Entscheidungsdatum
13.12.2019Norm
AlVG §12Spruch
L511 2011369-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichterinnen Mag.a Martina LEITNER und Mag.a Iris WOLTRAN als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch SIMSON & PARTNER Steuerberatung GmbH&CoKG, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 20.06.2014, Zahl: XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 20.06.2014, Zahl XXXX , gemäß § 28 Abs. 2 und Abs. 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Verfahren vor dem Arbeitsmarktservice [AMS]
1.1. Der Beschwerdeführer bezog in den verfahrensgegenständlichen Jahren 2009, 2010 und 2012 mit Bezugsunterbrechungen Arbeitslosengeld in der Höhe von [idHv] EUR 31,54 (2009), 30,57 (2010) bzw. EUR 27,16 (2012) täglich (Aktenzahl der elektronisch übermittelten Aktenteile [im Folgenden: AZ] 15).
1.2. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des AMS vom 20.06.2014, Zahl: XXXX , wurde gemäß § 24 Abs. 2 AlVG der Leistungsbezug für den Zeitraum 17.04.2012 bis 30.06.2012 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und der Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Leistung in der Höhe von EUR 2.037,00 verpflichtet (AZ 17).
Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe für diese Zeiträume Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu Unrecht bezogen, da er in den genannten Zeiträumen bei der Firma XXXX [H] GmbH in einem vollversicherten Dienstverhältnis gestanden sei.
1.3. Mit Schreiben vom 11.07.2014, beim AMS eingelangt am 14.07.2014, erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde [Bsw] (AZ 8) gegen den Bescheid des AMS
Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, der Beschwerdeführer sei im fraglichen Zeitraum selbständig gewesen und nicht in einem Dienstverhältnis gestanden. Beantragt wurde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.
1.4. Mit weiterem Bescheid des AMS vom 16.07.2014, Zahl: XXXX , wurde gemäß § 24 Abs. 2 AlVG mit der selben Begründung der Leistungsbezug für die Zeiträume von 01.12.2009 bis 22.12.2009 und 01.02.2010 bis 05.04.2010, widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und der Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Leistung in der Höhe von EUR 2.650,36 verpflichtet (AZ 16).
1.5. Mit Schreiben vom 24.07.2014, beim AMS eingelangt am 31.01.2014 erhob der Beschwerdeführer mit der selben Begründung wie in der Beschwerde vom 11.07.2014 auch gegen diesen Bescheid des AMS fristgerecht Beschwerde [Bsw] (AZ 7) und beantragte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.
1.6. Mit Bescheid vom 28.08.2014, Zahl: XXXX , gab das AMS den Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerden statt.
2. Die belangte Behörde legte am 14.09.2019 dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] die Beschwerden samt Auszügen aus dem Verwaltungsakt, in elektronischer Form vor (Ordnungszahl des Gerichtsverfahrensaktes [OZ] 1 [=AZ 1-18]).
2.1. Das BVwG wurde von der SGKK darüber informiert, dass ein Versicherungspflichtverfahren zu den fraglichen Zeiträumen bei der SGKK anhängig sei (OZ 2-4) und setzte das Verfahren mit Beschluss vom 29.09.2014 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Bestehen einer Versicherungspflicht nach dem ASVG für die fraglichen Zeiträume gemäß § 38 AVG aus (OZ 5).
2.2. Die SGKK legte den Versicherungspflichtbescheid vom 22.12.2014 vor (OZ 6). Das AMS und der Beschwerdeführer legten Steuerbescheide für die Jahre 2009-2012 vor (OZ 7, 8).
2.3. Das BVwG stellte mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 24.10.2019, GZ L503 2102204- 1/21Z, fest (OZ 9-10), dass der Beschwerdeführer nur von 01.06.2009 bis 02.09.2009 (und in den übrigen im Erstbescheid angenommenen Zeiträumen von 01.02.2010 bis 26.07.2010 und 01.04.2012 bis 02.11.2012 nicht) Dienstnehmer der H GmbH gewesen ist.
2.4. Im Parteiengehör nahm das AMS Stellung (OZ 11-12), und führte aus, dass auf Grund der Ermittlungsergebnisse (OZ 8-10) das Arbeitslosengeld für die fraglichen Zeiträume weder zu widerrufen, noch zurückzufordern sei.
II. Zu A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. entscheidungswesentliche Feststellungen
1.1. Der Beschwerdeführer bezog, soweit verfahrensgegenständlich relevant, von 01.12.2009 bis 22.12.2009, 01.02.2010 bis 05.04.2010 und 17.04.2012 bis 30.06.2012 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung (AZ 15).
1.2. Der Rückforderung des AMS lag eine Überlagerungsmeldung des Hauptverbandes zu Grunde, wonach der Beschwerdeführer bei der Firma XXXX GmbH in den Zeiträumen 01.06.2009 bis 22.12.2009, 01.02.2010 bis 26.07.2010 und 01.04.2012 bis 02.11.2012 in einem vollversicherten Dienstverhältnis gestanden habe.
Das BVwG hat mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 24.10.2019, GZ L503 2102204- 1/21Z, nunmehr im Versicherungspflichtverfahren rechtskräftig festgestellt (OZ 9-10), dass der Beschwerdeführer nur von 01.06.2009 bis 02.09.2009 (und in den übrigen im Erstbescheid angenommenen Zeiträumen von 03.09.2009 bis 22.12.2009, von 01.02.2010 bis 26.07.2010 und von 01.04.2012 bis 02.11.2012 nicht) Dienstnehmer der H GmbH war.
1.3. Das Gewerbe des Beschwerdeführers war ab 01.12.2009 ruhend gemeldet. Für das Jahr 2010 ergab sich ein Minuseinkommen aus Gewerbebetrieb; für das Jahr 2012 lag keine selbständige Tätigkeit (mehr) vor.
2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung
2.1. Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsverfahrensakt, aus dem sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt (OZ 1 [=AZ 1-18]; OZ 1-12). Zur Entscheidungsfindung wurden vom BVwG insbesondere folgende Unterlagen herangezogen:
* Bescheide des AMS (AZ 5, 16, 17)
* Beschwerden (AZ 7, 8)
* Einkommensteuerbescheide 2009-2012
* HVB-Überlagerungsmeldungen (AZ 15)
* Erkenntnis des BVwG im Versicherungspflichtverfahren
2.2. Beweiswürdigung
2.2.1. Der gesamte entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus den vorliegenden Aktenteilen (AZ 1-18; OZ 1-12) und ist im Verfahren unbestritten geblieben.
3. Entfall der mündlichen Verhandlung
3.1. Eine Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG). Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen (§ 24 Abs.4 VwGVG).
3.2. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter. Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).
3.3. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war. Der sich aus dem Akteninhalt ergebende Sachverhalt war weder ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig.
4. Rechtliche Beurteilung
4.1.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG (vgl. VwGH vom 07.09.2017, Ra2017/08/0081). Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die das AMS im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).
4.1.2. Die Beschwerde und der Vorlageantrag sind rechtzeitig und auch sonst zulässig.
4.2. Stattgabe der Beschwerde
4.2.1. Das Arbeitslosengeld gebührt grundsätzlich nur bei vorliegender Arbeitslosigkeit. Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist (nur) arbeitslos, wer eine Erwerbstätigkeit beendet hat und (abgesehen von gegenständlich nicht relevanten Ausnahmen) nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt, und keine neue oder weitere Erwerbstätigkeit ausübt.
4.2.2. Der Beschwerdeführer stand entgegen der - zum Zeitpunkt der Bescheiderstellung allerdings der Aktenlage entsprechenden - Annahme des AMS von 01.12.2009 bis 22.12.2009, 01.02.2010 bis 05.04.2010 und 17.04.2012 bis 30.06.2012 in keinem Dienstverhältnis.
4.2.3. Da somit kein Dienstverhältnis im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. a AlVG vorlag - wobei der Vollständigkeit halber auch festzuhalten ist, dass auch kein anderer Tatbestand im Sinne des § 12 Abs. 3 AlVG vorlag - fehlt es am auslösenden Tatbestandsmerkmal des § 25 Abs. 2 AlVG und es liegen weder die gesetzlichen Voraussetzungen für den Widerruf gemäß § 24 Abs. 2 AlVG noch jene zur Rückzahlungsverpflichtung gemäß § 25 Abs. 2 AlVG vor.
4.2.4. Der Beschwerde ist daher stattzugeben und der Bescheid des AMS spruchgemäß zu beheben, da in Fällen in denen ohne Parteienantrag ein widerrechtlicher Entzug eines Rechtes oder einer Leistung erfolgt, der dem materiellen Recht entsprechende Zustand nur durch ersatzlose Behebung des rechtswidrigen Bescheides hergestellt werden kann (vgl. VwGH 08.10.2010, 2005/04/0002; 21.02.2014, 2013/06/0159).
III. ad B) Unzulässigkeit der Revision:
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG). Die Revision ist (mit einer hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahme) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Gegenständlich lag der Schwerpunkt auf der Sachverhaltsfeststellung, ob ein Dienstverhältnis vorlag. Die diesbezügliche Beurteilung erfolgte durch ein österreichisches Gericht. Die rechtliche Subsumtion bedurfte keiner Lösung einer erheblichen Rechtsfrage. Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.
Schlagworte
Arbeitslosengeld, Arbeitslosigkeit, Dienstverhältnis, Rückforderung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L511.2011369.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.03.2020