TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/14 G304 2221123-1

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Veröffentlicht am 14.11.2019
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Entscheidungsdatum

14.11.2019

Norm

BFA-VG §18
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §67
FPG §70

Spruch

G304 2221123-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Rumänien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.06.2019, Zl. XXXX, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 04.06.2019 wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, gemäß § 70 Abs. 3 FPG dem BF kein Durchsetzungsaufschub erteilt und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Beantragt wurde im Wesentlichen, den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben, in eventu das Aufenthaltsverbot auf eine angemessene Dauer herabzusetzen, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

3. Die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 11.07.2019 vorgelegt.

4. Mit Teilerkenntnis des BVwG vom 05.08.2019 wurde die der Beschwerde vom BFA aberkannte aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Rumänien.

1.2. Er weist von 23.01.2017 bis 04.01.2018 und von 04.01.2018 bis 24.10.2018 Hauptwohnsitzmeldungen im Bundesgebiet auf. Die darauffolgende Meldung des BF von 28.05.2019 bis 13.06.2019 hat seine Schubhaft betroffen.

1.3. Der BF wurde am 28.05.2019 im Bundesgebiet einer Personenkontrolle unterzogen. Dabei wurde festgestellt, dass sich der BF, der sich bei der Kontrolle nicht mit einem Identitätsdokument ausweisen konnte, ohne behördliche Meldung im Bundesgebiet aufhält und im Juni 2018 strafrechtlich verurteilt wurde.

Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 29.05.2019 wurde über den BF zwecks Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet. Der BF wurde am 29.05.2019 in Schubhaft genommen.

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 04.06.2019 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, dem BF kein Durchsetzungsaufschub erteilt und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Nachdem der BF am 07.06.2019 einen Antrag auf freiwillige Rückkehr in sein Herkunftsland gestellt hatte, wurde er am 13.06.2019 zur freiwilligen Ausreise aus der Schubhaft entlassen. Der BF reiste am 13.06.2019 freiwillig unterstützt aus dem Bundesgebiet nach Rumänien aus.

Mit Teilerkenntnis des BVwG vom 05.08.2019 wurde der Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

1.4. Der BF wurde im Bundesgebiet strafrechtlich verurteilt, und zwar mit

- Urteil von Juni 2018, rechtskräftig mit Juli 2018, wegen sexueller Belästigung gemäß § 218 Abs. 1a StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagsätzen zu je EUR 4,00 (EUR 240,00), im Nichteinbringungsfall 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe.

1.4.1. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der BF im Oktober 2017 durch sexuelle Belästigung das Tatopfer in seiner Würde verletzt hat.

Das Strafgericht berücksichtigte bei der Strafbemessung

-

den bislang ordentlichen Lebenswandel des BF und seinen Beitrag zur Wahrheitsfindung "mildernd", und demgegenüber

-

das Zusammentreffen von mehreren Vergehen "erschwerend".

"Für die Bemessung des Tagsatzes maßgebende Umstände" waren:

"Der Angeklagte ist derzeit ohne Beschäftigung und erhält keine ALU, da er noch Dokumente vorlegen müsste. Er hat kein Vermögen und keine Schulden. Er ist geschieden und für seine 12-jährige Tochter sorgepflichtig, wobei er nur unregelmäßig Zahlungen leistet."

1.4.2. Der BF zeigte sich in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 03.06.2019 bezüglich seiner Straftat nicht reuig, gab er doch an:

"Ich kann mich an den Vorfall zwar erinnern, ich bin aber unschuldig."

1.5. Nachdem am 28.09.2018 die schriftliche "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" des BFA vom 21.09.2018 dem BF an seiner Meldeadresse nicht persönlich ausgehändigt werden hatte können und Polizeibeamte von diversen Nachbarn erfahren hatten, dass der BF seit zwei Monaten nicht mehr an dieser Adresse aufhältig sei, wobei nicht angegeben werden konnte, wohin er verzogen ist, wurde eine amtliche Wohnsitzabmeldung veranlasst. Der BF hat sich demnach nach seiner rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung von Juli 2018 nicht mehr an seiner Meldeadresse, sondern anderswo im Bundesgebiet aufgehalten, dies offenbar auch noch nach amtlicher Wohnsitzabmeldung am 24.10.2018, ging er doch rund ein Monat lang von November bis Dezember 2018 einer Beschäftigung in der Baubranche nach. Nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses am 14.12.2018 kehrte der BF zu einem unbestimmten Zeitpunkt wieder nach Rumänien zu seiner Familie zurück. Der Ausreisezeitpunkt war ebenso wenig feststellbar wie der Wiedereinreisezeitpunkt. Feststellbar war nur, dass der BF am 28.05.2019 nach durchgeführter Personenkontrolle, im Zuge welcher er sich mit keinem Identitätsdokument ausweisen konnte, im Bundesgebiet festgenommen und in Schubhaft genommen werden konnte.

1.6. Der BF, gelernter Bodenleger, war im Bundesgebiet erwerbstätig und ging im Zeitraum von Mai 2017 bis November 2017 einer Beschäftigung und von Dezember 2017 bis April 2018 bei demselben Dienstgeber einer geringfügigen und von November 2018 bis Dezember 2018 einer weiteren Beschäftigung bei einem anderen Dienstgeber nach. Auch in seinem Herkunftsstaat war der BF erwerbstätig. In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 03.06.2019 antwortete er, befragt danach, ob er in seinem Heimatland eine Beschäftigung annehmen könnte, mit: "Ja".

1.7. Fest steht, dass das mit Antrag auf Erteilung einer Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer am 24.05.2017 eingeleitete NAG-Verfahren wegen Verzugs des BF ins Ausland eingestellt wurde.

1.8. Fest steht, dass der BF am 13.06.2019 freiwillig aus dem Bundesgebiet nach Rumänien ausgereist ist.

1.9. Der BF hat in seinem Herkunftsstaat seine Mutter und zwei Brüder und eine Schwester als familiäre Anknüpfungspunkte. Im Bundesgebiet berücksichtigungswürdige Bezugspersonen hat er nicht.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter I. angeführte und unter II. festgestellte Verfahrensgang ergab sich aus dem diesbezüglichen Akteninhalt.

2.2. Feststellungen zur Person des BF und zu im gegenständlichen Fall relevante Tatsachen:

-

Die Feststellung zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF beruht auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

-

Die Feststellungen zum Aufenthaltsstatus des BF und zu seiner am 13.06.2019 erfolgten freiwilligen unterstützten Ausreise nach Rumänien beruhen auf einem aktuellen Fremdenregisterauszug. Dass der BF am 13.06.2019 freiwillig unterstützt aus dem Bundesgebiet nach Rumänien ausgereist ist, ergab sich auch aus dem dies bescheinigenden Akteninhalt.

-

Die Feststellungen zur im Bundesgebiet nachgegangenen Erwerbstätigkeit des BF beruhen auf einem AJ WEB - Auskunftsverfahrensauszug. Dass der BF gelernter Bodenleger ist (Niederschrift über Einvernahme des BF vor BFA, S. 3), konnte er mit seiner diesbezüglichen Angabe vor dem BFA am 03.06.2019 glaubhaft machen. Glaubhaft war auch, dass der BF in seinem Herkunftsstaat erwerbstätig war. Dass der BF über keine Existenzmittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes verfügt, beruht auf den glaubhaften Angaben des BF in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 03.06.2019, derzeit kein Geld und auch keine Möglichkeit auf legalen Einkommenserwerb zu haben (Niederschrift über Einvernahme des BF vor BFA, S. 3). Einer erneuten Beschäftigungsannahme in seinem Heimatland steht er jedenfalls zuversichtlich gegenüber, antwortete er doch in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 03.06.2019 befragt danach, ob er in seinem Heimatland eine Beschäftigung annehmen könnte, mit: "Ja" (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 3).

-

Die Feststellung zur strafrechtlichen Verurteilung des BF von Juni 2018 beruht auf einem Auszug aus dem österreichischen Strafregister und dem diesbezüglichen Strafrechtsurteil (AS 69ff). Der BF brachte bezüglich der dieser Verurteilung zugrundeliegenden Straftat in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 03.06.2019 reuelos an:

"Ich kann mich an den Vorfall zwar erinnern, ich bin aber unschuldig." Daraufhin befragt, warum er diese strafbare Handlung begangen hat, schwieg der BF." (Niederschrift über die Einvernahme des BF vor BFA, S. 4).

-

Die festgestellten Wohnsitzmeldungen ergaben sich aus einem Zentralmelderegisterauszug. Nachdem am 28.09.2018 die schriftliche "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" des BFA vom 21.09.2018 dem BF nicht persönlich an seiner Meldeadresse ausgehändigt werden hatte können und Polizeibeamte von diversen Nachbarn erfahren hatten, dass der BF seit zwei Monaten nicht mehr an dieser Adresse aufhältig sei, wobei nicht angegeben werden konnte, wohin er verzogen ist, wurde am 24.10.2018 eine amtliche Wohnsitzabmeldung veranlasst. Dies ergab sich aus einem dem Verwaltungsakt einliegenden Polizeibericht vom 28.09.2018 (AS 94). Der BF hat sich demnach nach seiner rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung von Juli 2018 nicht mehr an seiner Meldeadresse, sondern anderswo im Bundesgebiet aufgehalten, dies offenbar auch noch nach amtlicher Wohnsitzabmeldung am 24.10.2018, ging er doch, wie aus einem AJ WEB - Auskunftsverfahrensauszug ersichtlich, von November bis Dezember 2018 rund ein Monat lang einer Beschäftigung in der Baubranche nach. Nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses am 14.12.2018 kehrte der BF zu einem unbestimmten Zeitpunkt wieder nach Rumänien zu seiner Familie zurück. Der Ausreisezeitpunkt war ebenso wenig feststellbar wie der Wiedereinreisezeitpunkt. Feststellbar war nur, dass der BF am 28.05.2019 nach durchgeführter Personenkontrolle, im Zuge welcher er sich mit keinem Identitätsdokument ausweisen konnte, festgenommen und in Schubhaft genommen werden konnte. Der BF brachte in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 03.06.2019 vor, vor ungefähr zwei Monaten, demnach im April 2019, zur Arbeitssuche in das Bundesgebiet eingereist zu sein (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 2). Der genaue Einreisezeitpunkt konnte jedoch mangels behördlicher Meldung nicht festgestellt werden.

-

Die Feststellungen, dass der BF in seinem Herkunftsstaat seine Mutter, zwei Brüder und eine Schwester als familiäre Anknüpfungspunkte hat, konnten aufgrund seines diesbezüglich glaubhaften Vorbringens in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 03.06.2019 getroffen werden (Niederschrift über Einvernahme des BF vor BFA, S. 3). Dass der BF geschieden ist und eine zum Zeitpunkt seiner strafrechtlichen Verurteilung von Juni 2018 12 Jahre alt gewesene Tochter hat, für diese unterhaltspflichtig ist, seiner Unterhaltspflicht jedoch nur unregelmäßig nachkommt, ergab sich aus den diesbezüglichen Feststellungen im Strafrechtsurteil von Juni 2018 (AS 71).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Anzuwendendes Recht:

3.1.1. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

3.1.2. Das gegenständliche Ermittlungsverfahren ergab Folgendes:

Fest steht, dass der BF im Zeitraum von Jänner 2017 bis Jänner 2018 und von Jänner 2018 bis Oktober 2018 Hauptwohnsitzmeldungen im Bundesgebiet aufweist, und, nachdem er nach rechtskräftiger strafrechtlicher Verurteilung im Juli 2018 zu einem unbestimmten Zeitpunkt nach Rumänien, in seinen Herkunftsstaat, zurückgekehrt war, zu einem unbestimmten nicht feststellbaren Zeitpunkt wieder in das Bundesgebiet eingereist ist und im Zuge einer durchgeführten Personenkontrolle am 28.05.2019 festgenommen und am 29.05.2019 in Schubhaft genommen werden konnte.

Der BF hält sich jedenfalls viel weniger als zehn Jahre lang im Bundesgebiet auf, weshalb der einfache Prüfungsmaßstab iSv § 67 Abs. 1 S. 2 FPG zur Anwendung gelangt.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 04.06.2019 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Dieses Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen auf die rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung des BF von Juli 2018 gestützt.

Der BF wurde mit Urteil eines österreichischen Strafgerichts von Juni 2018, rechtskräftig mit Juli 2018, wegen sexueller Belästigung, und zwar in Verletzung der Würde des Tatopfers, von Oktober 2017 gemäß § 218 Abs. 1a StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagsätzen zu je EUR 4,00 (EUR 240,00), im Nichteinbringungsfall 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, strafrechtlich verurteilt.

Bei der Strafbemessung wertete das Strafgericht den bislang ordentlichen Lebenswandel und den Beitrag des BF zur Wahrheitsfindung "mildernd" und demgegenüber das Zusammentreffen von mehreren Vergehen "erschwerend".

Für die Bemessung des Tagsatzes für das Strafgericht maßgebende Umstände waren:

"Der Angeklagte ist derzeit ohne Beschäftigung und erhält keine ALU, da er noch Dokumente vorlegen müsste. Er hat kein Vermögen und keine Schulden. Er ist geschieden und für seine 12-jährige Tochter sorgepflichtig, wobei er nur unregelmäßig Zahlungen leistet."

Der mit "Sexuelle Belästigung und öffentliche geschlechtliche Handlungen" betitelte § 218 StGB lautet in den Abs. 1 und Abs. 1a StGB wie folgt:

"§ 218. (1) Wer eine Person durch eine geschlechtliche Handlung

1. an ihr oder

2. vor ihr unter Umständen, unter denen dies geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen,

belästigt, ist, wenn die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(1a) Nach Abs. 1 ist auch zu bestrafen, wer eine andere Person durch eine intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in ihrer Würde verletzt."

Hinsichtlich der rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung des BF vom Juli 2018 weist das erkennende Gericht der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen unabhängig und eigenständig, von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096). Es geht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

Der strafrechtlichen Verurteilung des BF von Juni 2018 lag zugrunde, dass der BF im Oktober 2017 jemanden sexuell belästigt und dabei die Würde des Tatopfers verletzt hat.

Der BF wurde wegen dieser Straftat im Juni 2018 zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 60 Tagsätzen zu je EUR 4,00 (EUR 240,00), im Nichteinbringungsfall 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, strafrechtlich verurteilt.

Die Strafdrohung der vom BF begangenen sexuellen Belästigung reicht nach § 218 Abs. 1 iVm Abs. 1a StGB bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe oder bis zu 360 Tagessätzen Geldstrafe.

Im gegenständlichen Fall wurde über den BF deswegen eine Strafe im gegenüber der Strafhöchstgrenze verhältnismäßig geringen Ausmaß von 60 Tagsätzen zu je EUR 4,00 (EUR 240,00), im Nichteinbringungsfall 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt, weil bei der Strafbemessung sich der bislang ordentliche Lebenswandel und auch der Beitrag des BF zur Wahrheitsfindung mildernd auswirken konnte, und für die Bemessung des Tagsatzes die individuelle wirtschaftliche Situation des BF, der zum Verurteilungszeitpunkt beschäftigungslos war, keine regelmäßigen Einkünfte und keine Schulden hatte und für seine zum Verurteilungszeitpunkt 12 Jahre alte Tochter unterhaltspflichtig war, dieser Unterhaltspflicht jedoch nur unregelmäßig nachgekommen ist, für maßgeblich gehalten wurde.

Im Bewusstsein, dass ein gegen einen EU-Bürger erlassenes Aufenthaltsverbot verfahrensgegenständlich ist und Aufenthaltsverbote nicht mit für Drittstaatsangehörige in Frage kommenden Einreiseverboten gleichzuhalten sind, ist darauf hinzuweisen, dass die bis zu sechs Monate reichende Strafdrohung der vom BF begangenen sexuellen Belästigung unter den Einreiseverbotstatbestand nach § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG, welche Bestimmung unter anderem eine mindestens dreimonatige ununterbrochene Freiheitsstrafe voraussetzt, fallen würde und bei Rechtfertigung der Annahme einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu einem bis zu zehnjährigen Einreiseverbot führen könnte.

Fest steht, dass der BF nach rechtskräftiger strafrechtlicher Verurteilung von Juli 2018 seine Meldeadresse verlassen hat, wurde den an dieser Adresse am 28.09.2018 Nachschau haltenden Polizisten, als diese dem BF die schriftliche Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme persönlich aushändigen wollten, von diversen Nachbarn doch bekannt gegeben, dass sich der BF bereits seit etwa zwei Monaten nicht mehr an dieser Adresse aufhält. Der BF wollte offensichtlich nach rechtskräftiger strafrechtlicher Verurteilung von Juli 2018 für die Behörden im Bundesgebiet nicht mehr verfügbar sein und hielt sich anderswo im Bundesgebiet auf. Am 24.10.2018 folgte die amtliche Wohnsitzabmeldung des BF:

Der BF unbekannten Aufenthaltsortes im Bundesgebiet ging von November bis Dezember 2018 noch rund ein Monat lang einer Beschäftigung im Bundesgebiet nach, bevor er zu einem unbestimmten Zeitpunkt aus dem Bundesgebiet ausgereist ist. Wann der BF wieder in das Bundesgebiet eingereist ist, konnte mangels behördlicher Meldung des BF nicht festgestellt werden. Feststellbar war nur, dass der BF am 28.05.2019 im Zuge einer Personenkontrolle festgenommen und tags darauf am 29.05.2019 in Schubhaft genommen wurde.

Fest steht, dass der BF nach Wiedereinreise in das Bundesgebiet, angeblich zur Arbeitssuche, wie er vor dem BFA am 03.06.2019 angab, nicht von sich aus mit den österreichischen Behörden in Kontakt getreten ist, was bei Beurteilung der Gefährdungsprognose nicht zu seinen Gunsten gewertet werden kann.

Wie aus dem Strafrechtsurteil des BF von Juni 2018 hervorgeht, hatte der BF zum Zeitpunkt seiner strafrechtlichen Verurteilung kein Vermögen und keine regelmäßigen Einkünfte aus einer Beschäftigung. Im Strafrechtsurteil von Juni 2018 wurde zudem eine vom BF nur

unregelmäßig eingehaltene Unterhaltspflicht gegenüber seiner zum Verurteilungszeitpunkt 12 Jahre alten Tochter erwähnt.

Aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben vor dem BFA am 03.06.2019 geht hervor, dass der BF zum Zeitpunkt seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 03.06.2019 kein Geld und auch keine Möglichkeit hatte, um auf legale Weise zu Geld zu kommen. Der BF bemühte sich jedenfalls nicht auf legale Art und Weise um Arbeit, hätte er sich doch ansonsten nach Wiedereinreise bei den Behörden gemeldet. Sein mit Antrag vom 24.05.2017 auf Erteilung einer Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer anhängig gewordenes NAG-Verfahren war wegen Verzugs ins Ausland eingestellt worden.

In Gesamtbetrachtung aller Umstände, vor allem aufgrund seiner im Oktober 2017 begangenen sexuellen Belästigung, weswegen der BF im Juli 2018 rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde, und aufgrund seines Verhaltens, nach strafrechtlicher Verurteilung seine Meldeadresse verlassen und sich unbekannten Aufenthaltsortes und nach amtlicher Wohnsitzabmeldung eine Zeit lang - bis nach Beendigung seines letzten Beschäftigungsverhältnisses am 14.12.2018 - ohne behördliche Meldung im Bundesgebiet aufgehalten zu haben, um für die Behörden nicht mehr an einer bestimmten Adresse verfügbar zu sein, ist zum gegenständlichen Zeitpunkt nicht von einer positiven Zukunftsprognose, sondern von einer vom BF im Bundesgebiet ausgehenden erheblichen Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSv § 67 Abs. 1 S. 2 FPG auszugehen.

Das vom BFA gegen den BF verhängte Aufenthaltsverbot besteht somit dem Grunde nach zu Recht, ebenso der fünfjährigen Dauer nach, wird diese doch für den Eintritt eines positiven Gesinnungswandels beim BF für notwendig gehalten, und bestehen keine der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entgegenstehenden berücksichtigungswürdigen familiären und privaten Interessen des BF, ist der BF doch laut Strafrechtsurteil von Juni 2018 nur unregelmäßig der gegenüber seiner zum Verurteilungszeitpunkt 12 Jahre alt gewesenen Tochter bestandenen Unterhaltsverpflichtung nachgekommen, und hat er selbst - weder in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 03.06.2019 noch in seiner Beschwerde von in Österreich aufhältigen Familienangehörigen berichtet, in Österreich aufhältige Familienangehörige vor dem BFA am 03.06.2019 vielmehr, befragt danach, ausdrücklich verneint.

Das vom BFA gegen den BF verhängte insgesamt fünfjährige Aufenthaltsverbot wird im gegenständlichen Fall somit sowohl dem Grunde als auch der Dauer nach für gerechtfertigt

gehalten, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Aus Sicht des erkennenden Gerichtes war das Absehen von der Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes wegen der von der Person des BF im Bundesgebiet ausgehenden, erheblichen Gefahr für das Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit notwendig, um diese beiden Belange zu schützen, sodass die belangte Behörde dem BF mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides zu Recht keinen Durchsetzungsaufschub gewährt hat.

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Aus dem zuvor Gesagten ist eindeutig erkennbar, dass der BF durch sein bisheriges strafbares Verhalten ein gewichtiges Gefahrenmoment für die öffentlichen Interessen der Republik Österreich darstellt. Die von der belangten Behörde ausgesprochene Aberkennung der aufschiebenden Wirkung war daher unbedingt vonnöten, um weitere strafbare Handlungen des BF hintanzuhalten. Mit Teilerkenntnis des BVwG vom 05.08.2019 konnte daher der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt werden.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, Interessenabwägung, öffentliche Interessen,
Zukunftsprognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G304.2221123.1.01

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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