TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/21 G313 2202704-1

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Veröffentlicht am 21.11.2019
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Entscheidungsdatum

21.11.2019

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs4

Spruch

G313 2202704-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Bosnien und Herzegowina, vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.07.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:

"I. Gemäß § 52 Abs. 4 FPG idgF iVm § 9 BFA-VG idgF wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung erlassen."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wurde gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gemäß § 52 Abs. 5 FPG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß 46 FPG nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt wird (Spruchpunkt IV), und gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Es wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen, die Rückkehrentscheidung zu beheben, festzustellen, dass die Abschiebung des BF unzulässig ist, und das Einreiseverbot zu beheben, in eventu dieses herabzusetzen.

3. Am 06.08.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

4. Mit Aktenvermerk des BVwG vom 10.08.2018 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

5. Mit Schreiben des BVwG vom 12.03.2019 wurde eine bestimmte Justizanstalt um Übermittlung der den BF betreffenden Besucherliste ersucht.

6. Die angeforderte Besucherliste langte am 15.03.2019 beim BVwG ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina.

1.2. Er kam Anfang des Jahres 2004 mit seiner Mutter, seiner 1995 geborenen Schwester und seinem 1999 geborenen Bruder nach Österreich und hält sich seither durchgehend im Bundesgebiet auf. Sein Vater lebt bereits seit dem Jahr 1993 in Österreich.

1.3. Der BF weist im Bundesgebiet seit Jänner 2004 eine durchgehende Hauptwohnsitzmeldung bei seinem Vater auf.

1.4. Im Dezember 2003 wurde ihm erstmals eine Niederlassungsbewilligung ausgestellt. Diese wurde immer wieder verlängert, ebenso wie seine zunächst von 08.09.2011 bis 07.09.2014 gültige Rot-Weiß-Rot Karte plus stets, bis zuletzt 24.05.2016 verlängert wurde. Seit Verlängerungsantrag des BF vom 19.05.2016 ist das diesbezügliche NAG-Verfahren offen.

1.5. Der BF hat in Österreich seine Eltern, Geschwister (Schwester und Bruder) und einen Großcousin als familiäre Anknüpfungspunkte. Der BF hat eine im Oktober 2013 geborene, nunmehr sechs Jahre alte Tochter aus einer früheren Beziehung. Mit der Kindesmutter hatte der BF nie einen gemeinsamen Wohnsitz. Nunmehr hat er eine Lebensgefährtin, mit welcher er ebenso nie einen gemeinsamen Wohnsitz hatte, und welche einmal zusammen mit dem BF strafrechtlich verurteilt wurde.

1.6. Der BF wurde im Bundesgebiet jedenfalls insgesamt neun Mal strafrechtlich verurteilt, und zwar mit

-

Urteil von April 2012, rechtskräftig mit April 2012, wegen versuchten Beitrags zu einer falschen Beweisaussage, wegen grob fahrlässiger Tötung, schwerer Nötigung, Verleumdung, Diebstahls und Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, und einer Geldstrafe von 120 Tagsätzen zu je EUR 4,00 (EUR 480,00), im Nichteinbringungsfall 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, wobei im September 2012 die Probezeit auf insgesamt fünf Jahre verlängert wurde, mit

-

Urteil von September 2012, rechtskräftig mit September 2012, wegen gefährlicher Drohung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, wobei diese im Dezember 2013 auf eine Probezeit von insgesamt fünf Jahre verlängert wurde, mit

-

Urteil von Dezember 2013, rechtskräftig mit Dezember 2013, wegen versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, mit

-

Urteil von Jänner 2014, rechtskräftig mit Jänner 2014, wegen gefährlicher Drohung, Körperverletzung und versuchter schwerer Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, davon Freiheitsstrafe von sechs Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, unter Anordnung der Bewährungshilfe, wobei diese Strafe als Zusatzstrafe unter Bedachtnahme auf das Vorurteil von Dezember 2013 verhängt, der BF am 07.03.2014 bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren von der Strafhaft entlassen, und am 27.03.2017 gerichtlich die endgültige Entlassung des BF aus der Strafhaft beschlossen wurde, mit

-

Urteil von August 2014, rechtskräftig mit März 2015 wegen Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung zu einer Geldstrafe von 180 Tagsätzen zu je EUR 2,00 (EUR 3.600,00), im Nichteinbringungsfall 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, mit

-

Urteil von August 2015, rechtskräftig mit September 2015, wegen Entfremdung unbarer Zahlungsmittel zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, wobei im Februar 2019 die Probezeit des bedingten Strafteils auf insgesamt fünf Jahre verlängert wurde, mit

-

Urteil von August 2017, rechtskräftig mit Dezember 2017, wegen Urkundenunterdrückung, Entfremdung unbarer Zahlungsmittel und versuchten gewerbsmäßigen schweren Einbruchsdiebstahls und dauernder Sachentziehung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, mit

-

Urteil von April 2018, rechtskräftig mit April 2018, wegen Beitrags zur Vorbereitung von Suchtgifthandel und wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon Freiheitsstrafe von acht Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, wobei diese Strafe als Zusatzstrafe unter Bedachtnahme auf das rechtskräftige Vorurteil von Dezember 2017 verhängt wurde, und mit

-

Urteil von Februar 2019, rechtskräftig mit Februar 2019, wegen versuchter Bestimmung zu Missbrauch der Amtsgewalt.

1.6.1. Fest steht, dass sich der BF derzeit noch in Strafhaft befindet.

1.6.2. Der BF wurde einer Besucherliste der betreffenden Justizanstalt folgend im Zeitraum von 07.04.2018 bis 09.02.2019 von seinen Eltern, seiner nunmehrigen Lebensgefährtin und Bekannten besucht.

1.6.3. Fest steht, dass die nunmehrige Lebensgefährtin des BF ebenso im Bundesgebiet rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde, und zwar mit

-

Urteil von August 2017, rechtskräftig mit August 2017, wegen versuchten gewerbsmäßigen schweren Einbruchsdiebstahls, Entfremdung unbarer Zahlungsmittel, Urkundenunterdrückung und dauernder Sachentziehung zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, unter Anordnung der Bewährungshilfe, wobei im Dezember 2018 die dem BF gewährte Bewährungshilfe wieder aufgehoben wurde, und mit

-

Urteil von Oktober 2017, rechtskräftig mit Oktober 2017, wegen versuchter Begünstigung und falscher Beweiswürdigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, wobei diese Strafe als Zusatzstrafe unter Bedachtnahme auf das Vorurteil von August 2017 verhängt wurde.

1.6.3.1. Im August 2017 wurde der BF und seine nunmehrige Lebensgefährtin wegen im Februar 2017 begangener Straftaten gemeinsam strafrechtlich verurteilt.

1.6.4. Nicht nur die nunmehrige Lebensgefährtin des BF, sondern auch seine ehemalige Freundin, mit welcher er eine im Oktober 2013 geborene, nunmehr sechs Jahre alte Tochter hat, wurde im Bundesgebiet rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, und zwar mit

-

Urteil von Juli 2017 wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 60 Tagsätzen zu je EUR 4,00 (EUR 240,00), im Nichteinbringungsfall 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und mit

-

Urteil von November 2018, rechtskräftig mit Dezember 2018, wegen Veruntreuung zu einer Geldstrafe von 150 Tagsätzen zu je EUR 4,00 (EUR 600,00), im Nichteinbringungsfall 75 Tage Ersatzfreiheitsstrafe.

1.6.4.1. Die ehemalige Freundin bzw. Kindesmutter der Tochter des BF war jedoch nicht nur Straftäterin, sondern auch Opfer der vom BF gesetzten Straftaten:

-

Der BF hat seine ehemalige Freundin im Juli 2012 im Bundesgebiet

o durch die Äußerung, ihren Vater und Bruder umzubringen gefährlich mit der Zufügung einer Körperverletzung von Sympathiepersonen bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu setzen; und

o durch die Äußerung, "soll ich dich aus dem Auto herausziehen und wieder schlagen", gefährlich mit der Zufügung einer Körperverletzung bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

-

Der BF hat dann im Dezember 2013 im Bundesgebiet

o seine ehemalige Freundin durch die sinngemäße Äußerung, dass er ihre gemeinsame zwei Monate alte Tochter umbringen werde, wenn sie zu ihren Eltern zurückziehe, mithin durch gefährliche Drohung mit dem Tode, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme vom Auszug aus der gemeinsamen Wohnung, zu nötigen versucht;

o einen männlichen Familienangehörigen der ehemaligen Freundin des BF durch Versetzen eines Faustschlages in das Gesicht vorsätzlich am Körper in Form einer Schwellung im Bereich des linken Auges verletzt;

o durch die gegenüber seiner ehemaligen Freundin und zwei ihrer männlichen Familienangehörigen getätigte Äußerung, dass er mit einer Waffe zurückkomme und sie umbringen werde, diese drei Personen gefährlich mit dem Tode bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

1.7. Der BF hat im Bundesgebiet auch Verwaltungsübertretungen begangen und dabei gegen das Führerscheingesetz und die Straßenverkehrsordnung verstoßen:

-

Mit Straferkenntnis vom 20.03.2012 wurde der BF zu einer Geldstrafe von insgesamt EUR 1.600 verurteilt, weil er ein KFZ in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand und ohne im Besitz einer gültigen Lenkerberechtigung zu sein, gelenkt hat.

-

Es folgte ein weiteres Straferkenntnis vom 14.06.2012 wegen Lenkens eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand.

1.8. Mit Bescheid der zuständigen Bezirkshauptmannschaft vom 17.12.2013 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von vier Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Nach Beschwerdeerhebung dagegen wurde dieses Aufenthaltsverbot mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts vom 26.05.2014 mit der Begründung behoben, dass das Gefährdungspotential nach seiner Haftentlassung entsprechend abgeschwächt wurde.

1.9. Mit Schreiben der zuständigen Bezirkshauptmannschaft vom 19.09.2016 wurde das BFA bezüglich eines einzuleitendes aufenthaltsbeendendes Verfahren verständigt, wobei auf Strafen und Verwaltungsstrafen des BF und darauf Bezug genommen wurde, dass bereits mit Erkenntnis des zuständigen Verwaltungsgerichtes vom 26.05.2014, mit welchem wegen eingetretener Abschwächung des Gefährdungspotentials das im Dezember 2013 gegen den BF erlassene Aufenthaltsverbot behoben worden war, darauf hingewiesen wurde, dass durch ein "kriminelles" Verhalten des BF eine "Verkehrung der Interessensabwägung" herbeigeführt werden kann.

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 17.07.2018 wurde im Wesentlichen gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist, und ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

1.10. Der BF besuchte in Österreich die Schule, ging von Jänner 2010 bis Jänner 2013 einer Lehre als Maurer, Schalungsbauer nach, die Lehrabschlussprüfung hat er jedoch nicht abgeschlossen. Er ging ab August 2008 bis zuletzt einen Tag im Oktober 2016 im Bundesgebiet Erwerbstätigkeiten nach und hat ab Oktober 2009 bis einschließlich Jänner 2017 immer wieder Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen.

Der BF hat in Österreich Freundschaften geschlossen, spielte von 2005 bis 2012 auch Fußball bei einem Verein, hat im April 2015 nachweislich einen Erste-Hilfe-Grundkurs im Ausmaß von 16 Stunden absolviert, und ist nunmehr Mitglied in einem bosnischen Kulturverein.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens:

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

2.2.2. Die Feststellungen zu den Wohnsitzmeldungen des BF ergaben sich aus einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister.

2.2.3. Die Feststellungen zum Aufenthaltsstatus des BF beruhen auf einem Fremdenregisterauszug.

2.2.4. Dass das vormals gegen den BF im Jahr 2013 verhängte vierjährige Aufenthaltsverbot im Jahr darauf wieder behoben wurde, seitens der zuständigen Bezirkshauptmannschaft mit Schreiben von Juni 2016 dann jedoch das BFA unter Hinweis auf Strafen und Verwaltungsstrafen des BF im Hinblick auf ein einzuleitendes aufenthaltsbeendendes Verfahren verständigt wurde, ergab sich aus dem diesbezüglichen Akteninhalt.

2.2.5. Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen des BF beruhen auf einem aktuellen Strafregisterauszug bzw. dem diesbezüglichen Akteninhalt samt Strafrechtsurteil von September 2012 wegen gefährlicher Drohung gegenüber seiner ehemaligen Freundin im Juli 2012 (AS 115ff) und Strafrechtsurteil von Jänner 2014 wegen versuchter schwerer Nötigung gegenüber seiner ehemaligen Freundin, wobei ihre gemeinsame im Oktober 2013 geborene Tochter davon betroffen war, wegen Körperverletzung gegenüber einem und gefährlicher Drohung gegenüber zwei Familienangehörigen der ehemaligen Freundin des BF (AS 97f).

Aus dem Verwaltungsakt gingen auch Übertretungen des Führerscheingesetzes und der Straßenverkehrsordnung hervor, woraufhin mit Straferkenntnissen von März und Juni 2012 jeweils Verwaltungsstrafen folgten.

Aus einer von der betreffenden Justizanstalt übermittelten, beim BVwG am 15.03.2019 eingelangten, Besucherliste geht hervor, dass der BF in Strafhaft von seinen Eltern und auch seiner nunmehrigen Lebensgefährtin besucht wurde.

2.2.6. In einer am 14.04.2017 bei der belangten Behörde eingelangten Stellungnahme des Rechtsvertreters vom 11.04.2017 teilte dieser der belangten Behörde im Wesentlichen mit, der BF halte sich nunmehr langjährig in Österreich auf, habe im Bundesgebiet die Volks-, Hauptschule und zwei Jahre lang eine Berufsschule besucht, eine minderjährige Tochter, zu dieser ein Kontaktrecht, und seine Tochter vor seiner Haft ca. drei- bis viermal wöchentlich gesehen, zu seinem Herkunftsstaat hingegen keine (soziale) Anbindung mehr. Er spreche besser Deutsch als Bosnisch. Außerdem sei er nunmehr bestrebt, einen Platz für die Drogentherapie zu finden.

Am 02.10.2019 rief der BF beim BVwG an und ersuchte um ehestmögliche Bearbeitung seiner Angelegenheit, fürchte er sich doch davor, bei einer Haftentlassung abgeschoben zu werden. Er habe nun eine Lehre abgeschlossen und möchte heiraten. Er habe keine Verwandten in Bosnien und spreche die bosnische Sprache nur sehr schlecht.

Im Zuge seines Telefonanrufs hat der BF aus Furcht vor einer Abschiebung eine starke Bindung zu Österreich und schwache bis gar nicht vorhandene Bindungen zu Bosnien bekräftigt. Er brachte auch vor, seine nunmehrige Ehegattin heiraten zu wollen. Der BF hat offenbar aus Angst vor einer Abschiebung die Heirat seiner Lebensgefährtin, einer österreichischen Staatsbürgerin, im Visier.

2.2.7. Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit und Erwerbslosigkeit des BF im Bundesgebiet beruhen auf einem Auszug aus dem AJ WEB-Auskunftsverfahren.

2.2.8. Die Feststellungen zum Volks-, Hauptschul- und Berufsschulbesuch des BF und seiner weiteren (sozialen) Integrationsschritte beruhen auf dem diesbezüglich glaubwürdigen Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A) I.:

3.1. Zur Rückkehrentscheidung:

3.1.1. Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren

binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des

Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(...)

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

(...)."

3.1.2. Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG, BGBl. I 87/2012 idgF lautet wie folgt:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei-

und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

3.1.3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich Folgendes:

Mit Spruchpunkt I. des gegenständlich angefochtenen Bescheides vom 17.07.2018 wurde gegen den BF gemäß "§ 52 Abs. 5 FPG" eine Rückkehrentscheidung erlassen.

Gemäß § 52 Abs. 5 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

Die belangte Behörde ist jedoch offenbar versehentlich von § 52 Abs. 5 FPG ausgegangen, hat sie doch zuvor in den Feststellungen ausdrücklich eine Rot-Weiß-Rot Karte plus festgehalten. Ein Daueraufenthaltsrecht liegt im gegenständlichen Fall nicht vor, eine Rot-Weiß-Rot Karte plus kann grundsätzlich jedoch zu einem Daueraufenthaltsrecht führen, was im gegenständlichen Fall jedoch nicht der Fall war.

Im vorliegenden Fall kommt wegen aufrechten rechtmäßigen Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet, ist sein Aufenthaltsstatus doch auch für die Dauer seines NAG-Verfahrens nach letztem Antrag auf Verlängerung seiner Rot-Weiß-Rot Karte plus am 19.05.2016 nach § 24 S. 3 NAG bis zur rechtskräftigen NAG-Entscheidung weiterhin rechtmäßig, § 52 Abs. 4 FPG zur Anwendung.

Nach § 52 Abs. 4 FPG hat das Bundesamt mit Bescheid unter anderem dann eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre.

Nach § 11 Abs. 2 Z. 1 NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Diesbezüglich ist vorweg festzuhalten, dass die rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen des BF jedenfalls öffentlichen Interessen widerstreiten.

Gemäß § 9 Abs. 6 BFA-VG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen.

Im gegenständlichen Fall ist der BF seit Dezember 2003 im Besitz einer stets verlängerten Niederlassungsbewilligung und hält er sich seit Anfang Jänner 2004 im Bundesgebiet auf. Wie seine anfängliche Niederlassungsbewilligung wurde auch sein von 08.09.2011 bis 07.09.2011 gültiger Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot Karte plus" stets verlängert. Es ist ausgehend von der rechtmäßigen (stets verlängerten befristeten) Niederlassung des BF im Bundesgebiet ab Anfang Jänner 2004 bis zur vor Einleitung des gegenständlich aufenthaltsbeendendes Verfahren im Jahr 2016 zur rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung von September 2015 geführten (letzten) Straftat am 31.07.2015 (Verwirklichung des nunmehr maßgeblichen Sachverhaltes) insgesamt jedenfalls von einem mehr als achtjährigen, sogar von einem ununterbrochenen mehr als elfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet auszugehen.

§ 9 Abs. 4 BFA-VG ist, wie oben angeführt, durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018, aufgehoben worden. Wie im Folgenden ausgeführt, könnte auch die bereits aufgehobene Bestimmung des § 9 Abs. 4 BFA-VG nicht zur Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung führen.

Im gegenständlichen Fall hat der BF mit seinem ab Anfang Jänner 2004 rechtmäßigen Aufenthalt Anfang Jänner 2014 die Zehnjahresgrenze erreicht. Diese ist bei der behobenen Bestimmung des § 9 Abs. 4 BFA-VG relevant.

§ 9 Abs. 4 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, idF BGBl. I. Nr. 144/2013, lautet wie folgt:

"§ 9. (...)

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist."

Der darin angeführte § 10 Abs. 1 StBG, BGBl. Nr. 311/1985, idF BGBl. I Nr. 136/2013, lautet:

"§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn

1. er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war;

2. er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, die der Verurteilung durch das ausländische Gericht zugrunde liegenden strafbaren Handlungen auch nach dem inländischen Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, entsprechendem Verfahren ergangen ist; und

(...)."

Da sich der BF im gegenständlichen Fall weder von klein auf im Bundesgebiet aufhält, sondern erst seit Anfang Jänner 2004 und damit im Alter von zehn Jahren nach Österreich gekommen ist, noch die in § 9 Abs. 4 Z. 1 BFA-VG, BGBl. I. Nr. 87/2012, idF BGBl. I Nr. 144/2013, angeführte Alternativbestimmung erfüllt, hätte ihm doch bereits aufgrund seiner ersten rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung im Bundesgebiet im April 2012 wegen kumulativ geforderten Voraussetzungen in § 10 Abs. 1 StbG, BGBl. Nr. 311/1985, idF BGBl. I Nr. 136/2013, mit Erreichen einer zehnjährigen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet im Jänner 2014 die Staatsbürgerschaft nicht zuerkannt werden können.

Demzufolge kommt nunmehr nach § 9 Abs. 6 BFA-VG die Prüfung, ob die Voraussetzungen nach § 53 Abs. 3 FPG vorliegen, zur Anwendung. Dieselbe Prüfung wurde auch vom BFA, nur offenbar versehentlich fälschlicherweise nach § 52 Abs. 5 FPG unter Zugrundelegung eines Daueraufenthaltes vorgenommen.

Gemäß § 9 Abs. 6 BFA-VG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. Der BF erfüllt bereits mit seiner ersten rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung von April 2012 die Grundvoraussetzung für die Erlassung eines Einreiseverbotes nach § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG und damit unter Berücksichtigung seines mehr als achtjährigen rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet auch den Tatbestand nach § 9 Abs. 6 BFA-VG. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung war somit grundsätzlich zulässig.

Der BF war ab Einreise Anfang Jänner 2004 an der Wohnadresse seines Vaters, der bereits seit 1993 in Österreich lebt, zusammen mit seiner Mutter und Geschwistern (Schwester und Bruder) wohnhaft. Das familiäre Zusammenleben war jedoch mehrmals selbstverschuldet unterbrochen, und zwar durch mehrere Gefängnisaufenthalte. Der BF wurde wegen verschiedenartiger Straftaten im April 2012, September 2012, Dezember 2013, Jänner 2014, März 2015, September 2015, Dezember 2017, April 2018 und Februar 2019 rechtskräftig strafrechtlich verurteilt. Aus diesen Verurteilungen resultierten Haftaufenthalte von Dezember 2013 bis März 2014, von Juli 2014 bis Juli 2014 und nunmehr seit März 2017. Der BF wurde einer für den Zeitraum von 07.04.2018 bis 09.02.2019 erstellten Besucherliste folgend in Strafhaft unter anderem von seinen Eltern besucht. Vor allem deswegen, weil der BF mit seinen Straftaten selbst bewusst einen Gefängnisaufenthalt und damit die Trennung von seiner Familie in Kauf genommen hat, kann von keinem berücksichtigungswürdigen Familienleben mit seinen Eltern und seinen Geschwistern - sein Bruder und seine Schwester haben den BF nachweislich im besagten Zeitraum nie in Strafhaft besucht, ausgegangen werden. Auch zu seiner Lebensgefährtin, die den BF nachweislich im Zeitraum von April 2018 bis Februar 2019 in Strafhaft besucht hat, besteht keine iSv Art. 8 EMRK berücksichtigungswürdige Beziehung, im Gegenteil, hatten sie doch nie einen gemeinsamen Wohnsitz und wurden sie sogar zusammen straffällig und wegen gemeinsam begangener Straftaten im August 2017 zusammen rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, womit eine zulasten des BF wiegende gegenseitige negative kriminelle Beeinflussung ersichtlich ist. Auch zu seiner nunmehr sechs Jahre alten Tochter aus seiner Beziehung davor, hat der BF doch seinem diesbezüglich glaubhaften Beschwerdevorbringen folgend zu dieser ein Kontaktrecht und seine Tochter vor seiner Haft drei- bis viermal wöchentlich gesehen, besteht keine berücksichtigungswürdige familiäre Beziehung iSv Art. 8 EMRK, hat der BF doch, wie aus seinen nur rund zwei Monaten nach Geburt seiner Tochter begangenen Straftaten ersichtlich, seine Vaterpflichten von Anfang an nicht ernst genommen. Ihm musste bei jeder seiner Straftaten eine durch Haft bevorstehende Trennung von all seinen Familienangehörigen, darunter auch von seiner besonders im Kleinkindalter auf den Vater angewiesenen Tochter, bewusst sein.

Die langjährige Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet und die während dieser Zeit gesetzten Integrationsschritte des BF - (Berufs-) Schulbesuch, Erwerbstätigkeit im Zeitraum von August 2008 bis zuletzt Oktober 2016, Absolvieren eines Erste-Hilfe-Grundkurses im Ausmaß von 16 Stunden im April 2015, Fußballspielen bei einem Fußballverein im Zeitraum von 2005 bis 2012 und soziale Integration - treten gegenüber den ab 2012 begangenen Straftaten stark in den Hintergrund. Der anfangs noch junge BF zeigte sich nicht belehrbar und wurde immer wieder straffällig.

Der BF hat in seinem Herkunftsstaat zwar keine näheren Bezugspersonen, was verständlicherweise an seinem langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern liegt, dennoch ist keine gänzliche Entfremdung von seinem Herkunftsland auszugehen, und spricht der BF neben der deutschen auch die bosnische Sprache. Der BF hat im Zuge seines Anrufs beim BVwG am 02.10.2019 auf zum Bundesgebiet bestehende und zu seinem Herkunftsstaat nicht mehr vorhandene Bindungen verwiesen. Diesem Vorbringen kann jedoch nicht gefolgt werden, hat der BF doch offenbar seine fehlende Anbindung zu Bosnien nur aus Furcht vor einer ihm nach Strafhaftentlassung drohenden Abschiebung vorgebracht. Es ist jedenfalls von vorhandenen Bindungen zu seinem Herkunftsstaat auszugehen.

In Gesamtbetrachtung überwiegen jedenfalls die öffentlichen und da vor allem das Interesse an der Verhinderung weiterer Straftaten die privaten Interessen des BF an einem weiteren Bleiberecht, weshalb die Erlassung einer Rückehrentscheidung nach § 52 Abs. 4 FPG statt nach § 52 Abs. 5 BFA-VG als gerechtfertigt erachtet wird.

3.2. Zur Zulässigkeit der Abschiebung des BF:

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung durchsetzbar ist, sind gemäß § 46 Abs. 1 FPG von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn die Überwachung der Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint, sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind oder dies aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist oder Fremde einem Einreise- oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Im gegenständlichen Fall droht dem BF bei einer Rückkehr jedenfalls kein Abschiebungshindernis iSv Art. 3 EMRK, ist ein solches doch vor dem Hintergrund der Länderberichtslage zu Bosnien und Herzegowina, dem Herkunftsstaat des BF, der als sicherer Herkunftsstaat gilt, nicht amtsbekannt, und hat der BF ein solches auch in seiner Beschwerde nicht vorgebracht.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war daher als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zum Einreiseverbot:

3.3.1. Der mit "Einreiseverbot" betitelte § 53 FPG lautet wie folgt:

"§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(1a) (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. (...),

(...)

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

(...).

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(...)."

3.3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich das vom BFA erlassene Einreiseverbot dem Grunde sowie der ausgesprochenen Dauer nach als gerechtfertigt:

In Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 FPG gegen den BF ein "auf die Dauer von acht Jahren befristetes" Einreiseverbot erlassen.

Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat unter anderem nach Z 1 leg. cit. zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist.

Bereits mit der ersten rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung des BF von April 2012 zu einer sechsmonatigen auf drei Jahre bedingten Freiheitsstrafe erfüllt der BF den Einreiseverbotstatbestand nach § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG.

Die Erfüllung des Tatbestandes nach § 53 Abs. 1 Z. 1 FPG indiziert jedenfalls das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Bei der Bemessung ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose vorzunehmen. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder des Vorliegens der sonstigen genannten Tatbestandsvoraussetzungen an, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild (vgl. VwGH 19.02.2013, Zl. 2012/18/0230).

Im gegenständlichen Fall wurde der BF im Bundesgebiet insgesamt neunmal rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, und zwar

? im April 2012 wegen versuchten Beitrags zu einer falschen Beweisaussage, fahrlässiger Körperverletzung, schwerer Nötigung, Verleumdung, Diebstahls und Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, und einer Geldstrafe bzw. Ersatzfreiheitss

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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