TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/9 W186 2115166-1

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Veröffentlicht am 09.12.2019
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Entscheidungsdatum

09.12.2019

Norm

BFA-VG §22a
BFA-VG §22a Abs1 Z1
BFA-VG §22a Abs1 Z2
BFA-VG §40
BFA-VG §40 Abs1 Z1
BFA-VG §40 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs4
VwGVG §40 Abs5

Spruch

W186 2115166-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form der Festnahme am 25.09.2015, 12:35 Uhr, und Anhaltung infolge der Festnahme von 25.09.2015, 12.35 Uhr, bis 28.09.2015, 11:00 Uhr, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und Z 2 iVm § 40 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 4 BFA-VG stattgegeben und die Festnahme am 25.09.2015, sowie die Anhaltung von 25.09.2015 bis 28.09.2015 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG iVm § 1 Z 1 VwG-AufwErsV hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer als obsiegende Partei Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag auf Befreiung von der Eingabegebühr wird als unzulässig zurückgewiesen.

IV. Dem Antrag auf (unentgeltliche) Beigabe eines Verfahrenshilfeverteidigers wird gemäß § 40 Abs. 5 VwGVG nicht Folge geleistet.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer reiste 2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 25.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Unmittelbar nach seiner Asylantragsstellung bei der Polizeiinspektion TRAISKIRCHEN wurde der Beschwerdeführer gemäß § 40 BFA-VG festgenommen und bis 28.09.2015 im AHZ Vordernberg in Verwaltungsverwahrungshaft angehalten.

Das Asylverfahren wurde in weiterer Folge aufgrund der freiwilligen Ausreise des Beschwerdeführers am 17.03.2016 in den Irak eingestellt.

Mit Schriftsatz vom 01.10.2015, hg. eingelangt am 02.10.2015, erhob der BF durch seinen Vertreter fristgerecht Beschwerde gegen die Festnahme des BF am 25.09.2015 und die Anhaltung von 25.09.2015 bis 28.09.2015. Beantragt wurde, das BVwG möge feststellen, dass die Festnahme und die Anhaltung in rechtswidriger Weise erfolgt seien, eine mündliche Verhandlung durchführen, den BF von der Eingabengebühr zu befreien, die Kosten des Verfahrens gemäß § 35 VwGVG ersetzen, sowie dem BF einen Verfahrenshelfer beizugeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer reiste 2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 25.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Unmittelbar nach seiner Asylantragsstellung bei der Polizeiinspektion TRAISKIRCHEN wurde der Beschwerdeführer gemäß § 40 BFA-VG festgenommen.

Er befand sich von 25.09.2015, 12.35 Uhr, bis 28.09.2015, 11:00 Uhr in Verwaltungsverwahrungshaft im AHZ Vordernberg. Er wurde somit beinahe 71h angehalten.

Die Erstbefragung des BF zu seinem Asylantrag fand erst am 27.09.2015, sohin zwei Tage nach seiner Festnahme statt.

Das Asylverfahren wurde in weiterer Folge aufgrund der freiwilligen Ausreise des Beschwerdeführers am 17.03.2016 in den Irak eingestellt.

Die konkrete Rechtsgrundlage, weshalb der BF am 25.09.2015 festgenommen und bis 28.09.2019 angehalten wurde, ist unklar.

Die belangte Behörde legte mit Eingabe vom 30.01.2019 nach Aufforderung durch das BVwG am 29.01.2019 zwar Aktenbestandteile vor, beziehen sich diese jedoch auf das Asylverfahren (Erstbefragung u. a.) und beinhalten weder einen Festnahmeauftrag, noch ein Anhalteprotokoll, wie diese entsprechenden Unterlagen sonst bei Maßnahmenbeschwerden üblicherweise übermittelt werden. Auch der erneut am 21.10.2019 erfolgte Aufforderung, die Aktenbestandteile, insbesondere den Festnahmeauftrag sowie das Anhalteprotokoll zu übermitteln, kam die belangte Behörde bis dato nicht nach.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des teilweise vorgelegten Verwaltungsaktes sowie dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Angaben zur Festnahme und zur Anhaltung in Verwaltungsverwahrungshaft im AHZ Vordernberg beruhen auf einem Auszug aus der Anhaltedatei.

Die Ausreise des BF und die damit einhergehende Einstellung des Asylverfahrens beruhen auf den vorgelegten Altenbestandteilen und einem Auszug aus dem IZR.

Dass das Bundesverwaltungsgericht die belangte Behörde zumindest zweimal in zeitlichen Abschnitten aufgefordert hat, konkrete Aktenbestandteilt für das Maßnahmenbeschwerdeverfahren vorzulegen, und die belangte Behörde dieser konkreten Bitte nicht nachgekommen ist, respektive zwar Aktenbestandteile schicke, diese sich jedoch auf das Asylverfahren bezogen und für das Maßnahmenbeschwerdeverfahren nicht ausschlaggebend waren, resultiert aus dem hg. gesendeten Emails.

Die Angabe, wonach die rechtliche Grundlage der erfolgten Festnahme und Anhaltung nicht feststeht ergibt sich aus dem Umstand, dass sich weder aus den vorliegenden Aktenbestandteilen des Verwaltungsaktes, noch aus dem Anhalteprotokoll eine konkrete Rechtsgrundlage der Festnahme und Anhaltung des § 40 BFA-VG eruieren lässt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

§ 7 BFA-VG idgF lautet:

"§ 7. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,

2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,

3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,

4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und

5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2."

Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zur Prüfung der Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und 2 BFA-VG gegen die dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurechenbare Festnahme und Anhaltung im Rahmen der Festnahme gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG zuständig.

Zu Spruchteil A)

3.2. Spruchpunkt I. - Stattgabe der Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung:

3.2.1 Absatz 1 und 4 des mit "Festnahme" betitelten § 40 BFA-VG lautet:

"(1) Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind nach § 40 Abs. 1 BFA-VG ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen,

1. gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht,

2. wenn dieser Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt oder

3. der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Asylwerber oder Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, wenn

1. dieser Fremde nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist,

2. gegen diesen eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde,

3. gegen diesen nach § 27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde,

4. gegen diesen vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde oder

5. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

(...)

(4) Das Bundesamt ist ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der Abs. 1 Z 2 und 3 und Abs. 2 bis zu 48 Stunden und in den Fällen des Abs. 1 Z 1 bis zu 72 Stunden zulässig; darüber hinaus ist Freiheitsentziehung nur gemäß § 77 Abs. 5 FPG oder in Schubhaft gemäß § 76 FPG möglich. Dem festgenommenen Fremden ist die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen."

Der Beschwerdeführer wurde am 25.09.2015, unmittelbar nach Stellung seines Antrages auf internationalen Schutz, festgenommen und befand sich von 25.09.2015 12:35 Uhr bis 28.09.2015, 11 Uhr in Verwaltungsverwahrungshaft.

Mangels Übermittlung eines Anhalteprotokolls respektive Festnahmeauftrages kann für das erkennende Gericht der Festnahmegrund nicht nachvollzogen werden.

Da die Haft beinahe 71 Stunden dauert, jedenfalls aber über 48 Stunden, so hätte gemäß § 40 Abs. 4 BFA-VG ein Festnahmeauftrag (§ 34 BFA-VG) erlassen werden müssen. Ein solcher wurde durch zumindest zweimalige Aufforderung durch das BVwG seitens der belangten Behörde hingegen nicht vorgelegt.

Die gegenständlich in Beschwerde gezogenen Festnahme und Anhaltung erweist sich darüber hinaus auch mangels Vorliegen der Voraussetzungen des PersFrSchG als rechtswidrig:

Art. 2 des PersFrSchG lautet:

"(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden

Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

1. wenn auf Grund einer mit Strafe bedrohten Handlung auf Freiheitsentzug erkannt worden ist;

2. wenn er einer bestimmten, mit gerichtlicher oder finanzbehördlicher Strafe bedrohten Handlung verdächtig ist,

a) zum Zwecke der Beendigung des Angriffes oder zur sofortigen Feststellung des Sachverhalts, sofern der Verdacht im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Tat oder dadurch entsteht, daß er einen bestimmten Gegenstand innehat,

b) um ihn daran zu hindern, sich dem Verfahren zu entziehen oder Beweismittel zu beeinträchtigen, oder

c) um ihn bei einer mit beträchtlicher Strafe bedrohten Handlung an der Begehung einer gleichartigen Handlung oder an der Ausführung zu hindern;

3. zum Zweck seiner Vorführung vor die zuständige Behörde wegen des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung, bei der er auf frischer Tat betreten wird, sofern die Festnahme zur Sicherung der Strafverfolgung oder zur Verhinderung weiteren gleichartigen strafbaren Handelns erforderlich ist;

4. um die Befolgung einer rechtmäßigen Gerichtsentscheidung oder die Erfüllung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung zu erzwingen;

5. wenn Grund zur Annahme besteht, daß er eine Gefahrenquelle für die Ausbreitung ansteckender Krankheiten sei oder wegen psychischer Erkrankung sich oder andere gefährde;

6. zum Zweck notwendiger Erziehungsmaßnahmen bei einem Minderjährigen;

7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

(2) Niemand darf allein deshalb festgenommen oder angehalten werden, weil er nicht in der Lage ist, eine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen."

Im konkreten Fall würden hier nur die Z 3 des ersten Absatzes und die Ziffer 7 des ersten Absatzes in Frage kommen.

Z 3 scheidet mangels Zuständigkeit des BFA aus: denkbar wäre hier die Verwaltungsübertretung gemäß § 120 FPG, die Zuständigkeit zur Führung eines derartigen Verfahrens obliegt hingegen der Landespolizeidirektion (vgl. § 5 Abs. 1 Z 3 FPG). Die erfolgte Festnahme zur Vorführung vor das BFA kann somit nicht unter diesen Tatbestand subsumiert werden.

Die Festnahme und Anhaltung kann zudem auch nicht auf die Z 7 des ersten Absatzes des PersFrSchG gestützt werden:

Da der BF zum Zeitpunkt der Festnahme unmittelbar davor einen Asylantrag gestellt hatte, gab es keine Anhaltspunkte aus dem vorliegenden Verwaltungsakt, dass bereits zu diesem Zeitpunkt beabsichtigt gewesen wäre, den BF aus dem Bundesgebiet auszuweisen. Diese Annahme wird auch dadurch verstärkt, dass die Erstbefragung des BF, die unter anderem zur Eruierung der Fluchtroute und der Prüfung einer allfälligen Dublin-Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates dient, erst am 27.09.2015, sohin zwei Tage nach der Festnahme des BF erfolgte.

Aus diesen Umständen erweist dich die gegenständlich erfolgte Festnahme und die darauf gestützte Anhaltung als rechtswidrig und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Spruchpunkt II. - Kostenersatz:

3.3.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Der mit "Kosten" betitelte § 35 VwGVG lautet:

"§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden."

Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:

"1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro."

3.3.2. Im gegenständlichen Verfahren wurde gegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG (Festnahme gemäß § 40 Abs. 1 Z 3 FPG) Beschwerde erhoben. Der Beschwerdeführer stellten einen Antrag auf Kostenersatz gemäß § 35 VwGVG. Es gebührt ihm gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG als obsiegende Partei Kostenersatz. Das Bundesamt stellte keinen Antrag auf Kostenersatz.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.4. Zu den Spruchpunkten III. und IV. (Anträge auf Beigebung eines Verfahrenshelfers und Befreiung von der Eingabengebühr):

Gemäß § 35 Abs. 4 VwGVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs. 1 die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat, die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

Den Ersatz der Eingabegebühr sieht § 35 VwGVG nicht vor, weshalb der diesbezügliche Antrag des BF zurückzuweisen war.

Der BF hat die beantragte Beigebung eines Verfahrenshelfers im Wesentlichen mit Verweis auf Art. 47 GRC begründet. Darüber hinaus wurde darauf verwiese, dass die Rechtsberatung nicht mit Verfahrenshilfe gleichwertig sei und es für gewillkürte Vertretung auch keine qualitativen Mindeststandards gebe. Der Beschwerdeführer sei somit "auf das Entgegenkommen der Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH angewiesen", für das jedoch "keine qualitativen Mindeststandards gesetzlich garantiert sind".

Selbst bei Anwendbarkeit des § 40 VwGVG auf das vorliegende Schubhaftverfahren wäre dem Antrag nicht zu entsprechen gewesen:

Gemäß § 40 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist. Aus § 40 Abs. 5 VwGVG, wonach die Bestellung eines Verteidigers mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten erlischt, ergibt sich jedoch, dass die Bestellung eines Verteidigers jedenfalls dann nicht erforderlich sein kann, wenn dieser Antrag bereits von einem Bevollmächtigten des Beschuldigten gestellt wird. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Bevollmächtigte kein berufsmäßiger Parteienvertreter ist (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2013, VwGVG § 40 K 7).

Es würde daher den Sinn der oben wiedergegebenen Bestimmung gänzlich unterlaufen, wenn ein Bevollmächtigter für seinen Mandanten einen Verfahrenshelfer beantragen kann. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist daher ein bereits (aufrecht) vertretener Beschwerdeführer jedenfalls nicht legitimiert, einen Verfahrenshelfer zu beantragen, weshalb dem diesbezüglichen Antrag nicht Folge zu geben ist. Im Übrigen ist nicht schlüssig, wieso der Vertreter im gegenständlichen Verfahren - der in dieser Funktion regelmäßig tätig ist - offenbar davon ausgeht, für die Vertretung in solchen Verfahren nicht hinreichend kompetent zu sein. Festzuhalten ist allerdings, die vorliegende Vertretungsvollmacht auch eine Inkassovollmacht umfasst, die in dieser Form dem Vertreter nicht erteilt werden könnte, wäre er im gegenständlichen Verfahren ausschließlich als Rechtsberater tätig.

Aufgrund dessen war spruchgemäß zu entscheiden.

3.5. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der Verfassungsgerichtshof hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 GRC ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11 ua.).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12.03.2012, U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Da sich im gegenständlichen Fall die Rechtswidrigkeit aus der Verletzung einer Rechtsvorschrift ergibt, und der diesbezügliche Sachverhalt aus der Aktenlage ersichtlich ist, konnte auf die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben. Der Beschwerde wurde vollinhaltlich entsprochen und legte die belangte Behörde keine gegenteilige Stellungnahme vor.

Zu Spruchteil B) - Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Anhaltung, Festnahme, Festnahmeauftrag, Kostenersatz,
Rechtsgrundlage, Rechtswidrigkeit, Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W186.2115166.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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