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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der
J Ges.m.b.H. & Co KG in T, vertreten durch Dr. Martin Schober, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, Hauptplatz 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IX) vom 4. März 1997, RV/004-06/10/97, betreffend u.a. Umsatzsteuer 1993 zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdefall steht in Zusammenhang mit den unter dem Begriff "Mehrwertsteuerschwindel des Werner Rydl" durch zahlreiche Medienberichte und Publikationen in der Öffentlichkeit bekannten Vorgängen.
Die beschwerdeführende KG betreibt ein Bauunternehmen. Im Zuge einer Prüfung der Umsatzsteuervoranmeldungen für mehrere Voranmeldungszeiträume der Jahre 1992 und 1993 traf der Prüfer die Feststellung, der Beschwerdeführer habe aus Rechnungen der U-GmbH über Sinterwerkstoffe Vorsteuern in Anspruch genommen. Der Liefergegenstand sei in den Rechnungen
als "DPF-Sinterwerkstoff - 1 Einheit DPF 1254 Verp. B II" oder
als "DPF-Sinterwerkstoff - 1 Einheit DPF 2454 Verp. B II" beschrieben. Diese Beschreibung stelle nicht eine handelsübliche Bezeichnung dar, zumal im Handel mit hochwertigen technischen Produkten mit außergewöhnlich hohem Preisniveau der genauen Bezeichnung der Ware große Bedeutung zukomme. Die Technische Untersuchungsanstalt der Bundesfinanzverwaltung sei im Gutachten vom 11. November 1993 zum Schluß gelangt, die Produktbeschreibung zeichne sich durch gravierende Mängel in Form und Umfang der Kennzahlen aus. Der in den Rechnungen angegebene Preis übersteige um ein Vielfaches den Wert der gelieferten Produkte. Da sohin die Rechnungen nicht den Voraussetzungen des § 11 UStG 1972 entsprächen, stehe der Vorsteuerabzug nicht zu.
In der Berufung gegen die Bescheide betreffend Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen brachte die Beschwerdeführerin vor, die in den Rechnungen gewählten Bezeichnungen seien handelsüblich. Sie habe keine Zweifel an der Angemessenheit des Preises gehabt.
Die Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 27. Dezember 1995, GA 6-94/4070/10, als unbegründet abgewiesen. Das Verfahren über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Verwaltungsgerichtshofbeschwerde stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 10. Oktober 1996, 96/15/0039, infolge Klaglosstellung gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ein. Mittlerweile war nämlich für das Wirtschaftsjahr 1992/93 der Umsatzsteuer-Jahresbescheid erlassen worden.
Aus dem Bericht über die abgabenbehördliche Prüfung (für den Zeitraum 1992 bis 1995), in welchem auf die Begründung des Umsatzsteuerbescheides 1993 des Finanzamtes verwiesen wird, ergibt sich: Die Rechnungen seien über hochwertige Sinterwerkstoffe ausgestellt worden, was sich insbesondere aus dem Preisangaben in den Rechnungen ergebe. Erhebungen hätten ergeben, daß an Stelle der in den Rechnungen ausgewiesenen Waren wertloses Material geliefert worden sei. Die Lieferung von wertlosem Gestein sei nicht Gegenstand der abgerechneten Lieferung gewesen. Der Vorsteuerabzug stehe daher nicht zu.
In der Berufung gegen diesen Bescheid wird wiederum die Anerkennung der Vorsteuern beantragt. Die ausgestellten Rechnungen seien ordnungsgemäß. Zur Angemessenheit des Preises werde ausgeführt, daß das UStG nicht vom "Preis" spreche, sondern nur vom Entgelt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Das Vorliegen einer Rechnung iSd § 11 UStG sei materiellrechtliche Voraussetzung des Vorsteuerabzuges. Eine Rechnung müsse die handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Ware aufweisen. Sinterwerkstoffe würden im Wirtschaftsleben durch Kennzahlen bezüglich ihrer Zusammensetzung, Anwendungsbereiche, Härte, Biegebruchfestigkeit und statischer Permeabilität exakt definiert. Im gegenständlichen Fall würden die Rechnungen nicht einmal Mindestangaben enthalten und daher keine handelsübliche Bezeichnung aufweisen. In den Rechnungen seien hochwertige Sinterwerkstoffe ausgewiesen, was sich aus dem hohen Preis der Produkte ergebe. Die tatsächlich gelieferten Gegenstände seien aber wertlose Materialien gewesen. Der Vorsteuerabzug stehe daher nicht zu. Im übrigen sei der Beschwerdeführer ein Zwischenhändler, der von Anfang an gewußt habe, daß die Geschäfte der U-GmbH zur Erschwindelung von Vorsteuern gedient hätten. Er sei nur als "Strohmann" eingeschaltet gewesen; auch aus diesem Grund stehe der Vorsteuerabzug nicht zu. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde weiters ausgesprochen, daß eine Berufung betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens zur Umsatzsteuer 1993 zurückgewiesen werde, weil keine Wiederaufnahme verfügt worden sei.
Gegen diesen Bescheide, allerdings nur soweit er über Umsatzsteuer 1993 abspricht, wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 12 Abs. 1 UStG 1972 lautet:
"Der Unternehmer, der im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen ausführt, oder im Inland seinen Sitz oder eine Betriebsstätte hat, kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
1. Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind;
..."
Wie in der Beschwerde zu Recht aufgezeigt wird, muß die Begründung eines Abgabenbescheides u.a. erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt worden ist und aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, daß gerade dieser Sachverhalt vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1997, 94/13/0200).
Der angefochtene Bescheid läßt (über die bloße Behauptungsebene hinausgehende) sachverhaltsmäßige Feststellungen vermissen, aus denen sich ergäbe, daß die in den Rechnungen verwendeten Bezeichnungen nicht solche wären, die für die gelieferten Waren allgemein im Geschäftsverkehr verwendet werden. Daher vermögen ihn auch die Ausführungen, die Rechnungen erfüllten nicht die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Z. 3 UStG (handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände), nicht zu tragen.
Den angefochtenen Bescheid vermögen aber auch nicht jene Ausführungen seiner Begründung zu tragen, wonach die Geschäfte (und somit der Ankauf der Waren) dem Beschwerdeführer nicht zuzurechnen seien. Der Bescheid enthält keine sachverhaltsmäßigen Feststellungen aus denen sich ableiten ließe, daß die Umsätze unmittelbar zwischen der U-GmbH einerseits und dem Abnehmer in Brasilien andererseits, also ohne Zwischenschaltung des Beschwerdeführers abgewickelt worden wären. Soweit der angefochtene Bescheid den Beschwerdeführer als "Strohmann" bezeichnet, ist darauf zu verweisen, daß in der Übertragung des Treugutes an den Treuhänder bzw durch den Treuhänder in der Regel ein umsatzsteuerlich relevanter Vorgang zu erblicken ist (vgl. Ruppe, UStG 1994, § 1 Tz 280 ff, und das hg. Erkenntnis vom 18. März 1997, 95/14/0082).
Gemäß § 12 Abs. 1 UStG 1972 setzt der Vorsteueranspruch eine Übereinstimmung zwischen gelieferter und in der Rechnung ausgewiesener Ware voraus. Diese Voraussetzung ist, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 28. Mai 1998, 96/15/0220 - auf dieses wird gemäß § 43 Abs. 2
zweiter Satz VwGG verwiesen - ausgesprochen hat, dann nicht erfüllt, wenn die in der Rechnung gewählte Beschreibung des Liefergegenstandes eine solche Vorstellung vom Liefergegenstand hervorruft, die mit dem tatsächlich gelieferten Gegenstand nicht in Einklang zu bringen ist.
Aufgrund der Angaben in den Rechnungen, einschließlich der entsprechenden Preisangaben, konnte die belangte Behörde im gegenständlichen Fall unbedenklich davon ausgehen, daß die Rechnungen teure und qualitativ hochwertige Produkte auswiesen. Solcherart würden die Rechnungen dem Beschwerdeführer das Recht auf Vorsteuerabzug dann nicht vermitteln können, wenn die Gegenstände der tatsächlichen Lieferungen andere Waren gewesen wären.
In der Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin vor, die Behörde habe das Gutachten der Technischen Untersuchungsanstalt der Bundesfinanzverwaltung ihrem Vertreter am 7. Dezember 1993 in Kopie übergeben. Gegen die in diesem Gutachten und auch in den Berichten über die abgabenbehördlichen Prüfungen des Finanzamtes enthaltenen Feststellungen über den Wert der tatsächlich gelieferten Gegenstände hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren keine Einwendungen erhoben. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer wurde das Recht auf Parteiengehör iSd § 183 Abs. 4 BAO durch die Übergabe einer Kopie des Gutachtens auch dann eingeräumt, wenn die Behörde die Beschwerdeführerin nicht ausdrücklich zur Abgabe einer Stellungnahme zu diesem Gutachten aufgefordert hat. Solcherart konnte die belangte Behörde aber ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften die Sachverhaltsannahme des Finanzamtes betreffend die Wertlosigkeit der tatsächlich gelieferten Gegenstände übernehmen. Wenn erstmals in der Beschwerde Einwendungen gegen die Annahme über den Wert der Gegenstände vorgebracht werden, indem behauptet wird, die von der Technischen Untersuchungsanstalt geprüften Produkte seien mit den tatsächlich gelieferten Produkten nicht ident, so stellen diese im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerungen dar.
Konnte die belangte Behörde sohin ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften davon ausgehen, daß die in den Rechnungen angeführten Gegenstände nicht mit den tatsächlich gelieferten Gegenständen übereinstimmen, so entspricht die daraus gezogene Rechtsfolge, nämlich die Versagung des Vorsteuerabzuges, dem Gesetz.
In der Beschwerde wird auch gerügt, daß die Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Begründung der Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 27. Dezember 1995, GA 6-94/4071/10 (betreffend Umsatzsteuer-Vorauszahlungen) verweise. Abgesehen davon, daß dieser Verweis im gegenständlichen Fall nicht zu einem tragenden Teil der Begründung des angefochtenen Bescheides gehört, liegt keine Rechtswidrigkeit darin, in der Begründung eines Bescheides auf die eines anderen, der Partei bekannten Bescheides zu verweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. September 1992, 91/15/0044).
Die Beschwerdeführerin wurde durch den angefochtenen Bescheid sohin nicht in ihren Rechten verletzt. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wenn sich auch der angefochtene Bescheid nicht darauf stützt, sei dennoch darauf hingewiesen, daß die im Verwaltungsakt in Kopie einliegenden Rechnungen der U-GmbH an eine X-Betriebs- und VerwaltungsGmbH gerichtet sind und somit nicht an die beschwerdeführende KG, welcher Umstand ebenfalls dem Vorsteuerabzug der Beschwerdeführerin entgegenstünde.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997150061.X00Im RIS seit
23.01.2002