TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/23 W239 2008897-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.12.2019
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Entscheidungsdatum

23.12.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §8

Spruch

W239 2008897-3/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN über die Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) von XXXX , geb. XXXX , StA. Äthiopien, betreffend seinen Antrag auf internationalen Schutz vom 20.02.2013 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.11.2018 Recht erkannt:

A)

Dem Antrag auf internationalen Schutz wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, idgF. der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein äthiopischer Staatsangehöriger, stellte im österreichischen Bundesgebiet am 20.02.2013 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 21.03.2013 gab der Beschwerdeführer zu seiner Person an, er sei ledig, stamme aus Gondar in Äthiopien, gehöre zur Volksgruppe der Amhara und bekenne sich zum Christentum. Im Mai 2006 habe er seine Heimat verlassen; es folgten genaue Angaben zu seiner Fluchtroute.

Als Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor: "Im Jahre 2001 war ich auf der Universität. Ich war Mitglied der Gegner der Regierungsparteien. Aus diesem Grund wurde ich verhaftet und ich war dann zwei Jahre in Haft. Durch Schmiergeldzahlungen wurde ich aus der Haft entlassen und reiste gleich in den Sudan. Seitdem ich im Gefängnis war, bin ich krank."

2. In weiterer Folge fand am 29.01.2014 eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) statt. Dabei gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er habe in der Heimat Probleme mit der Polizei gehabt, er sei jedoch noch vor keinem Gericht gewesen. Er sei von 08.07.2001 bis 02.09.2003 inhaftiert gewesen. Im Jahr 2000/2001 sei er als Student im College Mitglied der politischen Partei ONEG geworden; die englische Bezeichnung der Partei laute OLF ["Oromo Liberation Front"]. Er habe für diese Partei gearbeitet. Nach seinem College-Abschluss sei die Polizei ins Haus gekommen und habe sich nach ihm erkundigt, man habe ihn mitgenommen und er sei in Folge zwei Jahre inhaftiert gewesen, dies ohne Gerichtsverhandlung und ohne Anklage. Sein Bruder habe dann Bestechungsgelder für seine Freilassung bezahlt und der Beschwerdeführer sei nach seiner Entlassung zurück zu seiner Familie gegangen. In der Folge habe er einen Lehrgang an der Gondar-Unversität begonnen. Im zweiten Jahr seien Polizisten zu seiner Mutter gekommen und hätten sich nach ihm erkundigt. Als er dies erfahren habe, sei er aus Angst vor einer neuerlichen Inhaftierung geflohen. Er habe noch in derselben Woche das Land in Richtung Sudan verlassen. Die Partei sei verboten und arbeite im Untergrund. Er habe Zetteln der Partei erhalten, die er dann versteckt an interessierte Studenten weitergegeben habe.

Insgesamt wurden dem Beschwerdeführer betreffend den Besuch des Ambo College bzw. den Besuch der Universität in Gondar sowie betreffend seine Fluchtgeschichte zahlreiche Fragen gestellt und Vorhalte gemacht, die er ausführlich beantwortete. Einer Überprüfung seiner Angaben im Heimatland stimmte er zu.

Der Beschwerdeführer legte, soweit gegenständlich relevant, folgende Dokumente vor:

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Zwei äthiopische Schulbesuchsbestätigungen im Original, in Kopie zum Akt genommen

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Zwei weitere äthiopische Dokumente (eines betreffend die Aufnahmeprüfung für die Universität sowie ein Zeugnis) im Original, in Kopie zum Akt genommen

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Diverse Unterstützungsschreiben

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Diverse Deutschkursbesuchsbestätigungen

3. Das BFA stellte sodann eine Anfrage an die Staatendokumentation mit dem Ersuchen um Recherche im Heimatland des Beschwerdeführers; dazu wurden die vom Beschwerdeführer vorgelegten Schulbesuchsbestätigungen übermittelt, um seine Angaben vor Ort überprüfen zu können, und dazu konkrete Fragen gestellt.

Am 21.03.2014 erfolgte die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, der sich zusammengefasst entnehmen lässt, dass die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich des von ihm genannten College und hinsichtlich der dort lehrenden Professoren korrekt seien und vom Vertrauensanwalt bestätigt wurden. Jedoch heiße das College nun "Ambo University" und nicht "Adama University"; eine "Adama University" existiere in Adama/Nazreth, östlich von Addis Abeba. Es sei allerdings keine Person mit dem Namen " XXXX " oder " XXXX " im College registriert, welche dieses in den Jahren 2001/2002 besucht habe. Hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers zu seiner Tätigkeit für die OLF wird in der Anfragebeantwortung ausgeführt, dass die OLF eine ethnisch ausgerichtete politische Partei sei, deren Ziel die Loslösung des Bundesstaates Oromia von Äthiopien sei. Daher seien die Angaben des Beschwerdeführers, welcher kein Oromo sei, zur behaupteten OLF-Mitgliedschaft nicht plausibel und schon alleine aus sprachlichen Gründen nicht nachvollziehbar; der Beschwerdeführer müsste die Sprache dieser Ethnie, Oromipha, beherrschen, um mit den Mitgliedern der OLF kommunizieren zu können. Des Weiteren sei es sehr unwahrscheinlich, dass die OLF in Ambo - in einem Ort, welcher relativ nahe an der Hauptstadt liege - die beschriebenen Aktivitäten setze. Die äthiopische Regierung betrachte die OLF als terroristische Organisation.

Am 29.04.2014 brachte der Beschwerdeführer durch seine Vertretung eine Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme ein und gab zusammengefasst an, dass die Angaben des Beschwerdeführers durch die Ermittlungen vor Ort zum Großteil bestätigt worden seien. Dass das Ambo College mittlerweile "Adama University" heiße, habe der Beschwerdeführer so nie gesagt, es handle sich um ein Missverständnis. Das "Ambo College of Agriculture" sei als Fakultät ("faculty of agriculture") Teil der "Jimma University" gewesen, bevor diese die "Ambo University" geworden sei. Dass der Vertrauensanwalt den Beschwerdeführer nicht unter den registrierten Schülern am College gefunden habe, liege daran, dass bei der Suche eine falsche Schreibweise des Namens herangezogen worden sei. Die Authentizität der vorgelegten Schulbesuchsbestätigungen habe auch der Vertrauensanwalt nicht bestritten. Mittlerweile habe der Beschwerdeführer ein Bild seiner Graduierung gefunden, welches auf der Rückseite mit 01.03.2002 abgestempelt sei, sodass er sich nun vergewissert habe, dass er tatsächlich 2001/2002 am College gewesen sei. Der Beschwerdeführer werde sich bemühen, weitere Dokumente zum Beweis für den Besuch des Colleges herbeizuschaffen. Der Mutmaßung des Vertrauensanwaltes, dass der Beschwerdeführer aufgrund der angeblichen Sprachbarriere und seiner Volksgruppenzugehörigkeit als Amhara nicht für die OLF tätig sein habe können, wurde entgegengehalten, dass die Sympathisanten der OLF problemlos auf Englisch kommuniziert hätten, sowie, dass der Beschwerdeführer seine Motivation für sein politisches Engagement bereits ausführlich vor dem BFA dargelegt habe. Der Vertrauensanwalt, der im Übrigen kein Experte für die politische Situation im Lande sei, denke zu kurz, wenn er meine, politische Einstellungen wären an ethnische oder sonstige Herkunft gebunden. Des Weiteren sei der Beschwerdeführer natürlich nicht offiziell aktiv gewesen, sondern im Untergrund. Der Stellungnahme angeschlossen waren Berichte zur OLF, unter anderem deren politisches Programm, sowie eine Kopie des besagten Graduierungsfotos.

Am 30.04.2014 wurde vom Vertreter des Beschwerdeführers in Vorlage gebracht:

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Graduierungsfoto des Beschwerdeführers im Original, Rückseite datiert mit 01.03.2002, in Kopie zum Akt genommen

4. Mit Bescheid des BFA vom 08.05.2014, zugestellt am 15.05.2014, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde festgestellt, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt werde, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen werde und die Abschiebung nach Äthiopien gemäß § 46 FPG zulässig sei, wobei die Frist für eine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt III.).

Mit handschriftlich verfasstem Schreiben in englischer Sprache vom 28.04.2014, eingelangt beim BFA am 19.05.2014, nahm der Beschwerdeführer erneut zur Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Stellung.

5. Am 28.05.2014 wurde durch die Vertretung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des BFA das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben.

Inhaltlich wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer ein konkretes Vorbringen erstattet habe und dieses durch die Vorlage von Dokumenten belegt habe. Die vom BFA in Auftrag gegebene Recherche vor Ort habe das Vorbringen des Beschwerdeführers in weiten Teilen bestätigt. Im Übrigen wurde auf die bereits getätigten Ausführungen in der Stellungnahme zur Anfragebeantwortung verwiesen.

Am 26.01.2015 brachte der Beschwerdeführer einen Fristsetzungsantrag ein.

6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.02.2015, Zl. XXXX , wurde der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.

Festgehalten wurde, dass der vom BFA festgestellte Sachverhalt und die dazu vorgenommene Beweiswürdigung in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers - aus näher dargelegten Gründen - keinesfalls ausreichend seien.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 18.03.2015 wurde das Verfahren über den Fristsetzungsantrag eingestellt.

Am 03.04.2015 langte beim BFA ein handschriftlich verfasstes Schreiben in deutscher Sprache ein, in dem der Beschwerdeführer um baldige positive Entscheidung ersuchte. Vorgelegt wurde zudem ein Deutsch-Zertifikat B1 vom 09.01.2015. Am 20.06.2015 wurde das BFA abermals um Bearbeitung des Falls ersucht.

7. Am 21.08.2015 brachte die Vertretung des Beschwerdeführers beim BFA eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungsfrist gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG ein.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.08.2016, Zl. XXXX , wurde die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 8 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen, da die Säumnisbeschwerde bereits vor Ablauf der sechsmonatigen Entscheidungsfrist des BFA eingebracht worden war.

8. Am 22.08.2016 brachte die Vertretung des Beschwerdeführers beim BFA erneut eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungsfrist gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG ein.

Per E-Mail vom 08.08.2017 ersuchte die Vertretung des Beschwerdeführers das BFA um Weiterleitung der Säumnisbeschwerde samt Akt an das Bundesverwaltungsgericht.

9. Am 29.01.2018 fand vor dem BFA eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen statt. Dabei führte der Beschwerdeführer zusammengefasst noch einmal aus, dass er in Gondar geboren worden sei, dort gelebt habe und zwölf Jahre die Schule besucht habe. Dann sei er zwei Jahre am College in Ambo gewesen, wo er mit der OLF in Kontakt gekommen sei und sich für die Bewegung engagiert habe. Dabei habe er über die Zeit auch die Sprache Oromo gelernt. Am 07.07.2001 sei die Abschlussfeier in Ambo gewesen. Am nächsten Tag, am 08.07.2001, sei er bei seiner Tante in Addis Abeba gewesen und sei dort festgenommen worden. Insgesamt sei er zwei Jahre ein Monat und 26 Tage inhaftiert gewesen, ohne jemals vor Gericht gekommen zu sein, bis sein Bruder 25.000 Birr an Bestechungsgeld für seine Freilassung gezahlt habe. Nach der Gefangenschaft sei er zu seiner Familie gegangen. Er habe versucht, eine Arbeit zu finden, aber da ihm das nicht gelungen sei, habe er 2005 wieder begonnen zu studieren, und zwar in Gondar. Er habe ein Abendstudium besucht und sei dort an einem Ort, der sich "Space" genannt habe, mit regulären Studenten in Kontakt gekommen, die Oromo gesprochen hätten. So habe er sich als Sympathisant der OLF zu erkennen gegeben und sei abermals im Untergrund aktiv geworden. Im Mai 2006 habe man zuhause bei seiner Mutter nach ihm gesucht und er habe Angst bekommen, erneut inhaftiert zu werden. Daher habe er sofort das Land verlassen.

In Österreich habe der Beschwerdeführer viele Freunde. In seiner Freizeit lerne er meistens. Ab März 2018 wolle er an der Universität Wien studieren.

Der Beschwerdeführer brachte dabei (erneut) folgende Unterlagen in Vorlage:

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Kursbesuchsbestätigung der VHS Klosterneuburg für den Kurs "Deutsch Basis Mündlich", WS 2013/2014, datiert mit 28.10.2013

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Kursbesuchsbestätigung der VHS Brigittenau für den Kurs "Deutsch Integrationskurs A2" (Zeitraum: 30.09.2013 bis 20.11.2013), datiert mit 23.01.2014

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Antrittsmeldung der VHS Brigittenau zum Antritt des Kurses "Deutsch B1 intensiv" am 25.11.2013, datiert mit 17.01.2014

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Kursbesuchsbestätigung der VHS Brigittenau für den Kurs "Deutsch B1 intensiv" (Zeitraum: 10.02.2014 bis 02.04.2014), datiert mit 02.04.2014

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Unterstützungsschreiben von XXXX , datiert mit 14.01.2014

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Unterstützungsschreiben der Obfrau des Vereins "Grenzenlos St. Andrä-Wördern", datiert mit 20.01.2014

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Unterstützungsschreiben von XXXX , datiert mit 23.01.2014

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Unterstützungsschrieben von XXXX , datiert mit 23.01.2014

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Unterstützungsschreiben von XXXX , datiert mit 04.02.2014

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Unterstützungsschreiben von XXXX , datiert mit 05.02.2014

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Zertifikat über die bestandene Prüfung "Deutsch B1", datiert mit 09.01.2015

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Zertifikat über die bestandene Prüfung "Deutsch B2", datiert mit 24.09.2015

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Teilnahmebestätigung am ÖIF-Kurs "Werte- und Orientierungskurs", datiert mit 19.09.2017

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Universität Wien, (Positiver) Bescheid über den Antrag auf Zulassung zum Studium (Bachelorstudium Soziologie), datiert mit 22.09.2017

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Universität Wien, Ergänzungsprüfungszeugnis (Prüfungsfach: Englisch, Beurteilung: Gut, Datum der Prüfung: 24.10.2017), datiert mit 25.10.2017

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Kursbestätigung über die regelmäßige Teilnahme an einem vom Verein Ute Bock abgehaltenen Deutschkurs, datiert mit 03.01.2018

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Ausgefülltes Formular des Referats Studienzulassung der Universität Wien (Nachweis zur Gleichstellung mit EU-/EWR-BürgerInnen) samt Zahlungsbestätigung für das Sommersemester 2018, datiert mit 25.01.2018

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Universität Wien, Studienbestätigung als ordentlicher Studierender des Bachelorstudium Soziologie für das Sommersemester 2018, datiert mit 25.01.2018

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Studienblatt, Sommersemester 2018, Bachelorstudium Soziologie

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Studienzeitbestätigung, datiert mit 25.01.2018

10. Am 02.02.2018 erfolgte seitens des BFA die Vorlage der Säumnisbeschwerde und des Aktes an das Bundesverwaltungsgericht.

Nachgereicht wurde ein polizeilicher Abschlussbericht vom 25.09.2018 hinsichtlich eines Vorfalls am 02.07.2018 (Verdacht auf § 107 Abs. 1 StGB: Gefährliche Drohung, Verdacht auf § 83 Abs 1 StGB:

Köperverletzung) sowie die Anklageerhebung vom 03.10.2018.

Am 14.11.2018 gab die bevollmächtigte Vertretung die Vollmachtsauflösung bekannt.

11. Am 16.11.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt; das Protokoll lautet auszugsweise wie folgt [Schreibfehler korrigiert]:

"(...)

R fragt BF ob - abgesehen vom bisherigen Vorbringen - vor der Einvernahme noch ergänzendes Vorbringen erstattet wird bzw. ob weitere Urkunden Bescheinigungsmittel vorgelegt werden.

BF: Ich habe einige Unterlagen mitgebracht, die vielleicht schon im Akt sind. Ich habe bereits begonnen, an der Universität Wien zu studieren und bin jetzt im zweiten Semester.

Der BF legt ein Jahrbuch vom AMBO College of Agriculture vom Jahr 2001/2002 im Original vor. Dieses wird in Kopie zum Akt genommen, dh. die relevanten Seiten werden kopiert. Der BF ist mit Foto im Jahrbuch erkennbar. Der BF gibt dazu an: Das Jahrbuch beweist, dass ich tatsächlich 2001/2002 an diesem College war. Somit ist das Rechercheergebnis vom Vertrauensanwalt nicht aufrechtzuerhalten.

Weiters legt der BF fünf Fotos vor. Auf den Fotos ist eine Allerheiligenfeier zu sehen, das ist in NÖ, in der Nähe von Klosterneuburg. Es war eine Veranstaltung, bei der Katholiken und Orthodoxe gemeinsam gefeiert haben. Nach der Messe gab es ein nettes Beisammensein. Die Veranstaltung gibt es jedes Jahr.

(...)

Zur Person und zur Abstammung:

R: Wie heißen Sie?

BF: Ich heiße XXXX .

R: Wann sind Sie geboren?

BF: Ich wurde am XXXX geboren.

R: Wo sind Sie geboren?

BF: In Gondar.

R: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie?

BF: Ich bin äthiopischer Staatsbürger.

R: Können Sie heute Dokumente oder andere Beweismittel vorlegen, die Ihre Angaben zu Ihrer Identität belegen (z.B. Reisepass, Personalausweis, Geburtsurkunde)?

BF: Nein, habe ich nicht. Was ich hatte, waren Schulzeugnisse, die habe ich bereits abgegeben.

R: Wo haben Sie von Geburt an bis zu Ihrer Ausreise gelebt? Geben Sie bitte chronologisch alle Orte an, an denen Sie jemals gelebt haben.

BF: Von Geburt an bis zur 12. Klasse war ich in Gondar. Danach hatte ich die Möglichkeit nach Ambo zu gehen und die Möglichkeit bekommen, an der Universität zu studieren. Dort habe ich mich für zwei Jahre aufgehalten. Danach bin ich zu meiner Tante nach Addis Abeba gegangen. Dort wurde ich inhaftiert und war für zwei Jahre im Gefängnis. Ich war zwei Jahre, ein Monat und 26 Tage im Gefängnis. Ich wurde gegen Bezahlung entlassen. Es war eine Schmiergeldzahlung. Ich ging wieder nach Gondar. In Gondar habe ich Arbeit gesucht. Ich bekam aber keine Arbeit. Dann, nachdem ich keine Arbeit gefunden hatte, habe ich in Gondar weiter studiert. Ich habe ca. zwei Jahre in Gondar studiert. Eines Tages sagte meine Mutter zu mir, dass man nach mir gefragt hatte und ich wieder gesucht wurde. 2006 habe ich Äthiopien aus diesem Grund verlassen.

R: Mit wem haben Sie an diesen Orten jeweils zusammengewohnt?

BF: Ich habe mit meiner Mutter, meinem Bruder und meiner Schwester gelebt. Der Vater hat woanders gelebt. Ich habe mich auch manchmal bei Freunden, die neben der Uni gelebt haben, aufgehalten.

R: Hatten Sie noch andere (bereits verstorbene) Geschwister?

BF: Der Bruder, von dem ich gesprochen habe, ist mein älterer Bruder. Vor ihm gab es noch einen anderen Bruder, aber der ist verstorben.

R: Sind Ihre Großeltern noch am Leben?

BF: Nein.

R: Sind Sie verheiratet oder leben Sie mit jemandem in einer dauernden Lebensgemeinschaft?

BF: Ich bin nicht verheiratet, ich lebe bei einer österreichischen Familie, wo ich ein Zimmer habe.

R: Haben Sie Kinder?

BF: Nein.

R: Haben Sie jetzt noch Familienangehörige oder Verwandte in Äthiopien? Damit meine ich auch entferntere Verwandte wie beispielsweise Onkel, Tanten, Cousins, Cousinen etc. Wenn ja, wer lebt noch dort? Wo?

BF: Mein Vater lebt in Gondar, getrennt von meiner Mutter. Meine Mutter und meine Schwester leben noch immer in Gondar. Aber mein Bruder ist in Israel. Es gibt im Dorf weitere Tanten. Es sind mehrere, ich kann sie nicht alle nennen. Eine Tante lebt in Addis Abeba, und eine Tante lebt in Gondar mit ihren Kindern. Eine Tante lebt in Israel, das ist dort, wo auch mein Bruder lebt.

R: Haben Sie von Österreich aus noch Bindungen an Ihren Herkunftsstaat, insbesondere Kontakte zu dort lebenden Familienangehörigen, Verwandten, Freunden oder zu sonstigen Personen? Wenn ja, wie sieht dieser Kontakt konkret aus (telefonisch, brieflich, per E-Mail), bzw. wie regelmäßig ist dieser Kontakt?

BF: Bei der letzten Befragung hatte ich noch Kontakt und zwar per Viper und WhatsApp. Ich habe erfahren, dass meine Mutter Probleme mit der Niere hat. Seitdem habe ich nur mit meiner Schwester Kontakt. Ich habe keinen Kontakt zu meiner Mutter, ich weiß nicht, wo sie ist. Ich telefoniere nur mit meiner Schwester.

R: Wissen Sie, wie es Ihrer Mutter und Ihrer Schwester momentan geht?

BF: Ich weiß es nicht. Wenn ich mit meiner Schwester telefoniere, sagt sie immer, dass meine Mutter nicht da ist. Sie sagte, das die Mutter im Dorf ist, im Dorf hat man keine Telefonverbindung. Meine Schwester gibt ausweichende Antworten, deswegen habe ich keine ausreichenden Informationen über meine Mutter. Ich weiß aber, dass es meiner Schwester gut geht. Mit ihr kann ich auch sprechen.

R: Von wann bis wann haben Sie welche Ausbildungen gemacht?

BF: Von 1985 bis 1999 habe ich die Schule besucht und mit Matura abgeschlossen. Dann war ich in Ambo an der Uni und zwar zwei Jahre lang, danach habe ich später noch in Gondar studiert für zwei Jahre. In Ambo habe ich Landwirtschaft studiert. In Gondar habe ich "Laboratory" im medizinischen Bereich studiert. Geplant wäre das für vier Jahre gewesen. Nachdem ich gesucht wurde, habe ich das nach zwei Jahren beendet.

R: Was machen Sie jetzt an der Uni?

BF: Ich studiere Soziologie im zweiten Semester.

R: Wer hat diese Ausbildung in Äthiopien finanziert?

BF: Als ich in Ambo auf der Uni war, hat der Staat die Kosten übernommen. Das war, weil ich ausreichend gute Noten hatte. Auch meine Versorgung wurde bezahlt. Für die Uni in Gondar bekam ich Unterstützung von meiner Tante, welche in Israel lebt.

R: Was haben Sie in Äthiopien gearbeitet bzw. wer ist für Ihren Lebensunterhalt aufgekommen?

BF: Ich habe in Äthiopien nicht gearbeitet. Ich habe nur ab und zu meiner Tante nach Israel etwas geschickt, sie hat die Sachen dort verkauft und ich habe ein bisschen Geld dadurch bekommen. Meine Mutter hat eigentlich alles gemacht. Ich habe von ihr gelebt. Ich selbst habe nur die Schule besucht.

R: Was Ihre Mutter gearbeitet?

BF: Sie hat in einem Restaurant gearbeitet.

Nachgefragt gebe ich an, dass meine Mutter in ihrem eigenen Restaurant beschäftigt war. Sie war die Chefin und hatte auch Angestellte.

R: Gibt es in der Familie irgendwelche Besitztümer? (z.B. Elternhaus)

BF: Wir haben keine Besitztümer. Meine Mutter wohnt in einer Gemeinde.

Nachgefragt, wem das Haus, in dem meine Mutter wohnt, gehört, gebe ich an, dass das Haus der Gemeinde gehört.

R: Wie ist die finanzielle Situation Ihrer Familie?

BF: Für uns war es angenehm, weil unsere Mutter alles für uns gemacht. Meine Mutter hatte es schwer, es hat sie niemand unterstützt. Für meine Mutter war diese Situation nicht gut, für uns Kinder war es aber gut. Wir haben alles bekommen, was wir wollten.

R: Könnten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat wieder bei Ihrer Familie wohnen?

BF: Ich bin seit langer Zeit weg von zu Hause. Ich kann mir nicht vorstellen, wieder bei meiner Mutter zu leben. Ich weiß auch nicht, wo meine Mutter ist. Ich habe einiges erlebt. Ich kann mir nicht vorstellen, wieder zurückzukehren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es noch einmal mein Zuhause wird, bei dem, was mir alles politisch passiert ist. Ich habe jetzt einen besseren Vergleich und somit kann ich mir ein Leben in Äthiopien nicht mehr vorstellen.

Sollte ich meine Mutter wiedersehen, weiß ich nicht, wie sie reagiert. Ich war lange Zeit nicht in der Heimat, ich weiß auch nicht, wo meine Mutter ist. Nur sie selbst kann beantworten, ob sie mich wieder aufnehmen könnte. Es fällt mir deswegen schwer, die Frage zu beantworten.

R: Könnte Sie Ihre Familie bei einer Rückkehr finanziell unterstützen?

BF: Meine Schwester lebt bei meiner Mutter. Sie braucht selber Hilfe. Nachdem ich die Situation meiner Mutter seit ihrer Erkrankung nicht wirklich kenne, kann ich nicht sagen, ob sie mich finanziell unterstützen könnte. Es ist schwer für mich zu sagen, ob ich ihr wieder begegnen könnte und wie ich ihr gegenübertreten könnte.

R: Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an, und wenn ja, welcher?

BF: Ich bin christlich-orthodox.

R: Sind Sie aufgrund Ihrer Religionszugehörigkeit individuell, konkret verfolgt oder bedroht worden?

BF: Nein.

R: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

BF: Ich gehöre der Volksgruppe Amhara an, von der Seite meiner Mutter. Mein Vater ist "gemischt", Amhara und Omoro. Mein Vater hat sich selbst als Amhara bezeichnet. Ich selbst sehe mich auch als Amhara.

R: Sind Sie aufgrund Ihrer Volksgruppe individuell, konkret verfolgt oder bedroht worden?

BF: Weil ich Amhara bin, wurde ich von der Regierung diskriminiert, geschlagen. Großes ist mir nicht passiert. Man spürt aber, dass man nicht so akzeptiert ist. Konkret wurde ich nur geschlagen, sonst ist mir nichts passiert.

R: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder Gruppierung?

BF: Ja. Ich war Mitglied bei der OLF und zwar damals in Ambo, als ich an der Uni war.

Nachgefragt, ob ich auch später noch ein Mitglied war, gebe ich an, dass ich auch später an der Uni in Gondar noch Mitglied war.

R: Waren Sie ein offizielles Mitglied oder haben Sie nur sympathisiert mit OLF?

BF: Nach außen hin habe ich niemandem gesagt, dass ich mit der OLF sympathisiere. Die Regierung stuft OLF als terroristische Organisation ein. Daher kann man nicht nach Außen treten.

Zur derzeitigen Situation in Österreich:

R ersucht D, die folgende Frage nicht zu übersetzen.

R: Sie sind jetzt schon seit 2013 in Österreich, das sind bereits fünf Jahre. Können Sie mir etwas über Ihr Leben hier in Österreich erzählen?

BF: Seit 2013 habe ich immer Deutschkurse besucht. Ich war bei Veranstaltungen und Kochabenden mit österreichischen Leuten, wir haben auch zusammen gefeiert. Ich bekomme von Österreichern und Österreicherinnen Nachhilfe bei meinen Deutschkursen. Manchmal arbeite ich auch bei den Leuten, die zu uns kommen, wenn sie jemanden zum Arbeiten brauchen. Wir helfen ihnen.

R stellt fest, dass der BF die gestellte und nicht übersetzte Frage verstanden und auf Deutsch beantwortet hat.

Die Verhandlung wird mit D weitergeführt.

R: Haben Sie in Österreich lebende Familienangehörige oder Verwandte?

BF: Nein, habe ich nicht. Ich habe hier nur Freunde und Bekannte.

R: Besuchen Sie derzeit einen Deutschkurs?

BF: Nein, zurzeit nicht. Ich besuche nur die Uni.

R: Besuchen Sie derzeit irgendwelche anderen Kurse, abgesehen von Ihrem Uni-Besuch?

BF: Nein, ich studiere derzeit nur.

R: In welcher Sprache werden die Uni-Kurse abgehalten?

BF: Sie werden in Englisch und Deutsch abgehalten.

Nachgefragt, ob ich schon Prüfungen abgelegt habe, gebe ich an, dass das erste Semester für mich sehr schwer war. Da habe ich keine Prüfungen gemacht. Ich wiederhole das erste Semester, weil ich damals noch nicht bereit war für Prüfungen. Jetzt mache ich aber bald die Prüfungen. Ich weiß, wenn ich gleich antrete zur Prüfung und diese nicht bestehe, kann ich nicht weiterstudieren. Jetzt weiß ich, wie ich mich vorbereiten kann. Ich habe mich beraten lassen und kann mich gut vorbereiten, um meinen Weg weiterzugehen und weiter zu studieren. Ich wollte meine Prüfungsantritte nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

R: Haben Sie Arbeit in Österreich? Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?

BF: Nein.

R: Wie finanzieren Sie sich Ihren Lebensunterhalt?

BF: Ich lebe von der Grundversorgung.

R: Sind Sie aktives Mitglied in einem Verein? Gehen Sie sportlichen oder kulturellen Aktivitäten nach?

BF: Ich bin Mitglied der ÖH. Ich bin auch bei der äthiopischen Gesellschaft in Österreich Mitglied. Ich bin ein Mitglied der österreichischen-orthodoxen Kirche in Wien. Ich spiele in einer Fußballmannschaft und bin dort auch Mitglied. Der Verein heißt "Äthiopia Abyssinia". Ich möchte gerne ein freiwilliges soziales Jahr machen. Ich habe eine Behinderteneinrichtung angeschrieben und zwar "Jugend am Werk". Ich habe eine Zusage erhalten, ich warte nur, bis ich anfangen kann.

R: Wo wohnen Sie momentan?

BF: Ich wohne in XXXX .

R: Haben Sie Kontakt zu Österreichern oder Leuten aus der Gemeinde?

BF: Ja, ich kenne so viele Österreicher. Es ist eine sehr gute Gemeinde, es gibt immer wieder Treffen. Es werden Kochabende organisiert. Alle zwei Wochen gibt es diese Treffen. Da kommen Ausländer und Österreicher zusammen. Es dient der Integration. Ich kann sehr gut äthiopisches Essen kochen. Wir wechseln uns ab, es werden auch österreichische Gerichte gekocht. Dann gibt es ein großes Buffet und jeder kann von den Speisen der anderen essen und sich unterhalten.

R: Angenommen, Sie könnten in Österreich bleiben, hätten Sie Pläne für die Zukunft hier?

BF: Ich habe viele Pläne und Wünsche für die Zukunft. Damit ich das erreiche, habe ich mich für das freiwillige soziale Jahr angemeldet. Ich freue mich schon darauf. Ich möchte auch gerne den Führerschein machen. Wenn ich das Praktikum bzw. das freiwillige soziale Jahr abgeschlossen habe, habe ich mehr Chancen, die zweijährige Ausbildung zur Behindertenarbeit zu machen. Ich möchte gerne in diesem Bereich tätig sein. Wenn ich den Führerschein habe, möchte ich mobile Dienste leisten. Dort sehe ich mich in der Zukunft.

R: Wurden Sie in Österreich jemals von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt oder von einer Behörde mit einem Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot belegt?

BF: Nein.

(...)

Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat:

R: Nennen Sie jetzt bitte der Reihe nach abschließend und möglichst umfassend alle Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat Äthiopien verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe). Versuchen Sie, die Gründe so zu schildern, dass sie für eine außenstehende Person (also für die Richterin) nachvollziehbar sind. Sie haben dafür nun ausreichend Zeit.

BF: Meine Geschichte begann ca. 2001. Nach der Abschlussfeier der Universität Ambo bin ich am nächsten Tag nach Addis Abeba zu meiner Tante gefahren. Ich möchte erwähnen, dass ich OLF-Mitglied war. Und zwar seit der Zeit in Ambo bis später in Gondar.

Bei der Tante kamen um 06:00 Uhr in der Früh Polizisten vorbei. Sie haben zuerst die Ausweise kontrolliert. Ich habe den Studentenausweis hergezeigt. Sie haben den Ausweis angesehen, kurz überlegt und dann zu mir gesagt: "Wir brauchen Dich." Meine Tante war hilflos, sie hat sich nicht ausgekannt. Die Polizei hat zu meiner Tante gesagt: "Bleiben Sie ruhig, wir brauchen ihn und nicht Sie." Ich habe nicht gewusst, wohin ich gebracht werde. Ich kam dann nach XXXX , das ist eine Ortschaft, dort gibt es ein Gefängnis. Das Gefängnis hieß XXXX . Dort wurde ich hingebracht. Ich wusste aber nicht, warum ich dorthin gebracht wurde. Es gab keine Befragung, keine Verhandlung, ich wurde nie einem Richter vorgeführt. Ich war dann zwei Jahre, ein Monat und 26 Tage dort. Die Art und Weise, wie sie mit mir umgegangen sind, war schlecht. Ich war ständig krank, ich hatte Bauchschmerzen, ich vertrug das Essen nicht. Unter diesen Umständen konnte ich nicht weiterleben. Die Leute haben mir gesagt, ich könne schon etwas machen, um die Situation zu ändern. Wenn ich jemanden finde, der Bestechungsgelder zahlt, könnte ich vielleicht freikommen. Ich habe meinen Bruder und meine Tante in Israel kontaktiert und meine Probleme geschildert. Sie haben mir Geld geschickt und so kam ich aus dem Gefängnis frei. Ich sage jetzt "frei", aber das hat mit echter Freiheit nichts zu tun. Es war nur aufgrund des Bestechungsgeldes. Mir war klar, dass ich nicht legal freigelassen wurde. Die Regierung wusste nicht, warum ich entlassen wurde. Ich musste in Angst leben. Trotzdem habe ich diese Entscheidung getroffen. Ich bin nach Gondar gefahren. Ich habe dort versucht, eine Arbeit zu bekommen. Es gab aber keine. Dann habe ich wieder mit der Uni angefangen. Ich dachte, ich kann weiterstudieren, bis ich wieder erwischt werde. Das ist besser als nichts.

Wenn Sie mir jetzt die Frage stellen, warum ich überhaupt wieder mit der Universität begonnen habe, dann sage ich Ihnen: Ich war immer ein Mensch, der der Meinung war, dass es wichtig ist, etwas erreichen zu wollen. Ich wollte nicht aufgeben.

Nach zwei Jahren wurde bei meiner Mutter wieder nach mir gefragt. Meine Mutter hat zu mir gesagt, dass ich gesucht werde. Da war mir klar, dass sie mich wieder suchen. In dem Augenblick habe ich gar nicht mehr überlegt. Als meine Mutter zu mir gesagt, es wird wieder nach mir gesucht, war mir klar, dass ich sofort weg muss. Ich bin sofort nach Addis Abeba gegangen. Ich habe gewusst, wenn ich bleibe, dann würde das bedeuten, dass ich wieder ins Gefängnis muss. Ich war dann für zwei Wochen in Addis Abeba. Dann habe ich Äthiopien verlassen.

R: Haben Sie jetzt alle Fluchtgründe genannt oder möchten Sie noch etwas ergänzen? Erzählen Sie noch mehr über Ihre Tätigkeit bei OLF.

BF: Was meine Tätigkeit bei OLF betrifft: Es gab Versammlungen und wir haben die Situation besprochen. Wir haben auch Leute unterstützt, die nicht gerecht behandelt wurden, wir haben Geld gesammelt für sie. Es gab auch Schulungen. Zu dieser Zeit war es schwierig, ein Mitglied von OLF zu sein. Das war nicht akzeptiert.

Ich möchte noch eines sagen: Wäre ich nicht ein Mitglied der OLF gewesen, hätte ich ganz wahrscheinlich "ganz normal" in Äthiopien gelebt. Ich denke, das ist der Grund für meine Probleme. Ich frage

Sie: Ist es falsch, ein Mitglied zu sein? Habe ich etwas Falsches getan? Ist es etwa ein schweres Verbrechen? Sie haben nach dem Grund gefragt, warum ich die Heimat verlassen habe: Das ist der einzige Grund. Das war mein einziger Fehler. Sonst habe ich nichts gemacht.

R: Könne Sie die Vorfälle, die Sie mir heute geschildert haben, insgesamt zeitlich noch näher einordnen?

BF: Es war im Jahr 2000/2001 als sich in Ambo studiert habe. 2001 war der Uni-Abschluss in Ambo. Die Mitgliedschaft bei der OLF gab es seit 2000. Ich bin nach meinem Abschluss zu meiner Tante gefahren. Am nächsten Morgen wurde ich inhaftiert. Dann war ich eben im Gefängnis. Ich war wohl von 2001 bis 2003 im Gefängnis. Die Entlassung war ca. Ende 2003. Im Jahr 2004 habe ich Arbeit gesucht, es ist einige Zeit vergangen. 2005 und 2006 weiß ich genau, dass ich in Gondar an der Uni war. Nachdem mir meine Mutter erzählt hat, dass nach mir gesucht wird, habe ich am 21.05.2006 meine Heimat verlassen.

R: Wie sind Sie erstmals in Kontakt mit der OLF gekommen?

BF: Es hat einfach begonnen, als ich an die Uni in Ambo gekommen bin. Die Leute, die dort waren, waren schon aktive Mitglieder. Es war mein erstes Jahr an der Uni, sie waren unsere Vorbilder. Sie haben uns alles erklärt und sie waren aufgeklärt. Es kam mir sinnvoll vor, ein Teil von ihnen zu sein.

Nachgefragt, ja es waren Mitstudenten, die mir von den Ideen der OLF erzählt haben. Sie haben mir im Internet gezeigt, wie schlimm die Situation ist. Sie haben mir gesagt, es lohnt sich ein Mitglied von OLF zu werden. Ich war von den Mitstudenten überzeugt, sie waren wirklich Vorbilder für mich.

R: Was hat Sie an den Ideen der OLF fasziniert?

BF: Sie haben mir quasi einen Vertrag angeboten. Sie haben zu mir gesagt: "Wenn Du aktiv und weiter an diesen Ideen arbeitete, wirst du genauso wie wir. Du sollst auch eine Position bekommen." Die meisten, die mich angesprochen oder motiviert haben, waren

Angehörige der Oromo. Sie haben zu mir gesagt: "Schau, wie viele Mitglieder wir schon sind. Irgendwann werden wir das Land beherrschen. Unser Ziel ist schon in Sicht. Wir werden unser Land befreien und unser Volk unterstützen".

R: Was war die große Idee von OLF? Was wollten sie?

BF: Sie wollen Äthiopien beherrschen. Das war ihr Ziel. Das war das Erste, was sie während der Schulungen gesagt haben. D.h. die Regierung sollte gestürzt werden.

R: Wissen Sie, welche Mittel die OLF einsetzen wollte? War es ein friedlicher Gedanke?

BF: Wir haben eine Regierung, die keinen Frieden gewährt und keinen "normalen" Weg geht. Deswegen haben die Mitglieder der OLF den Weg gewählt, irgendwo am Rande des Landes zu leben und dort Schulungen abzuhalten, um sich wehren zu können.

Es gibt OLF Mitglieder, so wie mich, die einfach friedlich Propaganda betreiben, die andere Mitglieder einschulen, die Informationen verbreiten. Die anderen haben den Weg gewählt, dass sie am Rande irgendwo leben und für ihr Volks kämpfen. Es gibt also zwei Arten von Mitgliedern: Die einen, die in Frieden mitarbeiten, und die anderen, die als Kämpfer leben.

R: Haben Sie selbst irgendwann gekämpft?

BF: Ich war an keinen Kampfhandlungen beteiligt. Unser Ziel war es, so wie die Vorgänger von uns, an der Universität die neuen Studenten und auch die Menschen in der Umgebung von Ambo zu informieren und Informationen weiterzugeben. Wir haben auch Geld gesammelt. Das waren unsere Aktivitäten.

R: Schildern Sie mir noch einmal genau, wie Sie sich für die OLF engagiert haben? Was konkret haben Sie getan?

BF: Als ich ein Mitglied der OLF wurde, habe ich eine Liste bekommen, wie ich mich als Mitglied der OLF verhalten muss, damit auch ich ein Vorbild für die neuen Studenten werden kann. Ich musste die neuen Studenten überzeugen können, es vorleben und sie überzeugen. Meine Aufgabe war es, immer mehr Mitglieder anzuwerben. Das war ein Auftrag der Liste. Ich habe auch mitgeholfen, heimliche Besprechungen zu organisieren. Ich habe auch Verbindungen geschaffen, damit das gesammelte Geld dorthin kommt, wo es benötigt wird. Ich habe das nicht alleine gemacht. Es war die Mitarbeit aller gefragt.

R: Warum haben Sie sich engagiert? Hatten Sie gar keine Angst? Sie wussten ja, dass es verboten ist.

BF: Ja, ich wusste es von Anfang an, dass es verboten ist. Man darf es nicht vom Gesetz her. Die Gesellschaft, das Volk will das aber schon. Das Volk will, dass es befreit wird und andere Regeln bekommt. Es wird auch immer wieder gesagt, wer soll es machen? Wenn wir immer wieder sagen, dass wir Angst haben, wer soll dann eine Änderung herbeiführen? Die Änderung war von meiner Seite gewünscht und auch das Volk hat Änderungen gewünscht.

R: Hat Ihre Volksgruppenzugehörigkeit als Amhara bei der Tätigkeit für die OLF eine Rolle gespielt? Wie haben die anderen Mitglieder der OLF darauf reagiert?

BF: Das ist eine sehr gute Frage. In Äthiopien gibt es über 85 verschiedene ethnische Gruppen. Die OLF war nicht gezielt für die Oromo, sie war generell für die Leute, die dafür sind, dass es eine Änderung gibt. Wir hatten gemeinsam, dass wir die Regierung schlecht finden. Von daher war jeder eingeladen, bei OLF Mitglied zu sein. Je mehr die Mitgliedschaft schafft und je größer die Bewegung wird, desto größer wird die Wirkung der Bewegung sein.

R: Wie haben Sie sich mit den anderen Mitgliedern der OLF sprachlich verständigt?

BF: Sie müssen sich das so vorstellen: Es war eine große Uni und man kann davon ausgehen, dass jeder lesen und schreiben kann und auch andere Sprachen beherrscht. In Äthiopien ist Amharisch Amtssprache. Es gab Leute, die am Anfang nur ein bisschen Amharisch verstanden haben. Bei mir war es umgekehrt so, dass sich am Anfang nur ein bisschen Oromo verstanden habe. Unter den Mitgliedern wurde geschaut, dass die Informationen in der eigenen Sprache weitergegeben werden. Abgesehen davon konnte man sich auch auf Englisch verständigen. Sprachlich gab es kein Problem.

R: Wie sind Sie nach Ihrer Freilassung an der Uni in Gondar wieder mit OLF in Kontakt getreten?

BF: An der Uni in Gondar gab es wieder Kontakt zu Mitgliedern der OLF. Ich bin ihnen in einem Raum begegnet, der "Space" heißt. Es war ein Platz, wo man ungestört lernen konnte. Ich habe gehört, dass Studenten leise auf Oromo gesprochen haben, über die Mitgliedschaft und darüber, dass sie Mitglieder sind. Sie waren nicht aus Gondar, sondern waren aus anderen Teilen des Landes, um in Gondar zu studieren. Ich habe sie auf Oromo angesprochen und gefragt: "Seid Ihr Mitglieder?" Ich habe ihnen gesagt, ich bin ein Mitglied. Zuerst waren sie unsicher, weil ich nicht von ihnen war, sondern tatsächlich ein Bewohner von Gondar bin. Dann habe ich ihnen gesagt, dass ic

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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