Entscheidungsdatum
15.11.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W215 2141367-2/30E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerde von XXXX , Staatsangehörigkeit Bundesrepublik Somalia, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht über den Antrag auf internationalen Schutz vom 10.07.2015, Zahl 1077238200-150827085, nach Durchführung mündlicher Verhandlungen, zu Recht:
A)
I. Der Antrag von XXXX auf internationalen Schutz vom 10.07.2015 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, abgewiesen.
II. Der Antrag auf internationalen Schutz von XXXX wird bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bundesrepublik Somalia gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG abgewiesen.
III. Eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, wird XXXX nicht erteilt.
IV. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Bundesrepublik Somalia wird gemäß § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, auf Dauer für unzulässig erklärt. XXXX wird gemäß § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, in Verbindung mit
§ 55 Abs. 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Antragstellerin reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet und stellte am 10.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Noch am selben Tag erfolgte die Erstbefragungen der Antragstellerin, in der diese, in Gegenwart einer Dolmetscherin ihrer Muttersprache Somali, zusammengefasst angab, nach moslemischem Ritus mit ihrem zweiten Lebensgefährten, in der Bundesrepublik Somalia verheiratet zu sein. Die Antragstellerin gehöre dem Clan der Madhiban an, sei Analphabetin habe in ihrem Heimatort XXXX ihren zweiten Lebensgefährten Herrn XXXX , ihre drei Söhne, ihrer Tochter (alle vier Kinder führen den Familiennamen des ersten Lebensgefährten XXXX ) sowie ihre Schwester, drei Brüder und ihre Eltern zurückgelassen, habe die Bundesrepublik Somalia im XXXX illegal mit XXXX . Die Antragstellerin habe für ihre Reise US-Dollar 5.000.- bezahlt. Zu ihrem Fluchtgrund gab die Antragstellerin, in Gegenwart der Dolmetscherin ihrer Muttersprache Somali, an:
"...11. Warum haben Sie ihr Land verlassen (Fluchtgrund):
Meine Volksgruppe, die Madhiban, werden in Somalia diskriminiert. Mein erster Mann hat mich bedroht und er hat mich schlecht behandelt. Er hat gesagt, das sich keinen anderen Mann haben darf. Dies wird er nicht zulassen.
12. Zusatzfrage [...]
14. Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat?
Dass ich vor meinem Ex-Mann riesige Angst. Er könnte mir etwas antun.
14.1. Gibt es konkrete Hinweise, dass Ihnen bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen? Hätten Sie im Fall Ihrer Rückkehr in ihren Heimatstaat mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen? Wenn ja, welche?
keine
15. Beweismittel..." (niederschriftliche Befragung am 10.07.2015)
Obwohl die Antragstellerin erst am 10.07.2015 ihren Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, brachte ihr Rechtsanwalt bereits mit Schreiben vom 03.09.2015 eine erste Säumnisbeschwerde beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein, die aber erst am 08.11.2016 im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte.
Am 12.12.2016 langte beim Bundesverwaltungsgerichte eine Säumnisbeschwerde des Rechtsanwaltes der Antragstellerin ein, diesmal vom 05.12.2016, welche mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.12.2016 gemäß § 6 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG zuständigkeitshalber an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl weitergeleitet wurde und auch noch am selben im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte.
2. Am 27.06.2017 langte die Aktenvorlagen vom 22.06.2017 im Bundesverwaltungsgericht ein.
Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.06.2017 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl um Übermittlung des vollständigen erstinstanzlichen Aktes ersucht.
Am 07.07.2017 langte der erstinstanzliche Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.07.2017 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 19 Abs. 6 AsylG beauftragt, die Antragstellerin niederschriftliche im Säumnisbeschwerdeverfahren zu befragen.
Am 24.08.2017 fand eine niederschriftliche Befragung der Antragstellerin, in Gegenwart eine Dolmetscherin ihrer Muttersprache Somali sowie ihrer Vertrauensperson, beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Die Antragstellerin führte zusammengefasst aus, dass sie in der Erstbefragung am 10.07.2015, damals ebenfalls in Gegenwart einer Dolmetscherin ihrer Muttersprache Somali, wahrheitsgemäße Angaben gemacht habe und alles korrekt protokolliert und rückübersetzt worden sei.
Die Antragstellerin sei mit einem gefälschten somalischen Reisepass am XXXX geflogen. Ihre vier Kinder, die sie in der Bundesrepublik Somalia zurückließ, stammen aus der ersten Ehe nach moslemischem Ritus mit Herrn XXXX , welchen die Antragstellerin im XXXX nach moslemischem Ritus heiratete und von dem sie sich im XXXX nach moslemischem Ritus scheiden ließ. Die Antragstellerin habe sich von ihrem zweiten Lebensgefährten, Herrn XXXX , den sie am XXXX im Herkunftsstaat nach moslemischem Ritus geheiratet hatte und der nach wie vor in der Bundesrepublik Somalia lebt, am XXXX , nach moslemischem Ritus telefonisch scheiden lassen. Grund für die Scheidung sei, dass die Antragstellerin nach Österreich gereist sei und ihr zweiter Lebensgefährte Herr XXXX in der Bundesrepublik Somalia eine neue Lebensgefährtin gefunden habe. Die Antragstellerin habe in Österreich nie einen Deutschkurs besuchen können, da sie Mutter von XXXX , geworden sei. Dieses Kind sei ihr vom österreichischen Jugendamt im XXXX weggenommen worden. Der Vater dieses Kindes, Herr XXXX stamme aus XXXX , und die Antragstellerin habe ihn als ihren dritten Lebensgefährten, neun Monate vor der Geburt von XXXX , im XXXX , kennengelernt. Sie wisse, dass er anerkannter Flüchtling sei, habe ihren dritten Lebensgefährten aber in den letzten beiden Jahren ihres Zusammenlebens nie gefragt, wie alt er sei.
Die Antragstellerin gehöre der Volksgruppe der Gabooye und dem Clan der Madhiban an. Sie habe im Herkunftsstaat, ebenso wie ihr Vater, nie gearbeitet aber dennoch gut ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Ihre Mutter habe ein XXXX gehabt. Die Antragstellerin habe mehrheitlich in XXXX , gelebt; ihre Eltern leben aktuell, gemeinsam mit den Geschwistern der Antragstellerin, in XXXX . Zudem leben Onkel und Tanten der Antragstellerin in XXXX . Der Familie geht es sehr gut. Weiters gab die Antragstellerin auszugsweise wörtlich an:
"...F: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie all Ihre Fluchtgründe?
A: Ich habe in XXXX gelebt. 2003 bin ich mit mehreren Frauen in verschiedene Städte gegangen, weil wir gegen die Beschneidung sind. Einmal ging ich in ein Haus und sie machten gerade eine Beschneidung. Ich sagte, dass sie das nicht machen sollen und ich wurde von dem Vater des Kindes geschlagen. Ich habe jetzt auch Probleme mit dem Auge.
Auff: Bitte machen Sie konkrete Angaben!
A: Schlechtes Problem. Wenn wir Besprechungen hatten, haben uns die Männer geschlagen. Das ist keine muslimische Kultur, es ist christliche Kultur. Dann habe die Männer gesagt, dass es für somalische Frauen ohne Beschneidung nicht normal ist. Sie haben uns geschimpft und geschlagen. Die Leute habe angerufen und gesagt, dass sie mich töten werden. Es waren immer unbekannte Nummern. Sie sagten, sie werden mich töten, wenn ich mit dem nicht aufhöre..."
(niederschriftliche Befragung am 24.08.2017)
Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 12.01.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, in Gegenwart einer Dolmetscherin für die Sprache Somali, anberaumt. Es erschienen die Antragstellerin und ein Vertreter ihres Rechtsanwalts. In der Verhandlung wurde ausdrücklich zugestimmt, dass die Verhandlung ohne Rechtsberater, der nicht erschienen war, stattfinden sollte. Die Antragstellerin gab an, dass sie legal mit ihrem somalischen Auslandsreisepass aus ihrem Herkunftsstaat aus- bzw. über XXXX eingereist sei, könne aber weder ihren somalischen Auslandsreisepass, noch ein anderes Dokument vorlegen, welches ihre Identität nachweist. Die Antragstellerin habe eine gemeinsame Tochter namens XXXX , mit ihrem dritten Lebensgefährten Herrn XXXX , dem bereit mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 06.09.2012, Zahl
A5 420.506-2/2012/3E, wegen dessen minderjährigem Sohn, der nicht mit der Antragstellerin verwandt ist, im Familienverfahren gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG festgestellt wurde, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Tochter XXXX sei wegen ihres Vaters im Familienverfahren Asyl gewährt worden, mittlerweile jedoch habe das österreichische Jungendamt das Kind der Antragstellerin weggenommen und in einer Pflegfamilie untergebracht. Die Antragstellerin sei aktuell wieder von Herrn XXXX schwanger:
"...R: Warum hat man Ihnen dann Ihr Baby weggenommen?
P: Ich habe alle Unterlagen dies betreffend mit. Es wurde mir weggenommen, weil das Jugendamt mir gesagt hat, dass er meine Tochter ebenso schlagen wird.
R an PV: Haben Sie diesbezüglich Unterlagen?
PV: Ich lege zwei Protokolle des BG XXXX vor.
Werden in Kopie zum Akt genommen..." (1. Verhandlungsschrift Seite 10).
Danach wurde die Antragstellerin zu ihren familiären Verhältnissen in der Bundesrepublik Somalia und kurz zu ihrem Ausreisegrund befragt, bevor die Verhandlung wegen fortgeschrittener Zeit vertagt werden musste.
Die Antragstellerin brachte nach der Geburt ihres zweiten Kindes in Österreich, XXXX , für dieses 06.06.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.
Die am 12.01.2018 vertagte Verhandlung wurde am 14.08.2018 fortgesetzt, musste aber ein weiteres Mal vertagt werden. Schließlich wurde die Verhandlung am 04.02.2019 fortgesetzt und geschlossen. In der dritten Verhandlung wurde die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan. Die Antragstellerin und deren Vertreterin, zugleich Rechtsberaterin, verzichteten auf Einsichtnahme und Ausfolgung. Das Bundesverwaltungsgericht räumte den Verfahrensparteien vor Schluss der Verhandlung eine zweiwöchige Frist zur Abgabe von Stellungnahmen ein.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.02.2019, Zahl W215 2207431-1/3E, wurde dem jüngsten Kind der Antragstellerin, XXXX , wegen deren Vater XXXX (Anmerkung: dem mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 06.09.2012, Zahl A5 420.506-2/2012/3E, wegen dessen minderjährigem Sohn, der nicht mit der Antragstellerin verwandt ist, im Familienverfahren gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde) gemäß § 3 AsylG iVm § 34 Abs. 2 und
Abs. 6 Z 2 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wurde festgestellt, dass dem Kind damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
1. Die Identität der Antragstellerin steht nicht fest. Die Antragstellerin ist Staatsangehörige der Bundesrepublik Somalia und moslemischen (sunnitischen) Glaubens. Die Antragstellerin hat ihren zweiten Lebensgefährten in der Bundesrepublik Somalia zurückgelassen, reiste problemlos legal mit ihrem somalischen Auslandsreisepass XXXX , von dort zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal nach Österreich und stellte hier am 10.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Für ihre Reise mit dem Zielland Österreich bezahlte die Antragstellerin US-Dollar 8.000.-.
2. Es kann weder festgestellt werden, dass die Antragstellerin dem Clan der Madhiban angehört und deshalb Übergriffen ausgesetzt war oder sein wird noch, dass die Antragstellerin wegen ihres erster Lebensgefährten aus der Bundesrepublik Somalia floh (von dem sie sich bereits im Jänner 2014 nach moslemischem Ritus scheiden ließ; am XXXX heiratete sie im Herkunftsstaat ihren zweiten Lebensgefährten nach moslemischem Ritus), weil der erste Lebensgefährte die Antragstellerin bedrohte oder schlecht behandelte. Es kann ebenso wenig festgestellt werden, dass die Antragstellerin aus der Bundesrepublik Somalia ausreiste, weil sie im Jahr 2003 mit mehreren Frauen in Städte ging, sich gegen Beschneidung äußerte, deswegen geschlagen, mit Ermordung bedroht, von al-Schabaab von März 2013 bis Dezember 2014 zwei Mal monatlich, oder drei Mal täglich, angerufen und gesucht wurde. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Vater und die Schwester (oder Halbschwester) der Antragstellerin im Oktober 2017 bei einer Explosion in XXXX getötet wurden.
3. Die gesunde Antragstellerin konnte bis zu ihrer Ausreise aus der Bundesrepublik Somalia ihren Lebensunterhalt erwirtschaften. Weder sie noch ihr Vater mussten je arbeiten und die Familie konnte sogar US $ 8000.- für die Reise der Antragstellerin nach Österreich aufbringen. Die Antragstellerin lebte bis zur Ausreise mit ihrem zweiten Lebensgefährten im gemeinsamen Haushalt. Es kann nicht festgestellt werden, dass vier Kindern der Antragstellerin im Herkunftsstaat leben. Aktuell leben ihre Eltern, Geschwister, Onkel und Tanten in XXXX .
4. Die Antragstellerin hat in den vergangenen bald viereinhalb Jahren keine Deutschprüfung absolviert, spricht kaum Deutsch und hat angegeben, in ihrem Leben noch nie gearbeitet zu haben. Sie lebt seit ihrer Asylantragstellung von der österreichischen Grundversorgung. Die Antragstellerin hat in Österreich zwei Kinder zur Welt gebracht, die von ihrem dritten (mittlerweile Ex-) Lebensgefährten Herrn XXXX , Staatsangehörigkeit Bundesrepublik Somalia, stammen, den die Antragstellerin in XXXX kennen gelernt hat. Herrn XXXX wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 06.09.2012, Zahl A5 420506-2/2012/3E, wegen dessen minderjährigem Sohn, der nicht mit der Antragstellerin verwandt ist, im Familienverfahren gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Dem ersten in Österreich geborenen Kind XXXX , wurde wegen dessen Vater XXXX im Familienverfahren mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2016, Zahl 1115873506-160719528, gemäß § 3 AsylG iVm § 34 Abs. 2 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG festgestellt, dass dem Kind damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Dieses Kind wurde der Antragstellerin vom Jugendamt entzogen, lebt in einer Pflegefamilie und die Antragstellerin darf es unter Aufsicht besuchten.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.02.2019, Zahl W215 2207431-1/3E, wurde dem zweiten gemeinsamen Kind, XXXX , ebenfalls wegen dessen Vater XXXX , im Familienverfahren gemäß § 3 AsylG iVm § 34 Abs. 2 und Abs. 6 Z 2 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wurde festgestellt, dass dem Kind damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Dieses Kind lebt mit der Antragstellerin, unter Aufsicht des Jugendamtes, im gemeinsamen Haushalt.
5. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Antragstellerin wird festgestellt:
Allgemein
In der Bundesrepublik Somalia leben schätzungsweise 15,45 Millionen Menschen (2019, World Population Review [AA Überblick Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019]).
Im Hinblick auf beinahe alle zu beleuchtenden Tatsachen ist Somalia faktisch zweigeteilt:
a) In den Gliedstaaten Süd- und Zentralsomalia, wo auch die Hauptstadt Mogadischu liegt, herrscht in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der vom VN-Sicherheitsrat mandatierten Friedensmission der Afrikanischen Union AMISOM (African Union Mission in Somalia) gegen die radikalislamistische, al-Qaida-affiliierte al-Schabaab-Miliz. Die Gebiete sind nur teilweise unter der Kontrolle der Regierung, wobei zwischen der im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkten Kontrolle der somalischen Bundesregierung und der Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete durch die Regierungen der föderalen Gliedstaaten Somalias, die der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen, unterschieden werden muss. Weite Gebiete stehen aber auch unter der Kontrolle der al-Schabaab-Miliz oder anderer Milizen. Diese anderen Milizen sind entweder entlang von Clan-Linien organisiert oder, im Falle der Ahlu Sunna Wal Jama'a, auf Grundlage einer bestimmten religiösen Ausrichtung. Zumindest den al-Schabaab-Kräften kommen als de facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihnen kontrollierten Gebieten gemäß des 2. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen zu. Der Gliedstaat Puntland State of Somalia, der das Horn von Afrika im engeren Sinne umfasst, hat sich 1998 mit internationaler Unterstützung konstituiert. Er strebt keine Unabhängigkeit von Somalia an und ist einer der fünf offiziellen föderalen Gliedstaaten Somalias, wenngleich mit größerer Autonomie. Es konnten einigermaßen stabile staatliche Strukturen etabliert werden. Al-Schabaab kontrolliert hier keine Gebiete mehr, sondern ist nur noch in wenigen schwer zugänglichen Bergregionen mit Lagern vertreten, ebenso wie der somalische Ableger des sog. "Islamischen Staats". Stammesmilizen spielen im Vergleich zum Süden eine untergeordnete Rolle. Allerdings ist die Grenzziehung im Süden sowie im Nordwesten nicht eindeutig, was immer wieder zu kleineren Scharmützeln, im Süden auch zu schwereren gewaltsamen Auseinandersetzungen führt.
b) Das Gebiet der früheren Kolonie Britisch-Somaliland im Nordwesten Somalias hat sich 1991 für unabhängig erklärt, wird aber bisher von keinem Staat anerkannt. Allerdings bemühen sich die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit. Das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft wurde durch die mehrfache Verschiebung der Parlamentswahlen und schwerwiegende Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Abkommen zum Betrieb des Hafens von Berbera auf die Probe gestellt. Al-Schabaab kontrolliert in Somaliland keine Gebiete. Die Grenze zu Puntland ist allerdings umstritten, hier kam es im Berichtszeitraum zu zum Teil heftigen militärischen Auseinandersetzungen zwischen "somaliländischen" und somalischen (puntländischen) Truppen.
Grundsätzlich gilt, dass die vorhanden staatlichen Strukturen sehr schwach sind und wesentliche Staatsfunktionen von ihnen nicht ausgeübt werden können. Von einer flächendeckenden effektiven Staatsgewalt kann nicht gesprochen werden (AA 04.03.2019).
Seit 2012 gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 01.08.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten, waren es 2016 über 14.000 Wahlleute. Allgemeine freie Wahlen bleiben das Ziel für 2020/21. Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed, genannt "Farmajo", zum Präsidenten, und im März bestätigte es Hassan Ali Khaire als Premierminister und das neue Kabinett. Die Regierung von Präsident Farmajo verfolgt eine intensive Reformagenda in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Sicherheit. Allerdings stehen mächtige Teile der Clan-Eliten der Regierung und ihrem Reformkurs kritisch gegenüber. Hinzu kommen immer wieder Spannungen in den Beziehungen Mogadischus zu den föderalen Gliedstaaten, die den politischen und wirtschaftlichen Fortschritt des Landes lähmen (AA Innenpolitik Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019).
Die Wahl des relativ unerfahrenen Farmajo als Präsident markiert den vorläufigen Endpunkt eines somalischen Experimentes, das im Oktober 2016 mit der Wahl von erstmalig zwei Parlaments-Kammern begann. Eine allgemeine und freie Wahl ist in dem von Anarchie geprägten Land nach wie vor nicht möglich. Doch die Zahl von 14.024 Wahlmännern ist ein erheblicher Fortschritt gegenüber früheren Wahlen, als der Sieger unter gerade einmal 135 Clanchefs ausgekungelt wurde. Auch die Gründung föderaler Verwaltungsregionen ist ein wichtiger Schritt. Schließlich konnten die Medien zur Wahl relativ frei agieren und Korruption und Wahlverschiebung anprangern - auch das ein gutes Zeichen (DW 09.02.2017).
Mehr als jeder andere Präsident in Somalias unruhiger Geschichte, trifft Mohamed Abdullahi Mohamed beim Amtsantritt auf eine Welle von Unterstützung, Goodwill und Optimismus. Tausende von jubelnden Menschen gingen am Mittwoch spät auf die Straßen von Mogadischu, nachdem Mohamed, besser bekannt unter dem Spitznamen Farmajo, vom Parlament Somalias in einer Art Erdrutschsieg gewählt wurde. Es kam zu Straßensperren und Freudenschüssen, Unterstützer skandierten Farmajos Namen und Autohupen hießen ihn als neuen Präsidenten willkommen. Ähnliche Feiern brachen in Städten in ganz Somalia aus, sowie in den Städten Garissa und Eastleigh in Kenia; in beiden findet sich eine somalische Mehrheitsbevölkerung. Trotz aller Anzeichen waren die Feierlichkeiten ein Spiegelbild der aufrichtigen öffentlichen Unterstützung für Farmajo. Er ist 55 Jahre alt, besitzt die Somalisch-U.S. amerikanische Doppelstaatsbürgerschaft und war zuvor in der Jahren 2010 und 2011 acht Monate lang Premierminister Somalias (VOA 09.02.2017).
Der Sicherheitsrat begrüßt den Abschluss des Wahlprozesses in Somalia und die Wahl von Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmajo". Der Sicherheitsrat würdigt die Dienste des ehemaligen Präsidenten Hassan Sheikh Mohamud und lobt den raschen und gütlichen Machtübergang in Somalia. Der Sicherheitsrat begrüßt die seit 2012 in Somalia erzielten politischen und sicherheitsbezogenen Fortschritte und unterstreicht, dass die Dynamik in Richtung auf eine demokratische Regierungsführung in Somalia aufrechterhalten werden muss. Der Sicherheitsrat würdigt die stärkere Teilhabe und Vertretung der Bevölkerung Somalias in dem Wahlprozess (UN Sicherheitsrat 10.02.2017).
Präsident Farmajo war während Sheikh Sharifs Präsidentschaft Premierminister (von Okt 2010 bis Juni 2011) und trat aufgrund politischer Differenzen mit dem Präsidenten und dem Sprecher zurück. Präsident Farmajo hat die somalische sowie die US-Staatsbürgerschaft. Präsident Farmajo ist der erste somalische Präsident des Darood-Clans (Marehan Sub-Clan) seit 2008; hingegen gehören beide Sheikh Sharif und Hassan Sheikh zu den Hawiye (Abgaal Sub-Clan). Präsident Farmajo hat angeblich auch gute Beziehungen zum Militär was einige Kommentatoren als ein viel versprechendes Zeichen für Stabilität sehen (Europäische Kommission Februar 2017).
Seit dem Ende der Übergangsperiode und dem Beginn des New Deal Prozesses 2013 wurde wiederholt der politische Wille zur umfassenden Reform des Staatswesens (Etablierung von Rechtsstaatlichkeit, Schutz von Menschenrechten, Demokratisierung, Föderalisierung) bekundet. 2016 und 2017 konnten mit der Gründung der Gliedstaaten und einem relativ demokratisch erfolgten Machtwechsel wichtige Weichen in Richtung Demokratisierung, legitimer Staatsgewalt und Föderalismus erreicht werden. In den anderen Bereichen ist die Situation nach wie vor mangelhaft. Insbesondere das Verhalten der Sicherheitskräfte, Aufbau, Funktionsweise und Effizienz des Justizsystems und die Lage im Justizvollzug entsprechen nicht den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes (AA 04.03.2019).
UN-Generalsekretär Antonio Guterres ernannte am 12.09.2018 mit Wirkung vom 01.10.2018 den Südafrikaner Nicholas "Fink" Haysom zum Sondergesandten für Somalia und Nachfolger von Michael Keating. Haysom ist derzeit Sondergesandter für Sudan und Südsudan. Unter Nelson Mandela diente er als Chefberater für Rechts- und Verfassungsfragen (BAMF 24.09.2018).
Der UN Security Council verlängerte am 27.03.2019 das Mandat der UN-Hilfsmission in Somalia (UNSOM) bis zum 31.03.2020 (BAMF 01.04.2019).
ad a) Somalia
Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen, insbesondere Clan-Strukturen, vergeben. Traditionell benachteiligte Gruppen wie Frauen, Jugendliche, ethnische Minderheiten, LGBTI, Behinderte usw. sehen sich somit nicht oder nicht hinreichend vertreten Im November und Dezember 2016 wurde von über 14.000 Wahlmännern und -frauen ein 275-köpfiges Parlament gewählt. Dieser Prozess ist ein bemerkenswerter demokratischer Fortschritt, da noch bei der letzten "Wahl" die Mitglieder des Parlaments unmittelbar durch einzelne Clanälteste bestimmt worden waren. Die Präsidentschaftswahl fand am. 8. Februar 2017 statt, als Gewinner ging der frühere Premierminister Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmajo" hervor, am 29. März wurde die neue Regierung unter Premierminister Hassan Ali Khayre bestätigt und vereidigt (AA 04.03.2019).
Jubalands Sicherheitsminister Abdirashid Hassan Abdinur (Abdirashid Janan) wurde am 31.08.2019 von der somalischen Bundesregierung (FGS) in Mogadischu verhaftet. Ihm werden verschiedene Verbrechen vorgeworfen, darunter Tötungen, Folter, rechtswidrige Inhaftierungen und die Blockierung der humanitären Hilfe in 2014 und 2015. Amnesty International fordert einen fairen Gerichtsprozess vor einem Zivilgericht. Die Regierung Jubalands nannte die Verhaftung eine "Entführung" und "illegal". Die Verhaftung erfolgt in einer Zeit zunehmender Spannungen zwischen der FGS und der Regionalverwaltung in Jubaland: im August weigerte sich die Bundesregierung, die Ergebnisse der Bundestagswahlen anzuerkennen, die Ahmed Madobe erneut zum Regionalpräsidenten wählten (BAMF 09.09.2019).
(AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Innenpolitik, Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162
UN Sicherheitsrat, Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats zur Situation in Somalia, 10.02.2017, http://www.un.org/depts/german/sr/sr_17/sp17-03.pdf
DW, Deutsche Welle, Kommentar, Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? 09.02.2017, http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267
VOA, Voice of America, Somalis Optimistic about New President, 09.02.2017,
http://www.voanews.com/a/hopes-high-somalia-s-new-president-will-improve-security/3716301.html
AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2019, 04.03.2019
Europäische Kommission, Somalia 2016-2017; limited election process; EU election expert mission; final report; Framework Contract Beneficiaries, LOT 7 Specific Contract N° 2016/377703/1; 13 September 2016 - 16 February 2017, Februar 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1408355/1226_1505130012_eu-eem-somalia-final-report.pdf
BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 24.09.2018,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1445536/1226_1539002669_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-24-09-2018-deutsch.pdf
BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 01.04.2019,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2006127/Deutschland___Bundesamt_f%C3%BCr_Migration_und_Fl%C3%BCchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_01.04.2019_%28deutsch%29.pdf
AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Überblick, Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/somalia/203130
BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 09.09.2019,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2016900/Deutschland___Bundesamt_für_Migration_und_Flüchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_09.09.2019_%28deutsch%29.pdf)
Parteiensystem
ad a) Somalia
Es gibt keine Parteien im westlichen Sinn. Die politischen Loyalitäten bestimmen sich in erster Linie durch die Clan-Zugehörigkeit oder religiöse Bindung an informelle Gruppierungen. Im September 2016 verabschiedete der Präsident ein Parteiengesetz, das die Grundlage für eine Parteienbildung werden soll. Trotz vorgesehener Mechanismen, die eine breite geografische Repräsentanz in den Parteien sicherstellen sollen, ist nicht ausgeschlossen, dass die Parteienbildung im Wesentlichen anhand von Clan-Zugehörigkeit stattfindet und somit zu einer weiteren Manifestierung des Clan-Systems führt (AA 04.03.2019).
Eine Besonderheit der Politik und Geschichte Somalias liegt in der Bedeutung der Clans. Clans sind auf gemeinsame Herkunft zurückgehende Großfamilienverbände mit einer bis zu siebenstelligen Zahl von Angehörigen. Die Kenntnis der Clanstrukturen und ihrer Bedeutung für die somalische Gesellschaft ist ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis der politischen und historischen Entwicklungen in Somalia. Die übergeordneten Clans in Somalia sind die Hawiye, Darod, Issaq, Dir und der Clanverbund der Digil-Mirifle bzw. Rahanweyn. Aufgrund des jahrzehntelangen Bürgerkriegs ist es nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Issaq und Digil-Mirifle stellen wohl je 20 bis 25 Prozent der Gesamtbevölkerung, die Dir deutlich weniger. Über 95 Prozent aller Somalier fühlen sich einem Sub-Clan zugehörig, der genealogisch zu einem der Clans gehört. Auch diese Sub-Clans teilen sich wiederum in Untereinheiten auf. Die Zugehörigkeit zu einem Clan bzw. Sub-Clan ist ein wichtiges Identifikationsmerkmal und bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA Innenpolitik Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019).
(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2019, 04.03.2019
AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Innenpolitik, Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162)
Madhiban/Madhibaan
Verschiedenen Quellen zufolge leben Madhiban über Somalia verstreut. Sie leben im Norden und in Zentralsomalia, so auch in Hiraan, Mogadischu und Kismayo. Laut Informationen der Asylforschungsberatung (ARC) aus dem Jahr 2017 lebten Madhiban auch über Südsomalia verstreut. Die Madhiban stammen ursprünglich aus den Distrikten Mudug und Nugal, wo sie traditionell mit verschiedenen Hawiye-Clans, darunter Gurgate, in Verbindung standen (EASO 29.01.2019).
Der Ausdruck Gabooye wird besonders im Norden des somalischen Kulturraums (Somaliland, äthiopischer Regionalstaat Somali) als Dachbegriff benutzt. Als wichtigste Gruppen werden auch die Madhiban genannt. Diese sind ursprünglich Jäger, heute aber als Färber, Gerber, Schuhmacher und in anderen Berufen tätig. Sie leben im ganzen somalischen Kulturraum. Für außenstehende Somalis reicht es in der Regel zu wissen, dass jemand z.B. ein Gabooye ist. Heute hat sich die Situation für die Gabooye im Vergleich zur Zeit um die Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Weder das traditionelle Recht Xeer noch Polizei und Justiz benachteiligen gemäß Erkenntnissen der Fact Finding Mission die Minderheiten systematisch. Xeer-Verträge wurden - gemäß Informationen aus dem Jahr 2009 - nur zwischen Mehrheitsclans geschlossen, Minderheiten waren meist ausgeschlossen. Sie können dem Xeer-System aber indirekt beitreten durch ein vertraglich festgelegtes Klientelverhältnis mit einem Mehrheitsclan. Das Brauchtumsrecht Xeer sieht Allianzen zwischen Gruppen vor, die Gaashaanbuur genannt werden. Dabei gibt es verschiedene Arten von Allianzen: Nachbarschaft, Angeschlossene, Anhänger und Vortäuschende (bzw. "Adoption"). Die letztere heißt Sheegad. Diesen Status haben normalerweise anzahlmäßig schwache Clans wie z.B. berufsständische Gruppen, da er ihnen erlaubt, gegen außen die Clan- bzw. Abstammungslinie und damit auch den Schutz des alliierten Mehrheitsclans zu übernehmen. Shegaad kann aber auch von Angehörigen eines Mehrheitsclans in Anspruch genommen werden. Während Gabooye auf unterer Ebene noch über Repräsentanten verfügen, sind sie bei Entscheidungen auf höheren Ebenen auf Allianzen mit relevanten Clans angewiesen, um repräsentiert zu werden. Quellen der Fact-Finding Mission zeichneten ein teils neues Bild. So hat beispielsweise in Somaliland die Anerkennung von Gabooye-Suldaans zu einer Aufwertung der berufsständischen Gruppen geführt. Damit geht auch soziale Sicherheit einher. Die Gabooye haben im Xeer ihre Rechte. Zusätzlich sind Verfahren im Xeer meist nicht korrumpierbar und fairer. Der gesellschaftliche Umgang mit den Angehörigen von Minderheiten hat sich in den letzten Jahren verbessert. Insbesondere unter jungen Leuten ist die Einstellung zu ihnen gemäß Erkenntnissen der Fact-Finding Mission positiver geworden. Obwohl ein gewisses Stigma weiterhin besteht, ist es mittlerweile für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten, wie mehrere befragte Quellen übereinstimmend aussagten. Dabei handelt es nicht nur um einen oberflächlichen Wandel, sondern um einen "change of mind-set" - selbst bei älteren Generationen. Früher kam es vor, dass Angehörige der Mehrheitsclans Minderheiten-Angehörige aufgrund von Vorurteilen beschimpften. Die soziale Interaktion mit Angehörigen berufsständischer Gruppen wie z. B. das Grüßen oder gemeinsame Mahlzeiten war eingeschränkt. Nach Einschätzung einer westlichen Botschaft kommt es im Allgemeinen zu keinen gezielten Angriffen oder Misshandlungen der Gabooye (SEM 31.05.2017).
Die MRG (Minority Rights Group International) berichtet im Juni 2012, dass Minderheitengruppen, wie etwa die Gaboye und Madhiban, zu Tausenden in Binnenvertriebenenlager in Somaliland, Puntland und Kenia ziehen würden, wo sie erneut von Diskriminierung betroffen seien. Minderheitengruppen würden außerhalb der traditionellen somalischen Clanstruktur stehen und deshalb über kein Schutzsystem verfügen. Aufgrund sozialer Segregation, Existenznot und politischer Manipulation seien Minderheitengruppen in größerem Ausmaß von Vergewaltigung, Angriffen, Entführung, Beschlagnahmung von Eigentum und den Konsequenzen von Dürre bedroht. Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Jahresbericht zur Menschenrechtslage vom Februar 2014 (Berichtszeitraum: 2013), dass unter anderem die Madhiban und Gabooye zu den Minderheitengruppen zählen würden. Viele Minderheiten würden in großer Armut leben und von zahlreichen Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung betroffen sein (Accord 12.06.2015).
Wie allgemein bekannt gelten die Madhiban - wie auch andere Angehörige berufsbezogener Kasten (Waable) - als ärmste und marginalisierteste Gruppe in Somalia. Dies wird von mehreren Quellen unzweifelhaft bestätigt. Kasten bzw. Waable bzw. Midgan bzw. Madhiban sind generell arm und leben in großer Not. Nur wenige konnten jemals die Mittel aufbringen, ins Ausland zu fliehen; so sind diese Menschen auch von Geldflüssen aus der Diaspora weitgehend ausgeschlossen. Gleichzeitig verfügen Angehörige berufsständischer Kasten nur über eine durch ihr geringes Einkommen verursachte schwache Kaufkraft. Dadurch und gleichzeitig auch durch den Ausschluss aus traditionellen Netzwerken bleibt ihnen auch der Zugang zu lukrativen wirtschaftlichen Möglichkeiten verwehrt. Ständische Berufskasten haben traditionell weder das Recht auf Eigentum an Land und Vieh noch das Recht, sich an lokalen Geschäften, Marktwirtschaft oder Politik zu beteiligen. Wenn Kinder überhaupt eingeschult werden, werden diese auch bald wieder von der Schule genommen, um sie als Arbeitskraft einzusetzen. Minderheitenvertreter beklagen, dass ihnen das Recht auf Bildung versagt bleibt. Je weiter entfernt die Erinnerung an staatliche Strukturen zurücklag, desto mehr verfiel vor allem Süd- und Zentralsomalia in eine Zeitreise zum traditionellen Urzustand zurück, zu den historisch verankerten Reglements der Gesellschaft.
Dieser Rückschritt traf die Minderheiten aus mehreren Richtungen:
erstens verloren sie den staatlichen Schutz. Sie wurden vom rasch entstehenden System der Geldflüsse aus der Diaspora größtenteils ausgeschlossen, da nur wenige von ihnen die Mittel aufbringen konnten, ins Ausland zu fliehen. Selbst bei der Hilfe durch humanitäre Organisationen wurden die Minderheiten diskriminiert. Eine weitere Separation der Waable betrifft deren Wohnstätten. In der nomadischen Tradition ist es üblich, die Lager der Berufskasten abseits anderer Clans zu errichten. Konventionelle Wege sozialen Aufstiegs sind ihnen oftmals verwehrt. Zum Beispiel sind üblicherweise keine Stellen im öffentlichen Dienst für sie verfügbar. Zudem bleibt ihnen der Erhalt durch agrarische Subsistenzwirtschaft verwehrt. Gleichzeitig verfügen die Waable nur über eine durch ihr geringes Einkommen verursachte schwache Kaufkraft. Dadurch und gleichzeitig auch durch den Ausschluss aus traditionellen Netzwerken bleibt ihnen auch der Zugang zu lukrativen wirtschaftlichen Möglichkeiten verwehrt. Professor Markus Höhne zitiert die in Somaliland tätige Minderheiten-NGO VOSOMWO. Nach deren Aussagen, würden Minderheiten - und hier speziell Frauen - Grundrechte verweigert, so zum Beispiel das Recht auf Bildung. Schon Anfang der 2000er, als einige europäische Regierungen davon ausgingen, dass in Somalia die schlimmste Zeit überstanden sei, war die Angabe der Zugehörigkeit zu einer Minderheitengruppe in Somalia ein relativ sicheres Mittel, um in Europa Asyl zu bekommen. Klarerweise haben auch Angehörige von "noblen" Clans von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, und sich als Minderheitenangehörige (z.B. Midgan oder Ashraf) ausgegeben (BFA Anfragebeantwortung 23.01.2017).
In Mogadischu leben Vertreter der meisten Clans und Minderheiten. In Mogadischu kommen Menschen, über Clangrenzen hinweg, zu Arbeits-und Bildungszwecken und im sozialen Umfeld zusammen sowie um zu heiraten. Einige Gruppen von Minderheiten haben eine gut etablierte Gemeinschaft in Mogadischu, und einige haben in den letzten Jahren ihre Geschäfte und Existenzen wiederaufgebaut. Es gibt keine Aufzeichnungen über die Clan- oder Gruppenzugehörigkeit der Einwohner von Mogadischu, aber nach Angaben lokaler Auskunftspersonen sind "die meisten" Clans in der Stadt vertreten ... Außerdem sind Somalias Regierung und Parlament, in dem alle vier großen Clans in Südsomalia (Darod, Dir, Hawiye und Rahanweyne/Digil) sowie Minderheiten repräsentiert sind, in Mogadischu vertreten. Obwohl Mogadischus Bevölkerung weitgehend nach Clan-Zugehörigkeit ... und ihre Loyalität in erster Linie beim eigenen Clan liegt, ist wichtig zu betonen, dass die Menschen in Bezug auf Arbeit, Handel, Schulbildung und andere soziale Rahmenbedingungen über die Clangrenzen hinweg zusammenkommen. Auch Leute aus verschiedenen Clans heiraten (U.K. Jänner 2019).
(U.K. Home Office, Country Policy and Information Note Somalia, Majority clans and minority groups in south and central Somalia, Version 3.0 Jänner 2019,
https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/773526/Somalia_-_Clans_-_CPIN_V3.0e.pdf
SEM, EJPD, Schweizerische Eidgenossenschaft, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, bzw. nunmehr SEM, Staatssekretariat für Migration, Focus Somalia, Clans und Minderheiten, 31.05.2017, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf
Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zur Lage der Gaboye/Midgan, Zahl a-9202-2 (9229), 12.06.2015, http://www.ecoi.net/local_link/309154/448404_de.html
Accord Anfragebeantwortung zu Somalia, Aktuelle Lage von Angehörigen der Madhiban/Midgan, Zahl a-8293, 23.02.2013
Staatendoku, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Somalia, Madhiban in Kismayo, 23.01.2017
EASO, Anfragebeantwortung zur somalischen Kaste der Madhiban, 29.01.2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2002652/SOM_Q3.pdf)
Sicherheitslage
Der Alltag der Menschen vor allem im Süden und in der Mitte Somalias bleibt von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und den sie unterstützenden internationalen Kräften (AMISOM) einerseits und der radikalislamistischen Terrorgruppe
al-Schabaab andererseits geprägt. Mit Waffengewalt ausgetragene Streitigkeiten zwischen rivalisieren Clans oder Sub-Clans kommen hinzu. In den Regionen Puntland und "Somaliland" ist die Lage insgesamt stabiler. In den zwischen Puntland und "Somaliland" umstrittenen Grenzregionen (Regionen Sool und Sanaag sowie im östlichen Teil der Region Togdheer) kam es in jüngerer Zeit wieder verstärkt zu bewaffneten Auseinandersetzungen, insbesondere um den umstrittenen Ort Tukaraq. Spannungen und gelegentliche bewaffnete Zusammenstöße gibt es auch in der Stadt Galkayo an der Südgrenze Puntlands mit Galmudug, die Lage hat sich aber seit der Durchführung gemeinsamer Polizeipatrouillen stark verbessert (AA Innenpolitik Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019).
Für westliche Staatsangehörige besteht in ganz Somalia (dies gilt auch für Somaliland und Puntland) ein sehr hohes Entführungsrisiko, ausländische Staatsangehörige werden auch immer wieder Opfer von Mordanschlägen. Außerordentlich gefährlich ist die Lage in Zentral- und Südsomalia, einschließlich des Großraums Mogadischu, wobei jedoch auch in den anderen Landesteilen wie Puntland (Nordosten) und Somaliland (Norden) mit extremer Unsicherheit, Entführungen sowie Terror- und Selbstmordanschlägen gerechnet werden muss. Im ganzen Land besteht die Gefahr von nicht explodierten Minen und Bomben. Sehr hohe Kriminalität (BMEIA Stand 01.10.2019 abgefragt 13.11.2019).
Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat. Gleichwohl gibt es keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden "Somaliland" (Regionen Awdaal, Wooqoi Galbeed, Toghdeer, Sool, Sanaag) im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al-Schabaab-Miliz in Frage gestellt (AA 04.03.2019).
In den Regionen Lower und Middle Juba, Lower und Middle Shabelle, Gedo, Bay, Bakool, Banaadir und Hiraan kommt es regelmäßig zur Explosion von improvisierten Sprengsätzen. Seit September 2018 wurden mindestens 54 durch Explosionen getötete Zivilisten verzeichnet. Opfer wurden auch bei Zusammenstößen zwischen Soldaten und der al-Schabaab rund um Mogadischu, in der Region Hiraan, in der Region Gedo und in anderen Regionen verzeichnet. Die Taktik der al-Schabaab scheint Recherchen zufolge in Richtung weniger Angriffe auf Regierungsstützpunkte und mehr Angriffe auf Regierungsbüros und Geschäfte, die sich weigern, der al-Schabaab gegenüber Steuern abzuführen, zu gehen. Zudem verwendet die al-Schabaab scheinbar Bombenangriffe als Hauptmethode, um die somalische Regierung und ihrer Verbündeten ins Visier zu nehmen (Accord Sicherheitslage 14.05.2019).
Berichtete Konfliktvorfälle nach Provinzen im dritten Quartal 2018:
XXXX Die Sicherheitslage in Somalia blieb zwischen 23. August und 13. Dezember 2018 volatil. Die al-Schabaab war weiterhin die Hauptbedrohung der Sicherheit im Land. Es gab zudem einen Anstieg der berichteten Aktivitäten von Elementen, die der Gruppe Islamic State of Iraq and the Levant (ISIL) zugerechnet werden, in Mogadischu. In der umstrittenen Region Sool, gab es weiterhin Spannungen in der Stadt Turkaraq und angrenzenden Gebieten, mit sporadischen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften Somalilands und Puntlands. Die höchste Anzahl der terroristischen Zwischenfälle des Jahres 2018 wurden im November berichtet, wobei die meisten Fälle in Mogadischu und in den Regionen Lower Shabelle und Hiraan berichtet wurden. Die al-Schabaab behielt trotz andauernder und intensivierter landesweiter Boden- und Luftangriffe weiterhin operative Stärke und Fähigkeiten. Pro-ISIL-Elemente verstärkten ihre Aktivitäten in und um Mogadischu, obwohl ihre Aktivitäten auf gezielte Tötungen beschränkt blieben. In Puntland waren al-Schabaab und Pro-ISIL-Elemente weiterhin aktiv (Accord Sicherheitslage 14.05.2019).
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In vielen Gebieten der Gliedstaaten Somalias und der Bundeshauptstadt Mogadischu herrscht Bürgerkrieg. In den von al-Schabaab befreiten Gebieten kommt es weiterhin zu Terroranschlägen durch diese islamistische Miliz. Am 14. Oktober 2017 kam es zu einem der verheerendsten Anschläge der Geschichte Somalias mit über 500 Todesopfern und zahlreichen Verletzten. Ein LKW brachte eine Sprengladung in einer belebten Kreuzung in Mogadischu zur Detonation. Die Al-Schabaab Miliz wird hinter dem Anschlag vermutet, hat sich jedoch nicht offiziell dazu bekannt Seitdem hat es wiederholt Anschläge im Stadtgebiet von Mogadischu mit bis zu 40 Todesopfern gegeben (AA 04.03.2019).
Laut Militär der USA sollen 62 Kämpfer der al-Schabaab bei sechs Luftangriffen getötet worden sein (BBC 17.12.2018).
Bei einer Operation US-gestützter somalischer Spezialeinheiten am 13.01.2019 in mehreren Ortschaften außerhalb der Stadt Janaale (Region Lower Shabelle) wurden 85 al-Schabaab-Kämpfer getötet, unter ihnen fünf ausländische Staatsangehörige, so ein somalischer Radiosender. Die ausländischen Kämpfer stammten aus Tansania, Ägypten, Mauretanien, Jemen und Syrien. Al-Schabaab tötete am 18.01.2019 nach eigenen Angaben 57 Soldaten bei einem Angriff auf einen äthiopischen Militärkonvoi nahe der Stadt Burhakaba (Region Bay). Die äthiopische Militärführung machte keine Angaben zur Anzahl der Opfer. Die US-Streitkräfte gaben bekannt, dass bei einem Luftangriff gegen al-Schabaab am 19.01.2019 nahe Jilib (Region Middle Juba) 52 Extremisten ums Leben gekommen seien. Die Operation soll nach Angriffen der al-Schabaab auf zwei Stützpunkte der somalischen Armee erfolgt sein, bei denen laut al-Schabaab mindestens 41 somalische Soldaten das Leben verloren (BAMF 21.01.2019).
Mutmaßliche al-Schabaab-Kämpfer ermordeten am 30.01.2019 einen Gemeindeältesten in Afgoye (Region Lower Shabelle). Das Opfer hatte an der Auswahl der Delegierten für die Parlamentswahl 2016/2017 teilgenommen. Mutmaßliche al-Schabaab-Kämpfer feuerten am 28.01.2019 Granaten auf einen Kontrollpunkt der Sicherheitskräfte in Jowhar (Region Middle Shabelle). Die Anzahl der Opfer ist nicht bekannt. AFRICOM tötete bei einem Luftangriff am 30.01.2019 in der Nähe der Ortschaft Shebeeley bei Beled Weyne (Region Hiraan) 24 Extremisten (BAMF 04.02.2019).
Ein al-Schabaab-Extremist ermordete in Boosaaso am 04.02.2019 einen italienischen Staatsangehörigen, der für die emiratische Gesellschaft DP World in der Verwaltung des Hafens von Boosaaso arbeitete. DP World hatte im Jahr 2017 einen Vertrag über 30 Jahre für die Verwaltung und Entwicklung des Hafens von Boosaaso erhalten. Dagegen hatten damals zahlreiche Einwohner der Stadt protestiert. Al-Schabaab-Angehörige ermordeten nahe der Ortschaft Dhanaane (Region Lower Shabelle) am 05.02.2019 zwei hochrangige Offiziere der somalischen Armee mit einer Sprengfalle. Am 04.02.2019 sollen bei einer Operation der somalischen Armee nahe dem Dorf Farsooley (Region Lower Shabelle) 40 al-Schabaab-Kämpfer getötet worden sein. Sechs Soldaten starben am 06.02.2019 bei einem Angriff der al-Schabaab auf einen Stützpunkt von somalischem Militär und Sicherheitskräften Jubalands in der Region Lower Juba. Bei einer US-gestützen Boden- und Luftoffensive des somalischen Militärs gegen al-Schabaab nahe Barire (Region Lower Shabelle) sollen am 07.02.2019 zehn Extremisten getötet worden sein. United States Africa Command (AFRICOM) unternahm mehrere Luftangriffe. Für einen Angriff am 05.02.2019 nahe Leego (Region Bay) wurden keine Opferzahlen bekanntgegeben. Bei Angriffen am 06.02.2019 nahe Gendershe (Region Lower Shabelle) und 07.02.2019 nahe Barire (Region Lower Shabelle) wurden elf bzw. vier Extremisten getötet. Ein weiterer Luftangriff am 08.02.2019 nahe Kismayo (Region Lower Juba) tötete acht al-Schabaab-Kämpfer (BAMF 11.02.2019).
Bei zwei Luftangriffen des United States Africa Command (AFRICOM) nahe der Stadt Janaale (Region Lower Shabelle) am 11.02.2019 wurden nach Angaben von U.S.-Angaben elf bzw. vier Extremisten getötet. Zivilisten sollen entgegen anderslautender Behauptungen der al-Schabaab nicht zu Schaden gekommen sein. Einheiten des somalischen Militärs und Sicherheitskräfte des Bundesstaates Jubaland griffen am 12.02.2019 Stützpunkte der al-Schabaab nahe der Stadt Jamame (Region Lower Juba) an. Flugzeuge unbekannter Herkunft unternahmen am 14.02.2019 nahe der Stadt El Adde (Region Gedo) einen Luftangriff, bei dem mindestens 13 al-Schabaab-Angehörige ums Leben gekommen sein sollen. Bei einem Angriff der al-Schabaab auf die Baledogle Airbase nahe Wanlaweyne (Region Lower Shabelle) kamen nach Angaben der Extremisten drei U.S.-Soldaten ums Leben. AFRICOM bestritt dies. Puntländische Sicherheitskräfte nahmen im Rahmen einer Operation gegen den IS nordöstlich der Stadt Boosaaso am 11.02.2019 mehrere Personen fest, die sich dem IS anschließen wollten (BAMF 18.02.2019).
Eine Explosion von zwei Sprengfallen der al-Schabaab am 20.02.2019 zerstörte in Bardheere (Region Gedo) den gepanzerten Mannschaftswagen einer äthiopischen AMISOM-Patrouille. Die Anzahl der Opfer ist unbekannt. Al-Schabaab behauptete, am 21.02.2019 am Stadtrand von Afgoye (Region Lower Shabelle) somalische und amerikanische Soldaten eines Konvois mit einer Autobombe getötet zu haben. Der Angriff wurde nicht bestätigt. Am 21.02.2019 griffen al-Schabaab-Kämpfer nahe Balad (Region Middle Shabelle) einen Stützpunkt der somalischen Armee an. Es kam zu Verlusten auf beiden Seiten. Die Extremisten behaupteten, große Teile der Stadt erobert zu haben. Nach Berichten örtlicher Medien soll dies nicht zutreffen. Am 21.02.2019 kehrten 200 burundische AMISOM-Soldaten in ihre Heimat zurück. Forderungen der Afrikanischen Union (AU), Burundi solle 1.000 Soldaten seines etwa 5.400 Mann starken Kontingents bis Ende Februar aus Somalia abziehen, will die burundische Regierung nicht nachkommen. Sie droht mit einem Abzug all ihrer Soldaten, falls die AU auf der Forderung bestehe. Burundi stellt ca. ein Viertel der AMISOM-Soldaten und damit nach Uganda das zweitgrößte Kontingent. Im bisherigen Verlauf des Einsatzes verloren 800 bis 1.000 burundische Soldaten ihr Leben. Präsident Pierre Nkurunziza und Somalias Präsident Mohamed Abdullahi Farmajo forderten nach einem Treffen eine Dringlichkeitssitzung der AU zur Frage des Truppenabzugs. Die Beteiligung an AMISOM bedeutet eine Einkommensquelle in harter Währung für Burundi. Die AU bezahlt für das Kontingent rund 18 Mio. USD pro Quartal (BAMF 25.02.2019).
Am 25.02.2019 wurden neun Straßenreiniger am Stadtrand von Afgoye (Region Lower Shabelle) erschossen. Dieser Vorfall wird der al-Schabaab ebenso zugerechnet wie die Ermordung von zwei Zivilisten am 27.02.2019 in einem Internetcafé im Bezirk Bondhere von Mogadischu. Das Afrikakommando der USA (U.S. AFRICOM) unternahm am 23.02.2019 Luftangriffe auf Stützpunkte der al-Schabaab in der Ortschaft Qunyow Barrow (Region Middle Juba) nahe der Stadt Awdheegle (Region Lower Shabelle) sowie in der Stadt Janaale (Region Lower Shabelle). Zwei Extremisten sollen bei diesen Angriffen ums Leben gekommen sein. Bei weiteren Luftschlägen von AFRICOM auf Stellungen und Ausbildungslager der al-Schabaab wurden am 24.02.2019 nahe Beledweyne (Region Hiraan) 35 Extremisten, am 25.02.2019 nahe der Ortschaft Shebeeley (Region Hiraan) 20 sowie am 28.02.2019 ebenfalls in der Region Hiraan 26 Extremisten getötet. Al-Schabaab-Kämpfer überfielen am 27.02.2019 einen Stützpunkt der AMISOM nahe der Stadt Qoryoley (Region Lower Shabelle). Bei dem sich anschließenden Gefecht wurden mindestens drei somalische Soldaten verletzt (BAMF 04.03.2019).
Al-Schabaab behauptet, mehrere Gebiete in der Nähe der Stadt Bal'ad in der Region Middle Shabelle, nördlich von Mogadischu, erobert zu haben, nachdem sich die Somalische Nationalarmee (SNA) aus den Gebieten zurückgezogen hatte. Berichten zufolge haben die SNA-Kräfte ihre Positionen aus Streit um Lohnzahlungen aufgegeben (BAMF 01.04.2019).
Al-Schabaab-Kämpfer griffen am 31.03.2019 in der Stadt Qoryoley in der Region Lower Shabelle die somalischen Streitkräfte (SNA) und AMISOM an. Der Angriff konnte nach schweren Auseinandersetzungen abgewehrt werden. In letzter Zeit wurde zusätzlich von Kämpfen zwischen al-Schabaab und SNA/AMISOM in den Regionen Gedo und Lower and Middle Juba berichtet. Berichten zufolge schossen somalische Regierungskräfte am 04.04.2019 auf einen Bus mit Zivilisten in Ugunji in der Region Lower Shabelle. Eine Person wurde dabei getötet und sechs weitere Personen verletzt. Das United States Africa Command (US AFRICOM) erklärte am 05.04.2019, dass bei einem AFRICOM-Luftangriff am 01.04.2018 in Elbur, Region Galgudud, zwei somalische Zivilisten sowie vier al-Schabaab Kämpfer unbeabsichtigt getötet worden seien. Die Aussage erfolgte, nachdem Amnesty International im März 2019 behauptete, dass allein fünf der mehr als hundert US-Luftangriffe in Somalia seit 2017 mindestens 14 Zivilisten getötet hätten. Der Luft