TE Bvwg Beschluss 2019/12/16 L517 2226059-1

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Veröffentlicht am 16.12.2019
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Entscheidungsdatum

16.12.2019

Norm

AlVG §49
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §13

Spruch

L517 2226059-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , SVNR.:

XXXX , vertreten durch Mag. Martin Wakolbinger, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Linz vom XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung wird gem. § 31 Abs. 1 iVm § 13 Abs. 4 VwGVG, BGBl I Nr. 33/2013 idgF, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl Nr 1/1930 idgF, zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Linz (in Folge belangte Behörde bzw. "bB") vom XXXX wurde ausgesprochen, dass die beschwerdeführende Partei (in Folge "bP") im Zeitraum vom 09.10.2019 bis 16.10.2019 gem. § 49 AlVG kein Arbeitslosengeld erhalte. Nach Darlegung der gesetzlichen Bestimmungen wurde begründend ausgeführt, dass das Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass die bP den vorgeschriebenen Kontrolltermin am 09.10.2019 nicht eingehalten und sich erst wieder am 17.10.2019 bei der zuständigen Geschäftsstelle gemeldet habe.

Im Spruchpunkt B) des Bescheides wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gem. § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen.

Begründend führte die bB Folgendes aus: Nach § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundesverfassungsgesetz (B-VG) aufschiebende Wirkung.

Nach § 13 Abs. 2 VwGVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

Die Einhaltung einer Kontrollmeldung ist ein wesentliches Instrument der Arbeitsvermittlung und dient der raschen Integration in den Arbeitsmarkt, weshalb diese grundsätzlich einmal wöchentlich wahrzunehmen ist. Die im öffentlichen Interesse gelegene rasche Arbeitsmarktintegration gestaltet sich umso schwieriger, je länger der Arbeitslose der Vermittlungstätigkeit des AMS fern bleibt, indem er vorgeschriebene Kontrollmeldungen ohne Vorliegen von triftigen Gründen nicht wahrnimmt.

Da im Zeitraum ab dem versäumten Kontrollmeldetermin bis zur Wiedermeldung dem AMS die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nicht möglich war, stünde die vorläufige Auszahlung der Leistung im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer verursachte Verhinderung der Vermittlungs- und Betreuungsmöglichkeit in einem die Versichertengemeinschaft grob belastenden Missverhältnis.

Eine aufschiebende Wirkung würde den aus generalpräventiver Sicht im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck, Leistungen bei Arbeitslosigkeit nur bei gleichzeitiger Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung zu gewähren, unterlaufen. Aus diesem Grund überwiegt das öffentliche Interesse gegenüber dem mit einer Beschwerde verfolgten Einzelinteresse. Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ist daher auszuschließen.

2. Gegen diesen Bescheid brachte die bP rechtsanwaltlich vertreten mit Schreiben vom 19.11.2019 (eingelangt am 20.11.2019) fristgerecht Beschwerde ein, stellte den Antrag auf "Aufhebung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung" und führte Folgendes aus:

Dem gegenständlichen Bescheid fehlt die im Einzelfall gem. § 13 Abs. 2 VwGVG zwingend vorgeschriebene Interessensabwägung zwischen dem Interesse der Beschwerdeführerin daran, das Ergebnis des Rechtmittelverfahrens abwarten zu können, ohne für den gesamten Zeitraum das finanzielle Risiko infolge Verlust des Arbeitslosengeldbezuges tragen zu müssen, und einem allenfalls entgegenstehenden öffentlichen Interesse.

Das AMS gibt dem abstrakten Sanktionscharakter einer Norm, der im öffentlichen Interesse liegen soll, den Vorrang vor dem dringenden Bedarf der Beschwerdeführerin auf die Auszahlung ihres Arbeitslosengeldbezuges, ohne sich mit ihren konkreten Interessen auseinanderzusetzen.

Der vom AMS genannte Normzweck, der Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitslosenversicherung müsste bei rechtskonformer Auslegung aber zumindest voraussetzen, dass eine unberechtigte Inanspruchnahme der Leistungen in einem abgeschlossenen Ermittlungsverfahren bereits festgestellt wurde. Solange das Rechtsmittelverfahren nicht abgeschlossen ist, stellt die Arbeitslosengeldbezugssperre einen massiven Verstoß gegen die in § 13 Abs. 2 VwGVG vorgeschriebene Interessensabwägung im Einzelfall dar. Wegen der Generalprävention der Norm einem abstrakten öffentlichen Interesse den Vorrang vor dem Einzelinteresse der Beschwerdeführerin an einen rechtsstaatlichen Rechtsmittelverfahren zu geben, ist rechtswidrig. Da die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung der Existenzsicherung in Zeiten der Arbeitslosigkeit dient, trifft die Beschwerdeführerin ein Ausschluss der aufschiebenden Wirkung weit härter, als es die Öffentlichkeit träfe, den Ausgang des Rechtsmittelverfahrens abzuwarten, um allenfalls nach dessen Abschluss eine Rückzahlung zu erhalten. Somit fehlt es bereits an der ersten Voraussetzung für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gern. § 13 Abs. 2 VwGVG. Auch gilt die vom AMS angegebene Begründung für den angeblichen Vorrang des öffentlichen Interesses am Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Rechtsmittelverfahren wegen einer Arbeitslosengeldsperre wohl für jeden Fall einer solchen Sperre. Es liegt somit die Vermutung nahe, dass sich diese Begründung in allen derartigen Bescheiden wiederfindet, wodurch jener generelle Rechtszustand im Sinne des § 56 Abs. 3 AIVG in der Fassung BGBl I Nlr. 71 2013 herbeigeführt würde, den der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis G74/2014-10, G78/2014-10, als verfassungswidrig aufgehoben hat.

Eine solche Vorgangsweise, die eine Prüfung und Begründung des Vorliegens der in § 13 Abs. 2 VwGVG genannten Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Einzelfall verweigert und generell die aufschiebende Wirkung verweigert, wäre verfassungswidrig.

Auch enthält der Bescheid keinerlei Begründung dafür, welche Gefahr in Verzug besteht, die einen vorzeitigen Vollzug der Sperre des Leistungsbezuges dringend gebieten würde. Diese Voraussetzung ist jedoch in § 13 Abs. 2 VwGVG zwingend normiert, um einen rechtskonformen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung zu rechtfertigen.

3. Die gegenständliche Beschwerde wurde gem. § 13 Abs. 4 VwGVG samt maßgeblichen Verwaltungsakt von der bB einlangend am 03.12.2019 dem BVwG vorgelegt. Die bB teilte mit, dass sie von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung nicht absehe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensgang.

Bezüglich des Verlustes des Anspruches auf Arbeitslosengeld im angegebenen Zeitraum (Spruchpunkt A. des Bescheides) behält sich die bB ausdrücklich die Durchführung eines Beschwerdevorentscheidungsverfahrens vor.

2.0. Beweiswürdigung:

Der unter Punkt 1. angeführte Verfahrensgang sowie die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.

3.0. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:

-

Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl Nr. 609/1977, idgF

-

Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl I Nr. 1/1930, idgF

-

Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF

-

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl I Nr. 33/2013, idgF

3.2. Gemäß Art 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Eine solche Senatszuständig sieht § 56 Abs. 2 AlVG grundsätzlich vor.

§ 56 Abs. 2 AlVG lautet: Über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch die Geschäftsstelle beträgt zehn Wochen.

Gemäß § 9 Abs. 1 BVwGG leitet und führt der Vorsitzende eines Senats das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 2008 BlgNR 24., GP, S.4) bedeutet dies, dass der Senatsvorsitzende "insbesondere die Entscheidung über den Antrag der aufschiebenden Wirkung, gegebenenfalls über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und über die Gewährung eines Verfahrenshilfeverteidigers" ohne Senatsbeschluss erlassen darf. Da Entscheidungen über Anträge auf aufschiebende Wirkung somit jedenfalls der Einzelrichterzuständigkeit unterliegen, ist anzunehmen, dass auch Entscheidungen über Beschwerden gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung bzw. über "Anträge auf Aufhebung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung" als Einzelrichter zu treffen sind.

3.3 Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Mit der vorliegenden Entscheidung über die Beschwerde bzw. den Antrag "auf Aufhebung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung" wird die Rechtssache nicht erledigt, sondern lediglich über die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache ergangenen Beschwerde abgesprochen. Mangels Erledigung der Rechtsache hat die vorliegende Entscheidung somit durch Beschluss zu erfolgen.

Die Entscheidung in der Sache selbst (§ 49 AlVG) behält sich die bB im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung gem. § 14 VwGVG vor.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.4. Das VwGVG sieht vor, dass eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung hat (§ 13 Abs. 1 VwGVG), solange diese Wirkung nicht mit Bescheid (§ 13 Abs. 2 VwGVG) oder mit Beschluss (§ 22 Abs. 2 VwGVG) aberkannt bzw. ausgeschlossen worden ist. Auch ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat aufschiebende Wirkung (§ 15 Abs. 2 VwGVG), wenn die Beschwerde von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat.

Beim Ausspruch des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG in dem die Hauptsache erledigenden Bescheid handelt es sich - wie im vorliegenden Fall - um einen von der Hauptsache trennbaren, selbstständigen Nebenanspruch (Hengstschläger/Leeb, AVG [2007], zu § 64 Rz 36).

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid von der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Nach § 13 Abs. 4 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 - sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist - dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen.

Unter Berücksichtigung des eingeschränkten Prüfungsmaßstabes hat das BVwG gemäß § 13 Abs. 4 letzter Satz VwGVG "ohne weiteres Verfahren" unverzüglich zu entscheiden.

Was die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 13 Abs. 2 VwGVG anbelangt, entsprechen diese großteils jenen, die § 64 Abs. 2 AVG normiert (vgl. Lehhofer, Die aufschiebende Wirkung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, ÖJZ 2014, 5ff.). Auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage weisen darauf hin, dass § 13 VwGVG weitgehend der Bestimmung des § 64 AVG nachgebildet wurde (RV 2009 BlgNR 24. GP). Wie auch dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 01.09.2014, 2014/03/0028, zu entnehmen ist, kann somit ohne weiteres auf die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zurückgegriffen werden, um die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung an Hand der dort aufgestellten Kriterien zu überprüfen (vgl. VwGH 01.09.2014, Ra 2014/03/0028).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Rechtsmitteln gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 64 Abs. 2 AVG hat die Rechtsmittelinstanz zu überprüfen, ob im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der belangten Behörde die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gegeben waren (VwGH vom 29.09.2005, Zl. 2005/11/0123; VwGH vom 28.06.2001, Zl. 99/11/0243).

Nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 2 VwGVG hat die zuständige Behörde eine Interessenabwägung durchzuführen und darzulegen, worin die Gefahr im Verzug besteht, die einen vorzeitigen Vollzug des Bescheides dringend gebietet (Hengstschläger/Leeb, AVG, zu § 64 Rz 31). In der Interessenabwägung sind die Interessen des Beschwerdeführers gegen die berührten öffentlichen Interessen und allfälliger weitere Parteien abzuwägen (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahren der Verwaltungsgerichte [2013], § 13 VwGVG K9), wobei in einem ersten Schritt festzustellen ist, welche Interessen überwiegen. Nach der Rechtsprechung reicht das bloße Überwiegen öffentlicher Interessen aber nicht aus, um den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung zu rechtfertigen; vielmehr muss dargetan werden, dass die vorzeitige Vollstreckung zur Abwendung eines gravierenden Nachteils notwendig ist und insofern "Gefahr im Verzug" besteht (Eder/Martschin/Schmid, Verwaltungsgerichte, § 13 VwGVG K11ff.). Die Judikatur verlangt dabei eine sachverhaltsbezogene fachliche Begründung der Entscheidung (VwGH vom 22.03.1988, Zl. 87/07/0108), die Gefahr muss konkret bestehen (Hengstschläger/Leeb, AVG zu § 64 Rz 31).

"Gefahr im Verzug" bedeutet, dass den berührten öffentlichen Interessen oder den Interessen einer anderen Partei (als des Beschwerdeführers) ein derart gravierender Nachteil droht, dass die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides dringend geboten ist. Die Annahme, dass Gefahr in Verzug vorliegt, bedingt eine sachverhaltsbezogene fachliche Beurteilung durch die Behörde (Eder/Martschin/Schmid, Verwaltungsgerichte, K10 f. zu § 13 VwGVG mH auf die Erkenntnisse des VwGH vom 24.05.2002, 2002/18/0001, und vom 22.03.1988, 87/07/0108). Die Gefahr muss konkret bestehen (Hengstschläger/Leeb, AVG zu § 64 Rz 31).

3.4.1. Im gegenständlichen Fall begründete die bB den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung damit, dass die aufschiebende Wirkung aus generalpräventiven Gründen, den im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck - Leistungen bei Arbeitslosigkeit nur bei gleichzeitiger Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung - unterlaufen würde.

Im Zeitraum ab versäumten Kontrollmeldetermin - welcher grundsätzlich einmal wöchentlich wahrzunehmen ist - bis zur Wiedermeldung, war dem AMS die Möglichkeit einer erfolgreichen Vermittlung genommen. Die vorzeitige Auszahlung der Leistung stünde im Hinblick auf die von der bP verursachte Verhinderung der Vermittlungs- und Betreuungsmöglichkeit in einem die Versicherungsgemeinschaft grob belastenden Missverhältnis.

Um die vom Gesetzgeber bei der Entscheidung über die aufschiebende Wirkung geforderte Interessensabwägung vornehmen zu können, ist es nach ständiger Judikatur des VwGH erforderlich, dass im in der Beschwerde formulierten "Antrag auf Aufhebung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung" konkret dargelegt wird, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der behauptete unverhältnismäßige Nachteil für die bP ergibt.

Nach der Judikatur des VwGH vom 14.02.2014, ZI. Ro 2014/02/0053 trifft die bP hinsichtlich des unverhältnismäßigen Nachteils eine Konkretisierungspflicht.

Gemäß ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Antrag auf aufschiebende Wirkung hat ein Antragsteller in seinem Antrag zu konkretisieren, worin für ihn der unverhältnismäßige Nachteil gelegen wäre. Nur durch die glaubhafte Dartuung konkreter - tunlichst ziffernmäßiger - Angaben über die finanziellen Verhältnisse des Antragstellers wird das erkennende Verwaltungsgericht überhaupt erst in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob der Vollzug des angefochtenen Bescheides für den Antragsteller einen unverhältnismäßigen Nachteil mit sich brächte (vgl. zB. VwGH 11.03.1996, AW 96/17/0071; 27.06.1996, AW 96/17/0028, 10.08.2011, AW/2011/17/0028).

Gegenständlich führt die bP überhaupt nicht aus, welche konkreten wirtschaftlichen, finanziellen oder rechtlichen Nachteile für sie mit der Durchsetzbarkeit des Bescheides verbunden wären, um die Abwägung mit dem auf der anderen Seite unstrittig bestehendem - öffentlichen Interesse - des Hintanhaltens einer ungerechtfertigten Auszahlung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und damit die Risikotragung der Zurückforderung, vorzunehmen.

Die bP hat anwaltlich vertreten die Beschwerde gegen den verfahrensrechtlichen Bescheid im Wesentlichen damit begründet, dass sich die bB nicht mit der in § 13 Abs. 2 VwGVG zwingend vorgesehen Interessensabwägung zwischen dem dringenden Bedarf der bP auf Auszahlung ihres Arbeitslosengeldes einerseits und dem, durch den Sanktionscharakter der Norm bestehenden öffentlichen Interesse andererseits ausreichend auseinandergesetzt hat.

Soweit die bP ausführt, der Normzweck - die Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung - müsse rechtskonform ausgelegt bereits die unberechtigte Inanspruchnahme der Leistungen in einem abgeschlossenen Ermittlungsverfahren festgestellt haben, kann dem entgegengehalten werden, dass sich das BVwG gegenständlich in seiner Prüfung auf die Rechtmäßigkeit des ausgesprochenen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung zu begrenzen hat und insofern keine weiteren Ermittlungsschritte setzen kann.

Das Bundesverwaltungsgericht sieht es nicht als unverhältnismäßig an, wenn im Ergebnis das Interesse der Versicherungsgemeinschaft an der Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen besonders stark gewichtet wird. Offene Exekutionsverfahren (Uneinbringlichkeit bei Vollzug der aufschiebenden Wirkung), gehen zu Lasten der Versichertengemeinschaft und würde die Weitergewährung der Leistung ein Risiko bzw. eine Gefährdung der Einbringlichkeit bedeuten.

Die bP genügt dem Konkretisierungsgebot nur dann, wenn sie die behauptete Unverhältnismäßigkeit des Nachteils, durch konkrete, tunlichst ziffernmäßige Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse glaubhaft darlegen kann (VwGH vom 25.02.1981, Slg. Nr. 10381/A; VwGH vom 22.07.2011, ZI. AW 2011/08/0046).

Die Beurteilung, ob die geltend gemachten Nachteile die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit erreichen, hängt somit entscheidend von den im Antrag bzw. in der Beschwerde vorgebrachten konkreten Angaben ab. Die gegenständliche Beschwerde enthält - wie bereits erwähnt - diesbezüglich unkonkrete Angaben. In der Beschwerde wird lediglich ausgeführt, dass das Arbeitslosengeld der Existenzsicherung in Zeiten der Arbeitslosigkeit diene und das Abwarten eines Rechtsmittelverfahrens für die bP - auch bei allenfalls nach Abschluss erfolgender Rückzahlung - unverhältnismäßig wäre.

Es wird in der Beschwerde aber weder angegeben wie lange sich die bP schon in Arbeitslosigkeit und dadurch in schlechterer finanzieller Lage befindet, noch wie hoch die monatlichen finanziellen Belastungen sind. Es mangelt daher an der Begründung warum die Nichtauszahlung des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum 09.10.2019 bis 16.10.2018 (insgesamt 7 Tage) als unverhältnismäßig schwerer einzustufen ist, als das im Normzweck liegende öffentliche Interesse an der Erbringung nur zu Recht beanspruchter Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und Vermeidung der Risikotragung einer etwaigen uneinbringlichen Rückforderung durch die Versicherungsgemeinschaft.

Soweit die bP die Regelung des § 13 Abs. 2 VwGVG mit der als verfassungswidrig aufgehobenen Bestimmung des § 56 Abs. 3 AlVG, in der Fassung BGBl I Nr. 71/2003 vergleicht, kann dem entgegengehalten werden, dass § 13 Abs. 2 VwGVG eben nicht den generellen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung vorsieht, sondern eine von der bB vorzunehmende Interessensabwägung normiert.

3.4.2. Beschwerden gegen Bescheide über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung haben gem. § 13 Abs. 4 VwGVG ihrerseits keine aufschiebende Wirkung.

3.5. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030).

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil im gegenständlichen Fall die Entscheidung als Einzelrichter gemäß § 6 iVm § 9 BVwGG und § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Diesbezüglich liegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes Gründe vor, insbesondere aufgrund der im § 56 Abs. 2 AlVG normierten Senatszuständigkeit, die auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage schließen lassen.

In diesem Sinne ist die Revision zulässig.

Auf Grundlage der obigen Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, Konkretisierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L517.2226059.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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