TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/28 W207 2225192-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.11.2019
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Entscheidungsdatum

28.11.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W207 2225192-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 30.09.2019, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Syrien, stellte am 16.07.2019 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) erstmals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Diesem Antrag legte er einen Befundbericht einer näher genannten orthopädischen Gruppenpraxis vom 09.07.2019 beinhaltend die Diagnosen "Hüftdysplasie bds" sowie "Coxarthrose li > re" bei; aus orthopädischer Sicht sei entsprechend der Empfehlung in diesem Befundbericht zur Zeit das lange Stehen und schweres Heben von schweren Lasten von mehr als 10 kg zu vermeiden. Weitere medizinische Unterlagen legte der Beschwerdeführer nicht vor, dafür einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.05.2016, mit dem dem Beschwerdeführer gemäß § 3 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden war, sowie eine Kopie seines am 21.06.2016 ausgestellten Konventionsreisepasses.

Die belangte Behörde holte ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung vom 02.09.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 27.08.2019, ein. In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wurde - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:

"...

Anamnese:

Keine Operationen, keine Knochenbrüche

Derzeitige Beschwerden:

Übersetzt durch die Tochter: wenn ich 100 Meter gehe habe ich Schmerzen an der linken Hüfte und im Knie. Das linke Bein ist kürzer.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikamente: Schmerzmittel Laufende Therapie: keine Hilfsmittel:

keine

Sozialanamnese:

Asylant aus Syrien

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

07/2019 Orthopädischer Befundbericht beschreibt Dysplasiecoxarthrose beidseits

Mitgebrachte Röntgen von 06/2019 Lendenwirbelsäule zeigt geringe Keilform an der oberen Lendenwirbelsäule. Am Becken zeigt sich eine deutliche Dysplasie Coxarthrose, links mehr als rechts

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

altersentsprechend

Ernährungszustand:

Mäßig adipös

Größe: 172,00 cm Gewicht: 93,00 kg Blutdruck:

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput/Collum: unauffällig

Thorax: symmetrisch, elastisch

Abdomen: klinisch unauffällig, kein Druckschmerz

Obere Extremitäten:

Rechtshänder. Symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Benützungszeichen sind seitengleich.

Sämtliche Gelenke sind klinisch unauffällig und frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Nacken- und Kreuzgriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Untere Extremitäten:

Der Barfußgang ist flüssig, gering links hinkend. Zehenballengang problemlos, Fersengang rechts eingeschränkt es werden Schmerzen im Bereich des Beckens links angegeben, Einbeinstand und Anhocken sind nicht eingeschränkt. Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse. Im Liegen Beinlänge links -1,5 cm.

Knie- und Sprunggelenke sind bandfest und unauffällig.

An der linken Hüfte besteht Endlagenschmerz bei Bewegung in allen Ebenen. Rechts kein auffälliger Endlagenschmerz.

Beweglichkeit:

Hüften S 0-0-95 beidseits, R (S 90°) rechts 15-0-15, links 15-0-0, F rechts 30-0-30, links 15-020. Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Wirbelsäule:

Der linke Beckenkamm steht etwas tiefer. Zarte Ausgleichsskoliose an der Lendenwirbelsäule. Regelrechte Krümmungsverhältnisse. Kein Hartspann, Druckschmerz oder Klopfschmerz.

Beweglichkeit:

Allseits frei, FBA 15.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt in Turnschuhen ohne Gehhilfen zur Untersuchung, das Gangbild zeigt ein Verkürzungshinken links. Das Aus- und Ankleiden wird im Stehen durchgeführt.

Status Psychicus:

wach, Sprache unauffällig

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Dysplasiekoxarthrose links mehr als rechts Wahl dieser Position mit dem mittleren Rahmensatz, da mäßige Einschränkung der Drehfähigkeit und Beinverkürzung links von etwa 1,5cm

02.05.08

30

Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

X

Dauerzustand

-

Nachuntersuchung -

..."

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 02.09.2019 wurde der Beschwerdeführer über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt; unter einem wurde ihm das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten vom 02.09.2019 übermittelt. Dem Beschwerdeführer wurde in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben.

Der Beschwerdeführer brachte innerhalb der ihm dafür eingeräumten Frist keine Stellungnahme ein.

Mit Bescheid vom 30.09.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom 16.07.2019 ab und führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 30 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 02.09.2019, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 06.11.2019 fristgerecht eine Beschwerde folgenden Inhaltes (hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben;

Hervorhebungen im Original):

"...

Der zur Gänze angefochtene Bescheid ist inhaltlich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften unrichtig.

....

Beschwerdepunkte:

Rechtsgrundlage: §§ 40, 41 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG),BGBI. Nr. 283/1990, in der jeweils geltenden Fassung.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen.

Auf Grund der Bestimmung des § 45 Abs. 1 BBG sind die Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG (auszugsweise) ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses nicht stattgegeben wird.

Die Einschätzung des Grades der Behinderung erfolgte gern. § 41 Abs. 1 BBG nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261 / 2010 in der Fassung BGBl II Nr. 251/2012).

Beschwerdegründe:

Die Gründe, auf die sich meine Behauptung der Rechtswidrigkeit des Bescheides stützt, sind folgende:

Das auf Grund meines Antrages durchgeführte medizinische Beweisverfahren hat ergeben, dass der Grad meiner Behinderung 30 % beträgt.

Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens sind dem Beiblatt, das einen Bestandteil der Begründung bildet, zu entnehmen.

Da somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben sind, war mein Antrag abzuweisen.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

1.) Dysplasiedoxarthrose Links mehr als Rechts Wahl dieser Position mit dem mittleren Rahmensatz , da mäßige Einschränkung der Drehfähigkeit und Beinverkürzung links von etwa 1,5 cm.

Gesamtgrad der Behinderung: 30 v.H

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung.

Diagnosen:

-

Flache Linkeskonvexe Skoliose

-

Hypolordose

-

Erhaltene Bandscheiben

-

Lippenartige Randwulstbildung der Ventralen Kanten vom LWK 4 und 5

Hüftdysplasie bds

Coxarthrose

Das führende Leiden unter ff. Nr. 1) stehe eindeutig im Zusammenhang mit der Gesundheitsschädigung unter lf. Nr. 2) welche durch gegenseitige Wechselwirkung den Gesamtbehinderungsgrad erhöht, da auch ein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken besteht, die bei der Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung berücksichtigt werden möge."

Daher beantrage ich, mir über die festgestellten 30/100% eine entsprechende Einstufung des Behindertengrades zuzusprechen, sodass das Ergebnis der Behinderteneinstufung dann zumindest 50/100% beträgt.

All diese wurden im Ergebnis überhaupt nicht berücksichtigt.

Aus diesen oben angeführten Gründen (vor allem aber auf Grund meiner körpermedizinischen Behinderungen im Zusammenhang mit meiner depressiven Erkrankung) und unter Berücksichtigung meines oben geschilderten dauerhaften Zustandes ersuche ich Sie meine gesundheitlichen Beschwerden in vollem Umfang und im Zusammenwirken miteinander (gegenseitige Leidensbeeinflussung) in Betracht zu ziehen und neu zu bemessen, indem meiner Beschwerde stattgegeben und meine Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten nach Behinderteneinstellungsgesetz zuerkannt wird.

Daher stelle ich hiermit folgendes

Begehren

das Bundesverwaltungsgericht möge den vorliegenden Bescheid zur Gänze aufheben und mir, wie oben begründet, einen Behindertenpass erteilen."

Der Beschwerde wurden ein Röntgenbefund vom 19.06.2019 bezüglich einer Ganzbeinaufnahme, beinhaltend das Ergebnis "Unauffälliger Befund", sowie bezüglich der Lendenwirbelsäule, beinhaltend das Ergebnis "Flache linkskonvexe Skoliose", Hypolordose", "Spondylose", sowie abermals der bereits im Verfahren vor der belangten Behörde bei der Antragstellung vorgelegte Befundbericht einer näher genannten orthopädischen Gruppenpraxis vom 09.07.2019, beinhaltend die Diagnosen "Hüftdysplasie bds" sowie "Coxarthrose li > re" beigelegt.

Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am 07.11.2019 zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer brachte am 16.07.2019 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.

Der Beschwerdeführer, ein in Österreich asylberechtigte Staatsangehöriger von Syrien, hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Der Beschwerdeführer leidet unter folgenden objektivierter Funktionseinschränkung:

* Dysplasiekoxarthrose links mehr als rechts; mäßige Einschränkung der Drehfähigkeit und Beinverkürzung links von etwa 1,5cm

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 30 v.H.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkung und deren Ausmaß werden die diesbezügliche Beurteilungen im oben wiedergegebenen medizinischen Sachverständigengutachten vom 02.09.2019 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet ergibt sich aus einer vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Behördenanfrage aus dem Zentralen Melderegister.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen und der Gesamtgrad der Behinderung gründen sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 02.09.2019.

In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wird auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 27.08.2019 und unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffene Einschätzung entspricht den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Mit dem Beschwerdevorbringen wird keine Rechtswidrigkeit der vom orthopädischen Sachverständigen vorgenommenen Einstufung der festgestellten Leiden ausreichend konkret behauptet und ist eine solche auch von Amts wegen nicht ersichtlich. Das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten schlüsselt konkret auf, welche Funktionseinschränkungen beim Beschwerdeführer vorliegen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden. Aufgrund der vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten Unterlagen und einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers konnte gegenwärtig kein höherer Grad der Behinderung als 30 v.H. objektiviert werden.

Was den der Beschwerde beigelegten Röntgenbefund vom 19.06.2019 bezüglich einer Ganzbeinaufnahme, beinhaltend das Ergebnis "Unauffälliger Befund", sowie bezüglich der Lendenwirbelsäule, beinhaltend das Ergebnis "Flache linkskonvexe Skoliose", Hypolordose", "Spondylose", sowie den bereits im Verfahren vor der belangten Behörde im Rahmen der Antragstellung vorgelegte Befundbericht einer näher genannten orthopädischen Gruppenpraxis vom 09.07.2019, beinhaltend die Diagnosen "Hüftdysplasie bds" sowie "Coxarthrose li > re" betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass diese beiden medizinischen Unterlagen bei der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 27.08.2019 bereits existent waren und vom medizinischen Sachverständigen auch berücksichtigt wurden; in der "Zusammenfassung relevanter Befunde" werden im medizinischen Sachverständigengutachten vom 02.09.2019 diesbezüglich ausdrücklich der Orthopädischer Befundbericht von 07/2019, der die Dysplasiecoxarthrose beidseits beschreibt, sowie ein mitgebrachtes Röntgen von 06/2019 erwähnt, wonach die Lendenwirbelsäule geringe Keilform an der oberen Lendenwirbelsäule zeige, am Becken zeige sich eine deutliche Dysplasie Coxarthrose, links mehr als rechts.

Abgesehen davon wird mit diesen beiden medizinischen Unterlagen nicht das Vorliegen einer weiteren - über die ohnedies vorgenommene Einstufung hinausgehende - eigenständig einzuschätzenden Funktionseinschränkung in einschätzungsrelevanter Intensität aufgezeigt, dies auch nicht in Bezug auf Fehlstellungen oder Verschleißerscheinungen im Bereich der Lendenwirbelsäule, zumal bei der persönlichen Untersuchung am 27.08.2019 im Rahmen der Statuserhebung zur Wirbelsäule und zu den unteren Extremitäten diesbezüglich keine über die ansonsten festgestellte Funktionseinschränkung hinausgehenden, sich tatsächlich auswirkenden maßgeblichen Funktionsbeeinträchtigungen objektiviert werden konnten.

Der Beschwerde wurden daher im Ergebnis keine weiteren medizinischen Unterlagen beigelegt, die die vorgenommene Einstufung widerlegen oder dieser entgegenstehen würden. Der Beschwerdeführer ist daher dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens eines Facharztes für Orthopädie vom 02.09.2019. Dieses Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."

Wie oben unter Punkt II.2. im Rahmen der beweiswürdigenden Ausführungen, auf die verwiesen wird, ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 02.09.2019 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers aktuell 30 v.H. beträgt. Die getroffene Einschätzung, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers und auf den vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen, entspricht der festgestellten Funktionsbeeinträchtigung.

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der Beschwerde, wie bereits oben ausgeführt, auch keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche einschätzungsrelevante Dauerleiden maßgeblicher Intensität bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes des Beschwerdeführers zu belegen. Der Beschwerdeführer ist dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, wie bereits erwähnt, daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer belegten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung im Rahmen einer neuerlichen Antragstellung beim Sozialministeriumservice - allerdings nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG - in Betracht kommt.

Was das Ersuchen des Beschwerdeführers in der Beschwerde betrifft, seiner Beschwerde stattgegeben und seine Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten nach dem Behinderteneinstellungsgesetz zuzuerkennen, so ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer einen diesbezüglichen Antrag nicht gestellt hat, sondern der verfahrenseinleitende Antrag vom 16.07.2019 auf die Ausstellung eines Behindertenpasses gerichtet ist und die belangte Behörde zutreffend daher ein Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz (BBG) geführt hat.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen medizinischen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W207.2225192.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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