Entscheidungsdatum
26.11.2019Norm
BBG §40Spruch
W264 2200526-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch KOBV - Der Behindertenverband, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle Wien vom 19.2.2018, OB 60887297800040, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 6.9.2019 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Dem Beschwerdeführer (in weiterer Folge: BF) wurde auf der Grundlage des allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens Dris. XXXX vom 11.8.2016 auf Bais der persönlichen Untersuchung des BF aufgrund des festgestellten Gesamtgrads der Behinderung von 90% ein Behindertenpass ausgestellt. Die Sachverständige regte die "Nachuntersuchung" im August 2017 an, da eine mögliche Besserung des Leiden "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule bei Zustand nach mehrmaliger Discusoperation" nach durchgeführter Stabilisierungsoperation und Wegfall der Zusatzeintragungen möglich wären.
2. Der BF stellte unter Verwendung des Antragsformulars 08/2016 beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf "Neuausstellung des Behindertenpasses wegen Ungültigkeit" (datiert 31.8.2017, eingelangt am 7.9.2017).
3. Die belangte Behörde holte beim Allgemeinmediziner Dr. XXXX ein Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Allgemeinmedizin ein. Dr. XXXX stellte in dem am 16.2.2018 erstatteten Gutachten - nach persönlicher Untersuchung des BF am 23.11.2017 - einen Grad der Behinderung von 70 v.H. fest. Als voraussichtlich länger als sechs Monate andauernde Funktionseinschränkungen des BF hielt der Sachverständige fest:
Bild kann nicht dargestellt werden
4. Mit Erledigung vom 19.2.2019 wurde dem Beschwerdeführer das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens (Grad der Behinderung von 70 %) mitgeteilt und er darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Voraussetzung für folgende Zusatzeintragungen vorliegen:
* Der Inhaber kann die Fahrpreisermäßigung nach dem BBG in Anspruch nehmen
* Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs 1 erster Teilstrich VO 303/1996 liegt vor
* Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor
Der Behindertenpass werde bis zum 31.5.2021 befristet ausgestellt und in den nächsten Tagen im Scheckkartenformat übermittelt. In der Beilage wurde das Gutachten Dris. XXXX dem BF übermittelt.
5. Der BF übermittelte mit Schriftsatz des KOBV vom 23.3.2018 der belangten Behörde das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin brachte er seine Beschwerdegründe vor, unter anderem, dass eine Besserung der Gesundheitsschädigungen nicht eingetreten sei und sich in Gesamtschau der massiven Leiden eine erhebliche Einschränkung des (pensionierten) BF im Alltag und im Arbeitsleben ergäbe und eine Herabsetzung des Grad der Behinderung daher nicht gerechtfertigt erscheine. Es wurde beantragt die Beiziehung von Sachverständigen aus den Gebieten Neurologie, Orthopädie und Interne Medizin.
6. Mit Schriftsatz des KOBV vom 30.4.2018 übermittelte der BF der belangten Behörde als Beweismittel die Medikamentenverordnung der Hausärztin Dr. XXXX vom 5.4.2018.
7. Die belangte Behörde holte daraufhin die sachverständige Stellungnahme Dris. XXXX vom 8.5.2018 ein, in welcher nach Durchsicht des neu vorgelegten Befundes (Medikamentenverordnung der Hausärztin vom 5.4.2018) der Sachverständige zu der Auffassung gelangte, dass von dem bisherigen Ergebnis seines vorangegangenen Gutachtens nicht abzugehen sei.
8. Die sachverständige Stellungnahme Dris. XXXX vom 8.5.2018 wurde dem BF mit Erledigung vom 9.5.2018 im Rahmen des Parteigehörs zur Kenntnis gebracht und ihm die Gelegenheit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen.
9. Der BF gab mit Schriftsatz des KOBV vom 29.5.2018 eine Stellungnahme ab und stellte darin näher bezeichnete Anträge.
10. Mit Schriftsatz des KOBV vom 4.6.2018 übermittelte der BF der belangten Behörde als Beweismittel den Befund der neurochirurg. Abteilung des XXXX vom 23.5.2018 unter der Angabe, sich dort in regelmäßiger Betreuung zu befinden.
11. Die belangte Behörde holte daraufhin die sachverständige Stellungnahme Dris. XXXX vom 9.7.2018 ein, in welcher nach Durchsicht des neu vorgelegten Befundes (Befund der neurochirurg. Abteilung des XXXX vom 23.5.2018) der Sachverständige zu der Auffassung gelangte, dass von dem bisherigen Gutachten nicht abzugehen sei.
12. Die belangte Behörde brach wegen Zeitüberschreitung das Beschwerdevorentscheidungsverfahren ab und legte den bezughabenden Akt dem Bundesverwaltungsgericht mit Vorlagebericht vom 10.7.2018 vor.
13. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte die öffentliche mündliche Verhandlung für den 6.9.2019 an.
14. Mit Gutachtensauftrag vom 25.7.2019 wurde die medizinische Sachverständige DDr. XXXX , Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin mit Zusatzausbildung Orthopädie in Personalunion, beauftragt wie folgt:
"Bezugnehmend auf die Verhandlung am 6. September 2019 wird ein Gutachten nach persönlicher Untersuchung des BF XXXX erbeten und hiermit in Auftrag gegeben.
I.
Der BF ist nach am 23.11.2017 erfolgter Untersuchung durch Dr. XXXX , allgemeinmedizinisches Gutachten vom 16.2.2019, bzw nach der Stellungnahme Dris. XXXX vom 8.5.2018 und nach der Stellungnahme Dris. XXXX vom 9.7.2018 im Besitz eines Behindertenausweises mit dem GdB iHv 70%. Zuvor betrug sein GdB 90%.
A) Gegen diesen Grad der Behinderung setzt sich der BF mit der Beschwerdeschrift des KOBV vom 23.3.2018 zur Wehr.
Der BF bringt vor, Pflegegeldbezieher der Stufe 2 zu sein und eine unbefristete Berufsunfähigkeitspension zu beziehen. Aufgrund seiner Leiden liege eine erhebliche Einschränkung im Alltag und im Arbeitsleben vor (Beschwerde S. 4) und gäbe es massive Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen (Beschwerde S. 2) sodass die Herabsetzung des GdB von 90% auf 70% nicht gerechtfertigt sei.
Auf Seite 3 der Beschwerde werden "degenerative Veränderungen der WS samt OP" und "chronischer Dauerschmerz trotz Opiattherapie" ins Treffen geführt und sei entsprechend dem Gutachten aus dem Jahr 2016 (11.08.2016) beim Leiden 3 ein GdB von 70% gemäß Einschätzungsverordungs-Position 02.01.03 weiterhin anzunehmen.
Als Beweise wurden auf Seite 5 der Beschwerde die "bereits vorgelegten Befunde" angeführt.
Es ergeht daher der
Auftrag zur Erstellung eines
Sachverständigengutachtens nach persönlicher Untersuchung unter Berücksichtigung aller im Akt befindlichen Beweismittel
über Folgendes:
1) Werden die Einwendungen des Beschwerdeführers nach Untersuchung entkräftet oder resultiert daraus eine von den gutachterlichen Ausführungen Dris. XXXX in dessen Gutachten vom 16.2.2019 und in dessen Stellungnahmen vom 8.5.2019 und vom 9.7.2018 abweichende Einschätzung der Leiden des Beschwerdeführers.
2) Kommt es nach Untersuchung des BF jeweils zu einer höheren Einschätzung der Leiden 1 bis Leiden 6?
3) Wird nach Untersuchung des BF ein zusätzliches über die Leiden 1 bis Leiden 6 hinausgehendes Leiden objektiviert?
4) Kommt es zwischen den objektivierten Leiden des BF untereinander zu einer Wechselwirkung und bejahendenfalls möge dies begründet werden, indem dies nachvollziehbar erklärt wird (etwa weil das eine Leiden ein internistisches ist und das andere eines den Bewegungsapparat betreffend).
5) Kommt es - so dies anamnestisch noch zu erheben ist - durch das Übergewicht und den erhöhten Blutfettspiegel (Gutachten Dris. XXXX S. 7) zu einer Erhöhung eines der beim BF vorhandenen Leiden?
6) Sind die vom BF in der Beschwerde ins Treffen geführten Schmerzen objektivierbar?
7) Betreffend vom BF in der Beschwerde ins Treffen geführten Schmerzen möge diese betreffend im Gutachten ausgeführt werden und ebenso dazu, ob diese geeignet sind, eine höhere Einschätzung der beim BF vorhandenen Leiden zu bewirken.
Sollte aus gutachterlicher Sicht die Beiziehung weiterer Sachverständigen aus anderen Teilbereichen der Medizin - etwa aus dem Fachgebiet Neurologie oder Interne Medizin - für erforderlich erachten werden, so wird ersucht, dies entsprechend der gutachterlichen Anregung zu veranlassen. Sollte auf die Beiziehung weiterer Sachverständigen aus anderen Teilbereichen der Medizin aus gutachterlicher Sicht verzichtet werden, so möge dies bitte kurz begründet werden.
Es möge dabei darauf Bedacht genommen werden, dass bei der Aufforderung zum Erscheinen zur ärztlichen Untersuchung entsprechend § 41 Abs 3 BBG eine neuerliche Ladung zum Erscheinen zur ärztlichen Untersuchung nicht auszusprechen ist, wenn der BF ohne triftigen Grund der schriftlichen Aufforderung zum Erscheinen zur ärztlichen Untersuchung nicht entspricht. Auf die Folgen eines solchen Verhaltens ist in der Ladung hinzuweisen.
NEUERUNGSBESCHRÄNKUNG: Es wird auf die Neuerungsbeschränkung hingewiesen, wonach ab 10.07.2018 (Einlangen der Beschwerdevorlage im Bundesverwaltungsgericht) keine neuen Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden dürfen. Im Hinblick auf die Neuerungsbeschränkung des § 46, 3. Satz BBG ist zu sagen, dass bloß die Befunde hinsichtlich jene Leiden, welche im SVGA Dris. XXXX (in der Ananmese, unter "derzeitige Beschwerden", unter "Leiden") berücksichtigt sind, relevant sind. Unterlagen welche nachgereicht werden, mögen als "bei der Untersuchung am XX vorgelegt" bezeichnet / gekennzeichnet und dem Akt zwar angeschlossen werden, aber in der gutachterlichen Beurteilung nicht berücksichtigt werden.
[...]"
15. Daraufhin erstattete die befasste Sachverständige das Gutachten vom 4.9.2019, welches sie auch in der Verhandlung am 6.9.2019 erläuterte. Das Gutachten der DDr. XXXX vom 4.9.2019 lautet wie folgt:
"SACHVERHALT:
Gegen den Bescheid des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen vom 22. 2. 2018, mit welchem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass abgewiesen wird,
und betreffend Grad der Behinderung im Behindertenpass, wird Beschwerde vorgebracht.
Im Beschwerdevorbringen des BF vom 23.3.2018, vertreten durch den KOBV, wird eingewendet, dass keine Besserung eingetreten sei, es bestünden nach wie vor massive Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen. Eine Stabilisierung des Zustandes sei nicht näher begründet worden und sei auch nicht aus Gutachten und Befunden ableitbar. Es liege ein chronischer Dauerschmerz trotz Opiattherapie vor. Er habe Sensibilitätsstörungen an den oberen und unteren Extremitäten und auftretende neurologische Ausfälle der Beine. Eine völlige Schmerzfreiheit sei bisher nicht erreicht worden. Der Allgemeinzustand sei herabgesetzt, es liege ein multimorbides Beschwerdebild vor. Es liege ein chronisches Schmerzsyndrom mit deutlicher depressive Stimmungslage vor und er sei in laufender Behandlung in einer Schmerzambulanz und bekomme Hydal und Dronabinol und habe trotzdem unerträgliche Schmerzen.
Hinsichtlich beantragter Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wird im Beschwerdevorbringen dargelegt, dass bei Zustand nach mehrfachen Operationen an den Bandscheiben im Lendenwirbelsäulenbereich aufgrund der vorliegenden Nervenkompressionen und Sensibilitätsstörungen an den oberen und unteren Extremitäten und neurologische Ausfälle der Beine die Benützung eines Rollators unumgänglich sei, eine erhöhte Sturzgefahr bestehe und ein sicherer Transport und die Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel nicht gegeben seien. Er habe unerträgliche Schmerzen nach wenigen Schritten, er müsse sich niedersetzen und das Sitzen auf harten Stühlen sei unmöglich.
Bei Zustand nach Rektum-Karzinom habe er rezidivierende Diarrhoe und starke Darmkoliken. Eine lange Gehstrecke sei daher aufgrund der Stuhlfrequenz nicht möglich. Er leide an einer Harn- und Stuhlinkontinenz und daher sei die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel keinesfalls zumutbar.
Eine Stabilisierung seit dem Vorgutachten vom 11. 8. 2016 liege nicht vor.
Er beziehe Pflegegeld der Stufe 2.
In der Stellungnahme vom 29. 5. 2018 wird vorgebracht, dass es nicht nachvollziehbar sei, dass der Bewegungsumfang beim Beschwerdeführer zugenommen habe und keine neurologischen Ausfallsymptomatik vorliege. Es sei zu keiner relevanten Besserung des Gesundheitszustandes gekommen, es lägen weiterhin starke Funktionseinschränkungen infolge der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule samt Operationsindikation mit chronischem Dauerschmerzen trotz Opiatherapie vor. Er sei dauerhaft auf den Rollator angewiesen, da ihm aufgrund der neurologischen Ausfallsymptome die Knie wegsackten.
Er leide an unkontrolliertem Harnlassen und bei Zustand nach Rektum-Karzinom an gestörter Darm- und Abführfunktion. Es liege ein herabgesetzter Allgemeinzustand, ein multimorbides Beschwerdebild und aufgrund des chronischen Schmerzsyndroms eine deutlich depressive Stimmungslage vor.
Vorgeschichte:
10/2014 Rektum-Karzinom, Operation, passagere Colostomie,
Sanierung eine Narbenhernie 02/2017
2x Sprunggelenksverletzung, 1990 und 1993, links Fraktur, rechts Bandverletzung-Peroneus-Plastik
2016 Radiatio der Prostata, Prostatakarzinom Erstdiagnose 02/2016, regelmäßige Kontrolle, PSA aktuell 0,5
1. Bandscheibenoperation 11/2013, 2. Bandscheibenoperation 02/2014
mehrmals CT-gezielte Infiltration, zuletzt 03/2019 bei Neuroforamenstenose L5/S1
regelmäßige ambulante Behandlung Neurochirurgie XXXX , Schmerzambulanz
Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus, medikamentöse Therapie
Zwischenanamnese seit 2017:
Keine Operationen, kein stationärer Aufenthalt.
Befunde:
Neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten 24.7.2017 (degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Zustand nach 2-maliger Bandscheibenoperation, Zustand nach Dickdarmkrebs 2014-Passageres Stoma, Zustand nach Sprunggelenksoperation beidseits, Diabetes mellitus, Prostatakrebs-konservativ behandelt, depressive Begleitsymptomatik, CTS rechts, Adipositas, Cervikalsyndrom mit vertebragener Cephaleaneigung ohne radikuläre Ausfälle, Lumboischialgie bei Zustand nach 2-maliger Bandscheibenoperation L5/S1 und Neuroforamenstenose mit radikulärer Symptomatik, CTS beidseits, reaktiv depressives Stimmungsbild)
Befund Neurochirurgie XXXX 14. 2. 2018 (Cervicobrachialgie mit gelegentlicher Ausstrahlung und Dysästhesien Bereich der Finger, Protrusion C4 bis C6 mit mäßiger Neuroforameneinengung. Konservatives Vorgehen geplant. Brennende Dysästhesien links L5, L5/S1 völlig verblühte Bandscheibe und diskrete Neuroforamenstenose beidseits rechts mehr als links mit Tangierung der Nervenwurzel L5. CT-gezielte Infiltration des Neuroforamens war effektiv, kann wiederholt werden.)
Befund Koloskopie 5.5.2017 (Zustand nach N. recti, TVR 10/2014, Dehiszenz, Stoma-Verschluss, Narbenhernie-Operation. Zustand nach rektosigmoidaler Resektion. Schwierige und häufige Stuhlentleerung wegen der relativen Enge und der großen pararektal in Höhle-Sphinctertraining, Einlagen. Normaler Sphinktertonus.)
NLG Befund 23.10.2013 (deutliches CTS beidseits rechts mehr als links)
Befund Neurochirurgie XXXX 23.5.2018 (Neuroforamenstenose L5/S1 rechts, Lumboischialgie L5 Beitritts, CT-gezielte Infiltration der Wurzel L5 beidseits)
Befund Schmerzambulanz 19.2.2015 (in unserer Schmerzambulanz in Behandlung, erhält Opiat-Therapie mit Hydal ret. 8 mg zweimal 1 und Dronabinol 5 mg dreimal 1.
Sozialanamnese: geschieden, 3 Kinder, lebt mit Sohn in Reihenhaus
Berufsanamnese: Pensionist
Medikamente: Jentadueto, ThromboASS, Sortis, Hydal 2,6 mg nach Bedarf, Hydal ret. 4 mg zweimal 1, Hydal ret. 8 mg zweimal 1, Xefo 8 mg zweimal 1, Dronabinol 5 mg dreimal täglich, Pregabalin 100 mg einmal 1, Ulsal, Duloxetin, Trittico, Legalon, Cymbalta
Allergien: 0
Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. XXXX , 1210
Derzeitige Beschwerden:
"Beschwerden habe ich vor allem im Kreuz, Ausstrahlung der Schmerzen in den rechten Gesäßbereich bis zu den Fersen, Gefühlsstörungen im Bereich der Zehen rechts, brennendes Gefühl im Unterschenkel außen. Das rechte Bein knickt immer wieder ein, ich stürze, auch die Zehen links sind bamstig.
Schmerzen strahlen vom Nacken aus in beide Hände, die Hände sind immer wieder bamstig. Ein Carpaltunnelsyndrom wurde bis jetzt nicht operiert. Bzgl. Diabetes regelmäßige Kontrolle, HbA1c zuletzt 6,2 %. Die Prostata wurde operiert, seither häufig Harnlassen, 3 bis 5x in der Nacht, trage Einlagen. Seit der Darmoperation habe ich oft Stuhldrang, fünfmal täglich Stuhl, manchmal 15-20mal, kann den Stuhl halten, manchmal jedoch beim Husten das Halten nicht möglich, Einlagen am Tag und in der Nacht.
Ich kann mich nicht bücken zum Schuhe anziehen, komme nicht mehr hinauf. Nehme täglich Schmerzmittel.
Eine stationäre Schmerztherapie hatte ich bisher nicht, jedoch immer wieder Infiltrationen."
STATUS:
Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut.
Größe 175 cm, Gewicht 82 kg, RR 133/83, 58 Jahre - BMI 26,8
Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen
Thorax: symmetrisch, elastisch
Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.
Abdomen: Narbe nach Stoma, klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.
Integument: unauffällig
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:
Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.
Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.
Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.
Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich annähernd frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.
Nacken- und Schürzengriff sind endlagig eingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten:
Freies Stehen kurz durchgeführt, Zehenballengang und Fersengang beidseits nicht durchgeführt.
Der Einbeinstand nicht durchgeführt. Die tiefe Hocke wird nicht durchgeführt.
Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse, unauffällige Bemuskelung.
Beinlänge ident.
Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird im Bereich des rechten Unterschenkels und der Zehen beidseits als gestört angegeben.
Sämtliche Gelenke, soweit bei eingeschränkter Compliance eine Untersuchung möglich, sind bandfest und klinisch unauffällig.
Sprunggelenk beidseits: äußerlich unauffällig, schlank, unauffällige Silhouette, physiologische Achsenverhältnisse, stabil.
Aktive Beweglichkeit, soweit beim Hinsetzen, Aufstehen, Niederlegen, Aufstehen, Gehen im Untersuchungszimmer beurteilbar: Hüften, Knie frei, Sprunggelenke beidseits geringgradig eingeschränkt, Zehen sind seitengleich frei beweglich:
Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 20° möglich, dann Schmerzangabe.
Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, deutlich Hartspann paralumbal, die gesamte Wirbelsäule ist berührungsempfindlich, weitere Überprüfung daher nicht möglich. Narbe LWS median 6 cm.
Aktive Beweglichkeit:
HWS: in allen Ebenen geringgradig eingeschränkt beweglich
BWS/LWS: FBA: unter Schmerzangabe nicht durchgeführt, aktiv nicht durchgeführt passiv unter Schmerzangabe und Berührungsempfindlichkeit nicht möglich
Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit Schlapfen mit Rollator mit angelegtem Lendenstützmieder, das Gangbild im Untersuchungszimmer ohne Rollator ist deutlich verlangsamt, nicht hinkend, kleinschrittig, leicht vorgeneigt, insbesondere der Kopf ist vorgeneigt, unelastisch, kein Fallfuß, ausreichend Bodenfreiheit.
Gesamtmobilität zwar verlangsamt und Schmerzangabe, jedoch harmonisch.
Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage gedrückt, distanziert.
Einschätzung des Grades der Behinderung:
1) Zustand nach operiertem Rektum-Karzinom 10/2014 13.01.03 50%
Unterer Rahmensatz, da kein Fortschreiten der Grunderkrankung dokumentiert.
2) Zustand nach Prostatakarzinom 02/2016, konservative Therapie (Radiatio) 13.01.04 50%
Unterer Rahmensatz, da kein Fortschreiten der Grunderkrankung nachweisbar.
3) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule bei Zustand nach 2-maliger Bandscheibenoperation 2013 und 2014, Lumboischialgie und Zervikalsyndrom
02.01.02 40%
Oberer Rahmensatz, da Dauertherapie bei fortgeschrittenen radiologischen Veränderungen mit nachgewiesener mäßig ausgeprägter Foramenstenose L5 beidseits erforderlich.
4) Abnützungserscheinungen beider Sprunggelenke 02.05.33 30%
Unterer Rahmensatz, da geringe funktionelle Einschränkung.
5) Diabetes mellitus, nicht insulinpflichtig 09.02.01 20%
1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Diät und medikamentöse Therapie für ausgeglichene Stoffwechsellage erforderlich.
6) Carpaltunnelsyndrom beidseits 04.05.06 10% Unterer Rahmensatz, da zwar pathologischer neurographischer Befund vorliegt, jedoch keine Atrophien objektivierbar.
STELLUNGNAHME:
I.
ad 1) Nach Untersuchung werden die Einwendungen des BF entkräftet, keine abweichende Einschätzung der Leiden des BF im Vergleich zu Gutachten vom 16. 2. 2018 und den Stellungnahmen.
ad 2) Es kommt zu keiner höheren Einschätzung der Leiden 1-6.
ad 3) Es wird kein zusätzliches Leiden objektiviert.
ad 4) Eine Wechselwirkung zwischen Leiden 1 und 2 ist nicht gegeben.
Zustand nach Rektum-Karzinom und Zustand nach Prostataoperation führen jeweils zu keiner wechselseitigen Verstärkung der Leiden.
In der Einstufung des Gesamtgrades der Behinderung wird jedoch aufgrund des maßgeblichen Zusatzleiden eine Erhöhung um eine Stufe vorgenommen.
Eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung zwischen Wirbelsäulenleiden und Sprunggelenksleiden ist möglich, sodass unter Berücksichtigung des ungünstigen Zusammenwirkens beider Leiden eine maßgebliche Zusatzrelevanz zu führendem Leiden 1 vorliegt.
Zwischen Leiden 1 und 2, betreffend Dickdarm und Prostata, bzw. Leiden 3 und 4, betreffend Wirbelsäule und Sprunggelenke, besteht jedoch keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung.
ad 5) Durch das leichte Übergewicht (BMI 26,8) kommt es zu keiner Erhöhung eines der beim BF vorhandenen Leiden.
Erhöhter Blutfettspiegel - nicht durch aktuelle Befunde belegt - stellt zwar einen kardiovaskulären Risikofaktor, jedoch kein behinderungsrelevantes Leiden dar.
ad 6) In der Beschwerde werden "unerträgliche" Schmerzen angeführt. Diese sind nicht objektivierbar.
ad 7) Die angeführten Schmerzen sind nicht geeignet, eine höhere Einschätzung der vorhandenen Leiden zu bewirken.
Art und Ausmaß allfälliger Schmerzzustände können nur indirekt erfasst werden.
Anhand des beobachteten Gangbilds - das Gangbild im Untersuchungszimmer ohne Rollator ist deutlich verlangsamt, nicht hinkend, kleinschrittig, leicht vorgeneigt, insbesondere der Kopf ist vorgeneigt, unelastisch, kein Fallfuß, ausreichend Bodenfreiheit-, und der Gesamtmobilität - zwar verlangsamt und Schmerzangabe, jedoch harmonisch - ergibt sich kein Hinweis auf höhergradige Schmerzzustände.
Das aktuelle Untersuchungsergebnis muss sich auf die Beobachtung der Beweglichkeit beim Gehen mit und ohne Rollator, Hinsetzen, Aufstehen, Hinlegen auf die Untersuchungsliege und wieder Aufstehen, und auf die Fingerfertigkeit in der gesamten Begutachtungssituation beschränken. Der Bewegungsumfang sämtlicher Gelenke und der Wirbelsäule einschließlich neurologischer und orthopädischer Funktionstests (Zehenballenstand, Fersenstand, Einbeinstand) war nicht überprüfbar, da diese Tests unter Schmerzangabe nicht ausgeführt wurden.
Da eine deutliche Diskrepanz zwischen den vorliegenden objektiven Befunden (MRT der Wirbelsäule, neurochirurgische Berichte) und dem Status, wie sich der BF aktuell präsentiert, vorliegt, kann das aktuelle Untersuchungsergebnis nicht für die Beurteilung herangezogen werden, das Gutachten muss sich auf vorliegende objektive Befunde beschränken.
Weder lässt die verlangsamte, jedoch harmonische Gesamtmobilität auf unerträgliche Schmerzen schließen noch liegt ein objektivierbares Substrat für unerträgliche Schmerzen vor, siehe durchgeführte Befunde der bildgebenden Diagnostik der Wirbelsäule, im Akt aufliegend.
Dauerschmerzen und andauernder Therapiebedarf mit Analgetika werden in der getroffenen Einstufung 02.01.02, 40 %, berücksichtigt.
Eine hochgradige Funktionseinschränkung der Wirbelsäule, entsprechend einer Einstufung mit 02.01.03, ist nicht begründbar, im Besonderen nicht mit dem aktuellen MRT-Befund der Wirbelsäule vom 21. 2. 2019 in Einklang zu bringen, eine Bandscheibenvorwölbung L5/S1 liegt nicht mehr vor.
Nachgereichte Befunde, bei der Begutachtung am 29.8.2019 vorgelegt:
Befund CT-gezielte Nervenwurzelblockade L5 vom 6. 3. 2019
Befund Neurochirurgie XXXX 27. 2. 2019 (Discopathie L5/S1 und Neuroforamenstenose L5/S1 mit Tangierung der Nervenwurzel L5, Bandscheibenprotrusionen L3/L4, L4/L5. CT-gezielte Infiltration L5/S1 empfehlenswert. Osteochondrose und Degeneration der Bandscheiben C4/C5 und C5/C6. Derzeit noch kein operationswürdiger Befund, Substrat für die Schmerzen im Bereich der oberen Extremitäten. Ambulante Infiltrationstherapie. Dysästhesien Beine rechts mehr als links L3 und Dysästhesien im Bereich der Finger beidseits und Cervicobrachialgie. Physikalische Therapie empfehlenswert.)
MRT der LWS vom 21. 2. 2019 (unverändert Restdegeneration mit rechtsbetonter Neuroforamenstenose L5/S1, kein Nachweis einer Duralsackstenose, kein Nachweis eines neu aufgetretenen Diskusprolaps)
Sämtliche Befunde untermauern Richtigkeit der getroffenen Einstufung und Beurteilung der beantragten Zusatzeintragung."
16. Am 6.9.2019 wurde die öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an welcher der BF, dessen Rechtsvertreter und die bestellte medizinische Sachverständige DDr. XXXX teilnahmen. Die belangte Behörde war nicht anwesend.
Es folgt ein Auszug aus der Verhandlungsschrift:
(VR = Vorsitzende Richterin, BR = Beisitzende Richterin,
LR = Laienrichter, RV = Rechtsvertreter, SV = Sachverständige)
"Zum Gangbild und Verhalten des BF wird seitens der VR festgehalten:
Der BF kommt mit einem Rollator und bewegt einen Fuß nach dem anderen kleinschrittig schlurfend durch den Raum. Er stellt den Rollator ab, bremst ihn ein und setzt sich auf den ihm dargebotenen Sessel durch nach hinten Greifen mit beiden Armen und Händen auf die Armlehnen des Sessels.
Er bleibt schräg - mit schräg zu dem Tisch der SV hingewandtem Sessel - sitzen und stützt den rechten Arm nach hinten hinter der Hüfte ab.
Die VR umreißt den Verhandlungsgegenstand wie folgt:
Zur Verhandlung gelangen heute die Verfahren W264 2203023-1 und W264 2200526-1 und werden diese beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung verbunden und am Ende dieser mündlichen Verhandlung wieder getrennt.
Es erscheint der Beschwerdeführer (BF) im Beisein einer Mitarbeiterin seines Vertreters KOBV (RV).
Der RV werden das Gutachten DDris. XXXX sowie der Gutachtensauftrag jeweils in Kopie ausgehändigt.
Den beiden Verfahren liegt folgendes bisheriges Verwaltungsgeschehen zu Grunde:
Aufgrund des SV-Gutachtens Dris. XXXX vom 11.8.2016 wurde bei dem BF ein GGdB von 90% objektiviert und eine Nachuntersuchung im August 2017 wegen möglicher Besserung des Leidens "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule bei Zustand nach mehrmaliger Bandscheibenoperation" angeregt.
Der BF stellte am 31.8.2017 unter Verwendung des Antragsformulars 08/2016 beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Neuausstellung eines Behindertenausweises wegen "Ungültigkeit".
Die belangte Behörde holte das Sachverständigengutachten des Allgemeinmediziners Dr. XXXX vom 16.2.2018 - nach Untersuchung am 23.11.2017 - ein. Dr. XXXX objektivierte einen GGdB von 70% und regte eine Nachuntersuchung im Feber 2021 nach Ablauf der Heilungsbewährung der Leiden 2 (bösartige Neubildung der Prostata "inkludiert Inkontinenzbeschwerden") und Leiden 3 (degenerative Veränderung der Wirbelsäule) an.
Mit Schriftsatz vom 6.9.2017 begehrte der KOBV unter Berufung auf die Vollmacht des BF die Weitergewährung des bis 30.11.2017 befristet ausgestellten Behindertenpasses mit Vornahme aller Zusatzeintragungen sowie des ebenfalls bis 30.11.2017 befristet ausgestellten Parkausweises.
Mit Erledigung vom 19.2.2018 wurde dem BF mitgeteilt, dass im medizinischen Ermittlungsverfahren ein Grad der Behinderung von 70 % festgestellt worden sei und dass die Voraussetzungen für bestimmte Zusatzeintragungen vorliegen. Die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" war nicht darunter. Der Behindertenpass werde mit 31.5.2018 befristet ausgestellt.
Mit Schriftsatz des KOBV vom 23.3.2018 erhob der BF das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte die Einholung von GA aus den Fachbereichen Neurologie, Orthopädie und Interne Medizin. Es werde beantragt, den GdB mit zumindest 90%, in eventu mit mindestens 80% festzusetzen. Überdies wurde gegen den Bescheid vom 22.2.2018 - welcher dem ho. Verfahren W264 2203023-1 zugrunde liegt - Beschwerde erhoben, da mit diesem Bescheid der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen wurde.
Überdies wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung begehrt.
Seiner Beschwerde legte der BF ein Befundkonvolut bei, den Pensionsbescheid und den Pflegegeldbescheid.
Mit Schriftsatz des KOBV vom 30.4.2018 übermittelte der BF der belangten Behörde eine Medikamentenverordnung zum Nachweis dafür, dass eine Schmerztherapie weiterhin aufrecht sei, wozu der SV Dr. XXXX seine Stellungnahme vom 8.5.2018 abgab und das vorgelegte Beweismittel als nicht geeignet ansah, von der bisherigen sachverständigen Einschätzung abzugehen.
Mit Stellungnahme vom 29.5.2018 übermittelte der BF durch den KOBV im Wege der belangten Behörde eine Stellungnahme zu der Stellungnahme Dris. XXXX vom 8.5.2018 und brauchte vor, der BF sei auf den Rollator angewiesen (aufgrund neurologischer Ausfälle Wegsacken der Knie) und habe infolge des Krebsleidens an der Prostata unkontrolliertes Harnlassen.
Hiezu erfolgte die Stellungnahme Dris. XXXX vom 9.7.2018, wonach die Notwendigkeit eines Rollators nicht ausreichend begründbar ist, die Medikamentenverordnung der Hausärztin bereits im Gutachten gewürdigt und erfasst wurde, sich bei Leiden 3 (degenerative Veränderung der Wirbelsäule) eine Stabilisierung eingestellt habe und keine neuen objektiven medizinischen Befunde vorgelegt wurden.
Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
Über Aufforderung des Gerichts wurde mit Gutachtensauftrag vom 25.7.2019 zur Überprüfung der Einwendungen in der Beschwerde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes ein Sachverständigengutachten aus den Disziplinen Orthopädie und Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am 29.8.2019, eingeholt und konkrete Fragen an die Sachverständige DDr. XXXX herangetragen.
Der Gutachtensauftrag vom 25.7.2019 wird verlesen und eine Abschrift dessen an den KOBV ausgehändigt.
Die heute anwesende Sachverständige DDr. XXXX - Allgemeinmedizinerin und FA für Unfallchirurgie und Orthopädie in Personalunion - erstattete schriftlich Befund und
Gutachten vom 4.9.2019, welches dem KOBV mit Erledigung vom 5.9.2019 übermittelt wurde.
Die VR fährt fort: Frau DDr. XXXX , Sie sind medizinische Sachverständige aus den Disziplinen Allgemeinmedizin, Unfallchirurgie und haben einen weiteren akademischen Grad in Orthopädie.
Ich erinnere Sie an Ihren geleisteten Sachverständigeneid, bei welchem Sie gemäß § 5 des Sachverständigen- und DolmetscherG den reinen Eid geschworen haben, die Gegenstände eines Augenscheins sorgfältig zu untersuchen, die gemachten Wahrnehmungen treu und vollständig anzugeben und Befund und Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen und nach den Regeln der Wissenschaft anzugeben.
Ich weise Sie daraufhin und auch auf § 288 StGB, wonach die Abgabe eines falschen Befunds oder eines falschen Gutachtens mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren strafbar ist.
VR befragt den BF:
VR: Herr XXXX , Sie wohnen in Wien, 21. Bezirk. Haben Sie eine Jahreskarte der Wiener Linien?
BF: Nein.
VR: Wie sind Sie heute zum Gericht gekommen?
BF: Mit dem Taxi.
VR: Haben Sie die Rechnung mit?
BF: Ja.
VR: Welche Inkontinenzprodukte welcher Marke haben Sie täglich in Verwendung?
BF: Einlagen und in der Nacht nehme ich oft eine Windel, weil ich es nicht schaffe. Und blaue Einmalunterlagen auf der Matratze.
VR: Weisen Sie mir diese bitte vor.
BF: Reserveeinlagen habe ich hier in der Tasche.
VR: Können Sie mir diese zeigen?
Die RV ist dem BF behilflich und wird aus seiner am Rollator mitgebrachten Tasche eine Unterhose und eine Einmaleinlage entnommen und vorgewiesen.
Zwei Fotos hievon werden zum Akt genommen als Beilage ./A.
VR: Wie oft am Tag wechseln Sie die Einlagen?
BF: ist verschieden ob ich auf das WC komme oder nicht. Zuhause hab ich eine Urinflasche. Mit dem Urinlassen geht es schnell. Damit meine ich: wenn ich einen Drang habe und es nicht auf die Toilette schaffe, nehme ich die Harnflasche. Wenn ich es nicht erwische, muss ich die Einlage wechseln, weil es nass geworden ist.
VR: Sie haben jetzt vom Harnlassen gesprochen. Gibt es sonst noch Probleme?
BF: Ja mit Stuhl auch, das hängt bei mir zusammen weil Darmkrebs und Postatakrebs. Durch die DarmOP wo der Darm operiert wurde, ist die Prostata angewachsen. Ich war im Spital, wurde sogar bewusstlos. Ich hatte dauernd den Drang und hatte Bestrahlung und nach der Bestrahlung ist der Darm in Mitleidenschaft gezogen worden.
Befragt nach Produkten punkto Stuhlgang:
Ich habe Produkte vom Spital bekommen, das hat nicht gewirkt. Oft ist - wie Verstopfung - dass ich Stuhldrang habe und ich kann nicht. Ich nehme dann das mir verschriebene Mikrolax. Wenn ich nicht länger war - mir wurde ein T-Stück im Darm gemacht und da entsteht ein Druck im Darm und daher nehme ich für den Stuhlgang das Mikrolax, damit sich das dann dort löst.
VR: Haben Sie für den Stuhldrang ein solches Produkt mit?
BF: Nein, nicht mit. Das wäre zuviel mit den Medikamenten.
VR: Haben Sie die Medikamente mit?
BF: Nein. Das wäre sich in dieser Tasche nicht ausgegangen [BF hat eine Tasche der Marke Adidas Collegetasche mit sich]
RV: Ich lege als Beilage ./B die Medikamentenliste "Patientenkartei der Apotheke XXXX " bei, Zeitraum: 1.1.2019 bis 6.9.2019 und für das gesamte Jahr 2018.
VR: Sie haben "unkontrolliertes Harnlassen" und "gestörte Darm- und Abführfunktion" in der Stellungnahme vom 29.5.2018 angegeben.
BF: Es ist Tag und Nacht. Dadurch dass ich schmerzbedingt, dass ich Harn lassen muss oder stuhlbedingt. Das hat keine Regel, einmal so oder so. Die Nervenschmerzen sind Tag und Nacht. Es kann in einer halben Stunde dreimal sein, dann hab ich wieder 5 Stunden eine Ruhe. Das ist oft bis zu 20x in 24 Stunden oder auch schon mehr gewesen, dass dauernd am WC war.
Befragt nach der laufenden Woche:
Ich war sehr oft "auf der großen Seite", alleinig in der Nacht 7 oder 8x. Damit meine ich die heutige, vergangene Nacht. Meistens ist es eh immer wieder dasselbe: immer wieder wache ich auf, weil Stuhlgang oder "auf der kleinen Seite". Laut Urologen bin ich bei Dr. XXXX dauernd in Behandlung, es bleibt bei mir immer Rest Urin laut Dr. XXXX in der Blase, ich kann nicht komplett entleeren.
Der Stuhl diese Nacht war eher flüssig. Harten Stuhl gibt es bei mir überhaupt nicht. Entweder ist er flüssig oder schmierig, was anderes hab ich gar nicht.
VR: Gibt es dabei Geruchsentwicklung für Sie, wenn Sie das wahrnehmen?
BF: es stinkt fürchterlich.
VR: Was haben Sie gestern - dieser heutigen Nacht vorangegangen - gegessen?
BF: Spaghetti Pasta Ascitutta hab ich gestern gegessen, ein Wurstbrot und einen Apfel.
VR: Wenn Sie in der Innenstadt unterwegs sind: Erreichen Sie die Toilette rechtzeitig?
BF: Ich bin in der Innenstadt nicht mehr unterwegs. Ich gehe nicht fort. Wenn ich fortgehe, gehe ich nur zum Arzt.
VR: Beschreiben Sie mir die Möglichkeit den Harn und / oder Stuhl zurückzuhalten - wieviele Minuten gelingt das?
BF: Hie und da. Aber nicht immer.
VR: Wie oft ist "hie und da"?
BF: Das kann ich jetzt nicht sagen. Kommt drauf an, wie groß der Druck auf der Blase ist. Es kommt darauf an, was ich getrunken hab, das merke ich schon. Wenn ich weniger trinke, sind die Urinmengen kleiner. Ich muss dann zwar immer wieder "auf die kleine Seite", aber die Menge ist kleiner.
VR: Wie dürfen wir uns Ihre täglichen Einschränkungen in der Lebensführung durch Ihre Inkontinenz vorstellen? Bitte berichten Sie uns darüber.
BF: Dass ich nicht fortgehe, ich bin eigentlich nur zuhause. Und nur zu den Ärzten verlasse ich mein Haus. Ich lebe jetzt allein, mein Sohn ist ausgezogen. Aber er kommt jeden Tag, er wohnt in der unmittelbaren Nähe, er studiert und kommt immer wieder vorbei. Meine Schwester kommt in der Früh, bevor sie in die Arbeit fährt, oder am Nachhauseweg vorbei.
Auf Befragen der BR:
BR: Aus dem Akt entnehme ich im Oktober 14 war DarmOP und im Feber 2016 ProstataOP.
BF: ProstataOP war ganz sicher 2015, entweder Okt oder Nov. Der Darm war 15. Okt 2013.
Und Feber 2014 war RückOP vom Stoma (künstlichen Darmausgang).
BR: Seitdem haben Sie keine OPs mehr bezüglich Darm und Prostata gehabt?
VR: Oh ja. Die Nähte sind mir aufgegangen. Medikamenten- und Strahlentherapie gab es. Alle 3 Monate gehe ich zum Urologen zur Sonographie. Koloskopien hab ich immer wieder, jetzt im Okt ist die 5jährige Koloskopie fällig.
Ich hab schon abgenommen, zuerst 104 kg, jetzt 82 kg.
BR: Frau SV ist der Allgemeinzustand vereinbar mit den vorgebrachten Häuftigkeit der Stuhlgänge?
SV führt aus: Anhand des Größe-Gewicht-Verhältnisses habe ich den Body Mass Index berechnet. 26,8 BMI ist geringgradig, leichtes Übergewicht. Ständige Durchfälle führen schon zur Reduktion des Gewichts, aus dem momentanen Status kann kein Rückschluss gezogen werden, wobei die Durchfälle hinterfragt werden müssen.
Keine Fragen seitens des LR.
Seitens der RV:
RV: Sie haben nur den Urologen angesprochen. Welche Schmerzbehandlungen haben Sie wie oft?
BF: Nach der Bandscheiben OP bin ich nach der zweiten auf der Sdchmerzambulanz in XXXX in einem Versuchprogramm integriert werden, gratis Canabistabletten von einer Pharmazeutin dort bekommen. Kurz vor der DarmOP in XXXX wurde ich mangels Tabletten aus dem Programm entlassen, die Pharmazeutin werde schauen, ob die Kasse dies bezahlt und gab sie ein paar Tage vor der OP an, ich dürfe Dronabinol nehmen und dieses nehme ich 3x täglich. Jeden Monat bekomme ich 100 Tabletten. Ich solle mich an die Hausäzrtin wenden und seither beziehe ich das gegen die Schmerzen in der WS. Ich nehme
Hydal: davon 12 mg in der Früh und auch am Abend und 2,6 mg nach Bedarf, wenn ich die Schmerzen nicht aushalte. Und zusätzlich
Novalgin-Tabletten, davon nehme ich verschieben: wenn ich Hydal für den Tag schon ausgereizt habe, dann nehme ich von Novalgin 4 bis 5 Tabletten.
RV: Verschreibung der Medikamente erfolgt nun durch die Hausärztin?
BF: Die Schmerzambulanz XXXX ist aufgelassen, jetzt bekomm ich alles von der Hausärztin. Ich gehe auch immer wieder zur Neurochirurgin aus dem XXXX namens XXXX . Die Befunde von ihr hab ich eh vorgelegt.
RV: Helfen Ihnen die Schmerzmittel die Sie nehmen?
BF: Manchmal.
RV: Gibt es weitere Behandlungsmöglichkeiten laut Neurochirurgin?
BF: Die Höhe der Schmerzmittel ist ausgereizt.
RV: Wäre Eine Operation eine Möglichkeit?
BF: Die Neurochirurgin erachtet mich wegen meinem Darm nicht als geeignet für eine OP (Versteifung). Der letzte Aufenthalt war nach der 2. BandscheibenOP, es hieß zwischen Rehab und OP müssen 6 Wochen vergehen. Ende Feber 2014 nach der 2. BandscheibenOP war ich 10 Wochen in XXXX auf Rehab.
RV: Warum haben Sie seit 2013 keine weiteren Rehab-Aufenthalte gemacht?
BF: Ende 2014 hab ich einen Rehab-Antrag gestellt, da kam die DarmOP dazwischen. Daraufhin meinte die Versicherung ich solle 2015 antreten, mir ging es aber schlecht damals, die Darmnaht aufgegangen. Ich hatte eine VAK-Auflage.
SV: Das ist eine Trockenlegung unter luftdichtem Abschluss einer Wunde.
BF: Am Tag nach der DarmOP ging die Darmnaht und ich hätte plötzlich über 30.000
Leukozyten und normal sind 10.000. Es bildete sich eine Sepsis, daher die VAK-Auflage im After drinnen zum dauernden Absaugen. Dann habe ich - weil ich schlecht beinander war - die Rehab verschoben und dann kam das mit der Prostata. Die Versicherung schrieb mir, ich solle mich wieder melden wenn es besser geht und der bewilligte Rehab-Aufenthalt wurde gestrichen.
RV: Wie wirken sich die Schmerzen auf den Alltag aus?
BF: Dass ich nur zu Ärzten gehe. Kochen und Einkaufen erledigen meine 3 Kinder, die Schwester oder meine Mutter. Ich bin sonst nur daheim.
RV: Gehstrecke zu den Ärzten, wie geht das?
BF: Ich werde von meinen Personen dort hingeführt. Ich habe Freunde, die im Taxigeschäft tätig waren. Ich war früher selbst Taxilenker.
RV: Haben Sie infolge der WS-Erkrankungen weitere Beschwerden, Folgeerscheinungen außerhalb der Schmerzen?
BF: Nervenschmerzen, Ausfallerscheinungen. Das Knie sackt zusammen und daher hab ich den Rollator zum Abstützen, obwohl es mir schwerfällt, weil ich kein Gefühl in den Händen hab. Das Knie lässt aus.Die HWS ist bei mir auch betroffen, da hieß es auch schon, dass es operiert werden soll. Ich hab gesagt: Nein, ich hatte soviele OPs in den letzten Jahren. Jede OP ging bei mir daneben, Ich habe die letzten Jahre Monate im Spital verbracht, ich bin so ausgelaugt.
Auf Befragen durch die BR:
BR: Sie sagten Sie nehmen 3 Schmerzmittel regelmäßig ein.
BF: Ich nehme weiters eine Reihe weiterer Schmerzmittel und verweise auf Beilage ./B.
Auf Befragen des LR:
LR: Sind Sie vom Taxi hier her allein oder mit Begleitperson gekommen?
BF: Ja allein. Normal ist meine Schwester dabei, aber die bekommt nicht mehr frei. Die war schon so oft dieses Jahr.
LR: Sie waren schon sehr bald da. Ich habe Sie gesehen, ich bin Ihnen entgegen gekommen. Ich hab nur gesehen, dass Sie sehr langsam, allein mit dem Rollator heraufgekommen sind. Ich habe aber jetzt nachgefragt, weil ich Sie ja vorhin nicht kannte und ich hätte Sie ja verwechseln können.
VR: Sie wurden von der gerichtlich befassten Sachverständigen am 29.8.2019 untersucht.
Frau DDr. XXXX ich bitte um eine Zusammenfassung Ihres Gutachtens vom 4.9.2019.
SV erläutert den Befund und Gutachten.
Weder Nachweis über Stuhl- oder Harninkontinenz, keinen Nachweis über neurolog. Defizit betreffend WS: zwar Abnützungserscheinungen, aber an der Stelle L5/S1 von der Schmerzen ausgehen sollen, liegt neurologisch nur geringgradige Neuroforamenstenose L5 vor.
Nicht ableitbar, dass maßgebliche Gangbildbeinträchtigung.
Der nachgereichte Befund aus Feber 2019 und ein MR-Befund aus Feber 2019 - wie ich im Gutachten beschrieben habe - gibt es keinen Nachweis über neuen Bandscheibenvorfall, keinen Nachweis über Verengung. Eine Neuroforamenstenose kann sich in einem Jahr nicht so rasch verändern. Ein Wirbelgleiten liegt nicht vor, es gibt keinen Hinweis dafür.
Auf Befragen der RV zur Neuroforamenstenose:
RV: Zum Verständnis ich habe in einem Befund gelesen. Ich verstehe es, dass keine Bandscheibe mehr vorhanden ist. Könnte noch ein Bandscheibenvorfall vorliegt?
SV: Es ist dann nur noch ein schmaler Schlauch, MR-Befund ist nicht 100% mit dem ident, was man sieht. Es ist nicht auszuschließen, dass Bandscheibenvorfall vorliegt. Es kann sein, dass von einer oberen Etage etwas vorliegt, das sich hinunterzieht.
RV: Wenn Sie in anderen Etagen einen BSV ansprechen? Können Protusionen die Beschwerden auslösen?
SV: Nein, keinesfalls. Es sind altersentsprechende Abnützungserscheinungen, die keine Beschwerden auslösen müssen.
RV: Tangierung der Nervenwurzel ist ausgewiesen, geht damit Schmerzen und
Ausfallserscheinungen einher, korrekt?
BF: Kann.
RV: Ist es in Einklang zu bringen, wenn der BF eine L5-Symptomatik angibt und im Befund eine Nerventangierung der Nervenwurzel L5 ausgewiesen ist?
SV: Eine Tangierung der Nervenwurzel bedeutet radikuläre Symptomatik. Es ist ein Unterschied ob hier Beschwerden angegeben werden oder ob auch objektiv ein radikuläres Defizit vorliegt. Wenn
Sie sagen Ausfallerscheinungen hat er, dann muss ich sagen: ist nicht durch neurologischen Befund oder durch Befund einer Nervenleitgeschwindigkeit belegt und auch nicht erklärbar durch diese diskrete Neuroforamenstenose L5/S1, wie er beschrieben wird im Befund der Neurochirurgie vom 14.2.2018 ( XXXX ).
RV: Bei der Untersuchung konnten schmerzbedingt neurologische Testungen nicht durchgeführt werden. Können Sie dann überhaupt objektivieren ob es neurolog. Ausfälle gibt? SV: sicherlich wird ein