TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/26 G303 2213138-1

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Veröffentlicht am 26.11.2019
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Entscheidungsdatum

26.11.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

G303 2213138-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 30.10.2018, OB: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

II. Der Grad der Behinderung beträgt 50 (fünfzig) v.H. (von Hundert). Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte am 19.07.2018 über die Zentrale Poststelle beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ein. Dem Antrag war ein Arztbrief des Landeskrankenhauses - Universitätsklinikum Graz, Klinische Abteilung für Pädiatrische Kardiologie, vom 08.05.2018, ein Meldezettel sowie eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe angeschlossen.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Innere Medizin, vom 03.09.2018, wurde nach erfolgter persönlicher Untersuchung der BF am 27.08.2018, zusammengefasst folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer bzw. des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Komplexer Herzfehler - Trikuspidalatresie mit nur rudimentärer rechter Herzkammer sowie Sinusknotendysfunktion und Implantation eines Herz-Schritt-Machers mit epimyocardialen Elektroden Unterer RSW wegen der fehlenden deutlichen Belastungsdyspnoe

05.02.01

30

2

Cholecystolithiasis, isolierte Hyperbilirubinämie Unterer RSW wegen fehlender Beschwerden

07.06.01

10

3

Faktor-V-Leiden-Mutation Unterer RSW wegen der fehlenden Krampfadern, aber des erhöhten Risikos für tiefe Venen-Thrombosen und Pulmonal-Arterien-Embolien

05.08.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.

 

 

 

Begründend wurde

ausgeführt, dass der Gesamtgrad der Behinderung auf der führenden Gesundheitsschädigung (GS) 1 basiere und durch die GS 2 und GS 3 nicht weiter angehoben werde.

3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 07.09.2018 wurde der BF die Möglichkeit eingeräumt zum oben angeführten Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung der Verständigung eine schriftliche Stellungnahme abzugehen und neue Beweismittel beizulegen.

4. Mit Schreiben vom 19.09.2018 nahm die BF zum Ergebnis der oben angeführten Beweisaufnahme Stellung und führte dazu zusammengefasst aus, dass es bei dem Gespräch mit dem Sachverständigen primär darum gegangen sei, die Krankengeschichte der BF mit sämtlichen Krankenhausaufenthalten aufzurollen. Die BF leide jedoch von Geburt an an einem Herzfehler, daher sei die Bekanntgabe dieser Daten ohne Vorbereitung nicht genau möglich. Des Weiteren sei die BF im Zuge der Begutachtung nicht nach den Lebensumständen gefragt worden, insbesondere wie sich die Erkrankung im Alltag der BF äußere. Die BF sei abends erschöpfter als andere, besitze weniger Ausdauer und müsse mit einem Herzschrittmacher auf vieles aufpassen bzw. sei damit aufgrund vorhandener Magnetfelder in vielen alltäglichen Dingen eingeschränkt.

5. Die belangte Behörde ersuchte aufgrund der im Rahmen des Parteiengehörs erstatteten Einwendungen der BF den ärztlichen Sachverständigen Dr. XXXX um eine ergänzende medizinische Stellungnahme.

In der aktenmäßig erstellten medizinischen Stellungnahme von Dr. XXXX, Facharzt für Innere Medizin, vom 17.10.2018, wurde ausgeführt, dass die Erhebung der stationären Aufenthalte nicht primär, sondern gleichermaßen wie die Erhebung der chronischen Erkrankungen, der derzeitigen Beschwerden und die klinisch-physikalische Untersuchung zur Befundaufnahme für das Gutachten zählen würden. Die diesbezüglichen Fragen seien von der BF offensichtlich nach besten Wissen und Gewissen schlüssig beantwortet worden; ein Verdacht auf Unvollständigkeit liege hiebei nicht vor. Bezüglich des Vorhaltes, dass nicht nach den Lebensumständen bzw. der Äußerung der Erkrankung im Alltag gefragt worden sei, sei auszuführen, dass sehr wohl nach der Grundlage für den Antrag gefragt worden sei und habe die Antwort gelautet, dass die Grunderkrankung die Geschwindigkeit des laufenden Universitätsstudiums - also durchaus die Lebensumstände - insofern negativ beeinträchtige, als bei vergleichsweise geringer körperlicher Belastung unverhältnismäßig rasch und stark die Erschöpfung eintrete. Letztlich sei der Befund der Ambulanz der Klinischen Abteilung für Kardiologie, der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde am

Landeskrankenhaus-Universitätsklinikum Graz zu berücksichtigen, in dem am 08.05.2018 angeführt werde, dass die BF sich im Alltag zufriedenstellend belastbar fühle, in der Freizeit regelmäßig Sport (Tanzen: Latein und Standard), mindestens 4 x pro Woche, betreibe und keinerlei kardiale Beschwerdesymptomatik - Dyspnoe nur bei starker körperlicher Belastung - angebe.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 30.10.2018 wurde der Grad der Behinderung der BF mit 30 % festgesetzt und festgestellt, dass die BF damit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle, weswegen ihr Antrag vom 19.07.2018 abgewiesen wurde.

Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten von Dr. XXXX; nach diesem betrage der Grad der Behinderung 30 %. Dieses Gutachten und die ergänzende medizinische Stellungnahme vom 17.10.2018 wurden dem angefochtenen Bescheid als Beilage angeschlossen und zum Bestandteil der Begründung des Bescheides erklärt. In der rechtlichen Begründung wurden die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes angeführt.

7. Gegen diesen Bescheid erhob die BF mit Schreiben vom 14.12.2018 fristgerecht Beschwerde. Darin brachte die BF im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass es für sie fraglich sei, warum die "kongenitale Tricuspidalastresie mit rudimentären rechten Ventrikel", nach der Einschätzungsverordnung unter Punkt 05.02.01 als "Herzmuskelerkrankung leichter Ausprägung" eingestuft worden sei, sodass von vornherein nur eine Einstufung in Höhe von 30 bis 40 % möglich sei. Die Erkrankung sei im fachärztlichen Gutachten jedoch als komplexer Herzfehler diagnostiziert worden.

Des Weiteren habe sich der Sachverständige erst im Zuge des Gespräches und anhand des Arztbriefes über die Krankheit und darüber was genau gemacht worden sei informiert. Der Herzschrittmacher und die damit verbundenen Probleme im Alltag seien nicht wirklich angesprochen worden, beispielsweise, dass die BF bei magnetischen Geräten aufpassen müsse.

Die BF ermüde im Vergleich zu anderen rascher. Sie betreibe zwar regelmäßig Sport in ihrer Freizeit, sei aber nicht gleich stark belastbar wie gesunde Menschen. Das Tanzen trage dazu bei, dass sie sich regelmäßig bewege, dies sei auch von den Ärzten empfohlen worden. Aufgrund ihrer Herzerkrankung und ihrem Herzschrittmacher dürfe die BF viele Sportarten nicht ausführen (Ausdauersport, Geräteturnen oder auch Leichtathletik).

Auf eventuelle Folgeerkrankungen sei auch nicht eingegangen worden. Durch die Fontan-O.P. komme es zur Stauung der Lebervene. Daher werde die Leber regelmäßig untersucht, um eventuelle Folgeerkrankungen zu entdecken und zu behandeln. Zusätzlich habe die BF daher ein erhöhtes Risiko für tiefe Venenthrombosen und Pulmonal-Arterien-Embolien, welches sich durch die Faktor-V-Mutation noch weiter erhöhe. Auch erhalte die BF ihren Führerschein aufgrund ihrer Grunderkrankung immer nur für fünf Jahre befristet.

8. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde vorgelegt und sind am 17.01.2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen.

9. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichts ein fachärztliches Sachverständigengutachten eingeholt.

9.1. Im medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Innere Medizin, vom 20.07.2019, wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF am 12.07.2019, im Wesentlichen folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer bzw. des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Angeborener komplexer Herzfehler (Tricuspidalatresie mit rudimentärem rechten Ventrikel, Vorhofseptumdefekt und Ventrikelseptumdefekt) Unterer RSW entsprechend den mehrfachen Operationen (Blalock Taussing Shunt links 1995, Fontan Operation 6/1998, Schirmverschluss 10/1999), des guten Operationsergebnisses, der guten Herzleistung und der noch zufriedenstellenden kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit. Inkludiert ist die Notwendigkeit einer Herzschrittmacherimplantation aufgrund einer Sinusknotendysfunktion 2001, der Schrittmacherwechsel am 25.08.2011 sowie die Schrittmacherlage im Oberbauch. Inkludiert ist die durch den Herzfehler bedingte chronische Leberstauung und die dadurch bedingte vermehrte Lebersteifigkeit.

05.02.02

50

2

Cholecystolithiasis, isolierte Hyperbilirubinämie Unterer RSW entsprechend den fehlenden Beschwerden

07.06.01

10

3

Faktor-V-Leiden-Mutation Unterer RSW entsprechend des erhöhten Risikos für Thrombose, jedoch diesbezüglich ohne spezifische Therapie

05.08.01

10

 

Gesamtgrad der Behinderung

 

50 v.H.

Im Vergleich zum Vorgutachten wurde ausgeführt, dass aufgrund der Komplexität des angeborenen Herzfehlers (Tricuspidalatresie mit rudimentärem rechten Ventrikel, Vorhofseptumdefekt und Ventrikelseptumdefekt) mit der Notwendigkeit mehrerer Herzoperationen, sowohl die Positionsnummer als auch der Grad der Behinderung der GS 1 geändert worden sei. In die GS 1 seien der Herzschrittmacher, die besondere Herzschrittmacherlage und die durch die Operation bedingte chronische Lebervenenstauung inkludiert. Die GS 2 und GS 3 würden unverändert bleiben.

Der Gesamtgrad der Behinderung betrage 50 v.H. und ergebe sich allein aus der GS 1. Die GS 2 und GS 3 würden nicht weiter beeinflussen und heben daher nicht an.

10. Das Ergebnis der oben angeführten medizinischen Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 26.08.2019 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.

11. Die Parteien erstatteten dazu keine Stellungnahme beziehungsweise Äußerung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF hat einen Wohnsitz im Inland.

Bei der BF liegen folgende behinderungsrelevante Gesundheitsschädigungen vor:

-

Angeborener komplexer Herzfehler (Grad der Behinderung: 50 %).

-

Cholecystolithiasis und isolierte Hyperbilirubinämie (Grad der Behinderung: 10 %)

-

Faktor-V-Leiden-Mutation (Grad der Behinderung: 10 %)

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 (fünfzig) von v.H. (von Hundert).

Dieser ergibt sich aus dem führenden Leiden (angeborener komplexer Herzfehler). Die anderen vorliegenden Gesundheitsschädigungen führen nicht zu einer weiteren Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung, da keine negative Leidensbeeinflussung besteht.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes, der Beschwerde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellung zum Wohnsitz der BF ergibt sich aus einem eingeholten Datenauszug des Zentralen Melderegisters und den Angaben der BF bei der Antragstellung.

Der Gesamtgrad der Behinderung von 50 von Hundert wurde aufgrund des eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachtens von XXXX, Facharzt für Innere Medizin, vom 20.07.2019., festgestellt.

Dieses ist schlüssig, vollständig, weist keine Widersprüche auf und steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen im Einklang. Das Sachverständigengutachten basiert auf einem nach persönlicher Untersuchung der BF erhobenen Befund. Es wurde dabei auf die Art der einzelnen Leiden der BF, deren Ausmaß und Wechselwirkungen zueinander ausführlich eingegangen.

Die festgestellten behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen und deren korrekte und nachvollziehbare Einschätzung bezüglich des Grades der Behinderung gemäß den Vorgaben der anzuwendenden Einschätzungsverordnung samt Anlage ergeben sich daraus.

Die Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zum Vorgutachten von Dr. XXXX vom 03.09.2018, welches seitens der belangten Behörde eingeholt wurde, wurde nachvollziehbar begründet, da der angeborene Herzfehler aufgrund seiner Komplexität und der Notwendigkeit mehrerer Herzoperationen unter der Positionsnummer 05.02.02 der Anlage der Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 50 % neu einzuschätzen war.

Es wurde damit ein Grad der Behinderung von insgesamt 50 v.H. objektiviert.

Der Inhalt des oben angeführten Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Eine Stellungnahme wurde von keiner der Parteien erstattet, womit das eingeholte Sachverständigengutachten unbestritten blieb.

Dieses wird daher der gegenständlichen Entscheidung in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung [idgF]) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 idgF) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 idgF) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die ärztliche Begutachtung im Beschwerdeverfahren basierte auch auf einer persönlichen Untersuchung der BF. Der Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX wurde zudem von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren der BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen.

Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.

Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

3.2. Zu Spruchteil A)

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist;

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen;

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten;

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. I Nr. 22/1970in der geltenden Fassung, angehören.

Nach § 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG 1998), BGBl. I Nr. 400/1998 in der geltenden Fassung, sind die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. I Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 leg. cit. genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz,

BGBl. I Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 in der geltenden Fassung) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen;

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 leg. cit. vorliegt.

Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß § 45 Abs. 1 BBG nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

In der vorliegenden Rechtssache wurde gemäß § 41 Abs. 1 BBG unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen der Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Danach wurde ein Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 50 von Hundert objektiviert und festgestellt, da auch die Gesamteinschätzung unter Bedachtnahme auf den durchgeführten Sachverständigenbeweis vorzunehmen ist (vgl. VwGH 18.10.2000, Zl. 99/09/0097).

Alle Gesundheitsschädigungen der BF wurden in dem vorliegenden Sachverständigengutachten von Dr. XXXX berücksichtigt; für jedes einzelne behinderungsrelevante Leiden wurde ein Grad der Behinderung nach der anzuwendenden Anlage zur Einschätzungsverordnung korrekt eingeschätzt.

Dem Beschwerdevorbringen der BF wurde insofern entsprochen, dass nun die Implantation des Herzschrittmachers, die besondere Herzschrittmacherlage und die durch die Operation bedingte chronische Lebervenenstauung in der Einschätzung des Hauptleidens (komplexer Herzfehler) entsprechend berücksichtigt wurden. Das führende Herzleiden ist daher mit einem Grad der Behinderung von 50 von Hundert einzuschätzen.

Die Cholecystolithiasis und isolierte Hyperbilirubinämie sowie die Faktor-V-Leiden-Mutation sind mit einem Grad der Behinderung von jeweils 10% geringgradig ausgeprägt und beeinflussen zudem nicht das führende Herzleiden. Daher kann durch diese Leiden keine Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung bewirkt werden.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 von Hundert und einem Wohnsitz im Inland sind die Voraussetzungen gemäß § 40 Abs. 1 BBG für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllt.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G303.2213138.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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