Entscheidungsdatum
14.11.2019Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
I406 2221911-2/2E
BESCHLUSS
In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.11.2019, Zl. XXXX erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, StA. Algerien, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter beschlossen:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 rechtmäßig.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Der Asylwerber reiste nach Asylantragstellung in Ungarn illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 11.05.2015 unter der Identität XXXX in Syrien, Staatsangehöriger Syriens einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, dass in seinem Heimatland Krieg herrschen würde und er deshalb geflohen sei.
Mit Verfahrensanordnung vom 12.05.2015 wurde dem Asylwerber vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Fremden gemäß § 29 Abs. 3 und § 15a AsylG 2005 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon ausgehe, dass Ungarn für sein Asylverfahren zuständig sei und wurden Dublin Konsultationen mit Ungarn geführt und stimmten die ungarischen Behörden der Rückübernahme des Fremden mit Schreiben vom 28.05.2015 zu.
Mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 28.05.2015, wurde über den Asylwerber die Untersuchungshaft wegen des Verdachtes des Verbrechens des teils versuchten und teils vollendeten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129, Abs. 1 Z 1, 130 Z 4, 15 StGB verhängt.
Nachdem zur Wahrung des Parteiengehörs betreffend seiner Außerlandesbringung eine niederschriftliche Einvernahme durch die belangte Behörde stattgefunden hat, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 11.05.2015 mit Bescheid vom 27.05.2015 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) als unzulässig zurückgewiesen, da für die Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz Ungarn zuständig ist (Spruchpunkt I.), gemäß § 61 Abs. 1 FPG 2005, BGBL I Nr. 100/2005 (FPG) idgF. seine Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Ungarn zulässig ist.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 13.08.2015, Zl. XXXX wurde der Asylwerber wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls teils durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1, 130 1. Fall, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten, davon 12 Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.08.2015, GZ. W192 2112188-1/5Z wurde der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.05.2015 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Der gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.05.2015 erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.09.2015, GZ. W192 2112188-1/6E, Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 09.02.2016, Zl. XXXXwurde der Asylwerber wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Abs. 1 Z 1, 130 Abs. 1 und Abs. 2 2. Fall StGB zu einer Freiheitstrafe von 16 Monaten unbedingt rechtskräftig verurteilt und die bedingt nachgesehene Freiheitstrafe aus seiner ersten Verurteilung widerrufen.
Mit Verfahrensanordnung gemäß 7 Abs. 1 VwGVG wurde dem Asylwerber mitgeteilt, dass sein Verfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird und ihm gemäß § 13 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG 2005 kein Aufenthaltsrecht zusteht.
Am 14.06.2016 wurde der Asylwerber von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen, wo er befragt zu seiner Identität angab, dass er XXXX heißen würde, am XXXX geboren und syrischer Staatsangehöriger sei. Er sei verwitwet und habe keine Kinder. Zu seinem Fluchtgrund führte er aus, er sei wegen des Krieges geflohen, seine Eltern würden nicht mehr leben, und sei es in Syrien sehr gefährlich.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 21.06.2016, Zl. XXXX wurde der Asylwerber wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Abs. 1 Z 1, 130 Abs. 1 und Abs. 2 2. Fall, 15 StGB zu einer Zusatzfreiheitstrafe von 10 Monaten unbedingt rechtskräftig verurteilt.
Am 05.09.2017 wurde der Asylwerber von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Zu seinen persönlichen Lebensumständen befragt, wiederholte er die Angaben hinsichtlich seiner Identität und führte zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst aus, dass der IS gedroht habe, ihn umzubringen, wenn er nicht mit ihnen zusammenarbeiten würde und dass die syrische Regierung seine ganze Familie umgebracht hätte und er vergewaltigt worden sei und beantragte die Untersuchung durch einen Amtsarzt, um seine Vergewaltigung zu beweisen.
Mit Aktenvermerk vom 05.09.2017 wurden Zweifel an der Staatsangehörigkeit des Asylwerbers festgehalten und wurde am 03.02.2019 eine forensisch-afrikanistische Befunderhebung zu den Sprachkompetenzen und den Landeskenntnissen des Fremden durch den Gutachter XXXXdurchgeführt. In seinen gutachterlichen Feststellungen kam der Gutachter zu dem Schluss, dass eine Hauptsozialisierung des Probanden in Syrien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei und von einer Hauptsozialisierung in Algerien auszugehen sei. Zudem gebe es keine tragfähigen Hinweise, die auf eine Hauptsozialisierung in einem anderen Land als Algerien hinweisen würden.
Am 04.02.2019 wurde der Asylwerber aus der Haft entlassen. Mit Ladungsbescheid vom 08.04.2019 wurde der Asylwerber zu einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde geladen und ihm die aktuellen Länderinformationen zu Algerien übermittelt.
Am 19.04.2019 wurde der Asylwerber von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Auf Vorhalt, dass die beauftragte forensisch-afrikanistische Befunderhebung zu seinen Sprachkompetenzen und den Landeskenntnissen ergeben habe, dass er algerischer Staatangehöriger sei, führte er wörtlich aus: "Das ist richtig. Ich bin algerischer Staatsangehöriger." Befragt zu seinen persönlichen Lebensumständen führte er nunmehr aus, dass er jetzt die Wahrheit sagen möchte. Er gab an, er heiße XXXX geboren und Staatsangehöriger von Algerien. Dort lebten noch seine Eltern und seine Geschwister; er sei nicht verheiratet und habe keine Kinder. Er habe noch Kontakt zu seiner Familie und könne er sich von seiner Mutter seine Identitätsdokumente schicken lassen, um später auszuführen, dass er seinen Reisepass zerrissen habe. Zu seinen Fluchtgründen führte er im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass er eine sexuelle Beziehung mit einer algerischen Frau namens XXXX gehabt habe, der Vater dieser Frau habe aber nicht gewollt, dass er diese heirate. Die Frau sei von ihren Brüdern umgebracht worden, diese hätten auch ihn mit dem Umbringen bedroht. Im Falle seiner Rückkehr befürchte er umgebracht zu werden, da die sechs Brüder ihre eigene Schwester getötet hätten. Andere Fluchtgründe habe er keine.
Mit Verständigung des Landesgerichtes XXXX vom 28.06.2019, Zl. XXXX wurde der belangten Behörde mitgeteilt, dass der Asylwerber wegen § 15, §83 Abs. 1 StGB, § 125 StGB und §§ 107 Abs. 1 und 107 Abs. 2 StGB in Untersuchungshaft genommen wurde.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.07.2019 wurde der Antrag des Asylwerbers auf internationalen Schutz vom 11.05.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Algerien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 FPG wurde gegen den Asylwerber ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.). Weiters stellte die belangte Behörde den Verlust des Aufenthaltsrechtes des Asylwerbers im Bundesgebiet ab dem 28.05.2015 fest (Spruchpunkt VII.). Zuletzt wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VIII.).
Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 03.07.2019 wurde dem Asylwerber gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.
Gegen den Bescheid vom 03.07.2019 erhob der Asylwerber durch seine Rechtsvertretung Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 24.07.2019 wurde die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
Mit Schriftsatz der ausgewiesenen Rechtsvertretung vom 29.07.2019 wurde gemäß § 15 VwGVG ein Vorlageantrag gestellt.
Mit Erkenntnis vom 06.08.2019, Zl. I416 2221911-1/3E wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab.
Der Asylwerber stellte am 08.10. 2019 abermals einen Antrag auf internationalen Schutz.
Diesen begründete er bei seiner am 18.10.2019 durchgeführten Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, indem er angab, "Ich halte die schon vorher angegebenen Fluchtgründe aufrecht. Neue Gründe habe ich nicht, ich habe Angst, dass ich getötet werde, wenn ich zurückkomme nach Algerien (Blutfehde). Mein Bruder ist nach Algerien gereist und die Brüder von der Familie welche ich mich bedrohen, sagten meinen Bruder, dass ich von ihnen getötet werde, falls ich zurückkomme".
Anlässlich seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 07.11.2019 erklärte der Asylwerber im Wesentlichen erneut, er werde von den terroristisch tätigen Verwandten der Frau, in die er sich in Algerien verliebt habe, verfolgt, deshalb habe sich auch seine eigene Familie von ihm losgesagt, sein Bruder sei im Mai 2019 nach Algerien geflogen, vorgenannte Brüder hätten ihm mitgeteilt, dass sie ihn, den Asylwerber, im Fall einer Rückkehr nach Algerien umbrächten; zudem sei er von einem dieser Brüder sexuell missbraucht worden.
Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 07.11.2019, hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG iVm § 22 Abs. 10 AsylG und § 62 Abs. 1 AVG auf.
Am 13.11.2019 langte der Verwaltungsakt bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Entscheidung über die Aufhebung des faktischen
Abschiebeschutzes:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person:
Die Identität des Asylwerbers steht nicht fest. Soweit er namentlich genannt wird, dient dies lediglich seiner Identifizierung als Verfahrenspartei, nicht jedoch einer Vorfragebeurteilung im Sinn des § 38 AVG. Der Asylwerber ist algerischer Staatsbürgerschaft sowie Herkunft, arabischer Muttersprache und Volksgruppenzugehörigkeit sowie Moslem, ledig und kinderlos. Die Familie des Asylwerbers hält sich in Algerien auf. Der Asylwerber verfügt in Österreich weder über maßgebliche private Anknüpfungspunkte noch weist er eine relevante Integration auf.
Im Strafregister der Republik Österreich scheinen folgende Verurteilungen auf:
01) LG XXXX vom 13.08.2015 RK 13.08.2015
§§ 127, 129 Z 1, 130 1. Fall StGB § 15 StGB
Datum der (letzten) Tat 26.05.2015
Freiheitsstrafe 18 Monate, davon Freiheitsstrafe 12 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Vollzugsdatum 05.04.2018
zu LGXXXX 13.08.2015
Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 25.11.2015
LG XXXX vom 27.11.2015
zu LG XXXX 13.08.2015
Bedingte Nachsicht der Strafe wird widerrufen
LG XXXX vom 09.02.2016
02) LG XXXXvom 09.02.2016 RK 09.02.2016
§§ 127, 129 (1) Z 1, 130 (1), 130 (2) 2. Fall StGB
Datum der (letzten) Tat 05.12.2015
Freiheitsstrafe 16 Monate
Vollzugsdatum 05.04.2017
03) LG XXXX vom 21.06.2016 RK 25.06.2016
§§ 127, 129 (1) Z 1, 130 (1 u 2) 2. Fall StGB § 15 StGB
Datum der (letzten) Tat 01.12.2015
Freiheitsstrafe 10 Monate
Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf LG XXXX
09.02.2016
Vollzugsdatum 04.02.2019
04) LG ST.POELTEN 010 HV 25/2019w vom 04.10.2019 RK 04.10.2019
§ 15 StGB § 83 (1) StGB
§ 297 (1) 1. Fall StGB
§§ 107 (1), 107 (2) StGB
Datum der (letzten) Tat 04.10.2019
Freiheitsstrafe 15 Monate, davon Freiheitsstrafe 10 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
1.2. Zu den Fluchtmotiven:
Der Erstantrag des Asylwerbers auf internationalen Schutz vom 11.05.2015, den dieser damit begründete, er habe eine sexuelle Beziehung mit einer algerischen Frau gehabt habe, der Vater dieser Frau habe aber nicht gewollt, dass er diese heirate, die Frau sei von ihren Brüdern umgebracht worden, diese hätten auch ihn mit dem Umbringen bedroht, wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.07.2019 und in weiterer Folge mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.08.2019 rechtskräftig negativ entschieden.
Der Asylwerber stellte am 08.10.2019 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Zum Fluchtgrund gab er sowohl in der Erstbefragung als auch in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im wesentlichen an, von den Verwandten der Frau, in die er sich in Algerien verliebt habe, verfolgt zu werden.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Algerien ist ein "sicherer Herkunftsstaat" im Sinne des § 1 Ziffer 10 der Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl II Nr. 177/2009, in der Fassung BGBl II Nr. 47/2016.
Wie aus den zutreffenden und umfangreichen, von der belangten Behörde im Vorverfahren getroffenen aktuellen Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat, die ebenfalls dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechen, hervorgeht, liegt für den Asylwerber bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die reale Gefahr einer Verletzung der Artikel 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr.13 zur Konvention nicht vor. Auch ist der Herkunftsstaat weder in einen internationalen noch innerstaatlichen Konflikt verwickelt und für den Asylwerber als Zivilperson im Fall einer Rückkehr keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes zu erwarten. Ebenso wird der Asylwerber im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein. Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates des Asylwerbers (die Todesstrafe wurde zwar nicht abgeschafft, jedoch werden seit 1993 offiziell keine Exekutionen durchgeführt und bestehen keine glaubhaften Hinweise, dass der Asylwerber einen Sachverhalt verwirklichte, welche in Algerien mit der Todesstrafe bedroht ist) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Art. 2 EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus. Im Verfahren des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend den Folgeantrag sowie in jenem vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die diesen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat entgegenstünden.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Asylwerbers vor diesem und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und in den zu überprüfenden Bescheid.
2.1. Zur Person:
Die Feststellungen zu Identität, Herkunft, Staatsangehörigkeit, Volksgruppe, Religionszugehörigkeit gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes.
Die Feststellungen zum Familienstand sowie zu den nicht vorhandenen familiären und privaten Anknüpfungspunkten des Asylwerbers in Österreich sowie die Feststellung, dass der Asylwerber nicht in relevanter Weise in die österreichische Gesellschaft integriert ist, beruhen auf dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.08.2019. Die strafgerichtliche Delinquenz des Asylwerbers leitet sich aus dem Strafregister der Republik Österreich ab.
2.2. Zu den Fluchtmotiven:
Im Rahmen des Verfahrens nach dem Folgeantrag haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Rahmen der Erstbefragung sowie das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bei seiner Einvernahme den Sachverhalt ordnungsgemäß erhoben, die Feststellungen zu den Fluchtmotiven des Asylwerbers gründen sich auf seine Angaben.
2.3. Zum Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat des Asylwerbers wurden dem "Länderinformationsblatt" zum Herkunftsstaat entnommen, das nach Auskunft der Staatendokumentation als weiterhin aktuell anzusehen ist. Bezüglich der Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wurden sowohl Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie beispielsweise dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten und unabhängigen Nichtregierungsorganisationen, wie zB der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, herangezogen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Dass es sich bei Algerien um einen "sicheren Herkunftsstaat" handelt, leitet sich aus der Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl II Nr. 177/2009, in der Fassung BGBl II Nr. 47/2016, ab.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:
3.1.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:
1. § 12a Abs. 1 und 2 sowie § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 10/2016, lauten:
"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen
§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn
1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,
2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,
3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben, und
4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) ...
Entscheidungen
§ 22. ...
(10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.
...".
2. § 22 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, in der Fassung BGBl. I Nr. 17/2016, lautet:
"Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes
§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."
3.1.2. Zur Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:
Zunächst ist festzuhalten, dass der Asylwerber einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 Asylgesetz 2005 gestellt hat.
Es liegt auch kein Fall des § 12a Abs. 1 Asylgesetz 2005 vor und die übrigen Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 Z 1 bis 3 Asylgesetz 2005 sind gegeben:
1.1. So besteht gegen den Asylwerber in Gestalt des rechtskräftigen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.08.2019 eine im Beschwerdewege erlassene Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG.
1.2. Zugleich wurde mit dem eben erwähnten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.08.2019 der Erstantrag des Asylwerbers auf internationalen Schutz im Beschwerdewege als unbegründet abgewiesen.
Dem Asylwerber droht diesem Erkenntnis zufolge in Algerien keine asylrelevante Verfolgung.
Dem Vorbringen des Asylwerbers, er werde verfolgt von den terroristisch tätigen Mitgliedern der Familie des Mädchens, in das er sich in Algerien verliebt habe, und sei zudem von einem dieser Brüder sexuell missbraucht worden, ist entgegenzuhalten, dass diese Sachverhalte auch bei Zutreffen schon während des Verfahrens, welches mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.08.2019 abgeschlossen wurde, vorgelegen hätten und diesem daher schon die Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesamtes vom 06.08.2019 entgegensteht.
Der Asylwerber hat somit im gegenständlichen Asylverfahren betreffend den Fluchtgrund einen neuen Sachverhalt nicht glaubhaft gemacht.
Auch dafür, dass dem Asylwerber im Falle einer Rückkehr nach Algerien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juli 2003, Zl. 2003/01/0059), gibt es im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt, zumal der Asylwerber grundsätzlich gesund und daher erwerbsfähig ist. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum der Asylwerber seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht wieder bestreiten können sollte. Außerdem besteht ganz allgemein im Herkunftsstaat derzeit keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Asylwerber ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.
Seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.08.2019, in welchem festgestellt wurde, dass der Asylwerber ledig und kinderlos ist und weder über maßgebliche private Anknüpfungspunkte verfügt noch eine relevante Integration aufweist, können weder ein Familienleben in der erforderlichen Intensität noch ein Privatleben entstanden sein, welche einen neuen Sachverhalten begründen könnten.
Daher wird auch der gegenständliche Antrag des Asylwerbers auf internationalen Schutz voraussichtlich zurückzuweisen sein. Somit sind die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 gegeben, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht rechtswidrig ist; da § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005 dies ausdrücklich vorsieht, war die vorliegende Entscheidung nicht mit Erkenntnis, sondern mit Beschluss zu treffen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I406.2221911.2.01Zuletzt aktualisiert am
09.03.2020