TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/15 W142 2128837-1

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Veröffentlicht am 15.11.2019
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Entscheidungsdatum

15.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W142 2128837-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.06.2016, Zl. 1053894905-150279369, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.06.2019 zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG

2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetz die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der volljährige Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger von Afghanistan und stellte am 18.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei seiner Erstbefragung gab der BF an, er sei Hazara und habe sein Heimatland deshalb verlassen, weil sein Vater mit zwei Männern, die Regierungsmitglieder gewesen seien, verlassen habe. Diese Männer hätten seine Familie bedroht. Es dürfte um ein Grundstück gegangen sein. Da seine Familie Angst um sein Leben gehabt habe, habe die Familie beschlossen, dass er das Land verlassen solle.

3. Am 25.05.2016 wurde der BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich in der Sprache Dari einvernommen. Der BF wiederholte die Bedrohung und Verfolgung durch die zwei Männer.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 06.06.2016 wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde der Antrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde dem BF unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. In Spruchpunkt IV. wurde festgehalten, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Das Bundesamt stellte fest, dass der BF afghanischer Staatsangehöriger sei, sich zum muslimischen Glauben bekenne und der Volksgruppe der Hazara angehöre. Er stamme aus der Provinz Ghor. Er leide an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten. Eine Verfolgung in seinem Heimatland habe er nicht glaubhaft machen können. Es liege in seinem Fall eine Gefährdungslage in Bezug auf seine unmittelbare Heimatprovinz, nicht aber in Afghanistan allgemein vor. Es liege eine innerstaatliche Fluchtalternative vor. Er könne seinen Lebensunterhalt in Kabul bestreiten.

5. Gegen den Bescheid des BFA richtet sich die vollumfängliche Beschwerde.

6. Im Wege einer Beschwerdeergänzung wurde am 24.05.2019 eine Taufurkunde vom XXXX , ein Schreiben vom Bund der Baptistengemeinden in Österreich über die Mitgliedschaft des Beschwerdeführers, B1 Zeugnis vom ÖIF vom 27.09.2018, ÖSD Zertifikat vom 29.06.2017, Zeugnis über die Pflichtschulabschluss-Prüfung vom 14.12.2017, Schreiben über ehrenamtliches Engagement, Teilnahmebestätigungen zu diversen Kursen, Schreiben der Maturaschule Dr. Roland vom 21.05.2019 an das erkennende Gericht übermittelt. Der Beschwerdeführer hat bei seiner Taufe den christlichen Vornamen Daniel gewählt, sodass er auf den Namen Daniel XXXX getauft wurde. Weiters wurde ergänzend darauf hingewiesen, dass sich der Beschwerdeführer mit dem Christentum beschäftigt und regelmäßig Gottesdienste sowie Veranstaltungen in der Gemeinde besucht hat. Die Einvernahme von Zeugen, einem Pastoralassistenten und dem Gemeindeältesten wurde beantragt.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 11.06.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprachen Farsi, Dari sowie Paschtu und im Beisein des Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt entschuldigt nicht teilnahm. Im Rahmen dieser Verhandlung wurden drei Zeugen, darunter der Pastoralassistent, einvernommen.

Entscheidungswesentlich gaben der BF und die Zeugen wie folgt an:

[...]

R: Ihre Vertreterin hat im Mai eine Taufurkunde vom XXXX vorgelegt. Was hat Sie dazu bewogen, sich taufen zu lassen?

BF (auf Deutsch): Ich bin mir sicher geworden, dass Jesus Christus Gott ist und auf dem Kreuz gestorben und wieder auferstanden ist.

R: Wie kommt es zu dieser anderen Glaubensrichtung? Wie sind Sie dazu gekommen?

BF (auf Deutsch): Jesus Christus habe ich in Griechenland kennengelernt. Dort hat mir ein Freund eine Bibel auf Persisch geschenkt. Die Bibel habe ich durchgelesen und das war für mich sehr sehr interessant. Als ich dann nach Österreich gekommen bin, habe ich hier einen Freund im Asylheim Erdberg kennengelernt. Ich wusste damals nicht, dass er Christ ist. Ich bin in die Steiermark übersiedelt, dann bin ich wieder nach Niederösterreich übersiedelt und habe dann durch einen gemeinsamen Freund wieder meinen Freund, den Christen, getroffen. An einem Freitag wollte er zur Baptistengemeinde gehen. Ich habe ihn gefragt, wo er hingeht und er hat mir seine Geschichte erzählt, dass er schon lange Christ in dieser Baptistengemeine ist. Ich habe ihn gefragt, ob ich ihn begleiten darf und er hat mich zur Baptistengemeinde mitgenommen. Das ist eine Baptistengemeinde im XXXX .

R: Wann waren Sie das erste Mal bei dieser Baptistengemeinde?

BF (auf Deutsch): Das war im März 2018.

R: Haben Sie dann regelmäßig die Gottesdienste besucht?

BF (auf Deutsch): Nachdem mein Freund mich mitgenommen hat, habe ich mit XXXX , einem Iraner, zwei Monate lang Bibelunterricht gehabt. In diesen 2 Monaten hat XXXX mich wirklich gut gelehrt und erzählt, wer Jesus Christus ist und dass er Gott ist. In diesen 2 Monaten bin ich mir sicher geworden und geglaubt, dass Jesus Christus Gott ist und auf dem Kreuz gestorben und wieder auferstanden ist.

R: Welches Gebet beten Sie, wenn Sie mit der Baptistengemeinde zusammen sind?

BF (auf Deutsch): Wir beten immer auf Persisch. Wir beten alles.

R: Ich bitte Sie, mir ein Gebet aufzuschreiben.

BF liest von seinen handschriftlichen Notizen vor: Vater im Himmel, dein Name ist heilig, dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden, gib uns unser tägliches Brot, vergibt uns unsere Sünden, so vergeben wir uns auch unsere Sünden, leite uns von den Bösen Gedanken ab, Gott gibt es für immer.

BF legt seine Farsi-Notizen vor, diese werden als Beilage A zum Akt genommen.

R: Was gefällt Ihnen an Ihrem neuen Glauben?

BF (auf Deutsch): Es gefällt mir sehr schön, dass ich im Christentum bis zum Ende meines Lebens ohne Sünde leben kann. Weil der Jesus Christus mir das geschenkt hat oder gegeben hat.

R: Was ist der Unterschied zum Islam?

BF (auf Deutsch): Damals als ich im Islam war, habe ich immer das Gefühl gehabt, dass ich immer sündig bin. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich in der Hölle landen werde.

R: Warum sollten Sie in der Hölle landen?

BF (auf Deutsch): Weil es im Islam so ist. Die Personen werden durch ihre Taten gemessen. Wenn ich etwas gut mache, komme ich ins Paradies und wenn ich etwas schlecht mache, komme ich in die Hölle. Aber das glaube ich nicht. Wir werden durch unseren Glauben gerettet und gemessen, nicht durch unsere Taten.

R: Können Sie die 10 Gebote nennen?

BF: Ja. Es gibt keinen anderen Gott. Bete nicht die Götzen an. Verschmutze nicht Gottes Namen und lüge nicht. Keinen falschen Schwur leisten. Sabbat einhalten. Eltern respektieren. Nicht töten. Nicht lügen. Nicht sündigen. Nicht stehlen. Sehne dich nicht nach dem Hab und Gut deines Nachbarn und sehe deinen Nachbarn nicht mit schmutzigen Augen an.

R: Können Sie mir den Ablauf Ihrer Taufe beschreiben?

BF (auf Deutsch): Das war am XXXX um 14:00 Uhr. Am Anfang haben wir ein paar Lieder gesungen, das waren 3 Lieder auf Persisch und 2-3 Lieder auf Deutsch und auch auf Englisch.

R: Können Sie mir den Namen dieser Lieder nennen?

BF (auf Deutsch): Jesus Christus ist unser Gott, das war ein Lied auf Persisch. Die anderen Lieder weiß ich jetzt nicht genau, wie die heißen.

R: Was war der Inhalt dieser Lieder?

BF (auf Deutsch): Es ging um Jesus Christus, dass er groß ist und dass er mächtig ist. Es ging alles um Jesus Christus.

R: Wie ging es dann weiter? Welche Kleidung hatten Sie an?

BF: Ich hatte ein weißes Hemd an. Nach diesen Liedern, hat der Pastor mit uns gesprochen.

R: Wie hieß dieser Pastor?

BF (auf Deutsch): Er heißt XXXX .

R: Was hat er mit Ihnen gesprochen?

BF (auf Deutsch): Er hat uns einen Vers aus der Bibel vorgelesen.

R: Können Sie sich erinnern, um welchen Vers es sich gehandelt hat?

BF (auf Deutsch): Nein, das weiß ich jetzt nicht.

R: Was ist dann passiert?

BF: Dann wollte er, dass die Täuflinge zu ihm vorkommen und dass wir uns vorstellen. Sollten die anderen sehen und bezeugen, dass wir Christ werden. Danach hat er uns 3 Fragen gestellt und wir haben diese Fragen beantwortet.

R: Welche Fragen waren das?

BF: Glaubst du daran, dass Jesus Christus für dich gekreuzigt wurde und wieder auferstanden ist? Willst du dein weiteres Leben lang Jesus Christus folgen? Willst du in der Zukunft deines Lebens Mitglied dieser Baptistengemeinde sein?

R: Wie viele Täuflinge waren dort?

BF: Wir waren zu 8.

R: Haben Sie die anderen Täuflinge gekannt? Wenn ja, können Sie mir Namen nennen?

BF: Die Namen weiß ich nicht, eine hieß XXXX sie ist Iranerin, XXXX ist auch ein Iraner. Der Sohn von XXXX , den Namen weiß ich nicht. XXXX , er war Afghane. XXXX ist auch Iranerin. Die restlichen Namen habe ich mir nicht gemerkt.

R: Was ist bei dieser Taufe weiter passiert?

BF (auf Deutsch): Danach hat XXXX uns wieder auf unsere Sitzplätze verwiesen. XXXX und XXXX haben mich dann getauft. XXXX sitzt im Wartesaal. Danach hat XXXX (BF zeigt auf Dame auf den Zuschauerplätzen) uns ein Geschenk gegeben.

R: Welche Geschenke haben Sie bekommen?

BF (auf Deutsch): Eine Kerze und Salz.

R: Haben Sie Fotos von der Taufe?

BF (auf Deutsch): Ich nicht, wir durften alle nicht fotografieren. Nur eine Person durfte fotografieren.

R: Was würde Ihnen passieren, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?

BF (auf Deutsch): Afghanistan ist ein islamisches Land. In einem islamischen Land müssen alle die islamischen Gesetze befolgen. Ich glaube nicht daran, weil ich Christ bin. Wenn jemand in Afghanistan seinen Glauben wechselt, wird er getötet. Er bekommt die Todesstrafe.

R: Wissen Ihre Familienangehörigen, dass Sie jetzt Christ sind?

BF (auf Deutsch): Nein, ich habe es ihnen noch nicht erzählt. Es ist sehr schwer ihnen so etwas telefonisch zu erzählen. Meine Mutter ist sehr alt, sie würde es nur schwer akzeptieren.

R: Ist Ihre Familie streng islamisch?

BF (auf Deutsch): Ja.

R: Haben Sie Verwandte in Europa?

BF (auf Deutsch): Nein.

R: Kennen Sie ein paar christliche Feiertage?

BF (auf Deutsch): Ja, am 25. Dezember ist der Geburtstag von Jesus. Danach ist Karfreitag, das ist der Tag, an dem Jesus auf dem Kreuz gestorben ist. Zwei Tage später ist Ostersonntag, der Tag an dem Jesus Christus wieder von den Toten auferstanden ist. 40 Tage später ist Christi Himmelfahrt und 10 Tage später ist Pfingsten. Die Adventszeit gibt es auch, 4 Wochen vor Weihnachten.

R: Arbeiten Sie zurzeit?

BF (auf Deutsch): Ja, ich arbeite manchmal in der Gemeinde und manchmal auch im Verein "Fremde werden Freunde" und "Play together now".

R: Sie wollen die Matura machen?

BF (auf Deutsch): Nein, ich habe dort, bei Dr. Roland, einen Deutschkurs besucht. Dort habe ich XXXX und XXXX kennengelernt (BF zeigt auf die beiden anwesenden Personen in der Zuschauergruppe). Danach habe ich auch den Pflichtschulabschluss absolviert und die Prüfung Deutsch B1 habe ich auch schon gemacht.

R: Was wollen Sie in Österreich arbeiten, wenn Sie hierbleiben können?

BF (auf Deutsch): Ich möchte als Koch arbeiten. Bei "play together now" mache ich monatlich bei einem Kochevent mit. Da kochen wir zusammen und essen auch gemeinsam. Ich koche auch immer gerne zu Hause und kann eigentlich gut kochen. Deswegen möchte ich als Koch arbeiten.

R: Haben Sie sich schon erkundigt, wie man hier in Österreich Koch werden kann?

BF (auf Deutsch): Nachdem ich meinen Pflichtschulabschluss hatte, habe ich versucht eine Lehrstelle als Koch zu bekommen, aber leider war es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich als Asylwerber eine Lehrstelle zu bekommen. Das war im Februar oder März 2018.

R: Was haben Sie dann gemacht, als Sie keine Lehrstelle bekommen haben?

BF (auf Deutsch): Ich habe weiter versucht eine Lehrstelle zu bekommen, auch in Wien beim Team4-Projekt, aber das ist leider nicht gegangen.

R: Wo möchten Sie als Koch arbeiten?

BF (auf Deutsch): Keine Ahnung, in Wien. Das Lokal ist mir nicht so wichtig. Hauptsache ich bekomme eine Stelle.

Die BFV legt ein Konvolut an Integrationspapieren vor, diese werden als Beilage B zum Akt genommen.

BFV: Keine Fragen.

Beginn Einvernahme Z2 um 10:22 Uhr

R: Waren Sie bei der Taufe des BF anwesend?

Z2: Ja.

R: Kennen Sie den BF schon längere Zeit?

Z2: Ja, ich kenne ihn seitdem er bei Dr. Roland in der Flüchtlingsklasse war. Viele Kollegen haben die Flüchtlinge in Deutsch unterrichtet und ich war eine davon.

R: Wie würden Sie den BF beschreiben?

Z2: Er ist in der Klasse gleich als jemand aufgefallen, der sehr aufmerksam und intelligent war. Er hat sich aber auch um seine Mitschüler gekümmert und sie beim Lernen unterstützt. Er war für uns Lehrer als Vermittler sehr wichtig, weil er ein guter Ansprechpartner war und immer hellwach, also aufmerksam, war. Er ist allem was hier passiert sehr aufgeschlossen gegenüber. Er hat auch bei einem Schachturnier, welches wir organisiert haben, mitgespielt. Früher waren im Alten AKH Wien öfters Schachturniere, an denen er teilgenommen hat, aber die Fahrt nach Wien ist oft zu schwierig, weil der BF aus Wiener Neustadt kommt. Er versucht sich immer nützlich zu machen. Dass mit dem Kochen finde ich eine tolle Idee, weil er sehr gut kochen kann. Er hat auch schon bei uns zu Hause gekocht. Er hilft, wo er kann, er hat auch einer Nachbarin bei der Gartengestaltung geholfen. Er hasst nichts mehr, als nichts zu tun. Wir haben auch versucht andere Stellen bei anderen Berufsbranchen zu finden, z.B. auf Baustellen. Eine Baufirma in Brunn am Gebirge hätte den BF sofort eingestellt, aber da er Asylwerber ist, darf er nicht arbeiten.

Einvernahme der Z2 um 10:27 Uhr beendet.

Beginn Einvernahme Z3 um 10:28 Uhr

R: Woher kennen Sie den BF?

Z3: Aus der Schule Dr. Roland. Mir ist gleich aufgefallen, dass er besser Deutsch konnte, als die anderen Teilnehmer. Gemeinsam mit einem Freund, ich glaube XXXX , hat er für uns als Übersetzer gearbeitet. Einige aus Afghanistan waren nämlich Analphabeten.

R: Wie schätzen Sie den BF als Mensch ein?

Z3: Ich schätze ihn sehr sympathisch ein. Wir haben letztes Jahr eine Bootsfahrt auf der Alten Donau gemacht, da habe ich erfahren, dass er nicht schwimmen kann. Er macht jetzt einen Schwimmkurs und hat noch 2 Einheiten vor sich. Dieses Jahr wollen wir unbedingt in der Alten Donau schwimmen gehen.

R: Das heißt, Sie verbringen auch Ihre Freizeit mit dem BF?

Z3: Alle 2 Wochen treffen wir uns, wir machen Ausflüge.

R: Würden Sie ihn auch dabei unterstützen, eine Lehrstelle als Koch zu finden?

Z3: Ja, unbedingt. Ich habe einen Neffen, der in Kärnten lebt und dort ein Hotel und Gasthof hat. Diese suchen dringend Leute, z.B. auch als Küchenhilfen. Sie haben auch einen Asylwerber beschäftigt, aber der Aufenthaltsstatus dieses Asylwerbers ist ungewiss. Mein Neffe nimmt auch Asylwerber bzw. Flüchtlinge als Arbeitsgehilfen auf.

R: Wollen Sie noch etwas ergänzen?

Z3: Nein, ich habe auch ein Empfehlungsschreiben vorgelegt.

Einvernahme des Z3 um 10:34 Uhr beendet.

Beginn Einvernahme Z1 um 10:35 Uhr

R: Sie sind Pastor?

Z1: Genau, in der Baptistenprojektgemeinde. Ich bin Projektleiter für die Integration von Flüchtlingen.

R: Haben Sie den BF getauft?

Z1: Ja genau, dieses Jahr.

R: Wo und wann haben Sie den BF kennengelernt?

Z1: In der Projektgemeinde, vor etwa einem Jahr.

R: Glauben Sie, dass der BF innerlich vom christlichen Glauben überzeugt ist?

Z1: Ja, wir haben auch einen Glaubens- und einen Taufkurs. Er hat ein Jahr lang den Glaubenskurs besucht. Ich kann persönlich sagen, dass er ein Teil unserer Gemeinde ist. Er ist ein Bruder und meint es ernst mit dem christlichen Glauben. Ich denke, dass er innerlich vom christlichen Glauben überzeugt ist. In unserer Gemeinde ist es wie in einer Gemeinschaft. Wir essen gemeinsam, wir haben Gottesdienste auf verschiedenen Sprachen, beispielsweise auf Farsi, Spanisch und Deutsch.

R: Wer wird getauft?

Z1: Personen, die ein Zeugnis abgeben, dass sie an Jesus glauben und diesem folgen. Gleichzeitig, dass er Teil der Gemeinde ist. Wir haben einen Glaubenskurs für Geschwister die ursprünglich einen anderen Religionshintergrund hatten und Teil des Leib Christis werden wollen. Wir nehmen den Glaubenskurs und den Taufkurs sehr ernst. Glauben und Leben gehört zusammen, wir sind eine Gemeinschaft, die im Leben zusammenhält. Wir glauben an die Freiheit der Religionen.

R: Besucht der BF regelmäßig die Gottesdienste?

Z1: Er wohnt nicht in Wien, wir haben ihn im letzten Jahr teilweise mit den Fahrkarten unterstützt. Er nimmt den Unterricht sehr ernst, er möchte am Glaubenskurs teilnehmen und nicht nur an den Gottesdiensten. Er ist am Freitag gekommen und ist bis Sonntag bei Freunden geblieben, damit er beim Unterricht und bei den Feiern über das Wochenende anwesend sein kann.

[...]

Abschließend wurden in der Verhandlung das LIB der Staatendokumentation Afghanistan (Stand 01.03.2019); die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2019; US Department of State Bericht vom 13.03.2019; der Human Rights Wacht Bericht, Afghanistan World Report 2019 vom 17.01.2019 und der Country Report on Human Rights Practices 2018, Afghanistan; Stand 13.03.2019 erörtert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und der Volksgruppe der Hazara zugehörig, wurde am XXXX getauft und gehört seither der Baptistengemeinde XXXX an, deren farsisprachigen Glaubenskurse und Gottesdienste er regelmäßig besucht. Bei seiner Taufe hat er den christlichen Vornamen Daniel gewählt.

Es kann davon ausgegangen werden, dass sich der Beschwerdeführer aus freier persönlicher Überzeugung vom islamischen Glauben zum Christentum hingewendet hat und dass dieser Schritt von Ernsthaftigkeit und NachhaItigkeit getragen zu sein scheint. Es ist nicht anzunehmen, dass er diesen christlichen Glauben verleugnen würde.

Der Beschwerdeführer wäre in Afghanistan aufgrund seiner Religion, sowohl von staatlicher als auch von privater Seite einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt, da die Konversion zum Christentum in Afghanistan als Akt der Abtrünnigkeit sowie als Verbrechen gegen den Islam gesehen wird und sogar mit dem Tod bestraft werden könnte.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Situation der Konvertiten in Afghanistan:

Konversion wird als Apostasie betrachtet und mit dem Tode bestraft.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 3. September 2013, S. 19)

Ein Konvertit kann den Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion innerhalb von drei Tagen widerrufen, andernfalls kann ihm Tod durch Steinigung drohen, er kann enteignet und seine Ehe annulliert werden.

(International Religious Freedom Report 2012 des U.S. Department of State vom 20. Mai 2013)

Konvertiten riskieren ferner, von ihren eigenen Familien und Gemeinschaften zurückgewiesen zu werden und ihre Arbeit zu verlieren. Wer vom Islam zum Christentum konvertiert, ist außerdem durch die Taliban gefährdet, die jeden mit dem Tode bedrohen, der sich zum Christentum bekehren lässt. Personen, die vermeintlich versuchen, andere zu einer Konversion zu bewegen, sind ebenfalls gefährdet, verhaftet und inhaftiert zu werden.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013)

Dort, wo Apostasie nicht vor Gericht verhandelt wird - und das scheint die Mehrheit der Fälle zu sein -, erleidet der Konvertit häufig Verfolgung durch die eigene Familie und Gesellschaft, manchmal sogar den Tod durch Verwandte, die die Schande des Abfalls von der Familie abwaschen möchten. Konvertiten müssen damit rechnen, beschimpft und bloßgestellt oder geschlagen zu werden, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, ins Gefängnis zu kommen oder auch umgebracht zu werden.

(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13. Februar 2012)

Ein afghanischer Angestellter des IKRK wurde am 31. Mai 2010 infolge einer Fernsehreportage über afghanische Christen verhaftet und später der Apostasie angeklagt; aufgrund des Drucks der internationalen Gemeinschaft wurde der Konvertit von den afghanischen Behörden entlassen, woraufhin er das Land mit unbekanntem Ziel verließ.

(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13. Februar 2012)

2. Beweiswürdigung:

Die Länderfeststellungen gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Der Beschwerdeführer ist den Länderberichten inhaltlich nicht entgegengetreten. Aus den vorgelegten Beweismitteln ergibt sich, dass der Beschwerdeführer ein fortgesetztes Interesse und einen Willen zur Ausübung des christlichen Glaubens hat. Angesichts der Aussagekraft der vorgelegten unbedenklichen Beweismittel ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthalts in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung vom Islam zum Christentum konvertiert und die Konversion nicht bloß zum Schein erfolgt ist: Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die den Verdacht einer Schein-Konversion aufkommen lassen würden. Die aktive Teilnahme des Beschwerdeführers am Gemeindeleben und seine Taufe wurden durch die vorgelegten schriftlichen Beweismittel bestätigt (vgl dazu Taufzeugnis vom XXXX und schriftliche Bestätigung). Im Hinblick auf seine Religionsausübung sind auch keine sonstigen Indizien für eine wahrheitswidrige Darstellung hervorgekommen. Der Beschwerdeführer ist faktisch und für Dritte wahrnehmbar zum christlichen Glauben konvertiert. Dafür, dass dies auch von innerer Überzeugung getragen ist, sprechen insbesondere die schriftliche Bestätigung und Zeugenaussage des Pastoralassistenten, welche den Besuch kirchlicher Gottesdienste, Bibelstunden und der Taufvorbereitung und Taufe belegen. Auf Grund der Lebensumstände des Beschwerdeführers kann davon ausgegangen werden, dass die Tatsache der Konversion zum Christentum über das persönliche Umfeld des Beschwerdeführers hinaus bekannt geworden ist. Dass der Beschwerdeführer auch nach der Taufe regelmäßig an Gottesdiensten und Bibelrunden teilnimmt wurde glaubhaft bezeugt und bestätigt.

Nach Ansicht des erkennenden Senates besteht kein Grund, insgesamt an der Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers in Bezug auf seine Konversion zum Christentum zu zweifeln.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA. Somit ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Zu A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht. Der Antrag auf internationalen Schutz ist gem. § 3 Abs. 3 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative offen steht (Ziffer 1) oder der Fremde einen Asylausschlussgrund gesetzt hat (Ziffer 2).

Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z. B. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt daher nur dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einen in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn die Asylentscheidung erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318 und vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Bei der Beurteilung, ob die Furcht "wohlbegründet" ist, kommt es nicht auf den subjektiven Angstzustand des Asylwerbers an, sondern es ist vielmehr zu prüfen, ob die Furcht objektiv nachvollziehbar ist, ob also die normative Maßfigur in derselben Situation wie der Asylwerber ebenfalls Furcht empfinden würde. Das UNHCR-Handbuch spricht davon, dass nicht nur die seelische Verfassung der entsprechenden Person über ihre Flüchtlingseigenschaft entscheidet, sondern dass diese seelische Verfassung durch objektive Tatsachen begründet sein muss. Dies wird regelmäßig dann der Fall sein, wenn die Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht, wenn substantielle Gründe für das Vorliegen der Gefahr sprechen. Erst dann kann vom Bestehen einer "Verfolgungsgefahr" ausgegangen werden (vgl. Frank/Anerinhof/Filzwieser, AsylG 2005, Asylgesetz 2005 idF Asylgerichtshofgesetz 2008, 5. Auflage, K7 und K8 zu § 3 AsylG; Seite 66). In diesem Sinne ergibt sich auch aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine "Verfolgungsgefahr" dann anzunehmen ist, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Verfolgung muss konkret dem Asylwerber drohen - nicht etwa einem Verwandten oder Bekannten. Nur wenn auch diesbezüglich die erforderliche Wahrscheinlichkeit vorliegt, ist die Furcht objektiv begründet (vgl. Frank/Anerinhof/Filzwieser, AsylG 2005, Asylgesetz 2005 idF Asylgerichtshofgesetz 2008, 5. Auflage, K13 zu § 3 AsylG; Seite 67). Damit die Verfolgung asylrelevant ist, muss sie in einem kausalen Zusammenhang zu einem Konventionsgrund (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) stehen, wobei der Konventionsgrund ein wesentlicher Faktor für die Verfolgung sein, jedoch nicht als einziger oder beherrschender Faktor vorliegen muss (vgl. dazu Putzer - Rohrböck, Asylrecht, Leitfaden zur neuen Rechtslage nach dem AsylG 2005, Wien 2007, Rz 72).

Es ist dem Beschwerdeführer gelungen, drohende Verfolgung glaubhaft zu machen: Aus den Feststellungen ergibt sich, dass er als Konvertit Verfolgung durch afghanische Behörden, aber auch durch andere Personen (Geistliche, Familienangehörige etc.) fürchten muss, wenn sein Abfall vom Islam und seine Konversion zum Christentum bekannt werden. Damit ist aber jedenfalls zu rechnen, zumal auch bereits Beweise vorliegen (Taufurkunde, erkennbarer Besuch von Veranstaltungen in der Gemeinde), die unschwer nach Afghanistan gelangen könnten. Es ist ferner davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer sich auch in Afghanistan dem christlichen Glauben entsprechend zu verhalten und darüber zu sprechen beabsichtigt. Die Ernsthaftigkeit dieser Absicht ist den Feststellungen zugrunde gelegt worden.

Gemäß den Länderfeststellungen haben Konvertiten in Afghanistan mit sozialer Ausgrenzung und Gewalt (insbesondere) durch Familien- und Gemeinschaftsangehörige und durch die Taliban sowie mit strafrechtlicher Verfolgung bis hin zur Todesstrafe zu rechnen.

Diese Verfolgung, die der Beschwerdeführer zu befürchten hat, wurzelt in einem der in der GFK genannten Gründe, nämlich in seiner Religion. Sie ist auch nicht etwa auf einen bestimmten Landesteil beschränkt, da ihm die Entdeckung als Christ überall droht. Eine inländische Fluchtalternative kommt daher für den Beschwerdeführer nicht in Frage.

Nach den Feststellungen zu Afghanistan kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer ausreichender staatlicher Schutz zuteil würde, weil die Verfolgung auch von staatlichen Stellen ausgehen kann und die Behörden daher jedenfalls nicht als schutzwillig anzusehen sind.

Zusammenfassend ergibt sich, dass sich der Beschwerdeführer aus wohl begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Religion außerhalb Afghanistans aufhält und dass auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz am 18.03.2015 und damit vor dem 15.11.2015 gestellt wurde; die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 ("Asyl auf Zeit") finden daher gemäß § 75 Abs. 24 leg.cit. im vorliegenden Fall keine Anwendung.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, gesamtes Staatsgebiet,
Konversion, Nachfluchtgründe, Religion, Schutzunwilligkeit,
wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W142.2128837.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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