TE Vwgh Beschluss 1998/6/26 95/19/0764

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Veröffentlicht am 26.06.1998
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

B-VG Art132;
VwGG §27;
ZustG §17 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, in der Beschwerdesache des 1946 geborenen J S in Wien, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bundesminister für Inneres wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheit des Aufenthaltsgesetzes, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte nach der Aktenlage einen mit 16. Jänner 1995 datierten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 17. Jänner 1995 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 23. Jänner 1995 wurde der Antrag mangels rechtzeitiger Antragstellung gemäß § 6 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob dagegen eine mit 15. Februar 1995 datierte Berufung, die am 16. Februar 1995 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte (vgl. OZl. 20 des Verwaltungsaktes).

Im Verwaltungsakt erliegt weiters eine Mitteilung des Bundesministeriums für Inneres vom 13. Juli 1995 (vgl. OZl. 25 des Verwaltungsaktes), die am 20. Juli 1995 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte und derzufolge der Berufung vom 16. Februar 1995 stattgegeben wurde. Es werde ersucht, den Bescheid im Original dem Berufungswerber zuzustellen. Gemäß dem betreffenden Bescheid sei für den Beschwerdeführer eine Vignette mit der im Spruch genannten Gültigkeitsdauer auszustellen. Beigeschlossen ist dieser Mitteilung im Verwaltungsakt eine Abschrift eines Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 13. Juli 1995, Zl. 302.099/2-III/11/95, dessen Spruch zufolge der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (gemeint: des Landeshauptmannes von Wien) vom 23. Jänner 1995, "Zl. MA 62-9/2071711-02-V", stattgegeben wird und derart abgeändert wird, daß eine Aufenthaltsbewilligung für den Aufenthaltszweck "unselbständig erwerbstätig/Maurer" vom 2. Februar 1995 bis zum 2. Februar 1997 erteilt wird. Angeheftet an die bereits erwähnte Mitteilung erliegt im Verwaltungsakt ein Rückschein, auf dem als Geschäftszahl "2071711-02 Ref. 1 BMfI-B" aufscheint. Weiters wurde auf dem Rückschein vermerkt, daß ein Zustellversuch am 27. Juli 1995 stattgefunden habe und eine Verständigung über die Hinterlegung in den Briefkasten eingelegt worden sei. Die Hinterlegung sei beim Zustellpostamt 1225 Wien erfolgt, als Beginn der Abholfrist wurde der 28. Juli 1995 eingetragen. Auf dem Originalkuvert scheinen die Stempel "ZURÜCK, nicht behoben" sowie "hinterlegt am 27.7.95 beim Postamt 1225" auf.

Mit seiner am 4. September 1995 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Eingabe machte der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesministers für Inneres in einer Angelegenheit des Aufenthaltsgesetzes geltend. Er habe beim Landeshauptmann von Wien den Antrag auf Verlängerung der Wirksamkeit einer bisher erteilten Aufenthaltsberechtigung gestellt. Am 23. Jänner 1995 habe der Landeshauptmann von Wien einen Bescheid erlassen, demzufolge der Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen werde. Gegen diesen Bescheid sei die am 15. Februar 1995 verfaßte und am 16. Februar 1995 beim Landeshauptmann von Wien eingebrachte Berufung erhoben worden. Die Berufung sei der belangten Behörde spätestens am 23. Februar 1995 im Wege der Dienstpost tatsächlich zugegangen. Bis zum 4. September 1995 habe die belangte Behörde über diese Berufung nicht entschieden.

Der Verwaltungsgerichtshof forderte den Bundesminister für Inneres auf, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.

Mit Schriftsatz vom 23. Jänner 1996 legte der Bundesminister für Inneres den Berufungsbescheid vom 13. Juli 1995, Zl. 302.099/2-III/11/95, sowie eine Kopie eines Rückscheines vor, auf dem als Beginn der Abholfrist der 28. Juli 1995 vermerkt ist.

Über Vorhalt des Verwaltungsgerichtshofes teilte der Beschwerdeführer mit, daß ihm der Bescheid der belangten Behörde vom 13. Juli 1995 nicht zugestellt worden sei. Der Beschwerdeführer habe weder eine Aufforderung, an einem bestimmten Tag an seiner Wohnung aufhältig zu sein, noch eine Hinterlegungsanzeige erhalten. Er lasse jedoch nicht unerwähnt, daß der Bescheid vom 13. Juli 1995 am 15. September 1995 beim Postamt 1225 Wien durch Hinterlegung zugestellt worden sei. Er lege dazu die Kopie des Bescheides sowie eine Kopie des Kuverts vor, aus dem das Hinterlegungsdatum 15. September 1995 hervorgehe. Auf der beigeschlossenen Kopie des Kuverts scheint der handschriftliche Vermerk "hinterl. 15.9.95" auf. Mit Verfügung vom 17. Februar 1997 forderte der Verwaltungsgerichtshof den Beschwerdeführer auf, Gründe dafür anzugeben, weshalb der in Kopie übermittelte Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Juli 1995 entgegen dem ebenfalls in Kopie übermittelten Rückschein nicht am 29. Juli 1995 wirksam zugestellt worden sein sollte.

Der Beschwerdeführer vertrat dazu in einem Schriftsatz vom 10. April 1997 die Ansicht, daß auch bei Vorliegen eines Rückscheines eine Zustellung nur dann rechtswirksam erfolgt sei, wenn die auf dem Rückschein angeführte Hinterlegungsanzeige dem Beschwerdeführer "tatsächlich" zugegangen sei. Da dies nicht der Fall gewesen sei, liege keine rechtswirksame Zustellung vor. Ausdrücklich bringe der Beschwerdeführer vor, daß er kein Verschulden am Nichterhalt der Hinterlegungsanzeige zu verantworten habe.

Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes legte die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

§ 27 VwGG bestimmt, daß Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden kann, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Die vorliegende Säumnisbeschwerde erwiese sich als unzulässig, wenn zum Zeitpunkt ihrer Einbringung der Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Juli 1995 gegenüber dem Beschwerdeführer bereits erlassen worden wäre.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes macht ein von einem Postbediensteten ordnungsgemäß ausgestellter Rückschein über die Zustellung eines Poststückes durch Hinterlegung als öffentliche Urkunde Beweis über die Rechtswirksamkeit der Zustellung. Es ist Sache des Empfängers, Umstände vorzubringen, die geeignet sind, Gegenteiliges zu beweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen zu lassen (vgl. die bei Walter-Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I 1998, S 1995 (E 63) wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Der Beschwerdeführer brachte über Vorhalt des Verwaltungsgerichtshofes nur vor, keine Hinterlegungsanzeige erhalten zu haben und vertritt die Rechtsmeinung, eine Zustellung könne nur dann rechtswirksam erfolgen, wenn die auf dem Rückschein angeführte Hinterlegungsanzeige dem Empfänger tatsächlich zugegangen sei. Mit dieser Rechtsmeinung verkennt der Beschwerdeführer jedoch die Rechtslage. Ein allfälliger Verlust der Hinterlegungsanzeige ändert gemäß § 17 Abs. 4 des Zustellgesetzes nichts an der Wirksamkeit der Zustellung.

Im Hinblick auf den auf dem Rückschein angegebenen Beginn der Abholfrist ("28.7.95") geht der Verwaltungsgerichtshof daher davon aus, daß der Berufungsbescheid der belangten Behörde gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 17 Abs. 3 dritter Satz AVG am 28. Juli 1995 erlassen wurde. Eine Säumnis der belangten Behörde lag demnach im Zeitpunkt der Einbringung der vorliegenden Beschwerde nicht vor, weshalb diese als unzulässig zurückzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995190764.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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