Entscheidungsdatum
21.11.2019Norm
BBG §40Spruch
G303 2210055-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva Wendler und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX,
geboren am XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Kärnten, vom 11.09.2018, Zl. OB:
XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 1 Abs. 2, § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1 und § 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG) in der geltenden Fassung mit der Maßgabe, dass der Grad der Behinderung 40 (vierzig) von Hundert beträgt, als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte am 09.04.2018 über die Zentrale Poststelle beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Oberösterreich, einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ein. Mit dem Antrag wurden medizinische Beweismittel, eine Kopie der Geburtsurkunde sowie ein Meldezettel in Vorlage gebracht.
2. Im Rahmen des seitens des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Kärnten (im Folgenden: belangte Behörde) durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
2.1. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Orthopädie, vom 02.08.2018, wurde, nach persönlicher Untersuchung der BF am 31.07.2018, im Wesentlichen folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Zustand nach Hüft-TEP links fixer Rahmensatzwert bei vorliegendem Bewegungsumfang und mittelgradiger Einschränkung in Arbeit und Alltag
02.05.09
30
2
Lumbalgie oberer Rahmensatzwert bei vorliegendem Bewegungsumfang und geringgradiger Einschränkung in Arbeit und Alltag, keine Dauertherapie erforderlich
02.01.01
20
3
Gonarthralgie rechts, Verdacht auf Meniscusläsion unterer Rahmensatzwert bei vorliegendem Bewegungsumfang und geringgradiger Einschränkung in Arbeit und Alltag
02.05.18
10
Gesamtgrad der Behinderung
30 v.H.
Die Gesundheitsschädigung (GS) 1 sei führend, GS 2 und GS 3 würden wegen Geringfügigkeit den Gesamtgrad der Behinderung nicht weiter steigern.
3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 14.08.2018 wurde der BF das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung eine schriftliche Stellungnahme einzubringen. Nach der vorliegenden Aktenlage erstattete die BF dazu keine Stellungnahme.
4. Mit dem im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde vom 11.09.2018 wurde der Antrag der BF vom 09.04.2018 auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen, da mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 30% die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt wären.
4.1. Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das eingeholte, unter I.2.1. angeführte, ärztliche Sachverständigengutachten. Danach betrage der Grad der Behinderung der BF 30 %. Das genannte Gutachten wurde dem angefochtenen Bescheid als Beilage angeschlossen und zum Bestandteil der Begründung des Bescheides erklärt. Als rechtliche Begründung wurden die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) angeführt.
5. Gegen diesen Bescheid erhob die BF mit Schreiben vom 31.10.2018 fristgerecht Beschwerde. Begründend führte die BF im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass sie um eine neuerliche ärztliche Untersuchung ersuche. Ihr Alltag sei mit ihren Beschwerden sehr anstrengend. Die BF sei bereits vier Mal an der linken Hüfte operiert worden, die Schmerzen seien zum Teil verschwunden, aber ihr Gangbild sei noch nicht wie es sein sollte. Durch ihr schlechtes Gangbild habe die BF auch einen Bandscheibenvorfall erlitten, der im Therapiezentrum behandelt werde. Auch habe die BF noch einen Termin bei einem Neurologen. Der Leistenschmerz in der linken Hüfte sei schlimmer geworden. Ein Leistenbruch sei zwar ausgeschlossen worden, jedoch sei die Ursache für die Schmerzen unklar. Die BF sei verzweifelt, da sie bereits viele gute Ärzte konsultiert habe. In einem brachte die BF weitere medizinische Beweismittel in Vorlage.
6. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht am 23.11.2018 vorgelegt.
7. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichts ein fachärztliches Sachverständigengutachten eingeholt.
7.1. Im medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, Allgemein- und Sportmedizin, vom 10.05.2019, werden, basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF am 25.04.2019, folgende Gesundheitsschädigungen angeführt:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Zustand nach Hüfttotalprothesenimplantation links vorgegebener Rahmensatz nach Hüft-TEP links vom 18.10.2017 mit ausreichender Beweglichkeit unverändert zum Vorgutachten Dr. XXXX vom 31.07.2018
02.05.09
30
2
Lumbales Schmerzsyndrom Unterer Rahmensatz bei Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei MRT-nachgewiesener Bandscheibenvorwölbung L3/4 mit Nervenwurzelpelottierung beidseits. Aufgrund des Befundes und der Funktionsverschlechterung der LWS gegenüber dem Vorgutachten Dr. XXXX vom 31.07.2018 wird der höherer Rahmensatz gewählt.
02.01.02
30
3
Knieschmerz rechts Unterer Rahmensatz, unverändert zum Vorgutachten Dr. XXXX vom 31.07.2018, bei Knieschmerz rechts ohne wesentlicher Funktionseinschränkung
02.05.18
10
Gesamtgrad der Behinderung
40 v.H.
Als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, dass die Position 1 führend sei, die Position 2 steigere wegen ungünstiger Wechselwirkung um eine Stufe. Position 3 sei aufgrund der guten Funktion nicht in der Lage zu steigern.
Im Vergleich zum Vorgutachten sei eine Funktionsverschlechterung der Lendenwirbelsäule festgestellt worden.
8. Das Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG mit Schreiben vom 12.06.2019 zur Kenntnis gebracht und den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Die belangte Behörde erstattete keine Stellungnahme. Das nachweislich per RSa-Brief am 14.06.2019 bei der Post Geschäftsstelle 9803 hinterlegte Schreiben wurde von der BF nicht behoben. Der Beginn der Abholfrist war der 17.06.2019.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF hat einen Wohnsitz im Inland.
Die BF leidet an folgenden behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen:
-
Zustand nach Hüfttotalprothesenimplantation links (Grad der Behinderung: 30 %)
-
Lumbales Schmerzsyndrom (Grad der Behinderung: 30 %)
-
Knieschmerz rechts (Grad der Behinderung: 10 %)
Der Gesamtgrad der Behinderung ergibt sich aus dem führenden Leiden (Zustand nach Hüfttotalprothesenimplantation links) und wird aufgrund der Funktionseinschränkung in der Lendenwirbelsäule um insgesamt eine Stufe erhöht. Der Knieschmerz rechts führt nicht zu einer weiteren Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung, da hier keine maßgebliche Funktionseinschränkung besteht.
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt somit 40 (vierzig) von Hundert (v.H.).
2. Beweiswürdigung:
Der unter I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und der Beschwerde sowie aus dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellung zum Wohnsitz ergibt sich aus einem Auszug des Zentralen Melderegisters und den Angaben der BF im verfahrenseinleitenden Antrag.
Der Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. wurde aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX, Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, vom 10.05.2019, objektiviert.
Dieses Sachverständigengutachten ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Die festgestellten Gesundheitsschädigungen und ihre korrekte und nachvollziehbare Einschätzung entsprechend den Vorgaben in der Anlage zur Einschätzungsverordnung ergeben sich daraus.
Der von der BF in der Beschwerde angeführte Bandscheibenvorfall wurde von Dr. XXXX in seiner Einschätzung unter der Funktionseinschränkung "Lumbales Schmerzsyndrom" berücksichtigt. Die vorgebrachten Leistenschmerzen im Bereich der linken Hüfte wurden im erhobenen Untersuchungsbefund von Dr. XXXX festgehalten; eine höhere Einschätzung des führenden Leidens, Zustand nach Hüfttotalprothesenimplantation links, erfolgte im Vergleich zum Vorgutachten jedoch nicht, da hier Funktionseinschränkungen (Grad der Beugung/ Streckung) maßgeblich sind.
Insgesamt war aus dem Beschwerdevorbringen kein Anhaltspunkt zu entnehmen, dass weitere - vom Sachverständigen nicht berücksichtigte - behinderungsrelevante Gesundheitsschädigungen bei der BF vorliegen.
Der Inhalt des Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX vom 10.05.2019 wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Die BF hat jedoch das rechtswirksam zugestellte Schreiben über die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme nicht behoben. Eine Stellungnahme wurde somit weder von der BF noch von der belangten Behörde erstattet. Das fachärztliche Sachverständigengutachten blieb damit im gegenständlichen Verfahren unbestritten.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen daher keinerlei Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens. Dieses wird daher der gegenständlichen Entscheidung in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung [idgF]) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 idgF) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF) geregelt (§ 1 leg. cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteienantrages, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.
Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die ärztliche Begutachtung von Dr. XXXX basierte auch auf einer persönlichen Untersuchung der BF. Der Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens wurde von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs in keiner Weise beeinsprucht.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren der BF geklärt erscheint und unstrittig ist, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen.
Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.
Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht entgegen.
3.2. Zu Spruchteil A):
Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist;
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen;
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten;
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. I Nr. 22/1970 in der geltenden Fassung, angehören.
Nach § 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG 1998), BGBl. I Nr. 400/1998 in der geltenden Fassung, sind die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:
-
Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. I Nr. 183/1947).
-
Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
-
In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 leg. cit. genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 idgF) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen;
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 leg. cit. vorliegt.
Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind gemäß § 2 der Einschätzungsverordnung als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist gemäß § 3 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist gemäß § 3 Abs. 2 der Einschätzungsverordnung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß § 45 Abs. 1 BBG nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:
In der vorliegenden Rechtssache wurde gemäß § 41 Abs. 1 BBG nach Beschwerdeerhebung unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen der Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Danach wurde ein Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 40 v.H. objektiviert und festgestellt, da auch die Gesamteinschätzung unter Bedachtnahme auf den durchgeführten Sachverständigenbeweis vorzunehmen ist (vgl. VwGH 18.10.2000, Zl. 99/09/0097).
Das Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 10.05.2019 wurde auch seitens der Verfahrensparteien im Beschwerdeverfahren nicht bestritten.
Im gegenständlichen Fall sind daher die Voraussetzungen für die Ausstellung des beantragten Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.
Da im angefochtenen Bescheid lediglich ein Grad der Behinderung in Höhe von 30 von Hundert festgestellt wurde, erfolgt die Abweisung der Beschwerde mit der Maßgabe, dass der Grad der Behinderung 40 von Hundert beträgt.
3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Die angewendeten Teile des Bundesbehindertengesetzes und der Einschätzungsverordnung sind - soweit im Beschwerdefall relevant - eindeutig. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G303.2210055.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.03.2020