TE Bvwg Beschluss 2019/11/25 W105 2224267-1

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Veröffentlicht am 25.11.2019
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Entscheidungsdatum

25.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §57
AVG §68
BFA-VG §21 Abs3 Satz 2
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a

Spruch

W105 2224267-1/9E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , somalischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.09.2019, Zahl:

1124722102-190861474, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß §21 Absatz 3 2.Satz BFA-VG stattgegeben

und der bekämpfte Bescheid in den Spruchpunkten I. bis VII. behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein somalischer Staatsangehöriger, brachte am 31.07.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einen ersten Antrag gemäß § 2 Abs 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (im Folgenden: AsylG) ein, den er im Wesentlichen mit Bedrohungen durch die Terrormiliz Al-Shabaab im Heimatland begründete.

Das BFA wies mit Bescheid vom 03.03.2018, zugestellt am 07.03.2018, den Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist und dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkte V. und VI.).

Der Bescheid erwuchs am 05.04.2018 in Rechtskraft.

I.2. Am 22.08.2019 brachte der BF den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz ein. Dazu wurde der BF am noch am selben Tag erstbefragt und es erging eine Verfahrensanordnung gemäß § 15b AsylG iVm § 7 Abs 1 VwGVG. Am 27.08.2019 fand die Einvernahme vor dem BFA statt.

I.3. Nach seiner Überstellung durch die deutschen Behörden am 21.08.2019 gab der BF im Verlauf seiner Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion Oberösterreich am 22.08.2019 im Wesentlichen an, dass er weiterhin dieselben Fluchtgründe habe, wie auch bei seinem ersten Antrag. Befragt nach Angaben über Befürchtungen führte er an, dass die Leute der Terrorgruppe Al-Shabaab sein Gesicht kennen würden, und er daher um sein Leben fürchte. Darüber hinaus gab der BF zu Protokoll, dass er sowohl eine Operation an seiner linken Hand durchführen müsse, da diese sich zunehmend taub anfühle. Des Weiteren müsse er sich einer dringenden Operation am linken Ohr unterziehen.

Am 27.08.2019 wurde der BF im Rahmen einer Identitätsprüfung erneut befragt und gab ersucht um eine kurze und prägnante Zusammenfassung seiner Fluchtgründe an, dass sich Vieles geändert habe und sein Vater am 14.10.2017 einem Anschlag zum Opfer gefallen sei. Im Übrigen halte er die Angaben im ersten Asylantrag zu seinem Fluchtgrund aufrecht.

I.4. In weiterer Folge wurde der BF am 04.09.2019 vor dem BFA zur Wahrung seines Parteiengehörs einvernommen, ohne dass dieser Einvernahme ein Rechtsberater zugezogen wurde noch er vor dieser Einvernahme von einem Rechtsberater beraten worden ist. Dort gab der BF an, dass seine Fluchtgründe noch dieselben seien. Es sei in seinem Herkunftsland in letzter Zeit schlimmer geworden und sein Vater sei im Oktober 2017 verstorben. Erst zwei Tage vor der Einvernahme habe es auch einen Anschlag bei seinem Haus gegeben.

Mit gegenständlichem Bescheid des BFA vom 24.09.2019 wurde der Antrag hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebungen gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt. Gemäß § 55 Abs 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.), dem BF sei aufgetragen worden, gemäß § 15b Abs 1 AsylG ab 22.08.2019 in einem angeführten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VIII).

Der BF erhob fristgerecht Beschwerde gegen diesen Bescheid.

Die gegenständliche Beschwerde wurde mit den maßgeblichen Verwaltungsakten am 10.10.2019 der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes (im Folgenden: BVwG) zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF stellte am 31.07.2016 den ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Den Antrag begründete er mit Bedrohung und Tötung seines in einer Hilfsorganisation tätigen Bruders und der daraus resultierenden Verfolgung und Entführung seiner Person durch die Terrorgruppe Al-Shabaab.

Der Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 03.03.2018, zugestellt am 07.03.2018, rechtskräftig abgewiesen, wobei das Vorbringen des BF, dass im Zuge der Verfolgung und Tötung des Bruders des BF eine Entführung des BF stattgefunden habe, als unglaubhaft gewertet wurde.

Der Bescheid erwuchs mit Ablauf der Rechtsmittelfrist in formeller Rechtskraft.

1.2. Der BF stellte am 21.08.2019 den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Das BFA führte am 27.08.2019 eine Befragung zur Identitätsprüfung und am 04.09.2019 die Einvernahme des BF durch und kam zu dem Schluss, dass der BF keine weiteren asylrelevanten Gründe vorgebracht habe und sich auch kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben habe, weshalb der Antrag mit Bescheid vom 24.09.2019 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde.

1.3. Dem Beschwerdeführer wurde im gegenständlichen Verfahren weder ein Rechtsberater zugeteilt, noch wurde ihm mit einer weiteren Verfahrensanordnung im Sinne von § 29 Abs 3 Z 4 AsylG 2005 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensaktes des Bundesamts, an dessen Richtigkeit und Vollständigkeit keine Zweifel bestehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten:

§ 21 Abs 3 BFA-VG: "Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."

Gemäß ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs 3 BFA-VG (vgl. jüngst Ra2016/19/0208-8 vom 5. Oktober 2016 mwN) hat eine Entscheidung nach § 21 Abs 3 zweiter Satz BFA-VG gemäß § 31 Abs 1 VwGVG in Form eines (das Beschwerdeverfahren beendenden und nicht bloß verfahrensleitenden) Beschlusses zu ergehen.

3.2. Zum gegenständlichen Verfahren

3.2.1. Der mit "Sonderbestimmungen für das Zulassungsverfahren" überschriebene 2. Abschnitt des AsylG 2005, enthaltende § 28 AsylG 2005 - Zulassungsverfahren - bestimmt:

"(1) Ist der Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich nicht zurückzuweisen, ist das Verfahren zuzulassen, soweit das Verfahren nicht vor Zulassung inhaltlich entschieden wird. Die Zulassung erfolgt durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 51), sofern dem Asylwerber ein Aufenthaltsrecht zusteht; eines Bescheides bedarf es dann nicht. Andernfalls ist die Zulassung mit Verfahrensanordnung zu dokumentieren. Die Zulassung steht einer späteren zurückweisenden Entscheidung nicht entgegen.

(2) Entscheidet das Bundesamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringen des Antrags auf internationalen Schutz, dass der Antrag zurückzuweisen ist, ist der Antrag zuzulassen, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Dublin - Verordnung oder eines Vertrages über die Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz geführt. Das Führen solcher Konsultationen ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen. Diesfalls gilt die 20-Tages-Frist nicht. Diese gilt überdies nicht, wenn eine Mitteilung gemäß § 29 Abs 3 Z 4 oder 6 erfolgt ist, dem Asylwerber ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt (§ 12a Abs 1 oder 3), der Asylwerber am Verfahren nicht mitwirkt, dieses gegenstandslos wird oder er sich diesem entzieht. Ist der Asylwerber aus in seiner Person gelegenen Gründen nicht in der Lage, am Verfahren mitzuwirken, ist der Lauf der Frist nach Satz 1 gehemmt.

(3) Eine Stattgebung oder Abweisung des Antrags im Zulassungsverfahren ersetzt die Zulassungsentscheidung (Abs 1). Wird der Antrag im Zulassungsverfahren abgewiesen, gilt dieser Antrag als zugelassen, wenn oder sobald der Beschwerde gegen diese Entscheidung aufschiebende Wirkung zukommt.

(4) Dem Asylwerber in der Erstaufnahmestelle oder in einer Betreuungseinrichtung des Bundes ist eine ärztliche Untersuchung zu ermöglichen."

Des Weiteren sieht § 29 AsylG 2005 - Sonderbestimmungen im Zulassungsverfahren - folgendes vor:

"(1) Zulassungsverfahren sind mit Einbringen von Anträgen auf internationalen Schutz zu beginnen.

(Anm.: Abs 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2015)

(3) Nach Durchführung der notwendigen Ermittlungen hat das Bundesamt je nach Stand des Ermittlungsverfahrens

1. dem Asylwerber eine Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 51) auszufolgen;

2. seinem Antrag auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten stattzugeben (§ 3);

3. dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs 1 VwGVG) mitzuteilen, dass beabsichtigt ist, seinem Antrag auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs 1) stattzugeben und bezüglich des Status des Asylberechtigten abzuweisen;

4. dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs 1 VwGVG) mitzuteilen, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen (§§ 4 bis 5 und § 68 Abs 1 AVG);

5. dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs 1 VwGVG) mitzuteilen, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen oder

6. dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs 1 VwGVG) mitzuteilen, dass beabsichtigt ist, seinen faktischen Abschiebeschutz aufzuheben (§ 12a Abs. 2).

Eine Mitteilung gemäß Z 3 bis 6 hat nicht zu erfolgen, wenn der Asylwerber nicht mehr im Bundesgebiet aufhältig ist.

(4) Bei Mitteilungen nach Abs 3 Z 3 bis 6 hat das Bundesamt den Asylwerber zu einem Rechtsberater (§ 49 BFA-VG) zu verweisen. Dem Asylwerber ist eine Aktenabschrift auszuhändigen und eine 24 Stunden nicht zu unterschreitende Frist zur Vorbereitung einzuräumen. Der Asylwerber und der Rechtsberater (§ 49 BFA-VG) sind unter einem zu einer Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs nach Verstreichen dieser Frist zu laden. In dieser Frist hat eine Rechtsberatung (§§ 49, 50 BFA-VG) zu erfolgen; dem Rechtsberater (§ 49 BFA-VG) ist unverzüglich eine Aktenabschrift, soweit diese nicht von der Akteneinsicht ausgenommen ist (§ 17 Abs 3 AVG), zugänglich zu machen (§ 29 Abs 1 Z 15 BFA-VG). Die Rechtsberatung hat, wenn der Asylwerber in der Erstaufnahmestelle versorgt wird, in dieser stattzufinden. Wird der Asylwerber angehalten, kann die Rechtsberatung auch in den Hafträumen erfolgen.

(5) Bei der Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs hat der Rechtsberater (§ 49 BFA-VG) anwesend zu sein. Zu Beginn dieser Einvernahme ist dem Asylwerber das bisherige Beweisergebnis vorzuhalten. Der Asylwerber hat die Möglichkeit, weitere Tatsachen und Beweismittel anzuführen oder vorzulegen.

(6) [...]

3.2.2. Gemäß § 49 Abs 1 BFA-VG ist im Zulassungsverfahren einem Asylwerber kostenlos ein Rechtsberater amtswegig zur Seite zu stellen.

Gemäß Abs 2 leg. cit. haben Rechtsberater Asylwerber vor jeder einer Mitteilung nach § 29 Abs 3 Z 3 bis 6 AsylG 2005 folgenden Einvernahme im Zulassungsverfahren über ihr Asylverfahren und ihre Aussichten auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zu beraten; ihnen sind zu diesem Zweck bei Bedarf vom Bundesamt Dolmetscher beizugeben und das bisherige Ermittlungsergebnis im gesamten Umfang zur Verfügung zu stellen. Rechtsberater sind verpflichtet, an allen Einvernahmen zur Wahrung des Parteiengehörs im Zulassungsverfahren teilzunehmen.

3.2.3. Der Beschwerdeführer wurde weder vor der Einvernahme am 04.09.2019 von einem Rechtsberater beraten noch nahm ein Rechtsberater an dieser Einvernahme teil. Der Beschwerdeführer wurde entgegen § 49 Abs 2 BFA-VG auch nicht im gesamten Verlauf seines Zulassungsverfahrens von einem Rechtsberater beraten noch hat ein solcher, mangels einer weiteren persönlichen Einvernahme des BF vor dem Bundesamt, an seiner Einvernahme teilgenommen. Bereits diese Verletzung der Anwesenheitspflicht bewirkt einen wesentlichen Verfahrensmangel (so auch Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, K4 zu § 49 BFA-VG).

3.2.4. Des Weiteren hat es die belangte Behörde im Sinne von § 29 Abs 4 AsylG 2005 unterlassen, den Beschwerdeführer und den Rechtsberater innerhalb einer nicht 24 Stunden zu unterschreitenden Frist zu einer Einvernahme zur Wahrung seines Parteiengehörs zu laden, sodass auch dadurch keine Sanierung der Verletzung der Anwesenheitspflicht des Rechtsberaters im Zulassungsverfahren eintreten konnte.

Gemäß den Erläuternden Bemerkungen in der Regierungsvorlage zum Asylgesetz 2005 (952 BlgNR XXII. GP, 74) ist die Bestellung von Rechtsberatern erforderlich, um die Trennung in Zulassungsverfahren und materiellem Verfahren nicht nur effektiv und effizient zu gestalten, sondern vor allem auch unter rechtsstaatlichen Paramenten führen zu können. Hierbei ist mitzubedenken, dass der - nicht aufenthaltsberechtigte - Asylwerber im Zulassungsverfahren einer Reihe zeitlicher (20-Tages-Frist, Einvernahmen in kurzen Abständen) und örtlicher (Gebietsbeschränkung des § 12 Abs 2 AsylG 2005) Einschränkungen unterliegt, die eine Hilfestellung erfordern.

Weiters heißt es in diesen Erläuternden Bemerkungen, dass, will die Behörde das Verfahren weder zulassen oder dem Antrag vollinhaltlich - nämlich durch die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten - stattgeben, so ist der Asylwerber zu einem Rechtsberater zu verweisen und unter einem - das heißt gleichzeitig - zu einer Einvernahme zu laden. In dieser kann er sein Parteiengehör nach erfolgter Rechtsberatung und im Beisein des Rechtsberaters abgeben. Um dem Asylwerber die Vorbereitung des Parteiengehörs zu ermöglichen, ist im Entwurf eine "Maximalfrist" von 24 Stunden angeführt. Diese ist von der Behörde durchaus mit Blick auf die Komplexität des Verfahrens und im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Asylwerbers einzelfallbezogen festzulegen.

3.2.5. Der Umstand, dass die Einvernahme des BF zur Wahrung seines Parteiengehörs am 04.09.2019 ohne Anwesenheit seines Rechtsberaters durchgeführt worden ist, stellt jedenfalls einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Denn nur außerhalb des Zulassungsverfahrens erachtete der Gesetzgeber, die Beistellung einer Rechtsberatung für nicht erforderlich. Dabei wird wohl in typisierender Betrachtungsweise davon ausgegangen, dass es in einem zugelassenen Asylverfahren, welches einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt als das - in der Regel auf 20 Tage beschränkte - Zulassungsverfahren, einem aufenthaltsberechtigten Asylwerber - leichter möglich ist, selbst für eine geeignete Beratung zu sorgen (VwGH 25.11.2008, 206/20/0624).

3.2.6. Im gegenständlichen Fall wurde der Beschwerdeführer zweimal -zuerst im Rahmen der Einvernahme zur Identitätsprüfung und danach bei der Einvernahme des BF zur Wahrung seines Parteiengehörs vor dem Bundesamt -jeweils ohne Anwesenheit eines Rechtsberaters einvernommen. Die Behörde hat es darüber hinaus im gesamten zweiten Verfahren unterlassen, dem BF eine Mitteilung nach § 29 Abs 3 Z 4 AsylG 2005 zur Kenntnis zu bringen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der BF entgegen der zwingenden Anwesenheitspflicht eines Rechtsberaters bei jeder nach der ersten Befragung gemäß § 19 Abs 1 AsylG 2005 stattfindenden (weiteren) Einvernahme im Zulassungsverfahren ohne Beziehung eines Rechtsberaters einvernommen worden ist.

3.3. Da nicht auszuschließen ist, dass bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften ein anderes Verfahrensergebnis möglich gewesen wäre, erweist sich der vorliegende Sachverhalt als so mangelhaft, dass eine Sanierung der dargestellten Verfahrensmängel nur durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Ladung des Rechtsvertreters möglich wäre. Der angefochtene Bescheid ist daher gemäß § 21 Abs 3 BFA-VG aufzuheben.

3.4. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs 6a und 7 BFA-VG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art 133 Abs 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass das BFA zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der Behandlung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegensteht, weshalb der angefochtene Bescheid in den Spruchpunkten I. und II. zu beheben war. Da die übrigen angefochtenen Spruchpunkte die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz voraussetzten, waren auch diese bereits aus diesem Grund zu beheben.

3. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid zu beheben ist.

Zu Spruchteil B):

Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W105.2224267.1.01

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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