TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/13 W197 2215674-1

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Veröffentlicht am 13.12.2019
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Entscheidungsdatum

13.12.2019

Norm

BFA-VG §22a
BFA-VG §22a Abs1 Z1
BuLVwG-EGebV §1
BuLVwG-EGebV §2
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76
FPG §76 Abs2 Z1
VwGVG §35

Spruch

W197 2215674-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. SAMSINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , nigerianischer Staatsangehöriger, vertreten durch DIAKONIE Flüchtlingsdienst gem. GmbH - ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.01.2019, Zl. 1182048405 - 190063993, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 19.01.2019, Zl. 1182048405 - 190063993, wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

II. Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft von 19.01.2019 bis 08.03.2019 für rechtswidrig erklärt.

III. Gemäß § 35 VwGVG iVm § 1 Z 1 VwG-AufwErsV, BGBl. II Nr. 517/2013, idgF hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Befreiung von der Eingabengebühr wird zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1.1. Der Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsangehöriger; seine Identität steht demgegenüber nicht zweifelsfrei fest.

1.2.Erstmalig wurde der Genannte am 17.02.2018 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im österreichischen Bundesgebiet angetroffen und nach erfolgter Einvernahme dazu aufgefordert, nach Spanien zurückzukehren.

1.3. Entgegen der Anordnung am 29.08.2018 abermals von Polizeiangehörigen im Rahmen einer Zufallskontrolle in Österreich angetroffen, wurde im Rahmen der daraufhin am 05.09.2018 durchgeführten niederschriftlichen Befragung der Beschwerdeführer neuerlich dazu angewiesen, nach Spanien auszureisen, was dieser in weiterer Folge am 17.09.2018 befolgte.

1.4. Bereits im Folgemonat Oktober reiste der Genannte wiederum illegal ins Bundesgebiet ein und wurde drei Monate später am 19.01.2019 im Rahmen einer Personenkontrolle festgenommen. In der nachfolgenden Vorführung und Einvernahme von der belangten Behörde konnte festgestellt werden, wonach der Beschwerdeführer gesund, aber weder sozial noch familiär oder wirtschaftlich integriert ist. Völlig mittellos, besteht keine Aussicht, auf legale Weise seinen Unterhalt zu sichern und verfügt der Genannte auch über keinerlei gesicherte Unterkunft.

1.5. Im Anschluss an die niederschriftliche Einvernahme erlies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 19.01.2019, Zl. 1182048405 - 190063993, einen Mandatsbescheid gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG, in welchem die Schubhaft des Beschwerdeführers zur Sicherung der Abschiebung angeordnet wurde. Diese Entscheidung wurde dem Genannten sodann persönlich zugestellt. Daraufhin stellte dieser zwei Tage vor dem avisierten Abschiebetermin, konkret am 26.02.2019, einen Antrag auf internationalen Schutz bezogen auf seinen Herkunftsstaat Nigeria.

1.6. Gegen den Mandatsbescheid, die Anordnung der Schubhaft sowie die darauf basierende Anhaltung erhob der rechtsfreundlich vertretene Asylwerber Beschwerde.

Inhaltlich wurde darauf verwiesen, wonach die verhängte Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung nach Spanien dienen sollte; tatsächlich sei aber gegen den Beschwerdeführer mit 12.02.2019 mit Bescheid, Zl. 1182048405 - 190123414 / BMI-BFA_WIEN_RD_TEAM_09, eine Rückkehrentscheidung in dessen Herkunftsland Nigeria erlassen worden. Demnach habe die belangte Behörde sich auf einen falschen Sicherungszweck gestützt.

Des Weiteren hätte der Genannte einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Die Verhängung der Schubhaft basiere somit auf Art. 28 Dublin-III-VO. Dies erfordere aber eine erhebliche Fluchtgefahr, welche in casu jedoch nicht vorliegen würde. Daraus resultierend stütze sich aber die Erstinstanz auf eine nicht einschlägige falsche Rechtsnorm. Selbst im hypothetischen Fall, dass eine Fluchtgefahr bejaht werden sollte, wäre noch immer ein geringeres Mittel anstatt der Schubhaft ausreichend. Dies nicht zuletzt angesichts des bestehenden großen Freundeskreises des Rechtsmittelwerbers in Österreich, den er schon bisher regelmäßig zur Unterkunftsbeschaffung genutzt hätte. Schließlich dürfe auch nicht übersehen werden, demzufolge sich der nunmehrige Asylwerber erwiesenermaßen in der Vergangenheit als durchaus kooperativ gezeigt habe und seiner Ausreiseverpflichtung im September 2018 nachgekommen sei. Ein gelinderes Mittel wäre gegen den Genannten bislang noch zu keinem Zeitpunkt je verhängt worden und verfüge dieser zudem über konkrete Unterkunftsmöglichkeiten iSd § 77 FPG. Darauf basierend sei die Anordnung einer periodischen Meldeverpflichtung zwecks Sicherungsbedarfs im vorliegenden Fall absolut ausreichend und somit die Verhängung der Schubhaft absolut rechtswidrig.

Der Beschwerdeführer beantragte Aufwandersatzgemäß § 35 VwGVG und den Ersatz sämtlicher Barauslagen sowie die Eingabegebühr in Höhe von € 30,00.--.

1.7. Der Rechtsmittelwerber wurde am 08.03.2019 aus der Schubhaft entlassen und legte die belangte Behörde noch am selben Tag den diesbezüglichen Verfahrensakt vor.

1.8. Aufgrund des vorliegenden Verfahrensaktes in Kombination mit Verfahrensgang und Beschwerde konnte von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, zumal der zugrundeliegende Sachverhalt als geklärt anzusehen ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Die als Feststellungen formulierten Punkte im Verfahrensgang werden der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

1.2. Der Beschwerdeführer hat sich bislang einer behördlichen Aufforderung aktenkundig nie entzogen oder aktiv widersetzt. Zuletzt kam der Genannte der behördlichen Aufforderung nach Spanien zurückzukehren am 17.09.2018 nach.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Verfahrensgang und Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts und der erhobenen Beschwerde.

3. Rechtliche Beurteilung:

1. Gemäß § 76 Abs. 3 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befindet sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Das Bundesamt erließ den angefochtenen Bescheid daher zutreffend als Mandatsbescheid; er wurde mit Bescheidzustellung vollstreckt.

2. Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann gemäß § 57 Abs. 2 AVG bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

Gemäß § 22a Abs. 5 BFA-VG ist gegen die Anordnung der Schubhaft eine Vorstellung nicht zulässig.

Daher ist die Beschwerde gegen den Bescheid vom 19.01.2019 an das Bundesverwaltungsgericht zulässig.

3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Maßgeblich sind sie Rechtsvorschriften, die bei der Vornahme des betreffenden Verfahrensschrittes in Geltung stehen (VwGH 23.05.1995, 94/04/0161; 06.11.1995, 94/04/0103; 30.04.2003, 2002/16/0076). Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis VfSlg. 10.404/2015, kundgemacht im Bundesgesetzblatt am 15.04.2015, § 22a Abs. 1 und 2 BFA-VG a.F. auf. § 22a Abs. 1 ff. BFA-VG n.F. traten mit 19.06.2015 in Kraft, sie sind im vorliegenden Fall anzuwenden. Das Beschwerdevorbringen kann, soweit es sich gegen die vor 19.06.2015 geltende Rechtslage richtet, außer Betracht bleiben.

Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG (in der seit 19.06.2015 in Kraft stehenden Fassung) hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat gemäß Abs. 2 binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß Abs. 3 jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Die Beschwerde ist daher gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG zulässig.

4. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Zu A.I.) Beschwerde gegen den Bescheid vom 19.01.2019 und die Anhaltung in Schubhaft bis 08.03.2019

1. Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

2. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

3. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

Gemäß Abs. 2 darf die Schubhaft nur angeordnet werden, wenn

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1.-dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2.-dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3.-die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

4. Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

5. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.

6. Aufgrund des bisherigen Verfahrens des Beschwerdeführers ist in casu davon auszugehen, dass die Behörde jedenfalls mit der Verhängung eines gelinderen Mittels das Auslangen hätte finden können. Sohin ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben, womit der angefochtene Bescheid und die darauf basierende Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig zu qualifizieren sind.

Zu Spruchpunkt A.II. - Vorliegen der Voraussetzung für die Fortsetzung der Schubhaft

Aufgrund der getroffenen Feststellung der darauf basierenden rechtlichen Würdigung ergibt sich, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorliegen.

Zu Spruchpunkt A.III. - Antrag auf Kostenersatz

1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Nach Abs. 4 gelten als Aufwendungen gemäß Abs. 1 die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat (Z 1), die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren (Z 2), sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand (Z 3). Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat gemäß Abs. 5 den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden. Aufwandersatz ist laut Abs. 7 auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Der Beschwerdeführer beantragte Kostenersatz.

Da der Rechtsmittelwerber vollständig obsiegte, waren ihm die begehrten Kosten zuzusprechen.

Zu A.IV.) Antrag auf Befreiung von der Eingabengebühr

Eine sachliche Gebührenbefreiung iSd § 1 Abs. 1 BuLVwG-EGebV für Verfahren nach dem BFA-VG besteht nicht. Ebensowenig besteht - abgesehen von der Möglichkeit der Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umgang der Gebühren - eine Kompetenz des Bundesverwaltungsgerichts zur Befreiung von der Eingabengebühr iHv € 30,- nach § 2 Abs. 1 BuLVwG-EGebV.

Die Gebühr für Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht beträgt gemäß § 2 Abs. 1 BuLVwG-EGebV € 30,-. Sie entsteht gem. § 1 Abs. 2 BuLVwG-EGebV im Zeitpunkt der Einbringung der Eingabe und wird mit diesem Zeitpunkt fällig. Ihre Bezahlung ist allerdings kein Zulässigkeitserfordernis im Beschwerdeverfahren. Dieser Gebührensatz kann nicht als prohibitiv hoch angesehen werden (vgl. Fister, Gebühren und Ersatz der Aufwendungen, in Holoubek/Lang [Hrsg.]; ders., Kosten und Gebühren im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, ÖJZ 2013, 1049 f.).

Der Antrag auf Befreiung von der Eingabengebühr ist daher zurückzuweisen (vgl. im Übrigen auch VwGH 23.03.2017, Ra 2016/21/0049).

2. Über den Antrag auf unentgeltliche Beigebung eines Verfahrenshelfers hat das Bundesverwaltungsgericht bereits mit Erkenntnis vom 30.06.2015 zu Recht erkannt.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Eine mündliche Verhandlung kann gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2) oder wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird (Z 3).

Da gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben und die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären ist, ohne dass es auf die in der Beschwerde bestrittene Verhältnismäßigkeit der Schubhaftverhängung, das Vorliegen erheblicher Fluchtgefahr und das Nichthinreichen des gelinderen Mittels ankommt, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung trotz des Antrages des Beschwerdeführers unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die hg. Entscheidung weicht nicht von der in der Begründung wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und Verfassungsgerichtshofes ab. Es sind alle im hg. Verfahren maßgeblichen Fragen durch die Rechtsprechung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes geklärt.

Schlagworte

Eingabengebühr, gelinderes Mittel, Rechtswidrigkeit, Schubhaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W197.2215674.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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