Entscheidungsdatum
14.10.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W183 2205559-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Iran, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.08.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.08.2019 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis V., VIII. und IX. als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass dieser zu lauten hat: "Gemäß § 55 Abs. 1 und 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."
III. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt VI. stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.
IV. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) verließ im Jahr 2014 Iran, stellte am 19.09.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 20.09.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.
2. Am 29.02.2016 leitete die Landespolizeidirektion Oberösterreich der belangten Behörde den Abschlussbericht betreffend den Verdacht, der BF habe am 27.01.2016 gegen § 27 Abs. 1 SMG verstoßen, weiter.
3. Am 23.03.2016 leitete die Landespolizeidirektion Oberösterreich der belangten Behörde die Meldung darüber, dass der BF wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen angehalten und angezeigt wurde, weiter.
4. Am 24.05.2016 leitete die Landespolizeidirektion Oberösterreich der belangten Behörde die Meldung darüber, dass der BF wegen des Verdachts, er habe gegen § 27 Abs. 2 SMG verstoßen, angehalten und angezeigt wurde, weiter.
5. Am 17.08.2016 wurde der BF lt. Abschlussbericht der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 18.08.2016 wegen des Verdachts, er habe gegen §§ 28a Abs. 1, 27 Abs. 1, 2, 2a und 3 SMG verstoßen, in Haft genommen.
6. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 30.09.2016, Zl. XXXX , wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall SMG (Tatzeitraum: ab Mitte/Ende Dezember 2015 bis 17.08.2016) zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten (davon vier unbedingt) verurteilt.
7. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 22.11.2017, Zl. XXXX , wurde der BF wegen der Vergehen des teils versuchten, teils vollendeten unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach den § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs. 2a 2. Fall SMG, § 15 Abs. 1 StGB und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG (Tatzeitraum: ab etwa Anfang September 2017 bis 12.10.2017) zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten (davon drei unbedingt) verurteilt.
8. Am 07.06.2018 wurde BF von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), zu seinen Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.
Im behördlichen Verfahren gab BF als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass er in Iran aufgrund seines Interesses für das Christentum und seines Besuchs von Hauskirchen Verfolgung fürchte. Zusätzlich sei sein Bruder, der auch Christ gewesen sei, in Iran festgenommen worden und in Haft verstorben. Auch sei der BF mittlerweile in Österreich getauft worden.
Im behördlichen Verwaltungsverfahren legte der BF eine iranische Geburtsurkunde vor, die von der belangten Behörde übersetzt wurde und aus der das Geburtsdatum des BF mit XXXX hervorgeht. Weiters legte der BF ein Schreiben der Pfarrkirche XXXX vom 09.03.2017 vor, wonach der BF dort feierlich zu den Sakramenten der Eingliederung zugelassen worden sei. Aus dem vorgelegten Taufschein geht hervor, dass der BF am 18.04.2017 getauft wurde.
9. Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 15.08.2018) wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), sondern gegen BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig sei (Spruchpunkt V.). Der Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) und unter Spruchpunkt VII. ausgeführt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe. Weiters wurde festgestellt, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 03.10.2016 verloren habe (Spruchpunkt VIII.) und wurde gegen BF ein auf acht Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IX.).
Das BFA stellte BF amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.
10. Mit Schriftsatz vom 31.08.2018 erhob BF durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang. Der BF zitierte aus den Länderfeststellungen und beantragte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG. Weiters wurde die Bestätigung der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 23.08.2018 über den Austritt des BF aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft vorgelegt.
11. Mit Schriftsatz vom 12.09.2018 (eingelangt am 13.09.2018) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.
12. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.09.2018, Zl. L525 2205559-1/6Z, wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
13. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 28.03.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (eingelangt am 15.05.2019).
14. Mit Schreiben vom 29.05.2019 legte die belangte Behörde die Verständigung durch die Staatsanwaltschaft XXXX vom 27.05.2019 vor, wonach am selben Tag das Ermittlungsverfahren gegen den BF wegen § 27 Abs. 2 SMG gemäß § 38 Abs. 3 SMG eingestellt worden sei.
15. Mit Schreiben vom 21.06.2019 wurden der BF sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 27.08.2019 geladen und wurde in den Ladungen darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, die Länderberichte gemäß dem "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Iran, Gesamtaktualisierung am 03.07.2018" sowie dem "Länderreport 10 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Iran - Situation der Christen, Stand 3/2019" als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Iran heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben.
16. Mit Schriftsatz vom 19.08.2019 legte der BF mehrere Unterlagen vor (Zeugnis der Integrationsprüfung, Bestätigung ehrenamtlicher Tätigkeit, Bestätigung der Pfarre über den Besuch von Gottesdiensten und die Leistung von Hilfstätigkeiten).
17. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 27.08.2019 unter Beiziehung eines Dolmetschs für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF sowie dessen Rechtsvertretung und ein Vertreter des BFA teilnahmen. BF wurde ausführlich zu seiner Person, seinen Fluchtgründen sowie religiösen Aktivitäten in Österreich befragt. Es wurde ihm Gelegenheit gegeben, alle Gründe umfassend darzulegen, zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen und seine Situation in Österreich darzustellen.
18. Das Bundesverwaltungsgericht führte zuletzt am 09.10.2019 eine Strafregisterabfrage durch.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers
BF ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger. Er trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen. Seine Identität steht nicht fest.
BF stammt aus Shiraz und lebte dort bis zu seiner Ausreise, spricht Farsi (Muttersprache), Englisch und Türkisch, verfügt über einen iranischen Schulabschluss und arbeitete in Iran als Textilverkäufer.
BF ist ledig und hat keine Kinder. In Iran leben seine Eltern, drei Schwestern und ein Bruder sowie Onkel und Tanten. Zu seiner Kernfamilie hat BF regelmäßig Kontakt. Das Verhältnis ist gut. Die wirtschaftliche Situation der Familie in Iran ist gut.
BF reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 19.09.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht besteht nicht.
BF leidet an keiner physischen oder psychischen (schweren oder lebensbedrohlichen) Erkrankung und ist arbeitsfähig.
BF verfügt über keine familiären oder sonstigen verwandtschaftlichen bzw. familienähnlichen sozialen Bindungen in Österreich. BF hat eine iranische Freundin in Österreich, sie leben nicht zusammen. BF ist in Österreich nicht Mitglied in Vereinen oder anderen Organisationen. BF absolviert keine Ausbildung. Die sozialen Kontakte beschränken sich auf Bekannte, deren Nachnamen er nicht kennt, und die er vorwiegend von der Kirche oder dem Asylheim kennt. Die sozialen Kontakte entstanden zu einem Zeitpunkt, als BF bereits seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.
BF bezieht in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er betätigt sich ehrenamtlich als Handwerker im Asylheim und verrichtet Hilfstätigkeiten in der Pfarre.
BF spricht Deutsch auf Niveau B1 (Prüfung vom 04.05.2019).
BF wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 30.09.2016 wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall SMG (Tatzeitraum: ab Mitte/Ende Dezember 2015 bis 17.08.2016) zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten (davon vier unbedingt) verurteilt.
BF wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 22.11.2017 wegen der Vergehen des teils versuchten, teils vollendeten unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach den §§ 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs. 2a 2. Fall SMG, § 15 Abs. 1 StGB und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG (Tatzeitraum: ab etwa Anfang September 2017 bis 12.10.2017) zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten (davon drei unbedingt) verurteilt.
Für die bestraften Tathandlungen übernimmt BF beschränkt die Verantwortung.
1.2. Zum Fluchtvorbringen
BF wuchs in Iran als Moslem auf und entstammt einer mäßig religiösen Familie.
Es wird festgestellt, dass sich BF in Iran nicht dem Christentum zugewandte oder christlich missionierte. Es wird festgestellt, dass dies dem BF von iranischen Behörden oder Privatpersonen auch nicht unterstellt wird.
In Österreich wurde BF in der r.-k. Pfarre XXXX am 18.04.2017 nach Besuch eines Vorbereitungskurses getauft. BF meldete am 23.08.2018 seinen Austritt aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. Nun besucht BF regelmäßig die Gottesdienste in der römisch-katholischen Kirche in XXXX und hilft gelegentlich auch ehrenamtlich, etwa bei der Friedhofsreinigung, mit. BF verfügt über ansatzweise Kenntnisse zum Christentum und zum katholischen Glauben.
Es wird festgestellt, dass BF in Österreich nicht aus einem innerem Entschluss zum Christentum konvertiert ist und die christliche Glaubensüberzeugung aktuell nicht derart ernsthaft ist, sodass sie Bestandteil der Identität des BF wurde. Es wird davon ausgegangen, dass sich BF im Falle einer Rückkehr nach Iran nicht privat oder öffentlich zum christlichen Glauben bekennen wird.
BF ist in Österreich nicht missionarisch tätig und beabsichtigt nicht ernsthaft, dies in Zukunft zu tun. Die iranischen Behörden wissen von den oben festgestellten christlichen Aktivitäten des BF in Österreich nicht Bescheid.
BF brachte keine weiteren Gründe, warum er eine Rückkehr in den Heimatstaat fürchtet, vor.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat
Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 03.07.2018 (LIB 2018) ergibt sich wie folgt:
Zur Sicherheitslage
Auch wenn die allgemeine Lage insgesamt als ruhig bezeichnet werden kann, bestehen latente Spannungen im Land. Sie haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 20.6.2018).
In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht. Am 7. Juni 2017 ist es nichtsdestotrotz in Teheran zu Anschlägen auf das Parlamentsgebäude und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini gekommen, die Todesopfer und Verletzte forderten (AA 20.6.2018b).
In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b, vgl. BMeiA 20.6.2018).
In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK am
6. und 7. September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben (AA 20.6.2018b).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (20.6.2018b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 20.6.2018
* BMeiA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (10.5.2017): Reiseinformation Iran, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/, Zugriff 20.6.2018
* EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (20.6.2018): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 20.6.2018
Zu Apostasie und Konversion
Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) ist in Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen wurden im Jahr 2016 25 Sunniten (davon 22 Kurden) u.a. wegen "moharebeh" exekutiert (ÖB Teheran 9.2017). Christliche Konvertiten werden normalerweise nicht wegen Apostasie bestraft, sondern Fälle von Konversion werden als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit angesehen und diese werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Die Todesstrafe wird hauptsächlich bei Drogendelikten und Morden angewandt und seltener bei politischen "high-profile" Fällen. Für Konversion wurde in den letzten zehn Jahren keine Todesstrafe ausgesprochen. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation:
Verurteilungsgrund unklar] (AA 2.3.2018, vgl. AI 22.2.2018).
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Oftmals lautet die Anklage jedoch auf "Gefährdung der nationalen Sicherheit", "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen", um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden. Trotz des Verbots nimmt die Konversion zum sunnitischen Islam und zum Christentum weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 2.3.2018). Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 15.8.2018).
In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 9.2017).
Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen. Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter in Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab (ÖB Teheran 9.2017). Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben). In Familien eines öffentlich Bediensteten oder eines Polizisten wird die Konversion eines Familienmitgliedes jedoch als heikler eingeschätzt, wobei es sein kann, dass der oder die Konvertierte aus der Familie verbannt oder sogar den Behörden gemeldet wird, um die Arbeit des Amtsträgers nicht zu beeinträchtigen (ÖB Teheran 9.2017, vgl. DIS/DRC 23.2.2018).
Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 9.2017).
Die Schließungen der "Assembly of God" Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Es gibt viele Hauskirchen in Iran und ihre Anzahl steigt. Dieser Anstieg an Hauskirchen zeigt, dass sie - obwohl sie verboten sind - trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer was in der Gemeinschaft macht. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 1.2018). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).
Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagte eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch "low-profile" Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Primär zielen die Behörden auf Anführer der Hauskirchen ab, dann erst auf Mitglieder. Es gibt aber auch Quellen, die besagen, dass auch auf Mitglieder abgezielt wird. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird aber normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen. Die typische Vorgehensweise gegen eine Hauskirche ist, dass der Anführer der Hauskirche verhaftet und wieder freigelassen wird, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Es gibt auch für normale Mitglieder das Risiko verhaftet zu werden, allerdings werden diese wieder freigelassen mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden i.d.R. aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen. Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung, wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).
Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran unsicher, ob eine Taufe Auswirkungen hat; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).
Zu Grundversorgung und Rückkehr:
Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 9,3 Mio. IRR im Monat (ca. 200 Euro). Das durchschnittliche Monatseinkommen pro Kopf liegt bei ca. 400 Euro (AA 2.3.2018).
Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. (AA 2.3.2018)
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran
* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 5.6.2018
* DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Councile (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 5.6.2018
* ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht
* US DOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1406998.html, Zugriff 28.5.2018
Aus dem Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019) ergibt sich wie folgt:
Ein Mitglied einer Hauskirche, das Mission betreibt, an christlichen Konferenzen außerhalb Irans teilnimmt, sich möglicherweise auch im Besitz christlicher Materialen befindet und insofern in den Fokus der Ordnungskräfte oder Geheimdienste geraten kann, wird bestenfalls vernommen und verwarnt. Es kann aber auch zu einer Festnahme mit anschließendem Strafverfahren führen. Das Ziel der vorgenannten Sicherheitskräfte ist nicht die Privatperson, sondern die Hauskirche als Organisation und die aktiv missionierenden Führungspersonen. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall eines Konvertiten bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hat. Mitglieder von Hauskirchen, die nicht der Leitung der Gemeinschaft zugerechnet werden, werden oftmals nach einer zweitägigen Haft und verschiedenen Vernehmungen, in deren Verlauf sie zu der Organisation der Hauskirche und eventuellen noch nicht bekannten Mitgliedern befragt werden, wieder auf freien Fuß gesetzt. (S 8f.)
Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet. (S 11)
Die zu Apostasie festgestellte Situation stellt sich im gesamten iranischen Staatsgebiet gleichermaßen dar.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und durch das BFA sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Beschwerdeschriftsatz, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Iran vom 03.07.2018 mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, die von BF beim BFA und vor dem BVwG vorgelegten Dokumente (Taufschein, Austritt, Integrationsprüfung, Bestätigungen), die Strafurteile vom 30.09.2016 und 22.11.2017 sowie die Strafregisterabfrage vom 09.10.2019.
2.2. Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:
2.2.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Die Identität konnte mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht bewiesen werden, weshalb hinsichtlich Name und Geburtsdatum Verfahrensidentität vorliegt. Insbesondere hat der BF selbst sein Geburtsdatum unterschiedlich angegeben: In der Erstbefragung vom 20.09.2015 (EB) gab der BF an, am XXXX geboren worden zu sein (und unterschrieb das Dokument nach Rückübersetzung und Korrekturmöglichkeit), weswegen er auch in offiziellen Datenbanken - wie etwa dem Strafregister - mit diesem Geburtsdatum geführt wird. In der Einvernahme vom 08.06.2018 (EV) gab er (knapp drei Jahre später) an, er sei am XXXX geboren worden und legte diesbezüglich auch eine Geburtsurkunde vor. Vor diesem Hintergrund kann trotz des Untersuchungsberichts der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 14.06.2018, nach dem es sich bei der vom BF vorgelegten Geburtsurkunde um ein Originaldokument handle und keine Abänderungen in den Ausfüllschriften bzw. keine Auswechslung des Lichtbildes festgestellt werden könne, kein bestimmtes Geburtsdatum des BF festgestellt werden.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet BF - betreffend weitere Personenmerkmale (Volljährigkeit, Staatsangehörigkeit, Herkunftsregion, Ausbildung und Berufserfahrung, Familienstand, Familienverhältnisse und Gesundheitszustand) sowie seine Situation in Österreich für persönlich glaubwürdig, weil er im Verfahren im Wesentlichen gleichbleibende Angaben dazu machte. Es gibt keine Gründe, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln, und war BF diesbezüglich auch in der mündlichen Verhandlung persönlich glaubwürdig. Feststellungen zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit können nicht getroffen werden, weil der BF dazu unterschiedliche bzw. unklare Angaben tätigte: In der EB gab er an, keiner bestimmten Volksgruppe anzugehören (AS 1), in der EV beantwortete er diese Frage dahingehend, er sei "väterlicherseits Turk, iranische Türken" (AS 180).
Betreffend die Situation des BF in Österreich wird festgehalten, dass BF diesbezüglich lediglich folgende Unterlagen vorlegte: ein Zeugnis zur Integrationsprüfung (Deutsch B1), eine Bestätigung des Diakoniewerks Oberösterreich darüber, dass der BF seit zwei Jahren im dortigen Quartier lebe, bei vielen Tätigkeiten wie Rasen mähen und ausmalen helfen würde, und eine Bestätigung des Obmanns des Pfarrgemeinderates der r.-k. Pfarre XXXX , dass der BF interessiert am Pfarrleben teilnehme, zu den Gottesdiensten komme und gerne bereit sei, freiwillige Arbeiten etwa der Friedhofsreinigung zu übernehmen.
Die Feststellung, dass BF für die mit den beiden genannten Urteilen bestraften Tathandlungen nur beschränkt die Verantwortung übernimmt, ergibt sich aus seinen Aussagen in der EV und in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 27.08.2019 (VH): Er habe "diese Arbeit" (Suchtgifthandel) von seiner Ex-Freundin gelernt und das mit ihr gemacht, deswegen sei er zweimal im Gefängnis gewesen. (AS 195). Er habe es wirklich sehr bereut, leider sei seine Ex-Freundin diesen Weg gegangen und er sei ihr nachgegangen, er habe ihr vertraut. (VH-Schrift, S. 12)
Die Feststellung, dass BF über keine familiären oder sonstigen verwandtschaftlichen bzw. familienähnlichen sozialen Bindungen in Österreich verfügt, ergibt sich aus den Angaben des BF in EV und VH. Lediglich einen entfernten Verwandten habe er in Wien, er habe bisher aber keinen Kontakt zu ihm aufgenommen. Mit seiner Freundin, die Iranerin ist, lebt der BF nicht zusammen. (AS 192, VH-Schrift S. 25).
2.2.2. Zum Fluchtvorbringen
2.2.2.1. Zu den von BF vorgebrachten Vorfällen in Iran
Die belangte Behörde führte im Wesentlichen ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und kam bereits zu dem Schluss, dass das Fluchtvorbringen des BF nicht glaubhaft ist. In seiner Beschwerde trat BF diesen Ausführungen nicht in geeigneter und substantiierter Weise entgegen, sondern wiederholte im Wesentlichen bereits Vorgebrachtes. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich der schlüssigen Beweiswürdigung der Behörde insbesondere hinsichtlich der Widersprüche im Vorbringen des BF zu den fluchtauslösenden Vorgängen in Iran, zum Fluchtweg sowie der mangelnden inneren Konversion an und führt diese in Folge weiter aus. Die Möglichkeit der Akteneinsicht in der mündlichen Verhandlung wurde von BF nicht genutzt. Angemerkt wird, dass die Erstbefragung sowie die Einvernahme vor dem BFA dem BF rückübersetzt wurden und er in der Einvernahme die Möglichkeit hatte, ausführlich sein Fluchtvorbringen zu erstatten. BF hat am Beginn der mündlichen Verhandlung keine Korrekturen oder Anmerkungen zur Einvernahme bzw. Befragung im bisherigen Verfahren gemacht. Eine falsche Übersetzung oder Protokollierung ist daher nicht anzunehmen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigte sich die mangelnde Nachvollziehbarkeit des Fluchtvorbringens und ist dazu näher auszuführen wie folgt:
Wenngleich gem. § 19 AsylG 2005 die Erstbefragung insbesondere der Ermittlung von Identität und Reiseroute dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, so ist doch festzuhalten, dass die Angaben des BF in der Erstbefragung nicht gänzlich unbeachtlich sind (vgl. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0189). Auch wurde berücksichtigt, dass es sich bei BF im Zeitpunkt der Erstbefragung um einen volljährigen Mann handelte, der am frühen Nachmittag am Tag nach seiner Antragstellung einvernommen wurde.
Der BF hat in der EB vorgebracht, Iran verlassen zu haben, weil er habe Christ werden wollen. Er habe mit den Nachbarn gesprochen, die Leute hätten die Polizei verständigt, er habe Angst bekommen und sei daher geflüchtet (AS 9). In der EV gab er dahingegen erstmals an, seine Flucht hänge mit seinem im Oktober 2013 in Haft an einem Schlaganfall verstorbenen Bruder zusammen, der Christ gewesen sei, wodurch auch der BF auf den christlichen Glauben aufmerksam geworden sei und drei- bis viermal eine Hauskirche besucht habe. Der Nachbar sei vom iranischen Geheimdienst gewesen und habe die Konversion des Bruders des BF bemerkt und gemeldet (AS 187). Die Familie hätte die Leiche untersuchen lassen und dieselbe Antwort wie von der Regierung bekommen, nämlich, dass er an einem Schlaganfall verstorben sei (AS 188). Nach dem Tod des Bruders habe die Mutter des BF einen Herzinfarkt bekommen (AS 187).
Durch die zusätzliche Angabe des BF, sein christlicher Bruder sei vom beim Geheimdienst tätigen Nachbarn an die Polizei verraten worden, daraufhin festgenommen worden und in Haft gestorben, sowie der Angabe, er habe selbst Hauskirchen besucht, hat der BF jedoch sein Fluchtvorbringen erheblich gesteigert. Dieser vom BF vorgebrachte Sachverhalt ist seitens des Bundesverwaltungsgerichts als unglaubwürdiges Vorbringen zu werten, weil es sich dabei um eine Steigerung zwecks Herstellung eines Zusammenhangs zu einem asylrelevanten Tatbestand handelt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein gesteigertes Vorbringen als nicht glaubwürdig anzusehen (so schon VwGH 08.04.1987, 85/01/0299, VwGH 23.09.1992, 92/01/0284, VwGH 02.02.1994, 93/01/1035). Eine weitere Steigerung im Vorbringen liegt auch mit der Angabe, die Familie in Iran sei nach der Ausreise des BF öfters von dem Nachbarn bedroht worden, vor (VH-Schrift, S. 8). Dieser Umstand wurde im behördlichen Verfahren nicht erwähnt (AS 190: Hat Ihre Familie aktuell Probleme im Iran? Nein). Begründend führte der BF in der VH lapidar und emotionslos aus, dass ihn die Mutter nicht habe beunruhigen wollen.
Warum der BF von iranischen Behörden gesucht werden soll, ist nicht nachvollziehbar. So gab er in der VH an, er habe nicht direkt an Hauskirchen teilgenommen, sondern habe nur zugesehen. Er sei auch nur ein paar Mal dort gewesen, habe keine Funktion in der Organisation gehabt. Auch sei nur die Gruppe des Bruders erkannt worden, weil sie Christen gewesen seien. Fotos oder andere Beweise gebe es keine. Die Ausführungen des BF sind diesbezüglich auch sehr vage. So gab er an, dass der Nachbar vielleicht mitbekommen habe, dass er seinen Bruder in die Hauskirche begleitet habe (AS 188). Er selbst vermeint auch, sich erst seit der Taufe als Christ zu fühlen und im Iran das Christsein nicht ausgelebt zu haben (VH- Schrift, S. 13; AS 187).
Näher zum Inhalt und den Abläufen von Hauskirchen befragt gab er oberflächlich an, eine Person habe ein Gebet aus der Bibel gelesen, und Leute hätten Fragen stellen können, dann sei Brot gegessen und Wein getrunken worden (VH-Schrift, S. 9). Diese knappe Schilderung des Ablaufs von Veranstaltungen in Hauskirchen in Iran lässt jedoch jeglichen individuellen Bezug zur Person des BF vermissen. Auch eine Motivation für das Christentum lässt sich daraus nicht erschließen und konnte keine begeisterte Erzählweise festgestellt werden. Insgesamt lässt der persönliche Eindruck des BF in der mündlichen Verhandlung (gleichgültige Erzählweise, knappe Antworten, emotionsloser Ausdruck) nicht auf ein tatsächliches Erleben der geschilderten Ereignisse schließen.
Aus den Länderfeststellungen geht hervor, dass Ziel der Sicherheitskräfte nicht Privatpersonen, sondern die Hauskirche als Organisation und aktiv missionierende Führungspersonen sind. Ein einfaches Mitglied wird normalerweise wieder freigelassen. Im gegenständlichen Fall ist - selbst bei Wahrunterstellung des diesbezüglichen Vorbringens des BF - jedoch noch nicht einmal davon auszugehen, dass dieser ein einfaches Mitglied war, zumal er nach eigenen Angaben nur als "Zuhörer" dabei gewesen sei. Vor dem Hintergrund der Länderberichte ist somit eine Verfolgung des BF nicht plausibel.
Weiters gibt es im Vorbringen des BF in mehreren Punkten erhebliche Widersprüche:
In der VH gab der BF an, er habe Ende 2013 beschlossen, Iran zu verlassen, dies im April/Mai 2014 auch getan und sich dann ca. ein Jahr in der Türkei aufgehalten (VH-Schrift, S. 6). In der EV hatte er vorgebracht, im Oktober 2015, ca. einen Monat vor seiner Ausreise beschlossen zu haben, Iran zu verlassen (AS 182). Bei der EB hatte er angegeben, "vor einem Jahr" (also ca. September 2014) beschlossen zu haben, Iran zu verlassen, und "vor zwei Monaten" (ca. Juli 2015) Iran verlassen zu haben. Er habe sich einen Monat in der Türkei aufgehalten (AS 5, 7). Angesichts des Umstands, dass der BF in Iran die Schule abgeschlossen und gearbeitet hat, sowie mehrere Sprachen spricht, sind diese erheblichen Diskrepanzen nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auf sein intellektuelles Unvermögen zurückzuführen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich um eine konstruierte Fluchtgeschichte handelt. Zu würdigen ist in diesem Zusammenhang auch der Umstand, dass der BF bei der EV Post-Its mit Daten mitbrachte (AS 179).
Weiters gab der BF widersprüchlich an, er habe seinen Reisepass im Meer weggeschmissen, weil das Boot so voll war (EB, AS 5), bzw. habe er diesen in der Türkei verloren (EV, AS 181). Divergierende Angaben wurden auch betreffend den Tod des Bruders, der ab der EV von BF als fluchtauslösendes Moment angegeben wird, gemacht: Einmal sei die Todesursache ein Herzinfarkt und die Leiche grün gewesen (VH-Schrift, S. 7), bei der EV hingegen war es ein Schlaganfall und war die Leiche blau (AS 188). Es ist jedoch davon auszugehen, dass es sich beim Tod eines nahestehenden Familienangehörigen um ein sehr prägendes Ereignis handelt und gerade die Todesursache genau in Erinnerung bleibt, zumal der BF mehrmals vorgebracht hat, die Familie habe diese zusätzlich untersuchen lassen und sei diese auch bestätigt worden (EV, AS 188; VH-Schrift, S. 7). Es ist auch auszuschließen, dass es sich hierbei um einen Übersetzungsfehler handelt, da es im Rahmen derselben Befragung nicht nur um den Schlaganfall des Bruders, sondern auch um den Herzinfarkt der Mutter ging und somit eine terminologische Differenzierung vorgenommen wurde. Auch hätte der BF nach der Rückübersetzung die Gelegenheit gehabt, dies zu rügen, hat dies aber unterlassen (EV, AS 195).
Anzumerken ist weiters, dass der Bruder des BF im Oktober 2013 verstorben ist, er aber erst später ausreiste, weil angeblich seine Mutter erkrankte. Plausibel erscheint, dass der BF - wie er auch selbst angab - insbesondere seine Geschäfte abschließen wollte (AS 189). Tatsächlich stellte BF erst im September 2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. In der VH gab BF an, dass es im Zeitraum zwischen dem Tod des Bruders und seiner Ausreise keine Probleme oder Vorfälle gegeben habe (VH-Schrift, S. 9). Widersprüchlich dazu nannte der BF in der EV Bedrohungen durch den Nachbarn (AS 188). Diese konnte er aber nicht näher ausführen und blieb er oberflächlich. Eine tatsächliche Bedrohungssituation kann somit nicht angenommen werden.
Abschließend erscheint auch das Verhalten des BF im Zusammenhang mit dem angeblichen Tod des Bruders nicht lebensnah. So vermeinte er zwar, dass der Bruder keines natürlichen Todes gestorben sei, konnte dafür aber weder Bewiese noch eine plausible Erklärung liefern. Auch habe er sich an niemanden diesbezüglich gewandt (VH-Schrift, S. 9). Unglaubwürdig ist schließlich auch die (zusätzlich zu obiger Angabe widersprüchliche) Angabe des BF, er habe sich nach dem Tod des Bruders an den Nachbarn gewandt, von dem jedoch die angebliche Gefahr ausging (VH-Schrift, S. 7 und 9). Warum der Bruder sich dem christlichen Glauben zuwandte, vermochte der BF ebenfalls nicht näher zu erläutern und begnügte sich mit dem Stehsatz "Mein Bruder ist schon sehr lange am Christentum interessiert." (VH-Schrift, S. 9). Würde man den Angaben des BF folgen, wonach der Bruder und dessen Glaubensüberzeugung für seinen eigenen Glaubenswechsel auslösend gewesen sein soll (VH-Schrift, S. 15), so wäre zu erwarten gewesen, dass der BF nähere, persönlichere und ausführlicherer Angaben auch zum Bruder hätte machen können.
Alle geschilderten Umstände zusammen lassen für das Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel übrig, dass es sich beim Fluchtvorbringen des BF hinsichtlich der in Iran vorgefallenen Umstände um eine Konstruktion handelt. Im Rahmen einer ganzheitlichen Würdigung des Vorbringens des BF ist somit nicht davon auszugehen, dass er vor seiner Ausreise im Visier der iranischen Behörden stand bzw. im Falle einer Rückkehr stehen würde.
2.2.2.2. Zu den von BF in Österreich gesetzten Aktivitäten
Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt, dass sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, sich das Gericht auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen muss, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht; dies selbst dann, wenn sich der Asylwerber zunächst auf unwahre Angaben betreffend seinen Fluchtgrund gestützt hat (vgl. VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0260 unter Bezugnahme auf VfGH 27.02.2018, E 2958/2017).
Im gegenständlichen Fall ergeben sich die Feststellungen zu den christlich-religiösen Aktivitäten des BF in Österreich aus den von ihm vorgelegten Bestätigungen (Taufschein vom 18.04.2017, Bestätigung der Pfarre), sowie der Einvernahme des BF in der mündlichen Verhandlung. In der Beschwerde wurde keine Zeugeneinvernahme beantragt. Trotz konkreter Aufforderung in der Ladung zur mündlichen Verhandlung, alle verfügbaren Beweismittel mitzubringen, legte der BF keine weiteren Beweismittel vor, beantragte keine Zeugeneinvernahme und machte bei der Verhandlung auch keine Zeugen, welche die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung belegen hätten können, stellig (vgl. VwGH 25.02.2019, Ra 2019/19/0017, 23.01.2019, Ra 2018/19/0453 mwN). In der Verhandlung wurde kein Beweisantrag gestellt. Es ist vor dem Hintergrund dieser Judikatur nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichts, Nachforschungen zu tätigen, um die Kirchengemeinde des BF ausfindig zu machen und den Pastor einzuvernehmen.
Die aktuelle innere Glaubensüberzeugung des BF ist mangels weiterer Beweismittel wie insbesondere Zeugen anhand dessen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung zu prüfen.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung prüfte das erkennende Gericht die von BF vorgebrachte Konversion entsprechend den in der Folge unter Punkt 3.1.1. zitierten Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofes und befragte BF zu seiner Motivation für den Glaubenswechsel, seinem Wissen in Bezug auf das Christentum, seinen Gottesdienstbesuchen und sonstigen religiösen Aktivitäten und einer allfälligen Verhaltens- und Einstellungsänderung. Die Befragung widmete sich der Glaubensüberzeugung des BF sowohl im Hinblick auf eine öffentliche Ausübung des Glaubens als auch auf die persönliche, innere Beziehung zum Christentum.
Die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht diente insbesondere dazu, einen Eindruck vom persönlichen Empfinden des BF zu seiner neuen Religion zu gewinnen. Gerade darin konnte der BF aber keinen emotionalen Bezug glaubwürdig darlegen. Die Erzählweise war knapp, wenig lebendig in der Ausdrucksweise und erschöpfte sich in Stehsätzen, welche dem erkennenden Gericht aufgrund des Amtswissens aus vergleichbaren Verfahren bekannt sind. Eine individuelle Bezugsebene zum Christentum konnte bei BF demnach nicht festgestellt werden.
Weder vermochte der BF nachvollziehbar seine Motivation für die Hinwendung zum Christentum darzulegen, noch für die Auswahl einer bestimmten Glaubensgemeinschaft. So gab er in der EB an, Iran verlassen zu haben, weil er Christ werden wolle (AS 9), in der EV, dass er erst nach dem Verlassen Irans beschlossen habe, Christ zu werden (AS 187). Auch sagte er, dass er gar keine Religion gesucht habe, sondern einen Weg für das Leben (AS 190). In der VH gab er als Motivation an: Vielleicht weil mein Bruder gestorben ist (VH-Schrift, S. 15). Als Grund für die Hinwendung speziell zum Christentum - statt etwa einer anderen Religion - gab BF in der EV an, alles, was er über den christlichen Glauben gelesen und gesehen habe, sei dasselbe, das er von seinem Leben wolle. Es gehe um Liebe, Freundschaft, Freundlichkeit (AS 190) bzw. sei das wichtigste für ihn die Liebe und die Bruderschaft (VH-Schrift, S. 11). In der VH gab der BF auf dieselbe Frage hin als Grund für die Glaubensauswahl an, sein Bruder sei wegen dieser Religion gestorben (VH-Schrift, S. 13). Er habe sich für die katholische Kirche entschieden, da sie eine der ältesten und vollkommensten Kirchen sei. Was er unter vollkommen versteht, konnte er nicht nachvollziehbar darlegen (VH-Schrift, S. 13f.). Dies erweckt den Eindruck, dass sich BF nicht eingehend mit der gewählten Glaubensrichtung beschäftigt hat.
Das Bundesverwaltungsgericht lässt nicht außer Acht, dass der BF getauft wurde, aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten ist, seit einigen Monaten regelmäßig den Gottesdienst in seiner aktuellen Kirche besucht und über Grundkenntnisse zum Christentum und zum katholischen Glauben verfügt. So konnte er in der Verhandlung den Ablauf eines Gottesdienstes beschreiben, er konnte erklären, was beim Abendmahl in theologischer Hinsicht passiert, war schon einmal beichten und nannte Sakramente (S. 18f.). Wiewohl der BF zwischen der EV vom 07.06.2018 und der VH vom 27.08.2019 seine Kenntnisse über das Christentum verbesserte, ist er aber nicht im Stande, sich Glaubensinhalte selbständig anzueignen. So gab er selbst an, keine Bibel auf Farsi zu besitzen und nicht viel von seiner Bibel auf Deutsch zu verstehen (VH-Schrift, S. 22), es sei ein bisschen länger her, dass er darin gelesen habe (VH-Schrift, S. 24). Auch den Inhalt der Gottesdienste verstehe er nicht richtig, jedoch sei er dort und bemüht. Er nehme immer teil und besuche die Gottesdienste, könne aber nicht genau sagen, worüber gesprochen werde (VH-Schrift, S. 23). Über den Aufbau der katholischen Kirche wusste der BF nicht Bescheid und konnte auch den aktuellen Papst nicht namentlich nennen (VH-Schrift, S. 22). Grundlegende Elemente des Christentums konnte er nicht anführen, sondern sagte er lapidar:
Gott anbeten, keine Götzen anbeten, nicht lügen, nichts Falsches bestätigen (VH-Schrift, S. 20). Das Wesen der Beichte ist BF offenbar ebenfalls nicht bewusst (vgl. Antworten VH-Schrift, S. 20f.). Betreffend das in der VH angesprochene Glaubensbekenntnis (VH-Schrift, S. 21) verkennt das Bundesverwaltungsgericht zwar nicht, dass ein fehlerfrei gesprochenes Bekenntnis nicht unbedingt Zeugnis einer inneren Hinwendung zum Christentum ist und wird ein Auswendiglernen von religiösen Texten nicht gefordert. Es kann aber sehr wohl erwartet werden, dass einem zum Katholizismus konvertierten Gläubigen der Inhalt des Glaubensbekenntnisses bekannt ist, fasst es doch die wesentlichen Glaubensinhalte der Katholiken zusammen. Vor dem Hintergrund, dass der BF auf mehrmalige Fragen zu den Wesensinhalten bzw. Eckpfeilern des Christentum keine Antworten geben konnte (VH-Schrift, S. 20), gelangt das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass sich der BF nicht näher mit seinem neuen Glauben auseinandergesetzt hat. Es stellt sich auch die Frage, woran er tatsächlich glaubt und was ihn zu einem Christen macht. Eine Verinnerlichung von explizit christlichen Glaubensinhalten konnte demnach nicht festgestellt werden.
Die Antworten auf Fragen in Bezug auf die Rolle, welche der neue Glaube für den BF persönlich spielt, begnügten sich mit Allgemeinplätzen, waren oberflächlich und ließen jegliche Individualität vermissen. Es besteht kein erkennbarer Bezug zur persönlichen Glaubensüberzeugung. BF konnte nur inhaltsleere, floskelhafte Aussagen zu seinem neuen Glauben tätigen (Freundschaft, Liebe), er konnte diese stereotypen Aussagen aber nicht auf seine Person und sein Verhalten bezogen näher erläutern. So betonte er lediglich, im Christentum den richtigen Weg für das Leben, bzw. den Weg für ein besseres Leben gefunden zu haben (VH-Schrift, S. 11). Dass der BF innerhalb von nicht einmal einem Jahr nach Entlassung aus der ersten Haft und nicht einmal einem halben Jahr nach der Taufe wieder dieselben Tathandlungen begangen hat, wegen derer er bereits einmal im Gefängnis war, lässt nicht darauf schließen, dass er den richtigen Weg für sein Leben gefunden hat.
Auch ein eigeninitiatives Aneignen von Glaubensinhalten konnte nicht festgestellt werden. So bemühte sich der BF nicht um eine Bibel in einer ihm verständlichen Sprache. Auch hat er sich für die Taufe nur anhand des Taufunterrichts vorbereitet. Er hat sich zwar nochmals die behandelten Themen durchgelesen (VH-Schrift, S. 17), doch stellt dies keine eigeninitiative und tiefergehende Beschäftigung dar. Es ist weiters zu berücksichtigen, dass der BF nicht einmal den Nachnamen seiner Taufpatin, die auch den Taufunterricht geleitet habe, nennen konnte und seit knapp zwei Jahren - also knapp ein halbes Jahr nach seiner Taufe am 18.04.2017 - keinen Kontakt mehr zu ihr hat (VH-Schrift, S. 16). Betreffend den Taufunterricht gab BF an, dieser habe etwas über ein Jahr lang gedauert und er habe in dieser Zeit immer überall in der Kirche teilgenommen, an den Gottesdiensten und den Feierlichkeiten (VH-Schrift, S. 16). Allerdings wurde der BF knapp fünf Monate nach seiner Entlassung aus der Haft am 17.11.2016 getauft und ist nicht nachvollziehbar bzw. hat er auch nicht dargelegt, wie er während der Haft den Taufunterricht besucht haben sollte. BF hat auch nicht vorgebracht, dass der Taufunterricht durch seine Haft etwa unterbrochen wurde. Weiters erscheint der Austritt des BF aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft am 23.08.2018, knapp eine Woche nach der Zustellung des angefochtenen Bescheids am 15.08.2018, als Reaktion auf den Bescheid.
Dass sich der BF früher nicht für Religion interessierte, ist ebenfalls zu berücksichtigen. Ein innerer Entschluss oder Schlüsselmoment für die Konversion wurde von BF nicht nachvollziehbar dargelegt, doch wäre das gerade von einer Person, die bislang nicht religiös war, umso mehr zu erwarten. Der BF gab auch kein spezielles Erlebnis für die Abwendung vom Islam an, sondern brachte phrasenhaft wirkende Kritik am Islam vor: Im Islam gehe es nur ums Töten und Blutvergießen bzw. Blut und Rache (VH-Schrift, S. 14; AS 190).
Mit all diesen Angaben hat der BF aber keine innere Glaubenshaltung dargelegt. Auch den eigenen Angaben des BF zufolge ist der Glaube noch nicht verinnerlicht. So gab er in der VH an, erst ein frischer Christ zu sein und bemüht zu sein, zu lernen und den richtigen Weg zu gehen (VH-Schrift, S. 19f.). Am Tag vor der mündlichen Verhandlung führte er mit einem Freund ein Gespräch über die Kirche und diverses Faktenwissen. Dazu gab er an, versucht zu haben, das alles zu lernen (VH-Schrift, S. 23). Dieses vorgebrachte Bemühen i