TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/27 W211 2175695-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.12.2019
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Entscheidungsdatum

27.12.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs6 Z2
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W211 2175695-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA: Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin ist eine Staatsangehörige Syriens. Sie stellte am XXXX 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei ihrer Erstbefragung am selben Tag gab die Beschwerdeführerin an, sie sei Kurdin und stamme aus dem Ort XXXX in der Nähe der Stadt Qamishli (Gouvernement Al Hasaka), wo sie über keine Verwandten mehr verfügen würde. Syrien habe sie illegal im Jahr 2013 über die Grenze zur Türkei verlassen. Ihren Herkunftsstaat habe sie im Jahr 2013 wegen des Krieges, und weil sie keine Möglichkeit mehr gehabt habe, dort zu leben, illegal über die Grenze zur Türkei verlassen. Sie habe ihren Verlobten in Syrien kennengelernt und nunmehr in Österreich wiedergetroffen.

3. Bei der Einvernahme am XXXX 2017 gab die Beschwerdeführerin, soweit hier wesentlich, an, dass sich ihre Eltern, zwei Brüder und drei Schwestern in der Türkei aufhalten würden. Eine Schwester lebe in Belgien. Ihr Lebensgefährte, den sie in Syrien traditionell geheiratet habe, befinde sich als Asylwerber in Österreich. Einen syrischen Reisepass habe sie nie besessen, jedoch einen syrischen Personalausweis, der ihr im Jahr 2011 ausgestellt worden sei. In Syrien habe sie fünf Jahre lang die Grundschule besucht und anschließend als Schneiderin gearbeitet. Zu ihrem Fluchtgrund befragt gab die Beschwerdeführerin an, der "sogenannte Islamische Staat" (IS) sei im Jahr 2013 in ihr Heimatdorf einmarschiert. Sie sei zwar keinen IS-Kämpfern begegnet, habe diese jedoch gesehen. Auch habe allgemein die Gefahr bestanden als Frau durch kurdische Milizen (YPG/YPJ) zwangsrekrutiert zu werden. Persönlich sei sie jedoch nie aufgefordert worden, sich der Miliz anzuschließen.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.). Die Behörde begründete die abweisende Entscheidung damit, dass die Beschwerdeführerin angegeben habe, dass sie schon vor geraumer Zeit die Idee gehabt habe, zu ihrem in Österreich lebenden Lebensgefährten zu reisen, weshalb für die belangte Behörde feststehe, dass der Grund ihrer Einreise nach Österreich nicht in der Gewährleistung der körperlichen Sicherheit zu finden sei.

5. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides wurde rechtzeitig eine Beschwerde eingebracht, worin zusammengefasst vorgebracht wurde, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit als Kurdin ihr Leben lang diskriminiert worden sei. Sie habe in der Schule nicht kurdisch sprechen dürfen und habe erst im Jahr 2011 die syrische Staatsangehörigkeit erhalten. Weiter sei das Dorf XXXX im Jahr 2013 vom IS eingenommen worden, woraufhin die Beschwerdeführerin zusammen mit ihrer Familie nach Qamishli gezogen sei, das jedoch vom syrischen Bürgerkrieg in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Junge kurdische Frauen würden von der PKK zwangsrekrutiert und vom IS entführt, um einer Zwangsheirat zugeführt zu werden, weshalb die Beschwerdeführerin und ihre Familie Syrien verlassen hätten. Zunächst habe die Beschwerdeführerin in der Türkei gelebt, wobei sich ihre Lage als alleinstehende kurdische Frau als prekär dargestellt habe und ihr nur die Flucht zu ihrem in Österreich lebenden Lebensgefährten übriggeblieben sei. Überdies wurde darauf hingewiesen, dass es der Beschwerdeführerin als westlich orientierte kurdische Frau nicht erlaubt/möglich gewesen sei, eine höhere Bildung zu erlangen. Schließlich wurde vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin deshalb im Fall einer Rückkehr nach Syrien gefährdet sei, da sowohl ihr Ehemann, als auch ihre in der Türkei lebenden Brüder und ihr Vater sich dem syrischen Wehrdienst entzogen hätten.

6. Am XXXX 2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die kurdische Sprache (Kurmanci) und in Anwesenheit der Beschwerdeführerin sowie ihrer Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, bei der die Beschwerdeführerin im Detail zu ihren Fluchtgründen befragt wurde. Die belangte Behörde entschuldigte sich mit Schreiben vom XXXX 2019 für die Teilnahme an der Verhandlung. Der Beschwerdeführerin bzw. ihrer Vertretung wurde eine zweiwöchige Stellungnahmefrist, auch zu zusätzlich ins Verfahren eingebrachten Länderberichten, eingeräumt.

7. Zu den in der Verhandlung aktualisierten Länderberichten langte keine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Beschwerdeführerin:

1.1.1. Die Beschwerdeführerin ist eine weibliche Staatsangehörige Syriens, die am XXXX 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.

1.1.2. Die Beschwerdeführerin ist Kurdin und sunnitischen Glaubens.

1.1.3. Die Beschwerdeführerin stammt aus dem Ort XXXX in der Nähe der Stadt Qamishli im Gouvernement Al Hasaka.

Die Beschwerdeführerin besuchte in Syrien fünf Jahre die Grundschule, ist jedoch Analphabetin und arbeitete als Schneiderin.

Die Beschwerdeführerin hat in Österreich einen Staatsangehörigen aus Syrien geheiratet, dem der Status eines Asylberechtigten vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zuerkannt worden ist (IFA: XXXX). Ihr gemeinsamer Sohn wurde am XXXX 2018 in Österreich geboren und hat am XXXX 2018 gemäß § 3 iVm § 34 AsylG 2005 Asyl im Familienverfahren nach seinem Vater erhalten (IFA: XXXX ).

Die Eltern, zwei Brüder und drei Schwestern der Beschwerdeführerin leben in der Türkei. Eine Schwester lebt in Belgien.

1.1.4. Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten und gesund.

1.2. Festgestellt wird, dass die Stadt Qamishli und deren Umland unter der Kontrolle kurdischer Milizen (YPG) und zu einem kleinen Teil (Stadt Qamishli: Flughafen und zentraler Korridor bis zur Grenze) unter der Kontrolle der syrischen Regierung steht.

Eine Gefährdung der Beschwerdeführerin durch den IS kann nicht festgestellt werden.

Eine drohende Zwangsrekrutierung der Beschwerdeführerin durch die YPG kann ebenfalls nicht festgestellt werden.

Auch wird eine Bedrohung durch das syrische Regime weder wegen der illegalen Ausreise der Beschwerdeführerin in die Türkei im Jahr 2013, noch wegen der Asylantragstellung im Ausland oder der Wehrdienstverweigerung ihres Ehemannes oder ihrer in der Türkei befindlichen männlichen Verwandten festgestellt.

Im Lichte aktueller Entwicklungen an der syrisch-türkischen Grenze kann aber auch keine Bedrohung der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Syrien durch türkische Truppen bzw. durch von der Türkei unterstützte arabische Milizen festgestellt werden.

Eine Gefährdung der Beschwerdeführerin als "westlich orientierte" kurdische Frau wird nicht festgestellt.

Schließlich wird eine Gefährdung der Beschwerdeführerin als alleinstehende Frau im Falle einer Rückkehr in ihre Heimatregion nicht festgestellt.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Syrien, 13.05.2019, aktualisiert am 04.09.2019 (Auszüge):

Türkische Militäroperationen in Nordsyrien

Seit August 2016 ist die Türkei im Rahmen der Operation "Euphrates Shield" in Syrien aktiv. Die Operation zielte auf zum damaligen Zeitpunkt vom Islamischen Staat (IS) gehaltene Gebiete, sollte jedoch auch dazu dienen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) davon abzuhalten ein autonomes Gebiet entlang der syrisch-türkischen Grenze zu errichten. Die Türkei sieht die kurdische Partei der Demokratischen Union (PYD) und die YPG als Bedrohung der türkischen Sicherheit (CRS 2.1.2019).

Am 20.1.2018 begann eine Offensive der Türkei gegen die kurdisch kontrollierte Stadt Afrin. Der türkische Präsident Erdogan kündigte außerdem an, auch die Stadt Manbij angreifen zu wollen (DS 20.1.2018; vgl. DZO 23.1.2018, HRW 17.1.2019). Die Operation "Olivenzweig" begann mit Artillerie- und Luftangriffen auf Stellungen der YPG in der Region Afrin, denen eine Bodenoffensive folgte (Presse 24.1.2018). Als Motiv für den türkischen Einmarsch im Grenzgebiet strichen mehrere arabische Medien die lang erklärte Absicht Ankaras heraus, eine etwa 30 Kilometer tiefe Sicherheitszone einzurichten und dort bis zu 3,5 Millionen syrische Flüchtlinge anzusiedeln (DS 22.1.2018). Im März 2018 nahmen Einheiten der türkischen Armee und der mit ihnen verbündeten Freien Syrischen Armee (FSA) Afrin ein (Bellingcat 1.3.2019). Zahlreiche Kurden und auch einige Jeziden, die sich dem Verdacht einer Kooperation mit PYD/YPG ausgesetzt sahen, flohen aus Angst vor Repressionsmaßnahmen durch türkische und arabische Einheiten (AA 13.11.2018). Bis März 2018 hatte die türkische Offensive Berichten zufolge den Tod Dutzender Zivilisten und laut den Vereinten Nationen die Vertreibung Zehntausender zur Folge. Von der Türkei unterstützte bewaffnete Gruppierungen, die mit der FSA in Zusammenhang stehen, beschlagnahmten, zerstörten und plünderten das Eigentum kurdischer Zivilisten in Afrin. Lokale Aktivisten berichteten Human Rights Watch (HRW) zufolge von zumindest 86 Fällen von Missbräuchen in Form von rechtswidrigen Festnahmen, Folter und Verschwindenlassen durch diese Gruppierungen (HRW 17.1.2019).

Im Juni 2018 trafen die USA und die Türkei eine Vereinbarung, laut welcher die Milizen der YPG aus Manbij abziehen und infolgedessen türkische und US-amerikanische Einheiten in der nordsyrischen Stadt für Sicherheit und Stabilität sorgen sollten (Reuters 18.6.2018). Im folgenden Monat verließen die letzten Einheiten der YPG Manbij (Reuters 15.7.2018). Inzwischen ist ein Teil der Geflohenen nach Afrin zurückgekehrt (AA 13.11.2018). Seit der Offensive regiert in Afrin ein Mosaik von türkisch-unterstützten zivilen Institutionen und unterschiedlichsten Rebelleneinheiten, die anfällig für innere Machtkämpfe sind (Bellingcat 1.3.2019). Von der Unabhängigen Untersuchungskommission für Syrien des UN-Menschenrechtsrates wird die Sicherheitslage in der Gegend von Afrin als prekär bezeichnet. Es kommt demnach vermehrt zu Territorialkämpfen zwischen den bewaffneten Gruppen, die dort aktiv sind (UNHRC 31.1.2019).

Die Türkei verstärkte Mitte des Jahres 2019 ihre militärische Präsenz entlang der syrischtürkischen Grenze und kündigte schon mehrmals ein militärisches Vorrücken östlich des Euphrats an (ÖB 7.2019).

Rechtschutz, Justizwesen in Gebieten unter kurdischer Kontrolle

Die kurdischen Behörden setzen in den von ihnen kontrollierten Gebieten einen Rechtskodex, basierend auf einer "Sozialcharta", durch. In Berichten wird diese "Sozialcharta" beschrieben als eine Mischung aus syrischem Straf- und Zivilrecht mit Gesetzen, die sich in Bezug auf Scheidung, Eheschließung, Waffenbesitz und Steuerhinterziehung an europäischem Recht orientieren. Allerdings fehlen gewisse europäische Standards für faire Verfahren, wie das Verbot willkürlicher Festnahmen, das Recht auf gerichtliche Überprüfung und das Recht auf einen Anwalt. Das Justizsystem in den kurdisch kontrollierten Gebieten besteht aus Gerichten, Rechtskomitees und Ermittlungsbehörden (USDOS 13.3.2019). Es wurde eine von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) geführte Verwaltung geschaffen, die neben diesen Rechtsinstitutionen auch eine eigene Polizei, Gefängnisse und Ministerien umfasst (AI 12.7.2017). Der Rechtskodex, "Verfassung von Rojava" genannt, betont zwar seine demokratische Struktur, in der Praxis zeigt die Vorherrschaft der PYD und deren Missachtung und Unterdrückung anderer kurdischer Akteure jedoch ein anderes Bild (BS 2018).

Die kurdischen Behörden haben den sogenannten "Defense of the People Court" eingerichtet, der über ehemalige IS-Mitlgieder in kurdischer Gefangenschaft urteilen soll. Das Gericht wird jedoch weder von den syrischen Behörden noch von der internationalen Gemeinschaft anerkannt. Die Höchststrafe, die dieses Gericht verhängt, ist eine "lebenslange Freiheitsstrafe", wobei es sich um eine zwanzigjährige Haftstrafe handelt. Gerichtsurteile werden bei guter Führung oder, wenn sich der Angeklagte selbst den kurdischen Behörden gestellt hat, gemildert. Diese "mildere Vorgehensweise" hat zum einen den Zweck der arabischen Mehrheitsbevölkerung Ost-Syriens, die den kurdischen Machthabern misstraut, guten Willen zu zeigen, zum anderen soll dadurch die Regierungskompetenz hervorgehoben und internationale Legitimation gewonnen werden. Das System weist jedoch auch gravierende Mängel auf, so haben die Angeklagten keinen Zugang zu einem Verteidiger und es gibt keine Möglichkeit Berufung einzulegen. Die kurdischen Behörden gaben an, die Einrichtung einer Berufungsmöglichkeit zu planen (Haaretz 8.5.2018).

Wehrdienstverweigerung / Desertion (syrische Streitkräfte)

Im Verlauf des syrischen Bürgerkrieges verlor die syrische Armee viele Männer aufgrund von Wehrdienstverweigerung, Desertion, Überlaufen und zahlreichen Todesfällen (TIMEP 6.12.2018).

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft (AA 13.11.2018). Bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während manche die Ergreifung eines Wehrdienstverweigerers mit Foltergarantie und Todesurteil gleichsetzen, sagen andere, dass Betroffene sofort eingezogen würden. Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab (Landinfo 3.1.2018).

Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen (BFA 8.2017).

Zwischen der letzten Hälfte des Jahres 2011 bis zum Beginn des Jahres 2013 desertierten zehntausende Soldaten und Offiziere, flohen oder schlossen sich bewaffneten aufständischen Einheiten an. Seit der zweiten Hälfte des Jahres 2013 sind jedoch nur wenige Fälle von Desertion bekannt (Landinfo 3.1.2018).

Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (sogenannte "externe Desertion"), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (BFA 8.2017).

Deserteure werden härter bestraft als Wehrdienstverweigerer. Deserteure riskieren, inhaftiert, gefoltert und getötet zu werden. Repressalien gegenüber Familienmitgliedern können insbesondere bei Familien von "high profile"-Deserteuren der Fall sein, also z.B. Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet haben oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben (Landinfo 3.1.2018).

Seit Ausbruch des Syrienkonflikts werden syrische Armeeangehörige erschossen, gefoltert, geschlagen und inhaftiert, wenn sie Befehle nicht befolgen (AA 13.11.2018).

In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle der syrischen Regierung gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bezüglich des Wehrdienstes getroffen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt, sondern stattdessen bei der Polizei eingesetzt werden (BFA 8.2017). Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch in den "versöhnten Gebieten" sind Männer im entsprechenden Alter also mit der Wehrpflicht oder mit der Rekrutierung durch regimetreue bewaffnete Gruppen konfrontiert. In manchen dieser Gebiete drohte die Regierung auch, dass die Bevölkerung keinen Zugang zu humanitärer Hilfe erhält, wenn diese nicht die Regierungseinheiten unterstützt (FIS 14.12.2018).

Wehrdienst: Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG/YPJ)

Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG) sind die bewaffneten Einheiten der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) (DZO 13.1.2019). Bis 2014 war der Militärdienst bei der YPG freiwillig (AA 13.11.2018). Seit 2014 gibt es jedoch in den Gebieten unter Kontrolle der PYD eine gesetzliche Verordnung zum verpflichtenden Wehrdienst für Männer von 18 bis 30 Jahren. Der Wehrdienst sollte sechs Monate dauern, dauerte in den letzten Monaten jedoch 12 Monate.

Jene, die den Wehrdienst verweigern, müssen zur Strafe 15 Monate Wehrdienst leisten (MOFANL 7.2019).

Mehrfach ist es zu Fällen gekommen, in denen Männer von der YPG rekrutiert werden, die älter als 30 Jahre waren. Dabei handelte es sich um Personen, die PYD-kritisch politisch aktiv waren, und die mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Rekrutierung abgestraft werden sollten (Savelsberg 3.11.2017).

Frauen können freiwilligen Militärdienst in den kurdischen Einheiten leisten, wobei es gleichzeitig Berichte von Zwangsrekrutierungen von Frauen gibt (AA 13.11.2018). Quellen zufolge gibt es keine Beweise für Zwangsrekrutierungen von Frauen durch die kurdischen Frauenverteidigungseinheiten (YPJ), jedoch kann es einzelne Fälle der Zwangsrekrutierung von Frauen in kleineren lokalen kurdischen Milizen geben, die gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) kämpfen (BFA 8.2017). Dem widersprechen andere Quellen, denen zufolge es in mehreren Fällen zur Rekrutierung bzw. Zwangsrekrutierung minderjähriger Mädchen gekommen ist. Darüber hinaus sind Fälle bekannt, in denen kurdische Frauen, die der YPG zunächst freiwillig beitraten, daran gehindert wurden, diese wieder zu verlassen (Savelsberg 3.11.2017).

Allgemeine Menschenrechtslage (Auszüge)

Auch die oppositionellen bewaffneten Gruppen der Syrian Democratic Forces (SDF) werden für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht, darunter die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG). Es gibt Berichte über Verschwindenlassen von Gegnern der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und deren Familien, unrechtmäßige Verhaftungen, Folter von politischen Gegnern, sowie vereinzelte Berichte über Festnahmen von Journalisten, Mitgliedern von Menschenrechtsorganisationen und Oppositionsparteien und Personen, die sich weigerten mit den kurdischen Gruppen zu kooperieren (USDOS 13.3.2019; vgl. HRW 10.9.2018).

Familienmitglieder von gesuchten Aktivisten, darunter auch Verwandte von Mitgliedern des IS, sollen von den SDF in den von ihnen kontrollierten Gebieten gefangen genommen worden sein, um Informationen zu erhalten oder um Druck auszuüben. Weiters gibt es Berichte über vermehrte Verhaftungen von Männern für versuchte Wehrdienstverweigerung und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit in den befreiten Gebieten (USDOS 13.3.2019).

Die YPG gehört seit 2014 zu den vom VN-Generalsekretär gelisteten Konfliktparteien, die Kindersoldaten einsetzen und Kinderrechte verletzen (AA 13.11.2018). Nach Berichten zu Rekrutierungen von Kindern, auch unter Zwang, durch die SDF, verabschiedeten diese ein Verbot der Rekrutierung und Verwendung von Personen unter 18 Jahren zum Kampf. Verboten sind, unter Androhung von Strafen für die Befehlshaber, auch Hilfsdienste wie Ausspähen, Wach- und Versorgungsdienste. Die kurdischen Gruppen erklärten ihre volle Unterstützung der Anordnung. Im Dezember 2018 wurden 56 Unter-18-Jährige ihren Eltern übergeben (USDOS 13.3.2019).

Die menschenrechtliche Situation in den kurdisch kontrollierten Gebieten stellt sich insgesamt deutlich weniger gravierend dar, als in den Gebieten, die sich unter Kontrolle des syrischen Regimes oder islamistischer bis jihadistischer Gruppen befinden (AA 13.11.2018).

Ein Charakteristikum des Bürgerkriegs in Syrien ist, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt (UNHCR 11.2015).

Ethnische und religiöse Minderheiten (Auszüge)

Im Jahr 2011, kurz vor Beginn des syrischen Bürgerkriegs, lebten in Syrien zwischen zwei und drei Millionen Kurden. Damit stellten sie etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Die Lebensumstände waren für die Kurden in Syrien lange Zeit noch kritischer als in der Türkei und im Iran. Ein Grund dafür war die brutale Repression aller oppositionellen Bestrebungen durch das Regime. Das Ergebnis waren sehr weitgehende Diskriminierungen. Im Nachgang einer Volkszählung im Jahr 1962 wurde rund 120.000 Kurden die syrische Staatsangehörigkeit aberkannt. Sie und ihre Nachfahren galten den syrischen Behörden seither als geduldete Staatenlose. Die Zahl dieser Ausgebürgerten, die wiederum in registrierte (ajanib) und unregistrierte (maktumin) Staatenlose unterteilt wurden, dürfte 2011 bei über 300.000 gelegen haben. Als im März 2004 im kurdischen Nordosten Unruhen ausbrachen, deren Wellen bis in kurdischen Viertel von Damaskus reichten, wurden sie brutal niedergeschlagen. Die schweren Diskriminierungen, die alle Kurden im Nordosten trafen, blieben bis 2012 bestehen. So durfte in den Schulen und Universitäten nicht in kurdischer Sprache gelehrt werden und kurdische Publikationen waren verboten (SWP 4.1.2019). Die fehlende Präsenz der syrischen Regierung in den kurdischen Gebieten in den Anfangsjahren des Konfliktes verlieh den Kurden mehr Freiheiten, wodurch zum Beispiel die kurdische Sprache an Schulen unterrichtet werden konnte. Die syrische Regierung erkennt die Legitimation der föderalen kurdischen Gebiete jedoch nicht an (MRG 3.2018).

Frauen

Frauen in Syrien haben eine relativ lange Historie der Emanzipation. Vor dem Konflikt war Syrien eines der vergleichsweise fortschrittlicheren Länder der Arabischen Welt in Bezug auf Frauenrechte (BFA 8.2017). Dennoch werden Frauen - teilweise aufgrund der Interpretationen der religiösen Gesetze - von verschiedenen Teilen des Familien- und Strafrechts und der Gesetze zu Personenstand, Arbeit, Erbschaft, Pensionierung, sozialer Sicherheit und Staatsbürgerschaft, diskriminiert (USDOS 13.3.2019).

Die Situation von Frauen verschlechterte sich durch den andauernden Konflikt dramatisch. Da Frauen immer wieder Opfer unterschiedlicher Gewalthandlungen der verschiedenen

Konfliktparteien werden, zögern Familien, Frauen und Mädchen das Verlassen des Hauses zu erlauben. Sie nehmen diese aus der Schule, was zur Minderung der Rolle von Frauen und zu ihrer Isolation in der Gesellschaft führt (BFA 8.2017). Vor dem Konflikt nahmen 13% der Frauen am Arbeitsmarkt teil, verglichen mit 73% der Männer. Die Teilhabe sowohl von Männern als auch Frauen am Arbeitsmarkt hat durch Gewalt und Unsicherheit abgenommen. Zuletzt ist in einigen Gebieten, wie in Damaskus, Raqqa und Dara'a, die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt gezwungenermaßen wieder gestiegen, da viele Männer ihre Familien derzeit nicht unterstützen können (USDOS 13.3.2019).

Außerhalb der Gebiete, die unter der Kontrolle des Regimes stehen, unterscheiden sich die Bedingungen für Frauen sehr stark voneinander. Sie reichen von sexueller Versklavung und erdrückenden Kleidungsvorschriften in Gebieten unter Kontrolle von Extremisten einerseits, bis hin zu formaler Gleichberechtigung in den Gebieten unter Kontrolle der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD), wo Regierungssitze immer von einer Frau und einem Mann besetzt sind (FH 1.2018). In jenen oppositionellen Gebieten, welche von radikal-islamistischen Gruppen kontrolliert werden, sind Frauen besonders eingeschränkt. Es ist schwer für sie, für einfache Erledigungen das Haus zu verlassen. Die Situation hängt jedoch von der Region ab (BFA 8.2017).

Extremistische Gruppierungen wie der sogenannte Islamische Staat (IS) oder Hay'at Tahrir al- Sham (HTS) setzen Frauen in den von ihnen kontrollierten Gebieten diskriminierenden Beschränkungen aus. Solche Beschränkungen sind z.B. strikte Kleidervorschriften, Einschränkungen bei der Teilnahme am öffentlichen Leben, bei der Bewegungsfreiheit und beim Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt (USDOS 13.3.2019, MRG 5.2018). Generell wird die Lage junger unverheirateter Frauen in Syrien allgemein, im Speziellen jedoch in den von radikal- islamistischen Gruppierungen kontrollierten Gebieten, als prekär bezeichnet (BFA 8.2017).

Sexuelle Gewalt

Mit keiner oder nur schwacher Rechtsdurchsetzung und begrenztem effektiven Schutz in diesem Bereich haben alle Arten von Gewalt gegen Frauen an Verbreitung und Intensität zugenommen, darunter Versklavung, Zwangsheirat mit Vertretern bewaffneter Gruppen, häusliche Gewalt und Vergewaltigung (WB 6.2.2019). Vergewaltigungen sind weit verbreitet, auch die Regierung und deren Verbündete setzten Vergewaltigung gegen Frauen, aber auch gegen Männer und Kinder, welche als der Opposition zugehörig wahrgenommen werden, ein, um diese zu terrorisieren oder zu bestrafen. Das tatsächliche Ausmaß von sexueller Gewalt in Syrien lässt sich nur schwer einschätzen, weil viele Vergehen nicht angezeigt werden (USDOS 13.3.2019). Vergewaltigungen und andere sexuelle Gewalt durch Wächter und Sicherheitskräfte sind Teil der Foltertechniken in Haftanstalten (USDOS 13.3.2019; vgl. SHRC 24.1.2019).

Vergewaltigung außerhalb der Ehe ist zwar laut Gesetz strafbar, die Regierung setzt diese Bestimmungen jedoch nicht effektiv um. Außerdem kann der Täter eine Strafminderung erlangen, wenn er das Opfer heiratet, um so das soziale Stigma einer Vergewaltigung zu vermeiden (USDOS 13.3.2019). Die gesellschaftliche Tabuisierung von sexueller Gewalt führt zu einer Stigmatisierung von Frauen, die in Haft waren, zur Erniedrigung von Opfern, Familien und Gemeinschaften und zu einer hohen Dunkelziffer bezüglich der Fälle von sexueller Gewalt. Eltern oder Ehemänner verstoßen oftmals Frauen, die während der Haft vergewaltigt wurden oder wenn eine Vergewaltigung auch nur vermutet wird (BFA 8.2017; vgl. USDOS 3.3.2017, SHRC 24.1.2019). Es gibt Fälle von Frauen, die nach einer Vergewaltigung Opfer von Ehrenmorden werden (USDOS 13.3.2019; vgl. SHRC 24.1.2019, MRG 5.2018). Berichten zufolge kam es seit dem Ausbruch des Konfliktes zu einem Anstieg an Ehrenmorden infolge weit verbreiteter Fälle von sexueller Gewalt und Gesetzlosigkeit (USDOS 13.3.2019). Bei sogenannten Ehrenverbrechen in der Familie, die in ländlichen Gebieten bei fast allen Glaubensgemeinschaften vorkommen, besteht kein effektiver staatlicher Schutz (AA 13.11.2018).

Alleinstehende Frauen

Alleinstehende Frauen sind in Syrien aufgrund des Konfliktes einem besonderen Risiko von Gewalt oder Schikane ausgesetzt, jedoch hängt dies von der sozialen Schicht und der Position der Frau bzw. ihrer Familie ab. Man kann die gesellschaftliche Akzeptanz von alleinstehenden Frauen aber in keinem Fall mit europäischen Standards vergleichen, und Frauen sind potentiell Belästigungen ausgesetzt. In Syrien ist es fast undenkbar als Frau alleine zu leben, da eine Frau ohne Familie keine gesellschaftlichen und sozialen Schutzmechanismen besitzt. Beispielsweise würde nach einer Scheidung eine Frau in den meisten Fällen wieder zurück zu ihrer Familie ziehen. Vor dem Konflikt war es für Frauen unter bestimmten Umständen möglich alleine zu leben, z.B. für berufstätige Frauen in urbanen Gebieten (BFA 8.2017).

Der Zugang von alleinstehenden Frauen zu Dokumenten hängt von deren Bildungsgrad, individueller Situation und bisherigen Erfahrungen ab. Beispielsweise werden ältere Frauen, die immer zu Hause waren, mangels vorhandener Begleitperson und behördlicher Erfahrung nur schwer Zugang zu Dokumenten bekommen können (BFA 8.2017). Die Wahrnehmung von alleinstehenden Frauen durch die Gesellschaft unterscheidet sich von Gebiet zu Gebiet. Damaskus-Stadt ist weniger konservativ als andere Gebiete und es wird von Frauen berichtet, die dort in der Vergangenheit alleine lebten. In konservativen Gegenden bekommen allein lebende Frauen jedoch "einen gewissen Ruf" (SD 30.7.2018).

Der Wegfall des Ernährers im Zuge des Konflikts stellt viele Frauen vor das Problem ihre Familien versorgen zu müssen. So stieg die Anzahl der Haushalte mit weiblichen Vorständen im Zuge des Konflikts (WB 6.2.2019)

Im Dezember 2017 hat das von Hay'at Tahrir al-Sham (HTS) gestützte Syrian Salvation Government (SSG) in der Provinz Idlib eine Entscheidung verkündet, laut welcher alle Witwen in ihrem Kontrollgebiet mit einem Scharia-konformen männlichen Familienangehörigen wohnen müssen. Die Meldung warnt auch vor Bestrafung für "jeden, der sich nicht nach dieser Regelung richtet", es ist jedoch unklar wie die Entscheidung umgesetzt wurde (SD 14.12.2017).

Frauen in kurdisch kontrollierten Gebieten

Die Situation von kurdischen Frauen in den kurdischen Gebieten im Nordosten Syriens ist in Bezug auf Unabhängigkeit, Bewegungsfreiheit und die Vormundschaftsgesetze der selbsternannten Autonomieregierung besser. Frauen und Männer sind in der Regierung zu gleichen Teilen repräsentiert (BFA 8.2017). Per Gesetz werden alle Regierungseinrichtungen von einem Mann und einer Frau gleichzeitig geleitet und die meisten staatlichen Behörden und Gremien müssen zwischen Männern und Frauen gleich besetzt sein, abgesehen von Einrichtungen, die nur für Frauen sind (TNYT 24.2.2018).

Frauen sind im politischen Leben der kurdischen Gebiete gut repräsentiert. Außerhalb der PYD geführten Strukturen haben sie allerdings nur eingeschränkte Autonomie (FH 1.2018).

Im November 2014 beschloss die Autonomieregierung ein Dekret, das die "Gleichheit zwischen Männern und Frauen in allen Sphären des öffentlichen und privaten Lebens" vorsieht. Demnach haben Frauen in den Augen des Gesetzes den gleichen Status wie Männer, auch zum Beispiel bezüglich Scheidung und Erbrecht. Polygamie, Ehrenmorde, Zwangsehen, Ehen von Minderjährigen und andere Formen von Gewalt gegen Frauen wurden verboten. Frauenkomitees, Frauenhäuser und Frauenzentren wurden eingerichtet, um Frauen zu schützen und zu vertreten, in den Themen Politik, Wirtschaft, Kultur und Recht weiterzubilden, und ihnen die Möglichkeit zu geben über familiäre und soziale Probleme zu sprechen und Lösungen zu finden. Auch arabische und christliche Frauen nutzen die Zentren (TF 27.8.2017; vgl. TNYT 24.2.2018).

Die Emanzipation der Frauen in Nordsyrien ist ein laufender Prozess. Patriarchale Traditionen sind dort tief eingebettet und mit Religion verbunden (TF 27.8.2017). In Gebieten mit arabischer Mehrheitsbevölkerung, die konservativer sind und in denen tribale Strukturen noch stark verwurzelt sind, ist es schwerer für die kurdischen Behörden Gleichberechtigungsmaßnahmen ohne Widerstand durchzusetzen. So wurde beispielsweise in Kobane Polygamie verboten, von der lokalen Bevölkerung in Manbij gab es jedoch Widerstand durch lokale Stammesführer, was zu einer Ausnahme für Manbij von dieser Regelung führte (TNYT 24.2.2018).

Die zivile Verwaltung der kurdisch kontrollierten Provinzen im Norden des Landes, der sogenannten "Demokratischen Föderation Nordsyrien" (kurdisch Rojava) hat die Institution der Zivilehe eingeführt, die unabhängig von der religiösen Zugehörigkeit der Nupturienten vor den zuständigen Behörden geschlossen werden kann. Ob eine in den kurdischen Gebieten geschlossene zivile Ehe vom syrischen Staat anerkannt wird, ist jedoch schwer zu beurteilen. Das syrische Familienrecht erkennt eine solche Ehe insbesondere dann nicht an, wenn sie einen Verstoß gegen das Ehehindernis aufgrund von unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten der Ehepartner darstellt (MPG 2018).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführerin und ihrer Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin sowie auf die im Verfahren vorgelegten Dokumente (Kopie syrischer Personalausweis). Auch wurden diese Feststellungen bereits durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl getroffen; das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Grund, daran zu zweifeln.

Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zur Volksgruppenzugehörigkeit, zum Religionsbekenntnis, zur Herkunft, zur Schulbildung und Berufstätigkeit in Syrien sowie zu den Familienangehörigen in Österreich und im Ausland ergeben sich teilweise bereits aus den Feststellungen der belangten Behörde und aus den in diesen Punkten nicht widerlegten Angaben der Beschwerdeführerin im Verfahren.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin in Österreich einen syrischen Staatsangehörigen geheiratet hat, ergibt sich ua aus der im Akt befindlichen Heiratsurkunde vom XXXX 2018. Die Feststellung, dass der gemeinsame Sohn in Österreich geboren wurde, ergibt sich aus der im Akt befindlichen Geburtsurkunde vom XXXX 2018.

Die Feststellung, dass dem Ehemann der Beschwerdeführerin der Status eines Asylberechtigten zukommt, ergibt aus dem im Akt befindlichen Fremdenregisterauszug.

Die Feststellung, dass der Sohn der Beschwerdeführerin gemäß § 3 iVm § 34 AsylG 2005 Asyl im Familienverfahren nach seinem Vater erhalten hat, ergibt sich aus dem im Akt befindlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2018.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin basiert auf ihren Angaben im Laufe des Verfahrens.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einem im Akt befindlichen Auszug aus dem Strafregister.

2.3. Die Feststellung, dass die Stadt Qamishli und deren Umland derzeit unter der Kontrolle kurdischer Milizen (YPG) und zu einem kleinen Teil unter der Kontrolle der syrischen Regierung steht, ergibt sich aus einer Nachschau unter https://syria.liveuamap.com/. Am XXXX 2019 fand eine kontrollierende Nachschau statt, die keine Änderung hervorbrachte.

Die Beschwerdeführerin gab in der mündlichen Verhandlung am XXXX 2019 zu ihren Fluchtgründen befragt folgendes zu Wort (Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll):

"[...] R: Warum haben Sie 2013 Syrien verlassen?

P: Der IS hat unser Dorf angegriffen. Die Kurden haben dort gegen den IS gekämpft. Der IS hat Menschen getötet, und wir sind nach Qamishli geflüchtet und von dort sind wir dann in die Türkei geflüchtet.

R: Was befürchten Sie im Falle einer Rückkehr nach Syrien?

P: Ich habe niemanden mehr in Syrien. Wenn ich nach XXXX zurückkehren würde, würden die Kurden mich zwingen, für sie zu kämpfen. Sie wollten auch, dass meine Brüder sich an die Kurden anschließen. Ich habe Angst vor Waffen. Ich kann nicht kämpfen und ich möchte auch nicht kämpfen. Ich habe Angst um mein Leben.

R: Möchten Sie zu dem Grund, warum Sie 2013 weggegangen sind, noch genauer erzählen, warum?

P: Ca. 5 bis 6 Monate vor dem Angriff des IS sind die Kurden in unser Dorf gekommen. Sie waren bewaffnet und sie versuchten uns zu zwingen, dass wir uns ihnen aschließen. An einem frühen Morgen hat der IS unser Dorf angegriffen. Unser Nachbar XXXX , ein Bekannter von uns, XXXX , und XXXX wurden getötet. Die XXXX wurde durch eine Kugel verletzt. Wir sind geflüchtet aus dem Dorf. Meine Oma hatte eine gebrochene Hüfte und konnte nicht gehen. Mein Bruder hat sie getragen. Wir sind aus dem Dorf geflüchtet.

R: Befürchten Sie im Fall einer Rückkehr nach XXXX auch Probleme als Frau?

P: Die Kurden wollen auch Frauen als Soldaten haben. Vor der Tatsache, dass zur Zeit wieder Krieg herrscht, werden sie mich zwingen, dass ich mich den Kurden anschließe und kämpfe, was ich ablehne.

R: Haben Sie das Gefühl, dass Sie ein Problem hätten, weil Sie eine Frau sind?

P: Natürlich habe ich große Angst. Ich möchte nicht als Frau alleine in Syrien leben. Nach wie vor haben Frauen dort nicht die Möglichkeit ein selbstständiges Leben zu führen. Ich habe dort kein Haus und keine Bleibe, keinen Ort, wo ich leben kann. In Syrien herrscht nach wie vor Männerdominanz. Ich habe Angst, dass mir Männer böse Sachen antun werden, dass sie mich entführen und missbrauchen.

R: Haben Sie in den letzten Jahren verfolgt, wie sich die Situation in Ihrer Heimatregion entwickelt hat?

P: Ja, soweit ich kann, habe ich es verfolgt. Letztes Jahr wurden alle Agrarflächen von den Bauern in Brand gesetzt, und auch Häuser. Außerdem gibt es immer wieder islamische Gruppierungen, die das Ziel haben, Kurden zu vernichten. Diese Gruppen treten ab und zu auf und richten großen Schaden bei den Kurden an.

R: Gerade die Stellung der Frau ist bei den Kurden anders als bei den Syrern. Würden Sie dem zustimmen?

P: Wenn man sich den Kurden anschließt und mit ihnen kämpft, hat man als Frau mehr Rechte. Wenn man sich nicht beteiligt, dann sieht das anders aus. Außerdem sind meine Familie und ich dagegen gewesen, sich an den Kämpfen zu beteiligen. Mein Vater ist ein moderner, weltoffener Mann. Wir sind auch so erzogen worden. Wir sind gegen Gewalt und gegen Krieg. Die Kurden sagen, wir müssen patriotisch sein und uns ihnen anschließen.

R: Waren Sie in Syrien oder in der Türkei oder sind Sie jetzt politisch aktiv?

P: Nein. [...]"

Zu den einzelnen vorgebrachten oder sich möglicherweise aus der allgemeinen Situation ergebenden Gefahrenpotentialen für die Beschwerdeführerin wird nun ausgeführt wie folgt:

IS: Die Beschwerdeführerin brachte in der Einvernahme vor dem Bundesamt und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX 2019 als ursprünglichen Grund für das Verlassen ihres Heimatortes XXXX vor, dieser sei im Jahr 2013 vom IS eingenommen worden. Wenngleich es durchaus nachvollziehbar ist, dass die Bedrohung durch den IS für die Beschwerdeführerin teilweise auch als Frau einen Grund zur Furcht darstellte, muss mittlerweile die geänderte Kontrolllage in der Herkunftsregion und das Zurückdrängen des IS zur Kenntnis genommen werden. Ihre Befürchtungen betreffend den IS sind daher nicht mehr aktuell, und konnte eine Gefährdung wegen des IS daher nicht festgestellt werden.

Zwangsrekrutierung YPG/YPJ: Hinsichtlich einer drohenden Zwangsrekrutierung durch die YPG/YPJ als Frau bzw. Mädchen blieben die Ausführungen der Beschwerdeführerin sowohl in den Einvernahmen vor dem Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX 2019 grundsätzlich vage und oberflächlich. Die Beschwerdeführerin berichtete zunächst im Laufe des Verfahrens, sie sei zwar nie persönlich zum Kampf aufgefordert worden, es sei jedoch gesellschaftlicher Druck ausgeübt worden (siehe Einvernahmeprotokoll vom XXXX 2017, AS 61). Widersprüchlich hierzu behauptete die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung, dass sie fünf oder sechs Monate vor dem Angriff des IS auf XXXX von bewaffneten Kurden aufgefordert worden sei, sich der YPG anzuschließen (siehe oben zitierte Passage des Verhandlungsprotokolls). Das diesbezügliche Vorbringen einer bereits geschehenen persönlichen Aufforderung muss somit als ein gesteigertes gewertet werden. Davon, dass die Beschwerdeführerin bereits einmal zum Kampf für die kurdischen Milizen aufgefordert worden sein soll, kann daher nicht ausgegangen werden. Weiter besagen die relevanten Länderinformationen zu einer Rekrutierung von Frauen bzw. Mädchen durch die YPG einerseits, dass Frauen grundsätzlich freiwilligen Militärdienst in den kurdischen Einheiten leisten können, wobei es gleichzeitig Berichte von Zwangsrekrutierungen von Frauen gibt. Andererseits werden auch andere Quellen genannt, denen zufolge es keine Beweise für Zwangsrekrutierungen von Frauen durch die kurdischen Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) gibt, es jedoch einzelne Fälle der Zwangsrekrutierung von Frauen in kleineren lokalen kurdischen Milizen geben kann, die gegen den IS kämpfen. Dem widersprechen wiederum andere Quellen, denen zufolge es in mehreren Fällen zur Rekrutierung bzw. Zwangsrekrutierung minderjähriger Mädchen gekommen ist. Daraus ist zu folgern, dass anhand der Länderberichte eine Rekrutierungsgefahr von Frauen bzw. Mädchen wohl nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, für die Feststellung einer konkreten und systemisch drohenden Gefährdung der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Syrien aber die Informationen aus den Länderberichten nicht ausreichen. Eine daher entsprechend drohende Zwangsrekrutierung der Beschwerdeführerin durch die YPG/YPJ kann daher nicht festgestellt werden.

Syrisches Regime, illegale Ausreise, Asylantragstellung im Ausland, Wehrdienstverweigerung des Ehemanns und der Brüder: Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, der Beschwerdeführerin werde aufgrund ihrer Verwandtschaft zu ihrem Mann bzw. ihren in der Türkei befindlichen männlichen Verwandten, die Wehrdienstverweigerer seien, eine oppositionelle politische Gesinnung seitens der syrischen Regierung unterstellt, ist darauf hinzuweisen, dass hieraus keine konkret gegen sie gerichtete Bedrohung abgeleitet werden kann. Zwar ist den Länderfeststellungen zu entnehmen, dass es in der Vergangenheit Fälle gegeben hat, in denen Familienmitglieder von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren Vergeltungsmaßnahmen wie Unterdrucksetzung und Inhaftierung ausgesetzt waren, jedoch ist nicht anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin davon betroffen sein würde. Aus den Länderberichten ist nämlich ebenfalls abzulesen, dass dies insbesondere bei Familien von "high profile"-Deserteuren der Fall sein kann, also z.B. Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben. Hinweise hierzu, dass diese Situation auf die Familie der Beschwerdeführerin zutreffen würde, ergaben sich während des Verfahrens jedoch nicht.

Abgesehen davon muss erneut auf die aktuelle Kontrollsituation in der Herkunftsregion der Beschwerdeführerin verwiesen werden, die nur zu einem kleinen Teil durch syrische Regierungskräfte passiert. Der Rest der Herkunftsregion wird durch die kurdischen Einheiten kontrolliert.

Eine Gefährdung der Beschwerdeführerin durch die syrische Regierung aufgrund einer allfälligen Wehrdienstverweigerung ihres Ehemannes bzw. ihrer in der Türkei befindlichen Verwandten kann daher nicht festgestellt werden.

Bezüglich der vorgebrachten Befürchtungen im Zusammenhang mit der Asylantragstellung im Ausland ist anzumerken, dass syrische Staatsbürger_innen grundsätzlich Reisefreiheit genießen; sie können Syrien verlassen, wenn sie einen gültigen Reisepass besitzen und über einen funktionierenden Grenzübergang ausreisen. Dass die Beschwerdeführerin zu einer jener Bevölkerungsgruppen gehören würden, die eine Ausreisegenehmigung brauchen, brachte sie nicht vor und ergibt sich nicht aus dem Verwaltungsakt.

Im Falle der Rückkehr einer nicht rechtmäßig ausgereisten Person drohen Geld- und Haftstrafen, die insbesondere bei Nichtbenützen eines regulären Grenzüberganges bis zu zwei Jahre sein können. Auch wird regelmäßig von Verhaftungen von und Anklagen gegen Rückkehrer_innen gemäß der Anti-Terror-Gesetzgebung berichtet, wenn diesen Regimegegnerschaft unterstellt wird. Zu als oppositionell oder regierungsfeindlich angesehenen Personen gehören einigen Quellen zufolge unter anderem medizinisches Personal, insbesondere wenn die Person diese Tätigkeit in einem von der Regierung belagerten oppositionellen Gebiet ausgeführt hat, Aktivistinnen und Aktivisten sowie Journalisten und Journalistinnen, die sich mit ihrer Arbeit gegen die Regierung engagieren und diese offen kritisieren, oder Informationen oder Fotos von Geschehnissen in Syrien wie Angriffe der Regierung verbreitet haben, sowie allgemein Personen, die offene Kritik an der Regierung üben. Die Beschwerdeführerin fällt in keine dieser Risikogruppen, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass ihr eine gegen das Regime eingestellte Gesinnung unterstellt wird, da es keine Hinweise darauf gibt, dass sie bereits ins Blickfeld des Regimes geraten sein könnte.

Hierfür spricht auch, dass die Beschwerdeführerin selbst in der Einvernahme vor der belangten Behörde angab, nie von der syrischen Regierung bedroht worden zu sein (siehe AS 63). Auch erklärte die Beschwerdeführerin sowohl im Verfahren vor der belangten Behörde (siehe AS 59) als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX 2019 ausdrücklich, dass sie weder in Syrien noch in Österreich regimekritisch und oppositionell in Erscheinung getreten ist. Eine vom syrischen Regime ausgehende Bedrohung kann daher in Bezug auf die Beschwerdeführerin nicht festgestellt werden.

Die erkennende Richterin übersieht die Länderinformationen zur Situation in Syrien nicht, dass ein Charakteristikum des Bürgerkriegs in Syrien ist, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt. In Bezug auf die Beschwerdeführerin ergaben sich jedoch im Verfahren keine Hinweise darauf, dass diese allgemeinen Berichte und die darauf fußenden Möglichkeiten einer asylrelevanten Behandlung im gegenständlichen Falle auf die konkrete Situation der Beschwerdeführerin anzunehmen sind.

Türkische Offensive: Hinsichtlich einer zwar nicht vorgebrachten, aber dennoch zu prüfenden Bedrohung durch die Türkei bzw. ihre alliierten arabischen Milizen, ist erneut darauf aufmerksam zu machen, dass die Stadt Qamishli und ihre Umgebung zwar an der türkischen Grenze liegen, sich aber gänzlich in der Hand der PYD/YPG bzw. syrischer Regierungstruppen befindet. Abgesehen davon ergibt sich aus den Länderfeststellungen, dass das Ziel der türkischen Angriffe auf kurdisches Gebiet ist, die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) davon abzuhalten, ein autonomes Gebiet entlang der syrisch-türkischen Grenze zu errichten, und eine etwa 30 Kilometer tiefe Sicherheitszone einzurichten, um dort bis zu 3,5 Millionen syrische Flüchtlinge anzusiedeln. Zwar verstärkte die Türkei Mitte des Jahres 2019 ihre militärische Präsenz entlang der syrisch-türkischen Grenze und kündigte schon mehrmals ein militärisches Vorrücken östlich des Euphrats an, jedoch hat sich bisher an der Kontrolllage in der Herkunftsregion der Beschwerdeführerin (Qamishli und Umgebung) nichts geändert. Eine entsprechend hier zu prüfende Bedrohung durch türkische Truppen bzw. durch von der Türkei unterstützte arabische Einheiten wird daher nicht festgestellt.

"Westliche Orientierung": Bezüglich das in der Beschwerde angeführte Vorbringen einer "westlichen Orientierung" ist anzumerken, dass dieses Vorbringen bereits sehr vage und unkonkret blieb und sich bloß auf die fehlende Möglichkeit der Erlangung einer höheren Bildung bezog. Darüber hinaus geht bereits aus den Länderberichten hervor, dass die Position von Kurdinnen im von Kurden kontrollierten Gebiet ausgewogener ist, als jene von Araberinnen im vom Regime kontrollierten Syrien. Auch gab die Beschwerdeführerin selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX 2019 an, ihr Vater sei ein moderner und weltoffener Mann, der sie gemäß seiner Werte erzogen habe (siehe oben zitierte Passage des Verhandlungsprotokolls), weshalb eine entsprechende Bedrohung der Beschwerdeführerin zB auch seitens der Familie nicht angenommen werden kann. Eine Bedrohung aufgrund einer nicht näher spezifizierten "wesentlichen Orientierung" kann daher nicht festgestellt werden.

Alleinstehende Frau: Schließlich wurde ebenfalls in der Beschwerde vorgebracht, die Beschwerdeführerin unterliege als alleinstehende Frau in Syrien einer hier zu prüfenden Bedrohungslage. Dieser Einschätzung kann jedoch vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen, aus denen sich ergibt, dass die Situation von kurdischen Frauen in den kurdischen Gebieten in Bezug auf Unabhängigkeit, Bewegungsfreiheit und die Vormundschaftsgesetze der selbsternannten Autonomieregierung besser ist und Frauen und Männer etwa in der Regierung zu gleichen Teilen repräsentiert sind, nicht geteilt werden. Im November 2014 beschloss die Autonomieregierung ein Dekret, das die "Gleichheit zwischen Männern und Frauen in allen Sphären des öffentlichen und privaten Lebens" vorsieht. Demnach haben Frauen in den Augen des Gesetzes den gleichen Status wie Männer, auch zum Beispiel bezüglich Scheidung und Erbrecht. Polygamie, Ehrenmorde, Zwangsehen, Ehen von Minderjährigen und andere Formen von Gewalt gegen Frauen wurden verboten. Frauenkomitees, Frauenhäuser und Frauenzentren wurden eingerichtet, um Frauen zu schützen und zu vertreten, in den Themen Politik, Wirtschaft, Kultur und Recht weiterzubilden, und ihnen die Möglichkeit zu geben über familiäre und soziale Probleme zu sprechen und Lösungen zu finden.

Während an dieser Stelle nicht übersehen wird, dass der Bürgerkrieg in Syrien gerade auch für Frauen eine Verschlechterung ihrer Situation und erhöhte Risiken hervorgerufen hat, erlauben die Länderinformationen zur Situation in kurdisch kontrollierten Gebieten nicht die Annahme einer hier zu prüfenden Gefährdung der Beschwerdeführerin als alleinstehende Frau im Falle einer Rückkehr.

Schließlich soll an dieser Stelle auch die Länderinformation zu sexueller Gewalt nicht vernachlässigt werden, aus der hervorgeht, dass alle Arten von geschlechtsbezogener Gewalt in Syrien zugenommen haben. Dennoch muss im Lichte der sich für die Herkunftsregion der Beschwerdeführerin etwas anders darstellenden allgemeinen Situation der Frauen im von den Kurden kontrollierten Gebiet angenommen werden, dass die erforderliche Wahrscheinlichkeit einer entsprechenden Bedrohung für diese Herkunftsregion eben nicht angenommen werden kann.

2.4. Die Feststellungen zu 1.3. fußen auf dem Länderinformationsblatt Syrien, 13.05.2019, aktualisiert am 04.09.2019 und auf den folgenden Detailquellen:

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AA - Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018

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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak,

https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jord anien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf , Zugriff 13.12.2018

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Bellingcat (1.3.2019): Wrath of the Olives: Tracking the Afrin Insurgency Through Social Media, https://www.bellingcat.com/news/mena/2019/03/01/wrath-of-the-olives-tracking-the-afrin-

insurgencv-through-social-media/. Zugriff 8.3.2019

-

CIA - Central Intelligence Agency (3.4.2019): The World Factbook:

Syria - Military and Security,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/sy.html, Zugriff 6.4.2019

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CRS - Congressional Research Service (2.1.2019): Armed Conflict in Syria: OverView and U.S. Response, https://fas.org/sgp/crs/mideast/RL33487.pdf. Zugriff 7.3.2019

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DIS/DRC - Danish Immigration Service / Danish Refugee Council (2.2019): Security Situation in Damascus Province and Issues Regarding Return to Syria,

https://nyidanmark.dk/-/media/Files/US/Landerapporter/Syrien_FFM_rapport_2019_Final_31012019.pdf?la=da&hash=A4D0089B4FB64FC6E812AF6240757FC0097849AC, Zugriff 27.2.2019

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DP - Die Presse (24.1.2018): Türkische Offensive in Syrien: 260 "Extremiste

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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