TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/12 W119 2191759-2

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Veröffentlicht am 12.11.2019
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Entscheidungsdatum

12.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W119 2191759-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a EIGELSBERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch seine Mutter XXXX , vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, Diakonie Flüchtlingsdienst gem GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15. 1. 2019, Zl 1087381706-151354890, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005, der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte gemeinsam mit seinen Eltern (Zlen W119 2191757 und W119 2191754) am 16. 9. 2015 jeweils Anträge auf internationalen Schutz. Für seinen am XXXX geborenen Bruder (Zl W119 2214905) wurde am 19. 12. 2018 ein solcher Antrag gestellt. Es liegt ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG vor.

Anlässlich der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung nach dem AsylG führte die Mutter des Beschwerdeführers zunächst aus, der Volksgruppe der Hazara anzugehören. Zu ihrem Fluchtgrund gab sie an, aus Angst vor den Taliban Afghanistan verlassen zu haben.

Am 11. 12. 2017 wurde die Mutter des Beschwerdeführers beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) einvernommen und gab zunächst an, in der Provinz Bamyan geboren zu sein. Als kleines Kind sei sie mit ihrer Familie in den Iran gezogen, wo sie fünf Jahre die Schule besucht habe. Nach einem 13-jährigen Aufenthalt im Iran sei sie mit ihrer Familie nach Afghanistan zurückgekehrt und habe sechs Monate später ihren nunmehrigen Ehemann geehelicht. Sie habe deshalb in einem sehr jungen Alter geheirat, weil der Mullah sie eigentlich hätte ehelichen wollen. Nach der Trauung sei ihre Familie in den Iran zurückgekehrt.

Befragt, ob sie noch weitere Fluchtgründe anführen wolle, gab sie an, dass sie als Frau in Afghanistan keine Rechte habe, sie sei zu Hause eingesperrt gewesen. Zudem sei sie von ihrer Schwiegermutter ständig geschlagen worden.

Anfänglich sei sie mit ihrem Ehemann nicht einverstanden gewesen, da ihre Eltern diesen für sie ausgewählt hätten. Als sie jedoch erkannt habe, dass er über ein gutes Benehmen verfüge und sehr fürsorglich sei, habe sie gemerkt, dass sich alles zum Guten wende.

In Österreich besitze sie viele Freundinnen, mit denen sie sich treffe und sie sich auch gegenseitig einladen würden. Sie wolle eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin machen. Sie absolviere gerade den B1-Kurs. Es sei ihr wichtig, dass sie ein Mensch sei, der auch Rechte habe. Vorgelegt wurden Empfehlungsschreiben, Deutschkursbestätigungen sowie das A2-Sprachzertifikat.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 28. 2. 2018, Zl 1087381706-151354890, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI).

Mit Verfahrensanordnung vom 1. 3. 2018 wurde dem Beschwerdeführer die ARGE Rechtsberatung als Rechtsberaterin zur Seite gestellt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsberater mit Schriftsatz vom 28. 3. 2018 Beschwerde.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14. 11. 2018, Zl W228 2191759-1/5E, wurde in Erledigung der Beschwerde der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3

2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverwiesen.

Am 18. 12. 2018 wurde die Mutter des Beschwerdeführers neuerlich beim Bundesamt einvernommen und führte aus, dass sie in Österreich ihre Kleidung selbst auswählen könne. Sie könne sich nicht mehr vorstellen eine Burka tragen zu müssen. In Österreich besuche sie Deutschkurse, gehe Einkaufen und treffe Freunde. Dies seien Möglichkeiten, die ihr in Afghanistan nicht offen gestanden seien. Ihr Ehemann sei mit ihrer Lebensweise sehr einverstanden. Sie habe bereits als Reinigungskraft mit einem Dienstleistungsscheck gearbeitet.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 15. 1. 2019, Zl 1087381706-151354890, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsberater mit Schriftsatz vom 15. 2. 2019 Beschwerde.

Am 17. 7. 2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der sich die Eltern des Beschwerdeführers beteiligten. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung nicht teil.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der minderjährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans und am XXXX geboren. Er stellte am 16. 9. 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um den minderjährigen Sohn der XXXX , der mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl W119 2191754, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde und der damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Beschwerdeführer gehört als ihr minderjähriger Sohn der Familie an und liegt im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den Angaben der Mutter des Beschwerdeführers im Verfahren sowie aus den damit übereinstimmenden Akteninhalten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 1 VwGVG regelt dieses Bundesgesetz das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt (§ 58 Abs. 2 VwGVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013).

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

A)

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Stellt ein Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 22 leg. cit. von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß § 34 Abs. 1 AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

§ 34 Abs. 2 AsylG 2005 normiert, dass die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen hat, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art 3 Z13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus anhängig ist (§ 7).

Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten unter den Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

Im vorliegenden Fall wurde der Mutter des Beschwerdeführers gemäß § 3 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass dieser damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Dem minderjährigen Beschwerdeführer ist daher nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, d.h. der Status des Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren (vgl. dazu auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 [2006], 499).

B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Die Revision ist sohin gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W119.2191759.2.00

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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