TE Bvwg Beschluss 2019/12/18 G311 2226496-1

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Veröffentlicht am 18.12.2019
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Entscheidungsdatum

18.12.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs5
VwGVG §28 Abs3

Spruch

G311 2226496-1/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Bosnien und Herzegowina, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.11.2019, Zahl XXXX:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid zur Gänze aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.11.2019 wurde gemäß über den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 5 FPG erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist und einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Weiters wurde über ihn gemäß § 53 Abs. 1 iVm "Abs. 2 Z 0" FPG ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt.

In der Bescheidbegründung wurden ua folgende Sachverhaltsfeststellungen getroffen:

Der Beschwerdeführer sei nicht österreichischer Staatsangehöriger. Er sei bosnischer Staatsbürger und in Österreich XXXX geboren. Er habe hier die Volksschule und Hauptschule (ohne Abschluss) besucht. Er sei kurzzeitigen Beschäftigungen nachgegangen. Weiters wurden Feststellungen zur Lage in Bosnien und Herzegowina getroffen. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit würden sich aus dem Inhalt des "BFA-Aktes", der Meldungen der Polizei, des Gerichtsurteils, der strafrechtlichen Einvernahmen und den Ausführungen des Beschwerdeführers ergeben.

Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, in welcher ua ausgeführt wurde, dass der Beschwerdeführer staatenlos sei. Seine Mutter sei aus Bosnien nach Österreich gekommen, er sei in Österreich geboren.

Zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers finden sich im Verwaltungsakt folgende Anhaltspunkt:

Im Abschlussbericht der LPD XXXX vom 28.09.2018 wird hinsichtlich der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers "ungeklärt" angeführt. Im Anhalteprotokoll der LPD XXXX vom 27.07.2019 ist "staatenlos" angeführt. Aktenkundig ist weiters eine Kopie des Aufenthaltstitels des Beschwerdeführers (ausgestellt vom Magistrat XXXX am 20.07.2015), darin ist "unklare Staatsangehörigkeit" vermerkt.

In der bei der belangten Behörde am 30.08.2019 eingelangten Stellungnahme des Beschwerdeführers gab er an, sein Heimatland sei Österreich, er sei noch nie außerhalb von Österreich gewesen.

Im Zentralen Melderegister ist unter der Rubrik Staatsangehörigkeit "ungeklärt" vermerkt (siehe aktenkundiger Auszug vom 05.09.2019).

Im Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX.2019, Zahl XXXX, wird der Beschwerdeführer als staatenlos bezeichnet.

Im Abschlussbericht der LPD XXXX vom 04.10.2019 wird ungeklärte Staatsangehörigkeit angeführt.

In einer Meldung (Verständigung von einer Amtshandlung gegen einen Fremden) der LPD XXXX vom 19.10.2019 wird die Staatsangehörigkeit:

Bosnien und Herzegowina genannt. Er hat sich dabei mit seinem Aufenthaltstitel ausgewiesen.

In dem vom Bundesverwaltungsgericht am 12.12.2019 eingeholten Strafregisterauszug ist als Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers "Österreich" angeführt.

Dass die Festellung der Staatsangehörigkeit aus vom Beschwerdeführer zu vertretenden Gründen nicht möglich war, kann daher nicht festgestellt werden.

II. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchteil A):

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Ausführlich hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27.06.2018, Ra 2017/09/0031, insbesondere Rz 13 und 14 mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

"13 Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 10.9.2014, Ra 2014/08/0005; 24.3.2015,

Ra 2014/09/0043, 14.12.2015, Ra 2015/09/0057, und 20.2.2018, Ra 2017/20/0498, jeweils mwN).

14 Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung (vgl. etwa das zit. Erkenntnis Ra 2017/20/0498, mwN)."

Hinsichtlich der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung wird auf die Judikatur des Vewaltungsgerichtshofes (VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/015/) verwiesen.

"Nach 52 Abs. 9 FrPolG 2005 hat "das Bundesamt" mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, "es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei". Das gilt auch für das VwG im Beschwerdeverfahren (vgl. VwGH 15. September 2016, Ra 2016/21/0234; ErläutRV zum FrÄG 2017, 1523 BlgNR

25. GP 30, wonach die vorgeschlagene "behördenneutrale Formulierung" im § 52 Abs. 9 FrPolG 2005 lediglich der Klarstellung dient). Schon aus dem Wortlaut des § 52 Abs. 9 legcit folgt, dass die besagte Feststellung "gleichzeitig" mit der Rückkehrentscheidung zu ergehen hat. Demzufolge kommt die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ohne eine Feststellung nach § 52 Abs. 9 legcit - außer im Fall, dass die Feststellung aus vom Fremden zu vertretenden Gründen nicht möglich ist - auf Grund des vom Gesetzgeber seit 1. Jänner 2014 geschaffenen Systems nicht in Betracht (vgl. VwGH 4.8.2016, Ra 2016/21/0162; VwGH 24.5.2016, Ra 2016/21/0101; ErläutRV zum FrÄG 2017, 1523 BlgNR 25. GP 30, wonach aus der Verwendung des Wortes "gleichzeitig" folgt, "dass eine Rückkehrentscheidung grundsätzlich - dh. wenn kein Fall der vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Unmöglichkeit gemäß Satz 2 vorliegt - nicht ohne die Feststellung zur Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit der Abschiebung erlassen werden kann.")."

Im Hinblick auf die Feststellungen über die derzeit ungeklärte Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, dem Umstand, dass ihm das nicht zuzurechen und vor dem Hintergrund der dargestellten Judikatur kann im Entscheidungszeitpunkt nicht festgestellt werden, dass eine Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist und kommt derzeit jedenfalls die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht in Betracht.

Es liegen insofern gravierende Ermittlungslücken der belangten Behörde vor, weil sie keine Ermittlungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers angestellt hat.

Die belangte Behörde wird daher zunächst alle zur Ergänzung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes erforderlichen Ermittlungen vorzunehmen und allenfalls - je nach Ausgang des Ermittlungsverfahrens - einen neuen Bescheid zu erlassen haben.

Es hat sich nicht ergeben, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen wäre, zumal nichts darauf hindeutet, dass die erforderliche Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst, verglichen mit der Feststellung durch die belangte Behörde nach Zurückverweisung der Angelegenheit, mit einer wesentlichen Zeitersparnis und Verkürzung der Verfahrensdauer verbunden wäre.

Schließlich liegt auch kein Anhaltspunkt dahingehend vor, dass die Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Vergleich zur Feststellung durch die Verwaltungsbehörde mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G311.2226496.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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