TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/8 W274 2214136-1

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Veröffentlicht am 08.11.2019
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Entscheidungsdatum

08.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
VwGVG §29 Abs5

Spruch

W274 2214136-1/10E

Gekürzte Ausfertigung gemäß § 29 Abs 5 VwGVG

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Mag. LUGHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , iranische Staatsbürgerin, XXXX , vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alser Strasse 20/Top 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 4.1.2019, Zl. 1212311706 - 181089799/BMI-BFA_WIEN_RD nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben und XXXX gem. § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkennt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Die Revision ist gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die Beschwerdeführerin (BF) beantragte am 14.11.2018 vor der PI Schwechat Fremdenpolizei AGM Flughafen internationalen Schutz mit der Begründung, sie wolle nur zu ihrem Mann nach Österreich. Sie hab keine weiteren Gründe für eine Asylantragstellung, aber befürchte im Falle einer Rückkehr umgebracht zu werden, da ihr Mann Christ sei.

Vor dem BFA fand am 19.12.2018 eine Vernehmung statt, bei der die BF angab, im Iran von ihrem Vater und ihrem Onkel bedroht sowie von den Behörden geladen worden zu sein.

Am 23.10.2019 fand vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung statt, in der der Akt 2184697 des BVwG verlesen wurde und die BF als Partei sowie der Zeuge XXXX befragt wurden.

Mit Erkenntnis vom 15.02.2019 wurde XXXX zu 2184697 des BVwG gem. § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Laut Heiratsurkunde vor dem Heiratsnotariat 204 von Fars (AS 35 ff) samt beglaubigter Übersetzung hat die BF mit XXXX am 27.12.2017 die Ehe geschlossen. Die Gültigkeit der Ehe in Österreich ist zivilrechtlich zu beurteilen. Die Ehe hat jedenfalls nicht vor der Einreise der BF bestanden, weshalb Familienangehörigkeit gem. §2 Abs. 1 Ziffer 22 AsylG. nicht vorliegt.

Nicht festgestellt werden konnte, dass die BF im Zusammenhang mit der Ausreise von XXXX im Iran behördlich gesucht und durch ihren Vater bzw. ihren Onkel bedroht wurde. Sie reiste XXXX nach Österreich nach. Sie begleitete XXXX , mit dem Sie seither in Österreich zusammenlebt, bis vor kurzem auch mit dessen Bruder, zur Mormonengemeinde in Wien, insbesondere den Gottesdiensten. Sie fand über XXXX zunächst zu einem Interesse für christliche Glaubensinhalte und dessen Gemeinschaft und ist im Verlauf der Zeit innerlich derartig zum christlichen Glauben konvertiert, dass Sie auch im Fall geänderter Verhältnisse, wie einer Rückkehr in den Iran, das Bedürfnis hätte, diesen innerlich und äußerlich auszuleben. Sie wurde am 21.03.2019 bei der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) in der Gemeinde Wien l getauft und konfirmiert. Sie nahm und nimmt an Glaubenskursen teil und organisiert die Kirchenreinigung. Die BF ist in Österreich unbescholten.

Zunächst ist auf die durch den gleichen Richter als nicht glaubhaft erachtete "Fluchtgeschichte" im Parallelverfahren, ebenso auf die Glaubhaftigkeit der Konversion des XXXX , zu verweisen. Die BF gab vor der Polizei als Fluchtgrund an, sie habe nur zu ihrem Mann nach Österreich wollen und keine weiteren Gründe für eine Asylantragstellung. Schon angesichts dessen und aufgrund zahlreicher Widersprüche und Implausibilitäten sowie der mangelnden Glaubhaftigkeit des Fluchtgrundes von XXXX waren die im weiteren Verfahren genannten Gründe, wonach die BF in deren Abwesenheit von den Behörden geladen worden wäre sowie von ihrem Vater, mit dem Sie nach wie vor Kontakt hat, mit dem Tode bedroht worden wäre, nicht glaubhaft. Auch im Rahmen der Befragung vor dem Gericht zeigten sich zahlreiche nicht aufklärbare Widersprüche, insbesondere im Zusammenhang mit dem Wissen der BF in Bezug auf Berufstätigkeit, Ausbildung und Studium des XXXX , die Umstände, wie es zur Verlobung und Ehe kam, sowie betreffend die Ausreiseplanung (Visaanträge).

Tatsächlich stand für die Konversion ein sehr kurzer Zeitraum zur Verfügung. XXXX , "Bischof der Kirche Jesu Christi der letzten Tage", bezeugte die Ernsthaftigkeit der Hinwendung der BF zum Christentum unter Darstellung der kircheninternen Regulatorien. Am Zutreffen seiner Angaben zu den geschilderten Fakten (Funktionen des XXXX und der BF, Ausstellung eines "Tempelscheines" an die BF, regelmäßige Teilnahme an Gottesdiensten und kirchlichen Veranstaltungen) ergaben sich keine Zweifel, auch nicht am Umstand, dass der Zeuge die BF persönlich näher kennt und schon wechselseitige Einladungen erfolgten. Insgesamt bestand der Eindruck, dass Mitglieder dieser Kirche unter relativ engmaschiger "Beobachtung" stehen. Unter Rückgriff auf die Glaubhaftigkeit der Konversion des XXXX erscheint insbesondere der tägliche Kontakt mit diesem für ihre Glaubensentwicklung von Relevanz.

Die von der belangten Behörde auf Seite 62 des Bescheides ersichtlichen Ausführungen zur mangelnden Bescheinigung der Identität erstaunen angesichts der sich in einem verschlossenen Kuvert befindlichen "Bestätigung über Sicherstellung" eines dort genannten Staatsbürgerschaftsnachweises sowie von ID-Card/Personalausweis. Jedenfalls erliegen dort Kopien dieser Dokumente. Eine Beweiswürdigung, die eine Negativfeststellung zur Identität angesichts dessen rechtfertigen würde, liegt dazu nicht vor.

Aufgrund der Feststellungen besteht der Nachfluchtgrund der inneren Konversion in Österreich, weswegen der BF im Sinne der hiezu ständigen Rechtsprechung Asyl zukommt.

Eine Ausfertigung des Erkenntnisses wurde innerhalb der Frist des § 29 Abs. 4 VwGVG nicht beantragt. Die Ausfertigung konnte daher gemäß § 29 Abs 5 VwGVG in gekürzter Form erfolgen.

Schlagworte

Asylgewährung, gekürzte Ausfertigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W274.2214136.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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