Entscheidungsdatum
18.11.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
G313 2211197-1/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Bosnien und Herzegowina, gerichtlich vertreten durch die Erwachsenenvertreterin Mag. Gertrud DÜNSER und rechtlich vertreten durch RA Dr. Paul DELAZER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.10.2018, Zl. XXXX, beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wurde gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gemäß § 52 Abs. 5 FPG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß 46 FPG nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 FPG gegen den BF ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), und gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Es wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben.
3. Am 14.12.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.
4. Mit Beschluss des BVwG vom 18.12.2018 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1. Der BF hat sich im Bundesgebiet erstmals im Jahr 1996 mit Hauptwohnsitz gemeldet, erlitt im Jahr 2005 ein schweres Schädel-Hirntrauma, wodurch seine Arbeitsfähigkeit eingeschränkt wurde, sodass er ab diesem Zeitpunkt immer wieder einmal, auch für mehrere Wochen, im Krankenstand war, bis er nach einem erneuten Schädel-Hirntrauma im Jahr 2013 arbeitsunfähig geworden ist.
Er leidet laut psychiatrischem Sachverständigengutachten vom 13.06.2017 an einer posttraumatischen Epilepsie mit immer wieder auftretenden epileptischen Anfällen und Dämmerzuständen und an chronischem Alkoholismus und ist in Zusammenhang mit den beiden hirnorganischen Störungen entwickelten Verhaltens- und Wesensänderung seit längerer Zeit voll pflegebedürftig. Er muss im geschlossenen Bereich der Erwachsenenpsychiatrie behandelt und überwacht werden.
Der BF wurde im Bundesgebiet mehrmals rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, im Juni 2009, rechtskräftig mit November 2009, wegen Körperverletzung, im Februar 2013, rechtskräftig mit Februar 2013, wegen Sachbeschädigung, im Dezember 2013, rechtskräftig mit Dezember 2013, wegen Körperverletzung, und zuletzt im November 2017, rechtskräftig mit November 2017, wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt.
Mit letztem Strafrechtsurteil, das sich unter anderem auf ein von der zuständigen Staatsanwaltschaft eingeholtes psychiatrisch-neurologisches Sachverständigengutachten vom 13.06.2017 stützte, erfolgte eine Einweisung des BF in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.
2. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 08.10.2018, der gerichtlichen Erwachsenenvertretung des BF zugestellt am 16.10.2018, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Bosnien zulässig ist (Spruchpunkt II.), gegen den BF ein befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
Die belangte Behörde verwies unter Spruchpunkt I. im Zuge ihrer Interessensabwägung auf die in ihren Länderfeststellungen fettgedruckten Länderberichte, wonach in Bosnien für alle Personen mit erhöhtem Krankheitsrisiko die Gesundheitsfürsorge zu gleichen Bedingung zur Anwendung komme und unter anderem Personen mit psychischen Erkrankungen in Bosnien eine Gratisbehandlung zustehe, und hat diesbezüglich auf "Zugang zu ähnlichen medizinischen Behandlungen bzw. Betreuungen", wie sie der BF derzeit in Österreich erhalte, geschlossen.
Die Begründung der festgestellten Zulässigkeit der Abschiebung unter Spruchpunkt II. war auf die relevanten Gesetzesstellen, die allgemeingehaltene Begründung, dass sich weder aus den Feststellungen zur Lage im Zielstaat noch aus dem Vorbringen des BF eine Gefährdung iSv § 50 Abs. 1 FPG ergebe, und folgende fallentfremdet auf "Georgien", statt auf den Herkunftsstaat des BF "Bosnien", bezogene kurze Schlussfolgerung beschränkt:
"Es ist somit auszusprechen, dass im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z. 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen Ihre Abschiebung nach Georgien zulässig ist."
2.1. Die belangte Behörde hat den gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 08.10.2018 ausgefertigt, ohne die dem BF für die Abgabe einer Stellungnahme zum vorgehaltenen Parteiengehör vom 25.09.2018, dem gerichtlichen Erwachsenenvertreter des BF zugestellt am 28.09.2018, gewährte 14-tägige Frist abzuwarten.
Erst nach Ausfertigung des angefochtenen Bescheides vom 08.10.2018 und vor Zustellung dieses Bescheides an den Erwachsenenvertreter des BF am 16.10.2018 langte bei der belangten Behörde am 15.10.2018 eine mit "10.10.2018" datierte schriftliche Stellungnahme zum eingeräumten Parteiengehör ein.
Im Zuge dieser wurde auf den Bezug einer Invaliditätspension seit 01.05.2014 und einer weiteren Pension aus Slowenien hingewiesen und darauf, dass in Zusammenhang mit der Einweisung des BF in eine Erwachsenenpsychiatrie jeweils 80% davon an den Bund abgetreten werden. Des Weiteren wurde auf zwei fachärztliche Stellungnahmen von Oktober 2018 hingewiesen, und der schriftlichen Stellungnahme Unterlagen beigelegt, darunter seinen Invaliditätspensionsanspruch in Österreich, Stand Jänner 2018, seinen Invaliditätspensionsanspruch aus Slowenien, die Sachwalter- bzw. nunmehr Erwachsenenvertreter-Bestellung betreffend und die im Folgenden wiedergegebenen fachärztlichen Stellungnahmen vom 02.10.2018 und 14.11.2018 beigelegt.
In einer fachärztlichen Stellungnahme vom 02.10.2018 wurde unter anderem festgehalten, der BF sei außerhalb eines geschützten Rahmens derzeit "nicht lebensfähig", da er Unterstützung in sämtlichen Dingen des täglichen Lebens und eine intensivierte pflegerische Betreuung (z.B. Pflegeheim bzw. Pflegestation eines Krankenhauses) benötige.
In der darauffolgenden fachärztlichen Stellungnahme vom 14.11.2018 wurde unter anderem festgehalten, der BF sei aufgrund des hirnorganischen Zustandsbildes außerhalb eines geschützten Rahmens "nicht lebensfähig", da er in den meisten Dingen des täglichen Lebens gewisse Unterstützung benötige.
2.3. Die belangte Behörde hat auf die ihr vom BF bzw. seinem Erwachsenenvertreter noch innerhalb der gewährten 14-tägigen Frist übermittelte schriftliche Stellungnahme nicht mehr Bezug nehmen können, hat sie doch bereits vor Ablauf dieser Frist den gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 08.10.2018 ausgefertigt. Dieser wurde dem Erwachsenenvertreter des BF am 16.10.2018 zugestellt.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. getroffenen Feststellungen beruhen auf dem diesbezüglichen Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.
Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1
B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm11). Gemäß dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Wie oben ausgeführt, ist aufgrund von § 17 VwGVG die subsidiäre Anwendung von § 66 Abs. 2 AVG durch die Verwaltungsgerichte ausgeschlossen.
Im Gegensatz zu § 66 Abs. 2 AVG setzt § 28 Abs. 3 VwGVG die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr voraus.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 (Waffenverbot), in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebrauch macht.
Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).
3.2. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 08.10.2018 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Bosnien zulässig ist (Spruchpunkt II.), gegen den BF ein befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
Dieser Bescheid wurde während noch offener Frist zur Abgabe einer Stellungnahme zum Parteiengehör ausgefertigt, weshalb auf die tatsächlich noch innerhalb der gewährten Frist bei der belangten Behörde eingelangte Stellungnahme samt Beilagen nicht mehr eingegangen werden konnte.
Abgesehen davon wies der angefochtene Bescheid folgende Mängel auf:
Im Zuge der Begründung der behördlichen Entscheidung wurde die spruchgemäße Auflistung der Spruchpunkte verschoben, indem folgender neuer Spruchpunkt III. eingefügt wurde:
"Gem. § 55 Abs. 4 FPG hat das BFA von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wird. Da dies der Fall ist, war daher keine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren."
Die belangte Behörde stellte zum Gesundheitszustand des BF eine Epilepsieerkrankung des BF fest und verwies in ihrer Entscheidung unter Spruchpunkt I. im Zuge ihrer Interessensabwägung auf die in ihren Länderfeststellungen fettgedruckten Länderberichte, wonach in Bosnien für alle Personen mit erhöhtem Krankheitsrisiko die Gesundheitsfürsorge zu gleichen Bedingung zur Anwendung komme und unter anderem Personen mit psychischen Erkrankungen in Bosnien eine Gratisbehandlung zustehe, und hat diesbezüglich auf "Zugang zu ähnlichen medizinischen Behandlungen bzw. Betreuungen", wie der BF derzeit in Österreich erhalte, geschlossen, ohne sich näher mit der konkreten gesundheitlichen Situation des BF vor dem Hintergrund entsprechender Länderberichten auseinandergesetzt zu haben.
Diese Auseinandersetzung wäre bei der Prüfung der Zulässigkeit der Abschiebung des BF unter Spruchpunkt II. jedoch unbedingt erforderlich gewesen, um feststellen zu können, ob diesbezüglich ein Abschiebungshindernis vorliegt oder nicht.
Die Begründung der festgestellten Zulässigkeit der Abschiebung unter Spruchpunkt II. war auf die relevanten Gesetzesstellen, die allgemeingehaltene Begründung, dass sich weder aus den Feststellungen zur Lage im Zielstaat noch aus dem Vorbringen des BF eine Gefährdung iSv § 50 Abs. 1 FPG ergebe, und folgende fallentfremdet auf Georgien, statt auf den Herkunftsstaat des BF "Bosnien", bezogene kurze Schlussfolgerung beschränkt:
"Es ist somit auszusprechen, dass im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z. 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen Ihre Abschiebung nach Georgien zulässig ist."
Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Gesundheitszustand des BF, der seine letzten Straftaten unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden psychischen Zustandes verübt hat, laut psychiatrischem Sachverständigengutachten vom 13.06.2017 nur in einem geschlossenen Psychiatriebereich angehalten werden kann, wäre man doch mangels krankheitsbedingter Kooperationsmöglichkeit seitens des BF im Rahmen jeder anderen Betreuungsart "heillos überfordert", fehlt.
Die belangte Behörde hat sich nicht näher mit dem konkreten Behandlungs- und Unterbringungsbedarf des BF vor dem Hintergrund entsprechender Länderberichte zur Möglichkeit einer Behandlung und Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, welche Unterbringungsform vom Sachverständigen im eingeholten Gutachten vom November 2017 als einzig mögliche effektive Betreuungsform erachtet wurde, auseinandergesetzt. Auch im Zuge einer fachärztlichen Stellungnahme von November 2018 wurde davon ausgegangen. Darauf konnte die belangte Behörde, weil diese fachärztliche Stellungnahme ebenso wie eine weitere fachärztliche Stellungnahme vom 02.10.2018 erst nach Ausfertigung des angefochtenen Bescheides eingelangt ist, gar nicht mehr Bezug nehmen.
Ebenso unterblieben ist eine nähere Auseinandersetzung mit der konkreten wirtschaftlichen Situation des BF vor dem Hintergrund entsprechender Länderberichte zu Grundversorgung und Lebensunterhalt in Bosnien. Auf den Invaliditätspensionsanspruch des BF in Österreich und aus Slowenien, worauf mit der Behörde rechtzeitig übermittelter Stellungnahme vom 10.10.2018 hingewiesen wurde, konnte nicht Bezug genommen werden.
Der schriftlichen Stellungnahme vom 10.10.2018 wurden Unterlagen beigelegt, wonach für den BF für bestimmte Angelegenheiten - für "Vertretung in finanziellen Angelegenheiten, insbesondere Verwaltung von Einkünften und Vermögen", "Vertretung gegenüber Banken und privaten Geschäftspartnern" und "Vertretung vor Behörden, Sozialversicherungsträgern und Gerichten" - in Österreich ein Sachwalter bestellt wurde. Ob und inwieweit für den BF auch in Bosnien die Möglichkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters besteht, ist von der Behörde jedenfalls noch zu ermitteln.
Eine nähere Auseinandersetzung mit der individuellen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Situation des BF und seinem Vertretungs- und speziellen Unterbringungsbedarf vor dem Hintergrund entsprechender Länderberichte ist noch ausständig und unbedingt nötig, um ausschließen oder darauf schließen zu können, ob der BF bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in eine aussichtslose, existenz- bzw. lebensbedrohende Situation gelangen könnte und ein Abschiebungshindernis für den BF vorliegt.
Abgesehen vom Fehlen entscheidungsrelevanter Ermittlungen bzw. Feststellungen hat die belangte Behörde unter dem das Einreiseverbot betreffenden Spruchpunkt nicht aufgrund konkreter Feststellungen unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens des BF eine Beurteilung der Gefährdungsprognose vorgenommen.
Die belangte Behörde nahm auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach bei der Bemessung des Einreiseverbotes das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose vorzunehmen sei, wobei es bei dieser Beurteilung nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder des Vorliegens der sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen, sondern auf das diesen zugrundeliegenden Fehlverhalten, die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild ankomme, Bezug und führte dann Folgendes an:
"Sie haben mit Ihrem Verhalten in Österreich gezeigt, dass Sie eine massive Gefährdung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit und dem Schutz fremden Vermögens darstellen.
Aufgrund der Schwere des Fehlverhaltens ist unter Bedachtnahme auf Ihr Gesamtverhalten, d.h. im Hinblick darauf, wie Sie Ihr Leben in Österreich insgesamt gestalten, davon auszugehen, dass die im Gesetz umschriebene Annahme, dass Sie eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen, gerechtfertigt ist."
Die belangte Behörde hat demnach ausgeführt, dass "aufgrund der Schwere des Fehlverhaltens" unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des BF davon auszugehen ist, dass die Annahme einer vorliegenden schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist, ohne darauf eingegangen zu sein, welches Verhalten und dabei auch, welche der letzten strafrechtlichen Verurteilung oder auch der übrigen strafrechtlichen Verurteilungen des BF zugrunde liegenden strafbaren Handlungen mit Art und Schwere konkret die Annahme einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit rechtfertigt. Eine hinreichend begründete Zukunftsprognose ist unterblieben.
Aufgrund Mangelhaftigkeit des angefochtenen Bescheides, mangelhaften Ermittlungsverfahrens und fehlender ganzheitlicher Beurteilung der Gefährdungsprognose war der angefochtene Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da im gegenständlichen bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G313.2211197.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.03.2020