TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/7 W191 2183412-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.11.2019
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Entscheidungsdatum

07.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W191 2183412-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.12.2017, Zahl 1108278200-160373249, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.10.2019 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste irregulär und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte nach seinem Aufgriff im Rahmen einer fremdenrechtlichen Kontrolle in 1100 Wien Hauptbahnhof am 12.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

1.2. In seiner Erstbefragung am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari im Wesentlichen Folgendes an:

Er stamme aus Khugiani (Afghanistan), sei Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischer Moslem. Er habe drei Jahre die Schule besucht. Seine Familie lebe noch zu Hause.

Seine Heimat habe er vor ca. eineinhalb Monaten verlassen und sei schlepperunterstützt über - relativ genau - angegebene Länder bis nach Österreich gelangt.

Als Fluchtgrund gab der BF an, dass er Berufssoldat gewesen und deswegen von den Taliban mit dem Tod bedroht worden sei. Nachdem er mit seinem Beruf aufgehört habe, sei er trotzdem von ihnen weiter bedroht worden und als Spion bezeichnet worden.

1.3. Aufgrund des EURODAC-Treffers, wonach der BF im Zuge der Stellung eines Asylantrages in Ungarn erkennungsdienstlich behandelt worden war, führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) Konsultationen mit dem Dublin-Mitgliedstaat Ungarn wegen der Zuständigkeit für das Asylverfahren des BF gemäß Dublin-Übereinkommen.

1.4. Bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 13.07.2016, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Paschtu und eines Rechtsberaters im Zulassungsverfahren, stellte der BF sein bei der Erstbefragung aufgenommenes Geburtsdatum richtig. Er sei damals in Dari einvernommen worden, habe den iranischen Dolmetscher aber nicht gut verstanden und habe auch nicht - wie in der Erstbefragungsniederschrift festgehalten - "exzellente" Kenntnisse in Dari. Er verstehe Iraner nicht. Er sei auch nicht ledig, sondern verheiratet und habe drei Kinder.

Der BF bestätigte, dass ihm in Ungarn die Fingerabdrücke abgenommen worden seien, er habe aber keinen Asylantrag gestellt. Er wolle nicht aus Österreich weggehen. Dem BF wurde angeboten, die "Feststellungen zur Lage im Mitgliedstaat Ungarn" (offenbar das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 30.06.2016, liegt im Verwaltungsakt zur Gänze ein) auszugsweise zu übersetzen, worauf er antwortete, er fürchte, für zwei Jahre in Haft genommen zu werden.

1.5. Mit Bescheid vom 22.07.2016 wies das BFA den Antrag des BF [,] ohne in die Sache einzutreten [,] gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück. Für die Prüfung seines Antrags auf internationalen Schutz sei gemäß Art. 18.1.b der Dublin III-Verordnung Ungarn zuständig, da sich Ungarn zum Überstellungsersuchen Österreichs verschwiegen habe.

1.6. Der BF brachte mit Schreiben seines damals zur Vertretung bevollmächtigten Rechtsberaters vom 10.08.2016 das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein und begründete diese damit, dass eine Zuständigkeit Ungarns nicht gegeben sei. Im Land herrschten systemische Mängel im Asylverfahren, insbesondere drohe eine Kettenabschiebung in ein Land, in dem der BF dem Risiko einer menschenrechtswidrigen Behandlung ausgesetzt wäre. Die vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen seien inaktuell und unzutreffend.

1.7. Mit Erkenntnis vom 04.11.2016 behob das BVwG den angefochtenen Bescheid vom 22.07.2016, nachdem die sechsmonatige Überstellungsfrist abgelaufen war.

1.8. Bei seiner Einvernahme im nunmehr zugelassenen Verfahren am 11.12.2017 vor dem BFA, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Paschtu, bestätigte der BF die Richtigkeit seiner bisher gemachten Angaben. Er beantwortete Fragen zu seinen Lebensumständen und zu seinem Fluchtgrund (Auszug aus der Niederschrift, Schreibfehler teilweise korrigiert):

"[...] F [Frage]: Haben Sie sich mittlerweile irgendwelche Dokumente besorgt?

A [Antwort]: Ich habe mir meine Geburtsurkunde, meinen Militärausweis, meine Heiratsurkunde, Bankkarten usw. von meinem Schwiegervater schicken lassen.

F: Wo lebt Ihr Schwiegervater?

A: In der Stadt Jalalabad.

[...]

Ich bin im Dorf XXXX , Bezirk XXXX , Provinz Nangarhar, am XXXX geboren. Ich habe vier Brüder und zwei Schwestern. Meine Mutter ist bereits verstorben. Ein Bruder XXXX ist verschollen. Ich habe drei Jahre lang die Schule besucht. Wir wurden in einem Zelt unterrichtet. Ich bin verheiratet.

F: Wann haben Sie geheiratet?

A: Ca. am XXXX , und ich habe drei Kinder, einen Sohn und zwei Töchter.

F: Was haben Sie gearbeitet?

A: Ich war bei der Nationalarmee.

F: Was haben Sie dort getan?

A: Ich habe im Verteidigungsministerium gearbeitet. Ich war der Leibwächter für den Minister Abdul Rahim Wardak.

F: Wie sah Ihre Tätigkeit aus?

A: Ich habe diesen Minister begleitet, wenn er auf Versammlungen auftrat oder in verschiedene Provinzen reiste.

F: Welche Ausbildung hatten Sie dazu?

A: Ich habe zwei Monate und 14 Tage lang einen Kurs besucht, wie man den Feind, also Taliban, verhaften oder töten kann und wie man mit einer Waffe umgeht. Auch die Personendurchsuchung wurde geschult.

F: Wo fand dieser Kurs statt?

A: In Kabul, in der Militärakademie, im Bezirk Pole-Charkhi.

F: Wann haben Sie diesen Kurs besucht?

A: Von 08.11.2008 bis 22.01.2009.

F: Wie lange haben Sie als Leibwächter gearbeitet?

A: Im Jahr 2009 habe ich begonnen, für den Minister Abdul Rahim Wardak zu arbeiten, und ungefähr im November 2015 habe ich die Arbeit beendet.

F: Um welchen Minister hat es sich gehandelt?

A: Abdul Rahim Wardak war Verteidigungsminister.

F: Warum haben Sie aufgehört zu arbeiten?

A: Weil ich und meine Familie von den Taliban bedroht wurden.

F: Was hat Ihr Vater gearbeitet?

A: Mein Vater hat mit Tieren gehandelt.

F: Mit welchen Tieren?

A: Mit Kühen.

[...]

F: Wie viel mussten Sie für die Reise bis nach Österreich bezahlen?

A: US-Dollar 4.000,-.

F: Woher hatten Sie dieses Geld?

A: Von meinem Ersparten.

F: Wieviel haben Sie verdient?

A: US-Dollar 200,- pro Monat, aber mit Überstunden und Zuschlägen habe ich ca. US-Dollar 300,- verdient.

[...]

F: Warum sind Sie ausgerechnet nach Österreich gereist?

A: Ich wollte nach Österreich, weil ich schon in Afghanistan Informationen über Österreich hatte. Ich habe mit deutschen Soldaten gesprochen bzw. Kontakt gehabt, und daher wollte ich nach Österreich.

[...]

Angaben zum Fluchtgrund:

F: Was war der konkrete Grund, warum Sie die Heimat verlassen haben? Erzählen Sie bitte möglichst chronologisch über alle Ereignisse, die Sie zum Verlassen der Heimat veranlasst haben (freie Erzählung)!

A: Ich war bei der Nationalarmee, deswegen wurde meine Familie bedroht. Sie sagten, ich soll meine Arbeit aufgeben. Mein Vater hat zu ihnen (Stammältesten, die mit den Taliban arbeiten) gesagt, dass ich nicht mehr für die Nationalarmee tätig bin, sondern in Kabul selbständig ein Geschäft führe. Sie sagten, sie sind informiert und sagten, dass ich immer noch für die Nationalarmee arbeite. Mein Vater hat gesagt, wenn sie es beweisen können, wäre es in Ordnung und sie dürfen machen, was sie wollen. 2014 wurde ein Freund von mir von den Taliban mitgenommen. Sie haben ihn verhört und bekamen sehr viele Informationen über mich. Nach zwei oder drei Wochen fand man seine Leiche. Er war mit mir zusammen bei der Nationalarmee. Zwei Wochen nach seinem Tod wurde mein Vater von den Taliban zu sich bestellt, und sie haben zu meinem Vater gesagt, dass sie über mich Beweise hätten und ich solle mich denen stellen, sie würden mir nichts antun, wenn ich mich denen anschließe, falls ich nicht komme, ist es offensichtlich, dass ich für die Nationalarmee tätig sein will. Die Taliban haben zu meinem Vater gesagt, wenn ich innerhalb von zwei Wochen nicht komme, würden sie meiner Familie und mir Schaden zufügen, und verantwortlich dafür wären mein Vater und ich. Mein Vater rief mich an und sagte, dass ich meine Arbeit aufgeben und was anderes arbeiten soll. Ich sagte zu meinem Vater, auch wenn ich nicht mehr für die Nationalarmee arbeiten würde und nach Hause komme, würden die Taliban mich nicht in Ruhe lassen. Es sei denn, ich würde mich ihnen anschließen und zusammen mit den Taliban gegen die Regierung kämpfen, aber das möchte ich nicht. Mein Vater sagte dann, dass ich meine Familie wegbringen müsse, da er sie nicht mehr beschützen kann. Ich habe ein Haus in der Nähe meines Schwiegervaters im Dorf XXXX , Stadt Jalalabad, Provinz Nangarhar, gemietet. Mein Onkel, mütterlicherseits, hat meine Frau und meine Kinder, meine Mutter und meinen Bruder XXXX in dieses Haus gebracht.

F: Wann war das?

A: Im Jänner 2015.

F: Erzählen Sie weiter!

A: Ich habe mir dafür zehn Tage lang Urlaub genommen, war zuhause, und danach bin ich wieder in die Arbeit in Kabul. Ca. einen Monat später sind dann mein Vater und meine anderen drei Brüder auch zu [uns] gezogen. Am 17.04.2015 wurde meinem Schwiegervater im Geschäft, er hatte ein Bekleidungsgeschäft, ein Drohbrief (Beilage A./II.) der Taliban zugestellt. Dort stand, dass sie über meinen Aufenthaltsort Bescheid wissen, und egal, wo ich hin gehe, ich kann ihnen nicht entkommen. Es stand, dass ich immer noch für die Nationalarmee tätig wäre, und dass sie über meinen Umzug Bescheid wissen, es wäre immer noch nicht zu spät, mich zu stellen. Mein Schwiegervater rief mich an und sagte mir, dass ein Brief gekommen ist. Ich sagte, er solle diesen Brief aufbewahren, wenn ich komme, werde ich damit zum Bezirksamt, also zur Polizei, gehen. 29 Tage später, am 16.05.2015 kam ich nach Hause, ich bekam keinen Urlaub, weil ich davor auch schon Urlaub genommen hatte. Ich habe gesagt, dass ein Kind von mir krank wäre, und wurde mir dann trotzdem kein Urlaub genehmigt. Ich bin dann trotzdem zwei Tage nach Hause gefahren. Am nächsten Tag war die Hochzeitsfeier. Es war auch die Hochzeit meines Schwagers, der Bruder meiner Frau hat geheiratet. Der andere Schwager ist Wachmann in der Stadt XXXX , [er] rief mich um 03:00 Uhr in der Früh an, dies war am 17.05.2015, und sagte mir, dass zwei Motorräder zu mir nach Hause unterwegs wären. Ich bin aufgestanden, bin auf das Dach gegangen und habe geschaut, ob jemand kommt. Drei oder vier Minuten sind vergangen, dann blieben Motorräder vor unser Haus stehen, und es wurde an die Tür geklopft. Meine Mutter ist zur Tür gegangen, hat gefragt, wer da ist, sie sagten, sie soll die Tür aufmachen, sie wollen mit mir reden. Meine Mutter sagte, dass ich nicht zu Hause wäre. Diese Personen sagten, dass sie wissen, dass ich zuhause wäre, wir wären Freunde und meine Mutter sollte die Tür aufmachen. Meine Mutter sagte, dass sie alleine wäre, die Männer wären auf der Hochzeitsfeier und sie kann die Tür nicht aufmachen. Ich bin dann über das Dach zum Nachbarhaus geflüchtet, dort konnte ich sehen, dass zwei Personen vor der Tür standen, und ich habe meiner Mutter mit Handzeichen gezeigt, dass zwei Personen vor der Tür stehen. Zwei bis drei Minuten später hörte ich Schüsse und ich wusste, dass etwas passiert ist. Über das Nachbarhaus bin ich zum Haus meiner Schwester XXXX gegangen. XXXX ist verheiratet und wohnt auch dort. Ich bin dann vom Dach gesprungen und dabei habe ich mich am Ellbogen verletzt. Die Schüsse und Explosionen hat man gehört, meine Schwester hat mich schnell ins Zimmer gebracht. Mein Schwager brachte mich nach Jalalabad ins Krankenhaus, der Arzt meinte, dass ich mindestens zwei Wochen im Krankenhaus bleiben muss, da ich auch am Bein verletzt war. Ich habe dann ein Bild von mir im Krankenhaus gemacht und schickte das meinen Vorgesetzten.

F: Wann war das?

A: Zwei bis drei Stunden, nachdem ich im Krankenhaus war, habe ich meinen Vorgesetzten ein Bild geschickt.

F: Wann sind diese Motorräder gekommen?

A: Am 18.05.2015.

F: Wer ist gekommen?

A: Es können nur die Taliban gewesen sein.

F: Was ist mit Ihrer Mutter passiert?

A: Mein Onkel hat im Nachhinein erzählt, dass meine Mutter in dieser Nacht getötet wurde. Sie sind ins Haus reingekommen, und mein Bruder XXXX wurde mitgenommen.

F: Wer hat noch in diesem Haus gewohnt?

A: Alle anderen waren bei der Hochzeitsfeier, nur mein Bruder, meine Mutter und ich waren zuhause.

F: Warum waren Sie nicht auf der Hochzeitsfeier?

A: Ich war auch auf der Feier, bin aber früher nach Hause, damit ich in die Arbeit fahren kann.

F: Wie lange waren Sie im Krankenhaus?

A: Ich war zwei Wochen lang im Krankenhaus, und während dieser Zeit hat mir niemand gesagt, was mit meiner Familie passiert ist. Erst als ich entlassen wurde, erzählte mir mein Onkel, der Bruder meiner Mutter, was in dieser Nacht alles passiert ist. Er hat meine Familie zu sich nach Hause genommen. Mein Onkel wohnt im Dorf XXXX , in der Nähe von Jalalabad.

F: Wen hat er zu sich nach Hause genommen?

A: Alle, meine Brüder, meine Eltern, meine Frau und meine Kinder.

F: Wo waren Sie nach dem Krankenhausaufenthalt wohnhaft?

A: Nach dem Krankenhaus war ich auch eine Woche bei meinem Onkel im Dorf XXXX aufhältig, anschließend fuhr ich dann wieder nach Kabul in meine Arbeit. Als ich wieder in die Arbeit ging, wurde ich von meinem Kommandanten befragt, mit welcher Erlaubnis ich nach Hause gefahren bin, ich habe ihm alles erklärt, ihm den Drohbrief gezeigt und ihm erzählt, dass ich im Krankenhaus war. Er sagte trotzdem, dass ich unrechtmäßig abwesend war, und der Kommandant wird jetzt ermitteln, er hat mir dann meinen Militärausweis und meine Bankkarte abgenommen und mich verhört. Er meinte, die Taliban haben mich in deren Gewalt gehabt, und dass ich irgendetwas über meine Tätigkeit ausgeplaudert hätte und da müssten sie ermitteln. Ich wurde verdächtigt, dass die Taliban mich geschickt hätten, ein Attentat zu verüben. Ich habe gesagt, dass meine Familie immer noch von den Taliban bedroht wird und er mich verdächtigen würde, für die Taliban zu arbeiten. Bis November 2015 war ich noch beim Militär, dann habe ich, ohne Bescheid zu geben, die Arbeit verlassen und fuhr nach Hause. Die alten Dienstausweise hatte ich noch zuhause, die neuen wurden mir abgenommen.

F: Wohin fuhren Sie nach Hause?

A: Ungefähr einen Monat war ich zuhause und dann habe ich beschlossen, Afghanistan zu verlassen, da ich weder für die Armee noch für die Taliban arbeiten kann.

F: Warum können Sie für die Armee nicht mehr arbeiten?

A: Ich habe meine Mutter verloren, der Rest der Familie wurde auch bedroht, und ich wurde beim Militär verdächtigt.

F: Sie konnten von Mai bis November 2015 arbeiten. Warum konnten Sie plötzlich im November nicht mehr fürs Militär arbeiten?

A: Mein Onkel, der Bruder meiner Mutter, bei dem meine Familie gelebt hat, bekam einen Drohbrief.

F: Was steht in diesem Drohbrief?

A: Es steht, dass du deinem Neffen Unterkunft gewährt hast und er soll die Arbeit aufgeben und sich stellen, ansonsten seid ihr selbst [für das was] was passiert, verantwortlich.

F: Wann hat Ihr Onkel diesen Brief erhalten?

A: Am 02.08.2015.

F: Wie heißt der Onkel?

A: XXXX .

F: Wo waren Sie ab November 2015 aufhältig?

A: In der Stadt Jalalabad. Ich war manchmal bei meinem Schwiegervater oder bei Freunden, ich hatte keine richtige Adresse.

F: Wo hat Ihre Familie gelebt?

A: Bei meinem Onkel.

F: Wo haben Ihre Frau und Ihre Kinder gelebt?

A: Auch bei meinem Onkel XXXX .

F: Wie lange waren Sie in Jalalabad an verschiedenen Adressen aufhältig?

A: Anfang Jänner 2016 habe ich dann Jalalabad verlassen.

F: Wie oft hatten Sie Urlaub beim Militär?

A: Alle sechs Monate durfte ich zehn Tage Urlaub nehmen.

F: Wo haben Sie gelebt, als Sie beim Militär waren?

A: Beim Verteidigungsminister im Haus, als Leibwächter bzw. Wachmann, in Kabul, XXXX . Nummer gibt es nicht.

F: Hatten Sie in der Zeit, in der Sie in Kabul gelebt hatten, Probleme?

A: Nein, in dieser Zeit hatte ich keine Probleme.

F: Warum sind Sie mit der Familie nicht nach Kabul gezogen?

A: Ich habe bei der Arbeit gemeldet, dass meine Familie in der Heimat Probleme hat, und außerdem haben Verwandte von uns bei den Taliban gearbeitet und haben auch über uns berichtet, egal wo wir uns aufgehalten hätten, hätten sie es erfahren.

F: Was ist jetzt, da Sie sich nicht mehr in Ihrer Heimat aufhalten?

A: Sie wollten ja mich, und die Familie ist auch jetzt an keiner fixen Adresse, sondern ziehen sie immer um.

F: Sie sind ja jetzt in Österreich. Was ist jetzt?

A: Sie wissen, dass sie mich nicht finden können, sie wissen, dass ich im Ausland bzw. in Sicherheit bin. [...]"

Laut Niederschrift wurde dem BF die Möglichkeit eingeräumt, zu "Feststellungen des Bundesasylamtes zur Lage in seiner Heimat" (offenbar das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA mit aktuellem Datum) Stellung zu nehmen, worauf er verzichtete.

Der BF legte Belege zu seiner Identität und zu seinem Fluchtvorbringen (Tazkira - afghanisches Personaldokument, Heiratsurkunde, Militärausweis und Bestätigungen, zwei Drohbriefe der Taliban, Fotos) sowie Belege bezüglich seiner Integration in Österreich (Teilnahme Werte- und Orientierungskurs, Deutschkursbestätigungen) vor.

1.9. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 13.12.2017 den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 12.03.2016 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt IV. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.)

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Der BF habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Afghanistan. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.

Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse glaubwürdig wäre. Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.

Der BF habe eine aktuelle asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft gemacht, was im Wesentlichen mit angeblichen zeitlichen Diskrepanzen in den Angaben des BF begründet wurde.

Subsidiärer Schutz wurde dem - für Ehefrau und drei Kinder sorgepflichtigen BF - nicht zuerkannt, da er von seinem nach wie vor in Nangarhar lebenden Familienverband aufgenommen werden könne.

1.10. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben seines nunmehrigen Vertreters vom 11.01.2018 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim BVwG ein.

In der Beschwerdebegründung wurde im Wesentlichen das Vorbringen des BF im Verfahren zusammengefasst wiederholt und moniert, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht zutreffend sei. Aus den maßgeblichen UNHCR-Richtlinien wurde zitiert. Der BF sei bei einer Rückkehr nach Afghanistan in großer Gefahr. Die Heimatprovinz sei sehr volatil, der BF werde von den Taliban als Gegner wahrgenommen und sei für seine Familie sorgepflichtig.

Der BF sei lern- und arbeitswillig, habe erfolgreich Integrationsbemühungen gesetzt, sei strafgerichtlich unbescholten und wäre keine Belastung für eine österreichische Gebietskörperschaft.

Beantragt wurde unter anderem die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

1.11. Das BVwG führte am 21.10.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Paschtu durch, zu sowie der BF im Beisein seiner Vertreterin und zweier Vertrauenspersonen sowie eine Vertreterin des BFA persönlich erschienen.

Dabei bestätigte der BF seine Angaben zu seinen Lebensumständen und zu seinem Fluchtvorbringen. Zu seiner Familie (Ehefrau oder Vater) habe er unregelmäßig Kontakt. Die Schreibweise seines Vornamens sei richtig XXXX . Bezüglich seiner Gesundheit gab der BF an, dass er wegen seiner Lebenssituation psychische Probleme habe, die sich in Schlafstörungen äußerten, und er deswegen eine psychosoziale Station aufgesucht habe, wo ihm Beruhigungsmittel verschrieben worden seien, und legte Belege dazu vor.

Der BF legte sechs weitere Fotos vor (betreffend seine Verletzung am Oberarm und seinen getöteten Kameraden AREF), wozu er auf Befragung angab, er sei am 18.05.2015 beim Angriff der Taliban vom Dach gesprungen und habe sich beim Aufprall am Boden eine Verletzung des Ellbogens zugezogen. AREF sei im Jahr 2014 auf dem Weg nach Hause von den Taliban ermordet worden. Seine Leiche sei zwei oder drei Wochen später aufgefunden worden, und das Foto zeige sein Grab in Khugiani. Die Moschee habe er in Österreich bisher nur zwei oder drei Mal besucht, weil diese von seinem Wohnort weit weg liege.

Der BF gab an, seine Familie (Vater, Ehefrau, drei jüngere Brüder) lebe seit ca. 14 Monaten in Peshawar, XXXX (Pakistan). Seine Schwestern seien verheiratet und lebten nach wie vor in Afghanistan.

Er habe nur drei Jahre lang eine Schule besucht. Nach der Schule habe er bei seinem Vater im Laden gearbeitet, und darüber hinaus sei er auch in ihrer Landwirtschaft beschäftigt gewesen. Sein Vater sei im Rinderhandel tätig gewesen, er habe die Rinder von einer Provinz zur anderen gebracht. Mit 20 Jahren sei der BF zur afghanischen Nationalarmee gegangen.

Der BF beantwortete Fragen zu seinem Herkunftsort.

Auf die Frage nach dem Grund für die Ausreise seiner Familie sowie auf weitere Fragen zu seinem Fluchtgrund gab der BF an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):

"[...] BF: Meine Familie konnte dort nicht frei leben und auch keiner Beschäftigung dort nachgehen. Meine Kinder konnten auch nicht mehr zur Schule gehen. Sie hatten Angst um ihr Leben, und sie konnten sich gar nicht mehr frei bewegen.

RI [Richter]: Was wäre passiert, wären die Kinder weiterhin in die Schule gegangen?

BF: Wenn sie zur Schule gegangen wären, wäre ihnen dasselbe passiert, was meinem Bruder und meiner Mutter passiert ist.

RI: Wie ist Ihre Mutter gestorben?

BF: Eines Abends war ich auf einer Hochzeit, es war geplant, an diesem Abend spät nach Hause zu kommen und am folgenden Tag in die Arbeit zu fahren. An jenem Abend kamen die Taliban zu uns nach Hause und klopften an unserer Haustür. Ich bin weggelaufen, infolge dessen wurde meine Mutter getötet und mein Bruder XXXX mitgenommen.

RI: Wie wurde Ihre Mutter getötet?

BF: Ich habe es auch nicht mitbekommen, wie meine Mutter getötet wurde. Zwei oder drei Minuten nach meiner Fluchtergreifung hörte ich Schüsse, und nachdem ich Schüsse gehört habe, blickte ich nicht mehr zurück über die Schulter. Ich bin in das Haus der Nachbarn geflohen, und von dort kam ich ins Haus meiner Schwester.

RI: Wann und wie wurde Ihre Mutter beerdigt?

BF: Ich war zu diesem Zeitpunkt im Spital. Nach zwei Wochen, als ich entlassen wurde und als ich beim Haus meines Onkels mütterlicherseits war, erfuhr ich einiges.

RI wiederholt die Frage.

BF: Bei der Beerdigung war ich nicht dabei, sie wurde in XXXX beigesetzt.

RI räumt BFA [Vertreterin des BFA] die Möglichkeit ein, Fragen an den BF zu stellen.

BFA: Aufgrund welcher Verletzungen waren Sie im Krankenhaus?

BF: Mein Ellbogen war verletzt, es sind die Knochen hinausgesprungen, dies war vom Oberarm bis zum Unterarm und auch am linken Bein bzw. am Knie.

BFA: Sie haben Schüsse gehört und sind davongelaufen und waren dann im Krankenhaus. Haben Sie sich jemals gefragt, wie es Ihrer Mutter geht?

BF: Etwa nach zwei oder drei Stunden im Spital kam ich wieder zum Bewusstsein und dann wurde ich behandelt. Danach fragte ich meinen Schwager (D [Dolmetsch] gibt an, der Ehemann seiner Schwester) und den Schwiegervater über meine Mutter und meine Geschwister aus. Diese haben mir nichts erzählt.

BFA: Warum nicht?

BF: Sie haben es mir nicht erzählt, weil sie mich nicht noch trauriger machen wollten und ich so verletzt war. Sie wollten mich nicht noch mehr seelisch verletzen. Sie dachten, wenn ich aus dem Spital komme, werde ich es erfahren.

BFA: Ist dies bei Ihnen so üblich?

BF: Ja, das ist üblich. In ganz Afghanistan, wenn jemandem etwas passiert, dass man es nicht so einfach und schnell erzählt, man vermeidet es.

Der Richter ersuchte den Dolmetsch, die beiden vorgelegten Drohbriefe zu übersetzen.

Erster Drohbrief, Seite 341 des Verwaltungsaktes:

"[...] Datum 28.01.1394 (D: = 07.04.2015), Islamisches Emirat Afghanistan, erstinstanzliches Gericht, die genannte Person heißt XXXX , Sohn des XXXX , Stamm SHERZAD und Dorf XXXX . Offensichtlich hat XXXX eine Zeit lang für die afghanische abtrünnige Regierung bzw. für die Nationale Armee gearbeitet und gegen das islamische Emirat gekämpft. Nach dem Inhalt des Briefes wird der BF bedroht. Der Absender des Briefes ist XXXX ."

Zweiter Drohbrief Seite 339 des Verwaltungsaktes:

"Islamisches Emirat der Provinz Nangarhar, Distrikt Surkhrod, erstinstanzliches Gericht, Datum: 15.05.1394 (D: = 06.08.2015), gerichtet an XXXX , Onkel des BF, wir grüßen Sie Herr XXXX , wie man weiß, Ihr Neffe XXXX , Sohn des XXXX , wir haben mehrmals deinen Neffen mündlich aufgefordert, eine Aufgabe zu erfüllen, und er machte dies nicht. Nun sind wir gezwungen, ihn einzuberufen, dass er zu uns kommt und vorspricht. Wenn er zu dir nach Hause kommt, dann lass uns das wissen. Solltest du dies nicht tun, dann hast du kein

Recht im Dorf. Unterschrift: XXXX ."

Weiterer Auszug aus der Verhandlungsschrift:

"[...] BFA: Warum waren Ihre Mutter und Ihr Bruder nicht auf dieser Hochzeit, da doch die restliche Familie dort war?

BF: Nach der Zeremonie der Hochzeit kam ich nach Hause, um mich für die Reise vorzubereiten. Meine Mutter und mein Bruder kamen mit mir mit, und die restlichen Familienangehörigen blieben bei der Hochzeit. Wir waren alle gemeinsam auf der Hochzeit, und wir drei sind dann gemeinsam nach Hause gegangen.

[...]

RI: Wie hieß der Minister, für welchen Sie gearbeitet haben?

BF: Abdul Rahim Wardak.

RI: Wie lange haben Sie für ihn gearbeitet?

BF: Von 2009 bis November 2015.

RI: War er zu diesem Zeitpunkt noch Minister?

BF: Ja, bis 2012 war er ein Minister unter Karzai.

RI: Was für eine Funktion hatte er von 2012 bis 2015?

BF: Er war ein Berater von Karzai.

RI: Ist eine andere Person Minister geworden?

BF: Ja, eine andere Person wurde als Minister ernannt, dessen Name fällt mir nicht ein. Bis XXXX , er stammt aus Panjir.

RI: Wie alt sind Ihre Brüder?

BF: Ich weiß es nicht genau, wie alt sie sind, aber ich habe vier Brüder. Sie sind alle jünger, zwei Schwestern von mir sind älter.

RI: Ist XXXX , welcher mitgenommen wurde, der zweitälteste Sohn?

BF: Ja.

RI: Wie viele Jahre war XXXX jünger als Sie?

BF: Ca. fünf oder sechs Jahre jünger als ich.

RI: War er auch beim Heer?

BF: Nein, ich war der einzige, der für das Militär tätig war.

RI: Was haben Ihre Brüder gearbeitet?

BF: Er kümmerte sich um den Laden und um die Sachen für zu Hause, er besuchte auch die Schule.

RI: Das heißt, Ihre Brüder haben alle die Schule länger besucht als Sie?

BF: Ja, sie haben länger die Schule besucht, ich konnte diese nicht länger besuchen aufgrund des Krieges und der Umstände.

RI zeigt dem BF die Karte auf Seite 79.

RI: Um welche Karte handelt es sich hier?

BF: Es handelt sich um die Bankomatkarte, und diese hatte ich von der Azizi-Bank.

RI: Was hat Ihre Frau dazu gesagt, dass Sie weggegangen sind?

BF: Meine Frau hat mir gesagt, ich soll mit meinem Job aufhören, und ich solle etwas Neues beginnen bzw. was Selbständiges anfangen. Ich dachte jedoch, wenn ich dies tue, würden mich die Taliban trotzdem als Spion sehen. Zu diesem Zeitpunkt war meine Frau nicht da.

RI: Wo war Ihre Frau damals?

BF: Sie befand sich zu diesem Zeitpunkt in XXXX beim Schwiegervater, ca. fünf km von meinem Heimatdorf entfernt.

[...]

BFA: Welche Funktion hatten Sie beim Militär, und weswegen wurden Sie daher von den Taliban bedroht?

BF: Ich war ein normaler Soldat, ich war tätig für den Verteidigungsminister und meine Aufgabe war es, bei ihm zu Hause zu sein.

RI: Haben Sie an Kriegshandlungen in Afghanistan teilgenommen?

BF: Bei Kriegshandlungen habe ich nicht teilgenommen, aber ich habe den Verteidigungsminister überallhin begleitet und auch unter Kriegsumständen für seinen Schutz gesorgt. [...]"

Das erkennende Gericht brachte weitere Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF in das Verfahren ein (aufgelistet unter Punkt 2.).

Dem BFA wurden die Verhandlungsschrift samt Beilagen übermittelt. Es hat dazu keine Stellungnahme abgegeben.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 12.03.2016 und der Einvernahmen vor dem BFA am 13.07.2016 und 11.12.2017, die Aktenvorgänge zu seinem Dublinverfahren betreffend Ungarn, die vom BF vorgelegten Beweismittel zu seiner Identität und zu seinem Fluchtvorbringen (Tazkira, Heiratsurkunde, Militärausweise und -bestätigungen, zwei Drohbriefe der Taliban, Fotos) sowie Belege bezüglich seiner Integration in Österreich (Teilnahme Werte- und Orientierungskurs, Deutschkursbestätigungen, Empfehlungsschreiben von einem evangelischen Pfarramt, von einem Kloster sowie von Privatpersonen) sowie die gegenständliche Beschwerde vom 11.01.2018

* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (offenbar Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Aktenseiten 452 bis 496)

* Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 21.10.2019 sowie Einsicht in die vom BF im Beschwerdeverfahren vorgelegten Belege zu seiner Gesundheit (Einschlaf-/psychische Probleme) zu seinem Fluchtvorbringen und zu seiner Integration

* Einsicht in folgende in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom BVwG zusätzlich eingebrachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF:

? Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat sowie in der Provinz Nangarhar (Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, zuletzt aktualisiert am 04.06.2019) sowie

? Auszug aus einer gutachterlichen Stellungnahme eines Ländersachverständigen für Afghanistan (Dr. Sarajuddin Rasuly in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 13.06.2012 im Verfahren C15 410.319-1/2009) zum Vorbringen des BF, er habe für die Regierung gearbeitet und werde deshalb von den gegen diese kämpfenden Taliban verfolgt

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Folgende Feststellungen werden aufgrund des glaubhaft gemachten Sachverhaltes getroffen:

3.1. Zur Person des BF:

3.1.1. Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Paschtu, er spricht darüber hinaus auch etwas Dari.

3.1.2. Der BF stammt aus XXXX , Distrikt Sherzad, Provinz Nangarhar (Afghanistan). Er hat drei Jahre die Schule besucht, ist verheiratet und hat einen Sohn und zwei Töchter. Seine Familie (Vater, Ehefrau, drei Kinder, drei jüngere Brüder) lebt seit ca. 14 Monaten in Peshawar (Pakistan), seine beiden älteren verheirateten Schwestern leben nach wie vor in Nangarhar. Der BF hat unregelmäßigen Kontakt zu seiner Familie.

3.1.3. Der BF bemüht sich in Österreich ernsthaft um seine Integration. Er verfügt über Grundkenntnisse der deutschen Sprache und bemüht sich um die Ablegung der Deutschprüfung A1. Er hat in Österreich Bekannt- und Freundschaften geschlossen und übt gemeinnützige Tätigkeiten aus (Grünland- und Friedhofspflege der Stadt Oberwart).

3.1.4. Der BF leidet aufgrund seiner Lebenssituation an gesundheitlichen (psychischen) Problemen (Schlafprobleme). Ihm wurden von einer Psychosozialen Station Medikamente zur Beruhigung verschrieben.

3.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

3.2.1. Der BF arbeitete bei der afghanischen Nationalarmee von 2009 bis 2015 als Leibwächter für einen afghanischen Politiker (bis 2012 Verteidigungsminister) und wurde aus diesem Grund von den Taliban bedroht. Nachdem er am 17.04.2015 einen Drohbrief erhalten hatte (zugestellt an seinen Schwiegervater in Jalalabad) und seine Arbeit nicht beendet hatte, suchten ihn Taliban zu Hause auf, töteten seine Mutter und entführten seinen Bruder XXXX . Der BF verletzte sich auf der Flucht beim Sprung vom Haus am linken Oberarm und am Bein und war zwei Wochen lang im Krankenhaus. In weiterer Folge wurde ihm von seiner Dienststelle vorgeworfen, dass er den Dienst unerlaubt verlassen hätte und mit den Taliban konspiriere. Einige Zeit nachdem er einen zweiten Drohbrief vom 06.08.2015 erhalten hatte, beendete der BF seinen Dienst bei der Nationalarmee und flüchtete aus Angst vor den Taliban ins Ausland nach Europa.

Seine Familie verließ aus diesen Gründen später (ca. August 2018) ebenfalls Afghanistan und lebt nunmehr in Pakistan.

3.2.2. Der BF befürchtet, im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner Tätigkeit für die afghanische Nationalarmee in exponierter Stellung (Leibwächter für einen Verteidigungsminister) wegen unterstellter politischer Gesinnung von den Taliban getötet zu werden.

3.2.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:

Es konnte vom BF glaubhaft vermittelt werden, dass er im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus den oben angeführten asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre.

3.2.4. Dem BF steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative nicht zur Verfügung, zumal er landesweit aufgefunden werden könnte und die staatlichen Einrichtungen seines Herkunftsstaates nicht hinreichend imstande wären, ihn vor dieser Verfolgung zu schützen.

3.2.5. Es liegen keine Gründe vor, nach denen der BF von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auszuschließen ist.

3.3. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

3.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan ("Gesamtaktualisierung am 29.06.2018", Schreibfehler teilweise korrigiert):

"[...] 2. Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.01.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.09.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.09.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.02.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus dem Unterhaus, auch wolesi jirga, "Kammer des Volkes", genannt, und dem Oberhaus, meshrano jirga auch "Ältestenrat" oder "Senat" genannt. Das Unterhaus hat 250 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz im Unterhaus reserviert (AAN 22.01.2017; vgl. USDOS 20.04.2018, USDOS 15.08.2017, CRS 13.12.2017, Casolino 2011). Die Mitglieder des Unterhauses haben ein Mandat von fünf Jahren (Casolino 2011). Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von ca. 25% im Unterhaus (AAN 22.01.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze (IPU 27.02.2018). Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für behinderte Personen bestimmt. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 20.04.2018; vgl. USDOS 15.08.2017).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leider die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 5.2018).

Die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen konnten wegen ausstehender Wahlrechtsreformen nicht Am geplanten Termin abgehalten werden. Daher bleibt das bestehende Parlament weiterhin im Amt (AA 9.2016; vgl. CRS 12.01.2017). Im September 2016 wurde das neue Wahlgesetz verabschiedet und Anfang April 2018 wurde von der unabhängigen Wahlkommission (IEC) der 20.10.2018 als neuer Wahltermin festgelegt. Gleichzeitig sollen auch die Distriktwahlen stattfinden (AAN 12.04.2018; vgl. AAN 22.01.2017, AAN 18.12.2016).

Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 15.08.2017). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (AE o. D.). Der Terminus "Partei" umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf strukturelle Elemente (wie z.B. das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016). Ein hoher Grad an Fragmentierung sowie eine Ausrichtung auf Führungspersönlichkeiten sind charakteristische Merkmale der afghanischen Parteienlandschaft (AAN 06.05.2018).

Mit Stand Mai 2018 waren 74 Parteien beim Justizministerium (MoJ) registriert (AAN 06.05.2018).

Parteienlandschaft und Opposition

Nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.01.2017), das letzterer Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtete sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.09.2016). Das Abkommen beinhaltete unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für den historischen Anführer der Hezb-e-Islami, Gulbuddin Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.01.2017). Tatsächlich wurde dieser im Februar 2017 von der Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates gestrichen (AAN 03.05.2017). Am 04.05.2017 kehrte Hekmatyar nach Kabul zurück (AAN 04.05.2017). Die Rückkehr Hekmatyars führte u.a. zu parteiinternen Spannungen, da nicht alle Fraktionen innerhalb der Hezb-e Islami mit der aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtung, sich unter Hekmatyars Führung wiederzuvereinigen, einverstanden sind (AAN 25.11.2017; vgl. Tolonews 19.12.2017, AAN 6.5.2018). Der innerparteiliche Konflikt dauert weiter an (Tolonews 14.03.2018).

Ende Juni 2017 gründeten Vertreter der Jamiat-e Islami-Partei unter Salahuddin Rabbani und Atta Muhammad Noor, der Jombesh-e Melli-ye Islami-Partei unter Abdul Rashid Dostum und der Hezb-e Wahdat-e Mardom-Partei unter Mardom Muhammad Mohaqeq die semi-oppositionelle "Coalition for the Salvation of Afghanistan", auch "Ankara Coalition" genannt. Diese Koalition besteht aus drei großen politischen Parteien mit starker ethnischer Unterstützung (jeweils Tadschiken, Usbeken und Hazara) (AB 18.11.2017; vgl. AAN 06.05.2018).

Unterstützer des weiterhin politisch tätigen ehemaligen Präsidenten Hamid Karzai gründeten im Oktober 2017 eine neue politische Bewegung, die Mehwar-e Mardom-e Afghanistan (The People's Axis of Afghanistan), unter der inoffiziellen Führung von Rahmatullah Nabil, des ehemaligen Chefs des afghanischen Geheimdienstes (NDS). Später distanzierten sich die Mitglieder der Bewegung von den politischen Ansichten Hamid Karzais (AAN 06.05.2018; vgl. AAN 11.10.2017).

Anwarul Haq Ahadi, der langjährige Anführer der Afghan Mellat, eine der ältesten Parteien Afghanistans, verbündete sich mit der ehemaligen Mujahedin-Partei Harakat-e Enqilab-e Eslami-e Afghanistan. Gemeinsam nehmen diese beiden Parteien am New National Front of Afghanistan teil (NNF), eine der kritischsten Oppositionsgruppierungen in Afghanistan (AAN 6.5.2018; vgl. AB 29.05.2017).

Eine weitere Oppositionspartei ist die Hezb-e Kongara-ya Melli-ye Afghanistan (The National Congress Party of Afghanistan) unter der Führung von Abdul Latif Pedram (AB 151.2016; vgl. AB 295.2017).

Auch wurde die linksorientierte Hezb-e-Watan-Partei (The Fatherland Party) wieder ins Leben gerufen, mit der Absicht, ein wichtiges Segment der ehemaligen linken Kräfte in Afghanistan zusammenzubringen (AAN 06.05.2018; vgl. AAN 21.08.2017).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Am 28.02.2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.03.2018; vgl. TS 28.02.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 07.03.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vgl. Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.03.2018; vgl. TD 07.03.2018, NZZ 28.02.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.04.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen (vgl. Kapitel 3. "Sicherheitslage").

Am 19.05.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.05.2018).

Am 07.06.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.06.2018 - 20.06.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich Am 04.06.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 07.06.2018; vgl. Reuters 07.06.2018, RFL/RL 05.06.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 05.06.2018). Die Taliban selbst gingen am 09.06.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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