Entscheidungsdatum
28.11.2019Norm
BEinstG §14Spruch
W200 2223476-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie der fachkundigen Laienrichterin Mag. Pinter als Beisitzerin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle Wien vom 06.04.2016, Zl. 92118912600016, zu Recht beschlossen:
A)
A) In Erledigung der Beschwerde werden die angefochtenen Bescheide
gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Vorverfahren:
Mit Bescheid des Bundessozialamtes vom 29.09.2003 wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin ab 24.06.2003 dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört. Der Grad der Behinderung beträgt 50 von 100.
Der Entscheidung wurde ein Gutachten zu Grunde gelegt, wonach der Beschwerdeführerin an Morbus Crohn (ausgedehnter Befall, rezidivierende chirurgische Eingriffe und systemische Kortisonmedikation) leide.
Gegenständliches Verfahren:
Am 01.10.2014 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung. Die Beschwerdeführerin leide nunmehr auch an einer Pankreatitis. Dem Antrag angeschlossen waren diverse internistische Unterlagen.
Dem Akt ist eine letztmalige Einladung zu einem Facharzt für Innere Medizin am 02.06.2015 zu entnehmen. Ein Gutachten des Arztes liegt im gegenständlichen Akt nicht auf.
Sehr wohl liegt jedoch ein Gutachten einer Fachärztin für Innere Medizin aufgrund einer Untersuchung am 27.01.2016 auf.
Das Gutachten gestaltet sich wie folgt:
"Anamnese:
1993 wurde eine Colitis festgestellt, bei einer Hemicolektomie 2002 wurde die Diagnose auf Morbus Crohn umgestellt, bei einem Schub ist zuletzt immer eine Pankreatitis aufgetreten, der letzte Schub war im September 2014, es besteht eine Imurekunverträglichkeit, regelmäßige Betreuung im SMZ-Ost, aktuelle Blutbefunde, zur Beurteilung der Pankreas-funktion liegen keine vor
Derzeitige Beschwerden:
Es werden 6-8x täglich breiig bis leicht geformter Stuhl angegeben, war bei einer Ernährungsberaterin, diese habe gut geholfen,
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: Pentasa, Budosan, Pantoloc, Seractil, Miranax
Sozialanamnese: Hausbetreuerein, ledig, 3 Kinder
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Arztbrief SMZ-Ost 20.9.-26.9.2014: Pankreatitis, V.a.Pentasa induziert, Morbus Crohn, Z.n. subtotaler Colektomie
Arztbrief SMZ-Ost 18.1.-29.1.2014: Schub bei bekanntem Morbus Crohn, Z.n. Pankreatitis 02/2011
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: gut Ernährungszustand: normal, im letzten Gutachten 62kg
Größe: 168,00 cm Gewicht: 73,00 kg Blutdruck: 120/80
Klinischer Status - Fachstatus:
(...)
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Morbus Crohn Wahl dieser Positionsnummer da chronische Schleimhautveränderungen vorliegen, unterer Rahmensatz bei hochnormalem Gewicht
07.04.05
30
Gesamtgrad der Behinderung 30v. H.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Ein Zustand nach mehrfachen Bauchspeicheldrüsenentzündungen ohne dokumentierter dauerhafter Funktionseinschränkung der Bauchspeicheldrüse begründet keinen GdB.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Seit der letzten Begutachtung ist es zu einer Gewichtszunahme gekommen, auch die systemische Kortisontherapie mit Aprednislon besteht nicht mehr, weitere chirurgische Eingriffe haben keine stattgefunden.
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
Aufgrund der vorliegenden Befunde ist von einer deutlichen Stabilisierung der chronisch entzündlichen Darmerkrankung auszugehen, welche eine Reduktion des GdB um 2 Stufen im Vergleich zum Vorgutachten begründet.
Dauerzustand
Frau XXXX kann trotz ihrer Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen."
In einer Stellungnahme vom 03.04.2016 führte die befasste Internistin aus:
"Im Rahmen des Parteiengehörs erklärt sich Frau XXXX mit dem Ergebnis nicht einverstanden. Neue Befunde werden nicht beigebracht.
Es besteht seit vielen Jahren eine chronisch entzündliche Darmerkrankung, welche schubweise verläuft und offenbar seit 2 Jahren stabil ist. Nach neuerlicher Durchsicht der Befunde, welche aus dem Jahr 2014 vorliegen, und nach Beurteilung der funktionellen Auswirkungen nach der EVO kommt es zu keiner Änderung des GdB."
Mit Bescheid des Sozialministeriumservice vom 06.04.2016 wurde aufgrund des am 01.10.2014 eingelangten Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin ab 01.10.2014 mit 30 von 100 festgesetzt. Weiters wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin mit Ablauf des Monats, der auf die Zustellung des Bescheides folge, nicht mehr dem Kreis der begünstigten Behinderten angehöre. Begründend wurde auf das eingeholte Gutachten verwiesen.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde darauf verwiesen, dass die Beschwerdeführerin aufgrund einer chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung einen Antrag auf Neufestsetzung des GdB gestellt hätte. Sie sei mit der Herabsetzung nicht einverstanden.
Am 11. September 2019 langte beim BVwG der gegenständliche Verwaltungsakt ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 19b Abs. 1 BEinstG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des § 14 Abs. 2 durch den Senat.
Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, sofern die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt hervorgehoben (vgl etwa das hg. Erkenntnis vom 10. September 2014, Ra 2014/08/0005), dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind.
Der Umstand, dass gegebenenfalls (punktuelle) ergänzende Einvernahmen durchzuführen wären, rechtfertigt nicht die Zurückverweisung; vielmehr wären diese Einvernahmen, sollten sie wirklich erforderlich sein, vom Verwaltungsgericht - zweckmäßigerweise im Rahmen einer mündlichen Verhandlung - durchzuführen. (Ra 2015/08/0178 vom 27.01.2016)
In § 28 VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs 3 zweiter Satz leg cit vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN). (Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016)
Wie im Verfahrensgang ausgeführt, hat die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung gestellt.
Festzuhalten ist auch, dass nach der dem BVwG vorliegenden Aktenlage über diesen Antrag nicht abgesprochen wurde.
Es erfolgte ausschließlich eine (Neu-)Festsetzung des GdB mit 30% sowie eine Feststellung, dass die Beschwerdeführerin mit Ablauf des Monats, der auf die Zustellung des Bescheides folge, nicht mehr dem Kreis der begünstigten Behinderten angehöre.
Der gestellte Antrag vom 01.10.2014 ist weiterhin offen.
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes erfolgte die Entscheidung über den Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten ohne hinreichende Ermittlungstätigkeiten bzw. hat das SMS bloß ansatzweise Ermittlungen getätigt, zumal der Beschwerdeführer ausschließlich diese eine Erkrankung geltend gemacht hat.
Die Beschwerdeführerin hat ihren Antrag mit einer chronischen Pankreatitis begründet.
Dem eingeholten Gutachten ist zu entnehmen, dass aktuelle Blutbefunde zur Beurteilung der Pankreasfunktion nicht vorlägen.
Das SMS hätte im gegenständlichen Fall die Beschwerdeführerin anleiten müssen, Blutbefunde vorzulegen, um diese dann einer fachärztlichen Beurteilung zu unterziehen.
Das SMS wird daher in weiterer Folge die Beschwerdeführerin zu einer neuerlichen Untersuchung laden zu haben. Es hat die Beschwerdeführerin aufzufordern, entsprechende aussagekräftige Befunde betreffend die Pankreatitis mitzunehmen und nach Einholung eines aktuellen Gutachtens und Durchführung eines Parteiengehörs wird es
1.) über den noch offenen Antrag auf Neufestsetzung des GdB abzusprechen haben,
2.) eventuell - je nach Gutachten - den GdB neu festzusetzen zu haben sowie eventuell das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Begünstigteneigenschaft festzustellen haben.
Beide Entscheidungen - Abspruch über den Antrag sowie eine eventuelle Neufestsetzung sind im gegenständlichen Fall nur zeitglich möglich. Eine Herabsetzung des GdB ohne zeitgleiche/vorherige Abweisung des Antrags scheidet jedenfalls aus.
Zu Spruchpunkt B):
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W200.2223476.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.03.2020