suchten um eine neue Karte. Uns wurde mitgeteilt, dass mein Sohn in den Krieg ziehen muss in Syrien. Ich fragte warum soll er in den Krieg ziehen, er ist 16 Jahre alt. Wir haben die Karte verloren, sind bereit hier die Strafe dafür zu bezahlen oder mehr Geld, damit er eine neue Karte bekommt. Es wurde uns gesagt entweder zieht er in den Krieg in Syrien oder wir müssen nach Afghanistan zurück. Beides kam nicht in Frage, weil es den Tod meines Sohnes bedeutet. Er wird sterben und die Antwort war, es sei nicht unser Problem.

R: Warum haben Sie ursprünglich Afghanistan verlassen?

BF1: In Afghanistan hat es zu damaliger Zeit ein Krieg innerhalb des Volkes angefangen hat, jeder hat gegeneinander gekämpft, Sunniten gegen Schiiten. Nachdem Iran ein schiitisches Land war, sind wir dorthin gegangen.

R: Sie haben vor dem BFA angegeben, dass Sie nur aufgrund der Arbeit im Iran gegangen sind.

BF1: Wegen der Arbeit bin ich nicht in den Iran gegangen. Ich habe gesagt, dass wir Feinde hatten, dass die Hazara sogar gegen die Sadat sind und die Sunniten sind sowieso gegen die Schiiten. Mittlerweile mussten auch zwei weitere Schwestern aus Afghanistan in den Iran fliehen.

R: Aus welcher Provinz in Afghanistan stammen Sie ursprünglich?

BF1: Provinz XXXX , Dorf XXXX .

R: Leben in Ihrem Herkunftsdorf mehrheitlich Sadat bzw. Schiiten?

BF1: Im Dorf waren Sadat. Es ist so, dass jetzt sogar die Hazara die Sadat umbringen.

R: Waren Sie vor der Ausreise irgendwelchen höchstpersönlichen Bedrohungen, Verfolgungen oder Übergriffen ausgesetzt?

BF1: Das war immer so dort. Nachts wurden wir immer überfallen und sie sind zu uns gekommen.

R: Ist Ihnen persönlich etwas passiert?

BF1: Bevor mir etwas passiert war, bin ich weggegangen.

R: Was befürchten Sie für den Fall der Rückkehr nach Afghanistan?

BF1: Sie könnten uns gleich hier umbringen oder ins Gefängnis stecken aber nicht nach Afghanistan zurückschicken bitte. Sie werden uns sozusagen mit lebendigem Leibe töten, die Haut abziehen.

RV: Wäre es möglich in Afghanistan eine Arbeit zu finden?

BF1: Wie soll ich eine Arbeit dort finden, wenn ich 35 Jahre lang oder länger nicht in Afghanistan war? Dort kenne ich niemanden.

RV: Würden Sie aufgrund Ihres Alters arbeiten können?

BF1: Ich habe dort weder ein Grundstück noch einen Laden oder irgendeine Arbeit. Wenn ich mein Kind mitnehme dann wird er umgebracht.

RV: Keine weiteren Fragen.

BF2 wird gebeten den Verhandlungssaal zu betreten.

R: Wo sind Sie geboren und aufgewachsen?

BF2: In XXXX bin ich geboren und aufgewachsen.

R: Über welche Schulbildung verfügen Sie?

BF2: Ich habe nur zwei Jahre Volksschule.

R: Können Sie sagen warum?

BF2: Ich weiß nicht warum, ich konnte nicht lernen.

R: Haben Sie eine Berufsausbildung?

BF2: Fliesen legen. Ich habe mehr als Bauarbeiter gearbeitet.

R: Wer hat die Reise nach Europa bezahlt?

BF2: Wir hatten kein Geld, wir haben uns das Geld geliehen. Wir hatten einen Fernseher, einen Teppich und so etwas verkauft für die Reise.

R: Haben Sie Verwandte in Afghanistan? Was wissen Sie darüber?

BF2: Ich habe keine Verwandte in Afghanistan.

R: Haben Sie Kontakt zu den Verwandten oder Familienangehörigen im Iran?

BF2: Ich habe eine Tante mütterlicherseits. Mit ihr habe ich noch Kontakt, aber die Frau meines Onkels mütterlicherseits habe ich keinen Kontakt.

R: Sind Sie vor der Ausreise aus dem Iran mit Ihrem Vater zusammen gewesen? Haben Sie auch gemeinsam gewirtschaftet?

BF2: Ich habe mit meiner Mutter und meinem Vater zusammengelebt. Meine Mutter ist gestorben, nachdem sie gestorben ist, habe ich keine Aufenthaltskarte gehabt.

R: Hat Ihr Vater selbst sein Geld für die Familie verdient?

BF2: Ja.

R: Gab es wegen der auf Ihrem Mobiltelefon aufgefundenen kinderpornografischen Darstellungen ein Strafverfahren gegen Sie?

BF2: Das war nur ein einziges Bild, das mir mein Freund geschickt hatte. Ich habe ihn gefragt was das sei und habe ihm nur geschrieben, dass es ein schönes Bild ist.

R: Dem Akt ist entnehmbar, dass Sie im Iran drogenabhängig waren. Stimmt das?

BF2: Ja.

R: Sind Sie es hier in Österreich noch immer?

BF2: Ich bin jetzt auf Entzug mit einem Ersatzmedikament.

R: Sind Sie arbeitsfähig?

BF2: Wenn ich gesund wäre, ja. Jetzt habe ich noch einen Beckenbruch

und mein Rücken ist ... Wenn ich als Reinigungskraft arbeiten kann,

dann mache ich das.

R: Wurden Sie hier in Österreich nach Ihrem Unfall operiert?

BF2: Ja. Ich hatte nur diesen einen Unfall.

R: Kann man davon ausgehen, dass Sie, rein von den Knochen her, medizinisch wiederhergestellt sind?

BF2: Die Hälfte der Schrauben hat man herausgenommen, die andere Hälfte, da soll ich noch warten, wenn es besser wird, um sie herauszunehmen.

R: In welcher Weise sind Sie körperlich derzeit beeinträchtigt?

BF2: Ich habe meine Jugend verloren, ich habe einen Beckenbruch, einen Kreuzbruch und einen Kniebruch gehabt habe. Auch der Bauch ist in Mitleidenschaft.

R: Da Sie aber keine Berichte vorgelegt haben, dass Sie jüngst über längere Zeit stationär im Spital sein mussten, gehe ich davon aus, dass Sie grundsätzlich medizinisch austherapiert sind. D.h. nicht unter permanenten medizinischen Problemen, aufgrund dieser Verletzungen, leiden.

BF2: Ich kann nicht so gut lesen und schreiben, aber mir wurde gesagt, dass ich abwarten muss.

R: Was befürchten Sie konkret für den Fall "einer Heimkehr" nach Afghanistan?

BF2: Dort haben wir niemanden, es gibt Krieg zwischen den Sippen und den Taliban.

R: Als Sie den Iran verlassen haben mit Ihrem Vater gemeinsam, welche Vorstellung hatten Sie, wohin Sie sich denn begeben würden?

BF2: Ich habe gefragt, was der Grund und das Ziel ist. Wir wollten nach Europa, im Iran haben wir gehört, dass Österreich ein gutes Land ist, deshalb sind wir hierher gekommen.

R: Warum sind Sie beispielsweise nicht in der Türkei geblieben?

BF2: In der Türkei ist mein Vater sehr krank geworden, sie haben uns gesagt, wir sollen dort sitzenbleiben, aber wir haben entschieden weiterzureisen.

R: Wie lange waren Sie in der Türkei aufhältig?

BF2: Ich weiß es nicht genau, ich schätze einen Monat.

R: Ihr Vater hat angegeben, dass Sie dort nur etwa eine Woche aufhältig waren, was stimmt nun?

BF2: Ich schwöre ich weiß es nicht und ich habe auch darüber nicht nachgedacht.

R an BF1: Wie lange waren Sie in der Türkei aufhältig?

BF1: 6 Nächte. 2 Nächte in Ankara, 2 Nächte in Istanbul und 2 Nächte am Wasser.

R: Haben Sie konkrete Befürchtungen für den Fall einer Rückkehr nach Afghanistan?

BF2: Das umbringen und dieser Krieg.

RV: Sie haben vorhin gesagt, Sie könnten nur putzen. Könnten Sie auch andere Tätigkeiten ausüben?

BF2: Im Spital hat man mir gesagt, dass ich nicht schwer arbeiten darf.

RV: Aufgrund der vorliegenden verminderten Erwerbsfähigkeit, sowohl des BF1 als auch des BF2 besteht die Sorge, dass beide bei Rückkehr in eine aussichtslose Lage geraten würden.

Ich stelle den Antrag auf Erstellung eines Gutachtens zur Erwerbsfähigkeit des BF2; dies aufgrund des fraglichen Status der Wirbelsäule des BF2.

R: Glauben Sie, dass Sie in Afghanistan gemeinsam mit Ihrem Vater sich so viel erwirtschaften könnten, dass Sie überleben würden?

BF2: Das glaube ich nicht. Dort gibt es nicht so eine Arbeit für einen Fall wie mich.

R: Ihr Vater hat zuletzt im Iran gearbeitet, haben Sie gesagt, stimmt das?

BF2: Ja, das stimmt. Er war Hilfsarbeiter und auch Bauarbeiter.

R: Möchten Sie abschließend etwas dazu sagen?

BF1: Ich steige wegen meines Herz nicht einmal in dem Flugzeug, den Lift nehme ich auch nicht. Da steige ich lieber 10 Stufen hoch. Ich weiß nicht was mit meinem Herz ist, aber, wenn ich zu so einer Situation komme, schwitze ich und bekomme Probleme. In Afghanistan haben wir überhaupt kein Leben. Es wäre besser, wenn ich in die Türkei zurückkehre.

BF2: Nein.

R: Die Dolmetscherin wird Ihnen jetzt die gesamte Verhandlungsschrift rückübersetzen. Bitte passen Sie gut auf, ob alle Ihre Angaben korrekt protokolliert wurden. Sollten Sie einen Fehler bemerken oder sonst einen Einwand haben, sagen Sie das bitte.

BF: Ich bitte um eine Rückübersetzung.

Die vorläufige Fassung der bisherigen Niederschrift wird durch die D dem BF rückübersetzt.

Keine Einwendungen.

Ende der Befragung."

Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung legte der Antragsteller einerseits ein Zertifikat über die Kursteilnahme an einem Deutschkurs sowie die Teilnahme an einem Feuerlöschtraining vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers, zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat und im Iran sowie zu seiner Ausreise:

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen und ist am im Spruch genannten Datum geboren. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara (Sadat) und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam.

Der Beschwerdeführer wurde in der iranischen Stadt Mashhad geboren und hat er bis zur Ausreise im Iran gelebt. Der Beschwerdeführer hat sich noch nie in Afghanistan aufgehalten. Der Antragsteller verfügt in Afghanistan über keinerlei familiäre Bindungen. Der Vater des Beschwerdeführers hat ursprünglich Afghanistan Richtung Iran zum Zweck der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verlassen und war er vor seiner Ausreise keinen Verfolgungen oder Gefährdungen ausgesetzt.

Der Vater des Antragstellers hat zuletzt den Iran gemeinsam mit seinem volljährigen Sohn (Beschwerdeführer) verlassen, da dieser dort Probleme mit den Behörden bekommen habe. Der Beschwerdeführer sei zuletzt nicht mehr in die Schule gegangen und sei letztlich drogenabhängig gewesen. Der Antragsteller ist gemeinsam mit seinem Vater aus dem Iran nach Österreich gereist. Der Antragsteller verfügt im österreichischen Bundesgebiet über weitere familiäre Anknüpfungspunkte in Form einer Tante und eines Onkels.

Der Beschwerdeführer verfügt über zwei Jahre Volksschulbildung und keine Berufsausbildung. Zuletzt hat der Antragsteller im Iran auf dem Bau gearbeitet. Der Antragsteller war im Iran drogenabhängig und befindet sich nun auf Drogenentzug inklusive der Verordnung eines Ersatzmedikamentes. Der Antragsteller erlitt in Österreich einen schweren Unfall bei welchem er schwere Verletzungen, unter anderem einen Beckenbruch, Schambeinbruch sowie weiterer schwerer Verletzungen im Rückenbereich sowie den Extremitäten. Der Stützapparat des Antragstellers wurde in Österreich chirurgisch durch Metallimplantate stabilisiert. Der Antragsteller ist zum Entscheidungszeitpunkt in seiner körperlichen Leistungsfähigkeit sowie Arbeitsfähigkeit erheblich eingeschränkt.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Dem Beschwerdeführer droht nicht allein wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Sadat oder zur schiitischen Religion konkret und individuell physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Ebenso wenig ist jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara/Sadat oder der schiitischen Religion in Afghanistan alleine aufgrund dieses Merkmals zwangsläufig physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.

Dem Beschwerdeführer droht bei Neuansiedelung in Afghanistan nicht allein auf Grund der Tatsache, dass er sein gesamtes Leben im Iran verbracht hat, konkret und individuell physische und/oder psychische Gewalt. Ebenso wenig ist jeder "Rückkehrer" aus dem Iran alleine aufgrund dieses Merkmals in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan Verfolgung droht.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

1.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, zuletzt aktualisiert am 22.01.2019 (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):

Sicherheitslage:

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen ("high-profile") Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016 ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt, vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkten Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen ("high-profile") Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele:

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

• Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

• Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

• Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

• Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

• Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

• Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

• Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

• Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

• Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

• Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

• Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

• Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten:

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017)

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)

• Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).

• Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vgl. TG 20.5.2018).

• Selbstmordanschlag während Nowruz-Feierlichkeiten: Am 21.3.2018 (Nowruz-Fest; persisches Neujahr) kam es zu einem Selbstmordangriff in der Nähe des schiitischen Kart-e Sakhi-Schreins, der von vielen afghanischen Gemeinschaften - insbesondere auch der schiitischen Minderheit - verehrt wird. Sie ist ein zentraler Ort, an dem das Neujahrsgebet in Kabul abgehalten wird. Viele junge Menschen, die tanzten, sangen und feierten, befanden sich unter den 31 getöteten; 65 weitere wurden verletzt (BBC 21.3.2018). Die Feierlichkeiten zu Nowruz dauern in Afghanistan mehrere Tage und erreichen ihren Höhepunkt am 21. März (NZZ 21.3.2018). Der IS bekannte sich auf seiner Propaganda Website Amaq zu dem Vorfall (RFE/RL 21.3.2018).

• Angriffe auf Moscheen: Am 20.10.2017 fanden sowohl in Kabul, als auch in der Provinz Ghor Angriffe auf Moscheen statt: während des Freitagsgebets detonierte ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der schiitischen Moschee, Imam Zaman, in Kabul. Dabei tötete er mindestens 30 Menschen und verletzte 45 weitere. Am selben Tag, ebenso während des Freitagsgebetes, griff ein Selbstmordattentäter eine sunnitische Moschee in Ghor an und tötete 33 Menschen (Telegraph 20.10.2017; vgl. TG 20.10.2017).

• Tötungen in Kandahar: Im Oktober 2017 bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tötung zweier religiöser Persönlichkeiten in der Provinz Kandahar. Die Tötungen legitimierten die Taliban, indem sie die Getöteten als Spione der Regierung bezeichneten (UNAMA 7.11.2017).

• Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 stürmten ein Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Schütze während des Abendgebetes die schiitische Moschee Jawadia in Herat City; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet (BBC 3.8.2017; vgl. Pajhwok 2.8.2017). Insgesamt war von 100 zivilen Opfer die Rede (Pajhwok 2.8.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 3.8.2017).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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