TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/13 W197 2198204-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.12.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

13.12.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
Dublin III-VO Art. 28
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W197 2198204-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Samsinger als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.06.2018, Zahl: 18-1193443806-180511921, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag, die Beschwerdeführerin von der Eingabegebühr zu befreien, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin (BF) ist nigerianischer Staatsangehörige, ihre Identität steht nicht fest. Sie reiste illegal in Italien ein und stellte dort 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie entzog sich jedoch dort dem Verfahren, tauchte unter und reiste illegal durch Österreich nach Deutschland und stellte dort 2018 einen weiteren Asylantrag. Nach einer negativen Dublinentscheidung entzog sie sich der Abschiebung nach Italien, indem sie untertauchte und illegal in Österreich einreiste, um freiwillig nach Italien weiterzureisen.

1.2. Die BF wurden am 03.06.2018 am Weg von Deutschland nach Italien im internationalen Reisezug NJ 295 aufgegriffen, wobei festgestellt wurde, dass sie ohne ein Reisedokument unterwegs war. Eine Überprüfung ergab Eurodac Treffer von Deutschland und Italien.

1.3. Nach ihrer Festnahme wurde die BF am 03.06.2018 der Behörde vorgeführt. Anlässlich ihrer Einvernahme gab sie an, dass sie nach Italien reisen wolle, da man ihr in Deutschland gesagt habe, dass sie zurückgehen müsse. Sie sei gesund und habe keine Verwandten oder Freunde in Österreich. Sie besitze € 50.

1.4. Im Anschluss an ihre Einvernahme wurde über die BF am 03.06.2018 mit Mandatsbescheid gem. § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. § 28 Abs. 1 u. 2 Dublin III-VO die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung und zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Der Bescheid wurde der BF persönlich zugestellt.

1.5. Die Behörde leitete am 04.06.2018 ein Konsultationsverfahren mit Italien ein.

1.6. Gegen den Mandatsbescheid, die Anordnung der und Anhaltung in Schubhaft erhob der Rechtsvertreter des BF Beschwerde und begründete diese im Wesentlichen damit, dass keine Fluchtgründe vorlägen, da sich die BF zum Zeitpunkt seiner Festnahme am Weg nach Italien befand. Die Annahme der Behörde, dass sich die BF daher einem Verfahren zur Überstellung nach Italien entziehen werde, sei sohin unbegründet. Die BF wollte nur der negativen deutschen Dublin-Entscheidung entsprechen. Die Schubhaftnahme sei auch nicht verhältnismäßig, da die Behörde im gegenständlichen Fall mit der Anordnung eines gelinderen Mittels das Auslangen finden hätte können. Der Rechtsvertreter beantragte, den Bescheid zu beheben, die bisherige Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären und auszusprechen, dass die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung nicht vorlägen. Weiters wurde Kosten- und Barauslagenersatz beantragt.

1.7. Gleichzeitig mit der Beschwerde wurde eine von der BF unterfertigte Erklärung des Vereins Menschenrechte Österreich zur Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat vorgelegt, indem sie sich ausdrücklich mit ihrer Überstellung in den zuständigen Staat einverstanden erklärte und zusicherte, dass sie sich einer Überstellung nicht widersetzen und diese unterstützen werde. Der VMÖ sicherte zu, dass er die Überstellung logistisch unterstützen werde.

1.8. Die Behörde legte die Akten vor, gab eine Stellungnahme im Rahmen des Akteninhalts ab und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

1.9.Mit Bescheid der Behörde vom 19.06.2018 wurde der BF ein Aufenthaltstitel unter berücksichtigungswürdigen Gründen nicht gewährt, die Anordnung zur Außerlandesbringung angeordnet und die Abschiebung nach Italien für zulässig erklärt.

1.10. Mit Erkenntnis des BVwG vom 20.06.2018 wurde der Beschwerde der BF Folge gegeben. Die BF wurde auf Grund des Erkenntnisses des BVwG aus der Schubhaft entlassen.

1.11. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 13.11.2019 wurde der Amtsbeschwerde im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, dass das BVwG eine Beschwerdeverhandlung hätte anberaumen müssen, da die Frage des Vorliegen erheblicher Fluchtgefahr von der BF und der Behörde gänzlich verschieden bewertet wurde.

1.12. Die Behörde teilte auf Anfrage mit, dass sie keinerlei Hinweise besitze, wo sich die BF aufhalte und sie im Bundesgebiet auch nicht gemeldet sei. Ein darüberhinausgehendes Vorbringen wurde nicht erstattet. Da die BF im Verfahren nicht vertreten ist, kann auch von ihr kein weiteres Vorbringen erstattet werden. Im Hinblick auf den glaubwürdigen Willen der BF nach Italien zurückkehren zu wollen ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass sie nach ihrer Freilassung illegal nach Italien gereist ist.

1.13. Im Hinblick darauf erübrigte sich auch aus verwaltungsökonomischen Gründen die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, da von einer solchen ein über den vorgelegten Akt, den Verfahrensgang und den Beschwerdeinhalt hinausgehende Erkenntnisse nicht erlangt werden können.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Die als Feststellungen formulierten Punkte im Sachverhalt werden der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

1.2. Festgestellt wird, dass die BF in Entsprechung einer negativen Dublin-Entscheidung Deutschland verlassen hat und nach Italien weiterreisen wollte, das nach Einschätzung der Behörde für ihr Asylverfahren zuständig ist. Die Zuständigkeit Italiens ist durch Zeitablauf am 19.06.2018 eingetreten.

1.3. Der Verein Menschenrechte gab am 04.06.2018 der Behörde bekannt, dass sich die BF zur freiwilligen Überstellung nach Italien angemeldet habe. Zugleich wurde eine von der BF unterfertigte Erklärung vorgelegt, wonach die BF einer Überstellung nach der Dublin-III-VO zustimme.

1.4. Die BF stellte in Deutschland und in Italien Asylanträge und entzog sich dort dem Verfahren. Sie ist in diese Länder und in Österreich auch illegal eingereist. Die BF stellte keinen Asylantrag in Österreich, sie ist hier auch nicht integriert, hat keine gesicherte Unterkunft, kann ihren Lebensunterhalt nicht auf legale Weise sichern und will auch nicht im Bundesgebiet bleiben.

1.5. Die BF wollte freiwillig nach Italien zurückkehren und wurde beim Versuch dorthin auszureisen festgenommen. Sie beabsichtigte auch nicht - entgegen der unbegründeten Annahme des VwGH - sich einem Verfahren in Österreich zu ihrer Außerlandesbringung nach Italien zu entziehen. Erst nach ihrer Freilassung nutzte sie die Gelegenheit, illegal nach Italien auszureisen und erfüllte damit den Zweck, den die Behörde mit der zwangsweisen Außerlandesbringung erreichen wollte.

2. Beweiswürdigung

2.1. Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde, dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts und der erhobenen Beschwerde.

2.2. Die Behörde begründete Fluchtgefahr im angefochtenen Bescheid damit, dass die BF höchst mobil sei und und nach Italien weiterreisen wolle. Auch wenn die BF in Deutschland und in Italien Asylanträge gestellt hat und in diese Länder und in Österreich illegal eingereist ist, kann im Hinblick auf den festgestellten Sachverhalt nicht davon ausgegangen werden, dass sie nunmehr ihren Willen geändert hat und nicht mehr nach Italien zurückkehren wolle. Solches ist im Verfahren auch nicht hervorgekommen, zumal sie ihre Kooperationsbereitschaft ausdrücklich bekundet hat und dafür auch Hilfe einer NGO in Anspruch genommen hat. Die BF ist nach ihrer Freilassung mit größter Sicherheit daher illegal nacht Italien weitergereist, was die Behörde mit der zwangsweisen Außerlandesbringung auch erreichen wollte.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt A. I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

3.1.2. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3).

3.1.3. Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

3.1.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.

3.1.5. Die Behörde hat im Sinne der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen die die Schubhaft wegen erheblicher Fluchtgefahr angeordnet, da im Hinblick auf den konkreten Sachverhalt und des aktuellen Verhaltens der BF davon ausgegangen war, dass die BF nach Italien zurückkehren will. In diesem Sinn hat sie sich auch dem Zugriff der Behörden ein der Folge entzogen und ist illegal nach Italien ausgereist.

3.2. Zu Spruchpunkt A. II. und III. - Kostenbegehren

Da die Behörde zur Gänze obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen allein der Ersatz ihrer geltend gemachten Aufwendungen zu. Mangels gesetzlicher Bestimmungen war der Antrag des BF auf Befreiung der Entrichtung von Eingabegebühr bzw. dessen Refundierung zurückzuweisen. Dass die Eingabegebühr das Recht des Beschwerdeführers auf Zugang zu Gericht beschneidet, trifft im Hinblick auf die geringe Höher nicht zu. Dieser Gebührensatz kann keineswegs als prohibitiv hoch angesehen werden.

3.3. Zu Spruchpunkt B - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in allen Spruchpunkten nicht zuzulassen.

Schlagworte

Außerlandesbringung, Ausreise, Fluchtgefahr, Mitgliedstaat,
Schubhaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W197.2198204.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten