TE Vwgh Erkenntnis 1998/6/24 95/04/0234

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Veröffentlicht am 24.06.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
GewO 1973 §74 Abs2 impl;
GewO 1973 §81 Abs1;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §359 Abs4;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §79 Abs1;
GewO 1994 §81 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde der BK und des FK, beide in S und vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 10. Oktober 1995, Zl. V/1-BA-9127/9, betreffend gewerbliche Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: F reg. Gen.m.b.H., vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird - im Umfang seines Spruchpunktes 1. - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 31. Jänner 1995 wurde der mitbeteiligten Partei "gemäß den §§ 81, 77, 74 Abs. 2 und 359 Abs. 1, erster Satz der Gewerbeordnung 1994 und § 93 Abs. 2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nach Maßgabe der folgenden Betriebsbeschreibung und der mit der Genehmigungsklausel versehenen Pläne sowie bei Einhaltung der nachstehenden Auflagen die gewerbebehördliche Genehmigung für die Abänderung der bestehenden Betriebsanlage im Standort W, M-Gasse (Grundstück Nr. 231/5, KG A) durch Einrichtung und Betrieb eines heizölbefeuerten Heizkessels mit 1 MW-Leistung samt technischen Nebeneinrichtungen im bestehenden Betriebsgebäude und Neuverlegung eines unterirdischen Heizöllagertanks" erteilt.

Gegen diesen Bescheid erhoben u.a. die Beschwerdeführer Berufung.

Der vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 10. Oktober 1995 enthält folgenden Abspruch:

"1.

Der Berufung der Berufungswerber FK und BK sowie Dr. PS und ES wird, soweit darin bemängelt wird, der technische Amtssachverständige habe "weder Staubimmissionen noch zusätzlich auftretende Immissionen einkalkuliert, seine Berechnungen nehmen nicht Bezug auf die Windrichtungen die geografischen Verhältnisse bzw. werden diese gänzlich außer Acht gelassen und seien Inversionswetterlagen unberücksichtigt geblieben" keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Die Berufung der oben genannten Berufungswerber wird, soweit sie sich auf Verstöße gegen Bestimmungen der NÖ Bauordnung bzw. von Widmungsvorschriften bezieht, im Grunde des § 356 Abs. 3 GewO 1994 als unzulässig zurückgewiesen.

Die Berufung wird, soweit eine Gefährdung der Umwelt durch Lieferung und Verbringung der Heizstoffe (Heizöl) in die Betriebsanlage befürchtet wird, im Grunde des § 42 Abs. 1 AVG abgewiesen.

2.

Die Berufung des Herrn Johann und der Frau Siegele sowie des Herrn Hubert Burda wird im Grunde des § 359 Abs. 4 in Verbindung mit § 356 Abs. 3 GewO 1994 als unzulässig zurückgewiesen."

Gegen diesen Bescheid - und zwar gegen dessen Spruchpunkt 1. - richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde verkannte schon aus folgenden

Überlegungen die Rechtslage:

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Ein solcher liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn die Eingabe erkennen läßt, welchen Erfolg der Einschreiter anstrebt und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt. Für die Beurteilung, ob ein Berufungsantrag begründet ist, ist aber nicht wesentlich, daß die Begründung auch stichhältig ist. Auch eine - aus objektiver Sicht - unzutreffend begründete Berufung vermag die Unzulässigkeit dieses Rechtsmittels nicht zu bewirken (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 25. November 1997, Zl. 95/04/0133, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Für die Rechtsansicht der belangten Behörde, die Berufung eines Nachbarn müsse - als Zulässigkeitserfordernis - (hier: insgesamt) Behauptungen im Rahmen einer Verletzung seiner subjektiv-öffentlichen Rechte enthalten, bietet das Gesetz keine Grundlage. Die Gewerbeordnung enthält keine die Bestimmung des § 63 Abs. 3 AVG ersetzende oder modifizierende Anordnung (vgl. nochmals das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 25. November 1997).

Da ein begründeter Berufungsantrag im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG vorgelegen ist, hätte über diese zulässige Berufung der Beschwerdeführer insgesamt meritorisch abgesprochen werden müssen und nicht die Berufung teilweise abweisen sowie teilweise zurückgewiesen werden dürfen.

Da die belangte Behörde schon aus diesem Grund die Rechtslage verkannte, war der angefochtene Bescheid im Umfang seines Spruchpunktes 1. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Für das fortzusetzende Verfahren sieht sich der Verwaltungsgerichtshof veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer die Frage, ob von einer Betriebsanlage ausgehende Emissionen eine Gefährdung im Sinne des § 77 Abs. 1 GewO 1994 oder eine unzumutbare Belästigung des Nachbarn bewirken, nicht von der Widmung des Betriebsstandortes im Flächenwidmungsplan abhängt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. April 1997, Zl. 96/04/0119). Weiters ist in Ansehung des Beschwerdevorbringens für das fortzusetzende Verfahren darauf hinzuweisen, daß die Gewerbebehörde die Genehmigungsfähigkeit einer Betriebsanlage ausgehend von dem sich im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides ergebenden relevanten Sachverhalt ausschließlich nach den hiefür in Betracht kommenden gewerberechtlichen Vorschriften zu beurteilen hat. Danach ergibt sich aber weder eine gesetzliche Grundlage dafür, daß die Behörde etwa mit ihrer Entscheidung bis zu einer (erforderlichen) baubehördlichen Genehmigung des Vorhabens zuzuwarten bzw. die Frage der (baurechtlichen) Genehmigungsfähigkeit einer derartigen baulichen Anlage als Vorfrage im Sinne des § 38 AVG zu beurteilen hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/04/0013). Wenn schließlich in der Beschwerde auf eine zu beurteilende Betriebstype abgestellt wird, so ist darauf zu verweisen, daß unter der Betriebsanlage im Sinne des § 77 Abs. 1 die (projektierte) Betriebsanlage in allen ihren Einzelheiten - somit nicht eine "Betriebstype" - zu verstehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 1979, Slg. Nr. 9979/A).

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995040234.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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