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41 Innere AngelegenheitenNorm
AsylG 1997 §5, §5a, §19, §34bLeitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinanderdurch Abweisung der Schubhaftbeschwerde eines Asylwerbers mangelsnachvollziehbarer Begründung für die Anordnung bzw Aufrechterhaltungder Schubhaft und Überlegungen zur Anwendung eines gelinderen MittelsSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.160,-
bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste am 7. Juni 2005 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag.
Mit Bescheid vom 12. Juni 2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß §5 Abs1 AsylG 1997 zurück und stellte fest, dass die Slowakei für die Prüfung des Antrages zuständig ist. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß §5a Abs1 AsylG 1997 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen; die Ausweisung gilt gemäß §5a Abs4 AsylG 1997 auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Slowakei. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates (im Folgenden: UBAS) vom 31. Jänner 2006 wurde die dagegen erhobene Berufung abgewiesen.
Gegen den Bescheid des UBAS wurde Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, der dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß §30 Abs2 VwGG mit Beschluss vom 14. Februar 2006 stattgegeben hat. Wörtlich führte er aus, "dass dem Antragsteller wieder die Rechtsstellung als Asylwerber zukommt, wobei damit im Besonderen jede Zurück- oder Abschiebung des Antragstellers aus Österreich für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unzulässig ist."
2. Mit Bescheid vom 10. Jänner 2006 ordnete die Bezirkshauptmannschaft Baden, Außenstelle Traiskirchen, die Verhängung der Schubhaft gemäß §76 Abs2 Z4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (im Folgenden: FPG) und §34b Abs1 Z2 AsylG 1997 zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an.
3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt (im Folgenden: UVS), vom 28. Februar 2006 wurde die vom Beschwerdeführer erhobene Schubhaftbeschwerde gemäß §83 FPG abgewiesen und gleichzeitig festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Begründend führt die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus:
"Das Asylverfahren des Beschwerdeführers ist gemäß §75 Asylgesetz 2005 nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. ...
Gemäß §124 Abs2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.
Da das Asylverfahren des Beschwerdeführers nach der Übergangsbestimmung des §75 Asylgesetz 2005 nach dem Asylgesetz 1997 zu führen ist, obwohl das Asylgesetz 1997 außer Kraft getreten ist, kann nach Ansicht der erkennenden Behörde §124 Abs1 FPG [gemeint wohl: Abs2] nur dahingehend ausgelegt werden, dass in diesem Fall das FPG auch hinsichtlich 'alter Asylverfahren' anzuwenden ist.
Abgesehen von diesen Überlegungen ist §76 Abs2 Z4 FPG auch unmittelbar anwendbar, da in dieser Bestimmung nicht festgehalten ist, auf welcher gesetzlichen Grundlage die Befragung, Durchsuchung oder erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt wurde, insbesondere ob nach [dem] Asylgesetz 1997 oder 2005, sondern im Rahmen der Beurteilung der Ergebnisse dieser Verfahrensschritte eine Prognose hinsichtlich der mangelnden Zuständigkeit Österreichs vorzunehmen ist. Im vorliegenden Fall ist diese Annahme insbesondere dadurch gerechtfertigt, dass auch im Rechtsmittelverfahren vor dem UBAS die Zurückweisung gemäß §5 Asylgesetz 1997 bestätigt wurde, sodass dass Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.
...
Im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates wurde nach Rechtskraft der UBAS-Entscheidung die Überstellung des Beschwerdeführers in die Slowakei für 23.02.2006 angesetzt, aber aufgrund der vom VwGH zugesprochenen aufschiebenden Wirkung nicht durchgeführt.
Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen den UBAS-Bescheid hindert nicht die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft.
Wie der VwGH mit Erkenntnis vom 19.06.1998, 98/02/0182, feststellte, ist für das Vorliegen einer Aufenthaltsberechtigung die Aushändigung der Aufenthaltsberechtigungskarte wesentlich. Die Ermittlungen der erkennenden Behörde ... ergaben, dass eine Aufenthaltsberechtigungskarte nicht aufgefolgt wurde, sodass dem Beschwerdeführer nach dem obzitierten Erkenntnis eine Aufenthaltsberechtigung nicht zukommt.
Die Anwendung eines gelinderen Mittels gemäß §77 FPG kommt nicht in Betracht, da der Beschwerdeführer mittellos ist und daher nicht in der Lage ist, seinen Unterhalt aus Eigenem zu bestreiten."
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.
In der Beschwerde wird insbesondere Folgendes vorgebracht:
"Wie bereits in der Beschwerde gemäß §82 FPG ausgeführt worden ist, findet das FPG 2005 für die Anordnung der Schubhaft über den Beschwerdeführer keine Anwendung, da er seinen Asylantrag im Jahr 2005 gestellt hat und somit die Bestimmungen des AsylG 1997 (...) unter Berücksichtigung der Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 auf ihn anzuwenden sind.
...
Eine Anwendung der von der belangten Behörde herangezogenen Regelungen des FPG würde entgegen dieser klaren Absicht [Anm.: des Gesetzgebers] eine Schlechterstellung bewirken, da auch auf Asylwerber, welche ihren Antrag vor dem 31.12.2005 gestellt haben, dh bei denen eine Schubhaftverhängung nur gem §34b AsylG 1997 (...) zulässig ist, gem §76 FPG zusätzliche Gründe für die Anordnung der Schubhaft möglich wären.
...
§34b AsylG 1997 (...) stellt somit klar die lex specialis für die Schubhaftverhängung über Asylwerber, deren Verfahren nach dem AsylG 1997 (...) zu führen sind, dar.
...
Letztlich ist darauf zu verweisen, dass die Ausführungen im angefochtenen Bescheid zur Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Beschwerdeführers nicht entscheidungsrelevant sind, da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das uneingeschränkte und bedingungslose Verbot der Zurück- und Abschiebung [besteht], solange die Fremden die Stellung von Asylwerbern innehaben (VwGH 20.10.2000, 99/20/0406). Dem Beschwerdeführer kommt zudem ausdrücklich faktischer Abschiebeschutz gemäß §19 Abs1 AsylG 1997 (...) zu.
...
Mit der Gewährung der aufschiebenden Wirkung im Asylverfahren hätte bereits die Erstbehörde feststellen müssen, dass einerseits der Grund für die Anordnung der Schubhaft, der ihrer Ansicht nach vorgelegen hat, weggefallen ist. Jedenfalls hätte sie feststellen müssen, dass das Ziel der Schubhaft (...) nicht mehr erreicht werden kann. Beides hat sie jedoch nicht getan.
Derzeit liegen die Voraussetzungen für die Durchführung einer Abschiebung keinesfalls vor.
...
Zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft lag gegen den Beschwerdeführer keine durchsetzbare Ausweisung vor. In dem seine Ausweisung in die Slowakei verfügenden Bescheid der Asylbehörde war die aufschiebende Wirkung einer Berufung nicht ausgeschlossen und seine Ausweisung damit nicht sofort durchsetzbar."
Zudem rügt der Beschwerdeführer die Verfassungswidrigkeit des §76 Abs2 Z4 FPG und regt die Einleitung eines amtswegigen Gesetzesprüfungsverfahrens hinsichtlich dieser Bestimmung an.
5. Der UVS hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.
II. Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
1. Die gemäß §73 Abs2 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I 100, mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft getretenen §§5, 5a, 19, 21 und 34b des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 - AsylG), BGBl. I 76, lauteten:
"Unzulässige Asylanträge wegen vertraglicher Unzuständigkeit oder
wegen Unzuständigkeit auf Grund eines unmittelbar anwendbaren
Rechtsaktes der Europäischen Union
§5. (1) Ein nicht gemäß §4 erledigter Asylantrag ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18. Februar 2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.
(2) Gemäß Abs1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18. Februar 2003 dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist."
"Gemeinsame Bestimmungen für unzulässige Asylanträge
§5a. (1) Die Zurückweisung des Antrages gemäß der §§4, 4a oder 5 ist mit einer Ausweisung zu verbinden.
(2) Können Fremde, deren Asylantrag gemäß der §§4 oder 4a als unzulässig zurückgewiesen wurde, aus faktischen Gründen, die nicht im Verhalten des Fremden begründet sind, binnen zweier Monate nach Erlassung des Bescheides nicht zurückgeschoben oder abgeschoben werden, so tritt dieser außer Kraft. Das Asylverfahren dieser Fremden ist zulässig; ihnen ist eine Aufenthaltsberechtigungskarte (§24a) auszustellen und sie können einer Betreuungseinrichtung zugewiesen werden (§37b).
(3) Können Fremde, deren Asylantrag gemäß §5 als unzulässig zurückgewiesen wurde, aus faktischen Gründen nach Erlassung des Bescheides gemäß der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18. Februar 2003 nicht zurückgeschoben oder abgeschoben werden, so tritt dieser außer Kraft. Bis zur Entscheidung, ob ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Norwegen oder Island zur Behandlung des Asylantrages zuständig ist, können diese Fremden einer Betreuungseinrichtung zugewiesen werden (§37b).
(4) Eine Ausweisung gemäß Abs1 gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den bezeichneten Staat."
"Aufenthalt im Bundesgebiet während des Asylverfahrens
§19. (1) Fremde, die einen Asylantrag gestellt haben, können bis zur Erlangung der Aufenthaltsberechtigungskarte oder bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz).
§17 gilt.
(2) bis (3) ..."
"Schutz vor Aufenthaltsbeendigung
§21. (1) Auf Fremde, die faktischen Abschiebeschutz im Sinne des §19 Abs1 genießen, oder denen als Asylwerber eine Aufenthaltsberechtigungskarte ausgestellt wurde, finden die §§36 Abs2 Z7 sowie 61 bis 63 FrG keine Anwendung. §61 FrG findet jedoch Anwendung, wenn der Asylantrag von einem Fremden gestellt wird, über den vor Antragstellung die Schubhaft verhängt wurde und diese aufrecht ist.
(2) Fremde gemäß Abs1 dürfen nicht in den Herkunftsstaat zurückgewiesen und überhaupt nicht zurückgeschoben oder abgeschoben werden; die Übermittlung personenbezogener Daten dieser Fremden an den Herkunftsstaat ist nicht zulässig. Daten, die erforderlich sind, um die zur Einreise notwendigen Bewilligungen zu beschaffen, dürfen jedoch übermittelt werden, wenn der Antrag - wenn auch nicht rechtskräftig - abgewiesen oder zurückgewiesen worden ist und das Ergebnis der Prüfung, ob subsidiärer Schutz zu gewähren ist, dem nicht entgegensteht und die Identität des Asylwerbers nicht geklärt ist."
"Schubhaft
§34b. (1) Die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde kann Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Ausweisung oder Abschiebung mit Bescheid anordnen, wenn
1. der Asylwerber sich im Zulassungsverfahren ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat;
2. gegen den Asylwerber eine - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung gemäß der §§5a und 6 erlassen wurde ...
(2) Auf Asylwerber, über die Schubhaft verhängt worden ist, findet das Fremdengesetz insgesamt Anwendung."
2. Das gemäß §73 Abs1 mit 1. Jänner 2006 in Kraft getretene Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I 100, enthält folgende Übergangsbestimmungen:
"Übergangsbestimmungen
§75. (1) Alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren sind nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. §44 AsylG 1997 gilt. Die §§24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. §27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Behörde zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. §57 Abs5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.
..."
3. Die mit 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen §§76, 77, 80 und 124 des Bundesgesetzes über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG), BGBl. I 100, lauten:
"8. Abschnitt
Schubhaft und gelinderes Mittel
Schubhaft
§76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.
(2) Die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde kann über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß §10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn
1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§10 AsylG 2005) erlassen wurde;
2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§60) verhängt worden ist oder
4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.
(3) Die Schubhaft ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß §57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß §57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(4) Hat der Fremde einen Zustellungsbevollmächtigten, so gilt die Zustellung des Schubhaftbescheides auch in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem eine Ausfertigung dem Fremden tatsächlich zugekommen ist. Die Zustellung einer weiteren Ausfertigung an den Zustellungsbevollmächtigten ist in diesen Fällen unverzüglich zu veranlassen.
(5) Wird ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrecht erhalten werden. Liegen die Voraussetzungen des Abs2 vor, gilt die Schubhaft als nach Abs2 verhängt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft gemäß Abs2 ist mit Aktenvermerk festzuhalten.
(7) Die Anordnung der Schubhaft kann mit Beschwerde gemäß §82 angefochten werden."
"Gelinderes Mittel
§77. (1) Die Behörde kann von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.
(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des §99 Abs1 Z1 von Amts wegen erfolgt.
(3) Als gelinderes Mittel kommt insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in periodischen Abständen bei dem dem Fremden bekannt gegebenen Polizeikommando zu melden.
(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zur Behörde, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt §80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung, der Zurückschiebung oder Durchbeförderung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten."
"Dauer der Schubhaft
§80. (1) Die Behörde ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.
(2) Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Sie darf außer in den Fällen des Abs3 und 4 insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern.
(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil |ber einen Antrag gemäß §51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.
(4) Kann oder darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden,
1. weil die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht möglich ist oder
2. weil die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt oder
3. weil er die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§13) widersetzt,
kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren nicht länger als sechs Monate aufrechterhalten werden, es sei denn, die Nichtvornahme der Abschiebung ist dem Verhalten des Fremden zuzurechnen. In diesen Fällen darf der Fremde wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren nicht länger als zehn Monate in Schubhaft angehalten werden. Ebenso kann die Schubhaft, die gemäß §76 Abs2 verhängt wurde, länger als sechs Monate in zwei Jahren, aber nicht länger als zehn Monate in zwei Jahren aufrecht erhalten werden.
(5) In Fällen, in denen die Schubhaft gemäß §76 Abs2 verhängt wurde, kann diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge auch ein Fall des Abs4 Z1 bis 3 vor. Wird der Berufung gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß §37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zu Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrechterhalten werden, wenn der unabhängige Bundesasylsenat eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt.
(6) Soll der Fremde länger als sechs Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das sechste Monat überschritten wurde, und danach alle acht Wochen vom örtlich zuständigen unabhängigen Verwaltungssenat von Amts wegen zu überprüfen. Die Behörde hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass den unabhängigen Verwaltungssenaten eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Der unabhängige Verwaltungssenat hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.
(7) Die Behörde hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen."
"Verweisungen
§124. (1) Soweit in diesem Bundesgesetz auf Bestimmungen anderer Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Verweise auf andere Rechtsnormen beziehen sich auf die Rechtsnorm zum Zeitpunkt der Kundmachung des Verweises nach diesem Bundesgesetz.
(2) Soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verwiesen wird, treten an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §34b Abs1 Z2 AsylG 1997 wurden nicht vorgebracht und sind aus Anlass der vorliegenden Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof auch nicht entstanden (zur verpflichtenden Berücksichtigung des in Art1 Abs3 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit verankerten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft durch die zuständigen Behörden vgl. etwa VfSlg. 17.891/2006).
Die vom Beschwerdeführer geäußerten Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §76 Abs2 Z4 FPG vermag der Gerichtshof - insbesondere im Hinblick auf sein Erkenntnis vom 14. Juni 2007, G14/07 ua. - nicht zu teilen.
2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander könnte im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur) nur vorliegen, wenn die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder Willkür geübt hätte.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
3.1. Im bekämpften Bescheid hat der UVS zwar zutreffend ausgeführt, dass §76 Abs2 FPG grundsätzlich auch auf jene Asylwerber Anwendung findet, deren Asylverfahren gemäß §75 Abs1 AsylG 2005 nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen sind. Entgegen dem Beschwerdevorbringen bildet hinsichtlich der sogenannten "Altverfahren" neben §34b AsylG 1997 seit dem In-Kraft-Treten des FPG mit 1. Jänner 2006 auch §76 Abs2 FPG eine gesetzliche Grundlage für die Verhängung bzw. Aufrechterhaltung der Schubhaft über Asylwerber (vgl. in diesem Zusammenhang etwa Riel/Schrefler-König/Szymanski/ Wollner, FPG, 2006, Anm. 22 zu §76).
Nach Auffassung der Behörde ist im vorliegenden Fall §76 Abs2 Z4 FPG anzuwenden, zumal die Annahme der Unzuständigkeit Österreichs zur Prüfung des Asylantrags dadurch gerechtfertigt erscheine, dass der UBAS die Zurückweisung des Antrags bestätigt habe.
3.2. Der UVS übersieht dabei jedoch, dass das Vorliegen eines in §76 Abs2 FPG geregelten Schubhaftgrundes für sich alleine betrachtet noch nicht die Verhängung bzw. Aufrechterhaltung der Schubhaft über einen Asylwerber rechtfertigt (zur Verpflichtung der Behörden, von der Anordnung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist, vgl. etwa VfSlg. 17.891/2006 mwH).
Denn mit dem - im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit, die Dauer und das Ziel der Schubhaft - maßgeblichen Umstand, dass der Beschwerde gegen den Bescheid des UBAS vom 31. Jänner 2006 mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Februar 2006 die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, hat sich der UVS nicht ausreichend auseinandergesetzt, obwohl sich im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung faktischen Abschiebeschutz gemäß §19 Abs1 AsylG 1997 genießt, die Frage stellt, welche Rechtsfolgen mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung - und der damit einhergehenden Unzulässigkeit der Zurück- oder Abschiebung aus Österreich für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - verbunden sind (vgl. etwa §21 Abs1 AsylG 1997, §80 FPG). Entgegen der Auffassung der Behörde kommt dem Umstand, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht iSd §19 Abs2 AsylG 1997 zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war, für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft hingegen keine maßgebliche Bedeutung zu.
Die belangte Behörde hat sohin Willkür geübt, indem sie es unterlassen hat, eine nachvollziehbare Begründung vorzunehmen, weshalb die Anordnung bzw. Aufrechterhaltung der Schubhaft - ungeachtet der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verwaltungsgerichtshof - weiterhin erforderlich war. Vor dem Hintergrund dieses konkreten Sachverhaltes lässt der Bescheid auch hinreichende Überlegungen zur Anwendung eines gelinderen Mittels vermissen (vgl. dazu auch VfGH 26.9.2006, B3544/05 ua.).
3.3. Dadurch hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.
Bei diesem Ergebnis kann es dahingestellt bleiben, ob zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft gegen den Beschwerdeführer eine durchsetzbare Ausweisung vorlag, zumal weder §34b Abs1 Z2 AsylG 1997 noch §76 Abs2 Z4 FPG das Vorliegen einer durchsetzbaren Ausweisung voraussetzen (vgl. etwa auch §32 Abs2 AsylG 1997, wonach Berufungen gegen Entscheidungen gemäß §5 AsylG 1997 im Zulassungsverfahren eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt).
4. Der Bescheid war daher aufzuheben.
IV. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-enthalten.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Asylrecht, Fremdenrecht, Fremdenpolizei, Schubhaft, Wirkungaufschiebende, Bescheidbegründung, ÜbergangsbestimmungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:B372.2006Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009