TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/30 W221 2225590-1

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Veröffentlicht am 30.12.2019
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Entscheidungsdatum

30.12.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W221 2225594-1/4E

W221 2225587-1/4E

W221 2225591-1/4E

W221 2225588-1/4E

W221 2225590-1/4E

W221 2225585-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerden 1.) der XXXX , geb. XXXX , 2.) der mj. XXXX , geb. XXXX , 3.) der mj. XXXX , geb. XXXX , 4.) der mj. XXXX , geb. XXXX , 5.) der mj. XXXX , geb. XXXX , und 6.) der mj. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Syrien, gegen die Spruchpunkte I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 25.10.2019, Zlen. 1.) 1228082707-190440649, 2.) 1228083007-190440665, 3.) 1228082903-190440673, 4.) 1228082805-190440681 5.) 1228083105-190440657 und 6.) 1228083203-190440635 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerinnen stellten am 30.04.2019 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Erstbeschwerdeführerin statt. Dabei gab sie an, sie habe Syrien gemeinsam mit ihren Kindern, den minderjährigen Beschwerdeführerinnen im April XXXX legal über die Grenze zum Libanon verlassen. Befragt, warum sie ihren Herkunftsstaat verlassen habe, antwortete die Erstbeschwerdeführerin, dass in Syrien Krieg herrsche und es keine Sicherheit mehr gebe. Es fänden immer wieder Entführungen statt und sie habe sich Sorgen um ihre Töchter gemacht. Es seien viele Kinder entführt und Lösegeld verlangt worden. Sie wolle, dass ihre Kinder die Möglichkeit hätten zur Schule zu gehen, und dass ihre Zukunft gesichert sei. Weiter habe der sogenannte islamische Staat (IS) einen Teil ihrer Heimatstadt Al-Suweida eingenommen und mehrere ihrer Familienangehörigen getötet.

Am 09.07.2019 wurde die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Dabei gab sie an, der Volksgruppe der Drusen anzugehören und in Damaskus zwölf Jahre lang die Grundschule besucht sowie anschließend zwei Jahre Wirtschaft studiert zu haben. Nach ihrem Umzug nach Al-Suweida habe sie ein Kosmetikstudio betrieben. Ihr Ehemann habe eine Pizzeria betrieben, sei aber zurzeit arbeitslos. Ihr Ehemann und die Schwiegereltern, vier Schwestern sowie ein Bruder der Erstbeschwerdeführerin würden sich derzeit in Damaskus aufhalten. Eine Schwester und ein Bruder der Erstbeschwerdeführerin würden als Asylwerber in Österreich leben, ein weiterer Bruder befinde sich in den Niederlanden. Ihre Fluchtgründe würden auch für ihre Kinder, die minderjährigen Beschwerdeführerinnen, gelten. Zu ihren Fluchtgründen befragt, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie mit ihrer Familie ursprünglich in Al-Suweida gelebt habe, wobei es ihrer Familie wirtschaftlich gut gegangen sei. Ihre Familie besitze Wohnhäuser sowie GeschäftsIokale in Damaskus bzw. Al-Suweida, aus deren Vermietung Einkünfte bezogen würden. Im Jahr 2015 seien die Beschwerdeführerinnen gemeinsam mit ihrem Ehemann bzw. Vater in den Libanon und von dort nach Venezuela ausgereist. Jedoch seien sie im November des Jahres 2016 nach Syrien zurückgekehrt. Weder die Beschwerdeführerinnen, noch der in Syrien aufhältige Ehemann bzw. Vater seien von der syrischen Regierung verfolgt worden. Die Sicherheitslage in Al-Suweida sei jedoch immer schlechter geworden und ab Juli 2018 habe es Drohungen gegen Drusen gegeben. Zwar seien die Beschwerdeführerinnen nicht persönlich bedroht worden, es seien aber mehrere Nachbarn entführt worden. An der Schule der Zweitbeschwerdeführerin habe es weiters eine Bande gegeben, die Mädchen entführen habe wollen und auch einen Lehrer attackiert habe. Auch habe es Teile der Stadt Al-Suweida gegeben, die vom IS bzw. der Al Nusra-Front eingenommen worden seien, und in denen Frauen entführt bzw. misshandelt worden seien, weil sie sich geweigert hätten einen Schleier zu tragen. Die Erstbeschwerdeführerin sei nie davon betroffen gewesen, habe sich jedoch kaum noch außer Haus getraut. Insbesondere drusische Frauen seien in ständiger Gefahr, da diese von den Milizen als Ungläubige betrachtet würden. Darüber hinaus sei es im Juli 2019 nahe Al-Suweida zu einem Bombenanschlag mit vielen Toten gekommen. Schließlich brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, es habe ein persönliches Problem zwischen ihrem Ehemann und einem entfernten Verwandten gegeben, der gedroht habe eine ihrer Töchter zu entführen.

Mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 25.10.2019, zugestellt am 29.10.2019, wurden die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihnen gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Syrien, stellte die Identität der Beschwerdeführerinnen fest und begründete in den angefochtenen Bescheiden die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerinnen keine individuellen Fluchtgründe gelten gemacht hätten und ihnen auch keine individuelle Verfolgung drohe.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 25.10.2019 wurde den Beschwerdeführerinnen gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Gegen die oben genannten Bescheide wurden fristgerecht Beschwerden erhoben. In diesen wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Sicherheitslage in Al-Suweida derartig verschlechtert habe, dass ein Leben dort nicht mehr zumutbar sei. Es seien Drohungen gegen die religiöse Minderheit der Drusen ausgesprochen worden. Diese würden von strenggläubigen Sunniten als Ungläubige angesehen und würden Opfer von Verfolgungshandlungen vorrückender islamistischer Kampfverbände, insbesondere der Al Nusra-Front (nunmehr: Jabhat Fatah al-Sham). Auch komme es im Norden des Landes immer wieder zu Bomben- und Selbstmordattentaten auf Drusen und Schiiten. Es sei den Beschwerden daher stattzugeben und den Beschwerdeführerinnen Asyl zu erteilen.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 20.11.2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerinnen:

Die Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige von Syrien und gehören der Volksgruppe der Araber an. Sie sind drusischen Glaubens. Ihre Identitäten stehen fest. Die Beschwerdeführerinnen stammen aus Al-Suweida.

Die fünf minderjährigen Beschwerdeführerinnen sind die Töchter der Erstbeschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführerinnen sind im Jahr 2015 gemeinsam mit ihrem Ehemann bzw. Vater nach Venezuela ausgereist, um dort ein Restaurant zu eröffnen. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage sind sie jedoch im November 2016 wieder nach Syrien zurückgekehrt.

Die Erstbeschwerdeführerin hat in Syrien die Schule besucht und diese mit Matura abgeschlossen. Im Oktober 2018 begann sie ihr Wirtschaftsstudium. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie als selbständige Kosmetikerin. Diese Arbeit führte sie bis einen Monat vor ihrer Ausreise aus.

Die Beschwerdeführerinnen reisten legal mit ihren syrischen Reisepässen im April XXXX aus Syrien in den Libanon aus, reisten illegal nach Österreich ein und stellten am 30.04.2019 Anträge auf internationalen Schutz.

Der Ehemann, die Mutter, vier Schwestern sowie ein Bruder der Erstbeschwerdeführerin leben noch in Damaskus. Der Ehemann bezieht Einkünfte aus der Vermietung zweier Büros in Al-Suweida und einer Wohnung in Damaskus.

Ein Bruder der Erstbeschwerdeführerin hat in Österreich aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung Asyl erhalten.

Eine Schwester der Erstbeschwerdeführerin lebt als Asylwerberin in Österreich, ein Bruder befindet sich in den Niederlanden.

Festgestellt wird, dass Al-Suweida derzeit unter Kontrolle der syrischen Regierung steht und auch vor der Ausreise der Beschwerdeführerinnen stand.

Die Beschwerdeführerinnen haben Syrien wegen des Krieges und der schlechten Sicherheitslage verlassen und aus diesem Grund subsidiären Schutz in Österreich erhalten.

Die Erstbeschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

"Politische Lage

[...]

Südsyrien

Mit 19. Juni 2018 startete die syrische Regierung eine Offensive zur Rückeroberung der Provinzen Quneitra und Dara'a im Süden Syriens. In der Provinzhauptstadt Dara'a waren 2011 die ersten Proteste gegen das Assad-Regime ausgebrochen. Im Juli 2017 wurde dort eine sogenannte Deeskalationszone eingerichtet (DS 5.7.2018). Die beiden Provinzen wurden durch die Regierung zurückerobert und Ende Juli 2018 wurden auch die letzten Dörfer. die sich noch unter Kontrolle einer mit dem sogenannten Islamischen Staat (IS) in Verbindung stehenden Gruppierung befanden, erobert. Die meisten dieser Städte und Dörfer kapitulierten unter sogenannten Versöhnungsabkommen, wobei Kämpfern und Zivilisten die Möglichkeit gegeben wurde, in von oppositionellen Gruppen kontrollierte Gebiete im Norden Syriens zu ziehen (TG 31.7.2018). In al- Suweida im Süden Syriens wurde im Juli 2018 ein Terroranschlag durch den IS verübt, bei dem fast 250 Menschen getötet wurden, die meisten von ihnen Drusen (ORF 31.7.2018). Daraufhin starteten regierungstreue Milizen eine erneute Offensive, um den IS aus der Gegend zu vertreiben. Durch Siege und Evakuierungen konnten die regierungstreuen Einheiten ihre Kontrolle festigen (UNHRC 31.1.2019). Insbesondere in der Region Dara'a kommt es immer wieder zu lokal begrenzten Auseinandersetzungen zwischen der syrischen Armee und Angehörigen von Rebellengruppen, mit denen "Versöhnungsabkommen" geschlossen wurden. Auch der IS ist in der Region aktiv; Ende Juli kam es zu einem Selbstmordanschlag auf eine Einheit der syrischen Armee, der mehrere Tote forderte (ÖB 7.2019).

In Dara'a kam es außerdem einer internationalen Sicherheitsorganisation zufolge zu zahlreichen zivilen Opfern durch Blindgänger, daher führen dort Einheiten der syrischen Regierung Entminungen durch (DIS/DRC 2.2019).

Mit der Rückeroberung der Gebiete in Südsyrien erlangte die syrische Regierung außerdem die Kontrolle über die syrisch-jordanische Grenze zurück (ISW 15.7.2018).

Quellen:

-

DIS/DRC - Danish Immigration Service / Danish Refugee Council (2.2019): Security Situation in Damascus Province and Issues Regarding Return to Syria,

https://nyidanmark.dk/-/media/Files/US/Landerapporter/Syrien_FFM_rapport_2019_Final_31012019.pdf?la=da&hash=A4D0089B4FB64FC6E812AF6240757FC0097849AC. Zugriff 27.2.2019

-

DS - Der Standard [Harrer, Gudrun] (5.7.2018): Assad wird wieder zum Nachbar Israels,

https://derstandard.at/2000082904700/Assad-wird-wieder-zum-Nachbarn-Israels. Zugriff 7.3.2019

-

ISW - Institute for the Study of War (15.7.2018): Syria Situation Report: June 29 - July 12, 2018, http://iswresearch.blogspot.com/2018/07/syria-situation-report-june-29-july-12.htm l, Zugriff 7.3.2019

-

ORF - Österreichischer Rundfunk (31.7.2018): Syrische Drusen zwischen den Fronten, https:// religion.orf.at/stories/2927453/. Zugriff 11.3.2019

-

ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus (7.2019):

Asylländerbericht Syrien 2019,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2014213/SYRI_ÖB+Bericht_2019_07.pdf. Zugriff 19.8.2019

-

TG - The Guardian (31.7.2018): Syrian government forces seal victory in southern territories, https://www.theguardian.com/world/2018/jul/31/syrian-government-forces-seal-victory-in-southern-territories, Zugriff 7.3.2019

-

UNHRC - United Nations Human Rights Council (31.1.2019): Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic [A/HRC/40/70],

https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/CoISyria/A_HRC_40_70.pdf. Zugriff 11.3.2019

[...]

Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst

Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von 18 oder 21 Monaten gesetzlich verpflichtend. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines freiwilligen Militärdienstes. Frauen können ebenfalls freiwillig Militärdienst leisten (CIA 3.4.2019; vgl. AA 13.11.2018, FIS 14.12.2018). Palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht, dienen jedoch in der Regel in der Palestinian Liberation Army (PLA) unter palästinensischen Offizieren. Diese ist jedoch de facto ein Teil der syrischen Armee (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018).

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Vor dem Ausbruch des Konflikts bestand der Reservedienst im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der Fähigkeiten, und die Regierung berief Reservisten nur selten ein. Seit 2011 hat sich das jedoch geändert. Es liegen außerdem einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden wieder zum aktiven Dienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird. Männer können ihren Dienst-/Reservedienststatus bei der Militärbehörde überprüfen. Die meisten tun dies jedoch nur auf informellem Weg, um zu vermeiden, sofort rekrutiert zu werden (BFA 8.2017).

Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (BFA 8.2017).

Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (TIMEP 6.12.2018).

Aktuell ist ein "Herausfiltern" von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints weit verbreitet. In der Praxis wurde die Altersgrenze erhöht und auch Männer in ihren späten 40ern und frühen 50ern sind gezwungen Wehr-/Reservedienst zu leisten. Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab, als vom allgemeinen Gesetz. Dem Experten zufolge würden jedoch jüngere Männer genauer überwacht, ältere könnten leichter der Rekrutierung entgehen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht (FIS 14.12.2018).

Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis 27 ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise nach oben angehoben, sodass auch Männer bis zu einem Alter von 55 Jahren eingezogen wurden, bzw. Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen können. Ebenso wurden seit Ausbruch des Konflikts aktive Soldaten auch nach Erfüllung der Wehrpflicht nicht aus dem Wehrdienst entlassen (ÖB 7.2019).

Die Militärpolizei verhaftet in Gebieten unter der Kontrolle der Regierung junge Männer, die für den Wehrdienst gesucht werden. Nachdem die meisten fixen Sicherheitsbarrieren innerhalb der Städte aufgelöst wurden, patrouilliert nun die Militärpolizei durch die Straßen. Diese Patrouillen stoppen junge Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln und durchsuchen Wohnungen von gesuchten Personen (SHRC 24.1.2019). Es gab in der Vergangenheit Fälle, in denen Familienmitglieder von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren Vergeltungsmaßnahmen wie Unterdrucksetzung und Inhaftierung ausgesetzt waren (TIMEP 6.12.2018).

Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten haben und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, aber auch nicht aus etwaigen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann basierend auf einem Beschluss des Finanzministers das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vgl. SLJ 10.11.2017, PAR 15.11.2017).

Quellen:

-

AA - Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertigesamt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018

-

BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak,

https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 13.12.2018

-

CIA - Central Intelligence Agency (3.4.2019): The World Factbook:

Syria - Military and Security,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/sy.html. Zugriff 6.4.2019

-

FIS - Finnish Immigration Service (14.12.2018): Syria:

Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Factfinding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf. Zugriff 1.2.2019

-

ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus (7.2019):

Asylländerbericht Syrien 2019,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2014213/SYRI_ÖB+Bericht_2019_07.pdf. Zugriff 19.8.2019

-

PAR - Webseite des Parlaments der Arabischen Republik Syrien (15.11.2017): /35/ ^ij jjjläJII2007/ ^l*J /30/ (vij j^l^JI pl*JIhttp://parliament.gov.sy/arabic/index.php?node=201 &nid=18681&RID=-1&Last=10262&First=0&CurrentPage=0&Vld=-1&Mode=&Service=- 1 &Loc1 =&Key1 =&SDate=&EDate=&Year=&Country=&Num=&Dep=-1 &, Zugriff 7.12.2017

-

SANA - Syrian Arab News Agency (8.11.2017): jj- Ja jl*ii jjjli ßj. ^*^JläJj ä^aUJI sJjjj äJjaJI ^UJl J-^Jl ^jj j^Ij iuJjNi i. ojl'xill http://www.sana.sy/?p=656572, Zugriff 15.1.2019

-

SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018, http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf. Zugriff 31.1.2019

-

SLJ - Syrian Law Journal [Twitter] (10.11.2017): Kurznachricht vom 10.11.2017 08:37,

https://twitter.com/syrian_law/status/929025146429624320. Zugriff 15.1.2019

-

TIMEP - The Tahrir Institute for Middle East Policy (6.12.2018):

TIMEP Brief: Legislative Decree No. 18: Military Service Amnesty. https://timep.org/wp-content/uploads/2018/12/LegislativeDecree18SyriaLawBrief2018-FINAL12-6-18a.pdf. Zugriff 19.2.2019

[...]

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Im Verlauf des syrischen Bürgerkrieges verlor die syrische Armee viele Männer aufgrund von Wehrdienstverweigerung, Desertion, Überlaufen und zahlreichen Todesfällen (TIMEP 6.12.2018).

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft (AA 13.11.2018). Bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während manche die Ergreifung eines Wehrdienstverweigerers mit Foltergarantie und Todesurteil gleichsetzen, sagen andere, dass Betroffene sofort eingezogen würden. Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab (Landinfo 3.1.2018).

Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen (BFA 8.2017).

Zwischen der letzten Hälfte des Jahres 2011 bis zum Beginn des Jahres 2013 desertierten zehntausende Soldaten und Offiziere, flohen oder schlossen sich bewaffneten aufständischen Einheiten an. Seit der zweiten Hälfte des Jahres 2013 sind jedoch nur wenige Fälle von Desertion bekannt (Landinfo 3.1.2018).

Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (sogenannte "externe Desertion"), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (BFA 8.2017).

Deserteure werden härter bestraft als Wehrdienstverweigerer. Deserteure riskieren, inhaftiert, gefoltert und getötet zu werden. Repressalien gegenüber Familienmitgliedern können insbesondere bei Familien von "high profile"-Deserteuren der Fall sein, also z.B. Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet haben oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben (Landinfo 3.1.2018).

Seit Ausbruch des Syrienkonflikts werden syrische Armeeangehörige erschossen, gefoltert, geschlagen und inhaftiert, wenn sie Befehle nicht befolgen (AA 13.11.2018).

In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle der syrischen Regierung gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bezüglich des Wehrdienstes getroffen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt, sondern stattdessen bei der Polizei eingesetzt werden (BFA 8.2017). Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch in den "versöhnten Gebieten" sind Männer im entsprechenden Alter also mit der Wehrpflicht oder mit der Rekrutierung durch regimetreue bewaffnete Gruppen konfrontiert. In manchen dieser Gebiete drohte die Regierung auch, dass die Bevölkerung keinen Zugang zu humanitärer Hilfe erhält, wenn diese nicht die Regierungseinheiten unterstützt (FIS 14.12.2018).

Quellen:

-

AA - Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598 1542722823 auswaertigesamt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018

-

BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak,

https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf.

Zugriff 13.12.2018

-

FIS - Finnish Immigration Service (14.12.2018): Syria:

Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Factfinding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf, Zugriff 1.2.2019

-

Landinfo (3.1.2018): Syria: Reactions against deserters and draft evaders,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1441219/1226_1534943446_landinfo-report-syria-reactions-against-deserters-and-draft-evaders.pdf, Zugriff 20.2.2019

-

TIMEP - The Tahrir Institute for Middle East Policy (6.12.2018):

TIMEP Brief: Legislative Decree No. 18: Military Service Amnesty, https://timep.org/wp-content/uploads/2018/12/LegislativeDecree18SyriaLawBrief2018-FINAL12-6-18a.pdf, Zugriff 19.2.2019

Ethnische und religiöse Minderheiten

Die anhaltende Vertreibung der syrischen Bevölkerung führt zu einem gewissen Grad an Unsicherheit in den demographischen Daten. Schätzungen der US-Regierung zufolge dürften die Sunniten 74% der Bevölkerung stellen, wobei diese sich unter anderem aus arabischen, kurdischen, tscherkessischen, tschetschenischen und turkmenischen Bevölkerungsanteilen zusammensetzen. Andere muslimische Gruppen, einschließlich Alawiten, Ismailiten und Zwölfer Schiiten machen zusammen 13% aus, die Drusen 3%. Verschiedene christliche Gruppen bilden die verbleibenden 10% (USDOS 21.6.2019; vgl. MRG 5.2018a, AA 2.2018, CIA 11.2.2019). Laut Medien- und anderen Berichten ist davon auszugehen, dass viele Christen aufgrund des Bürgerkrieges das Land verließen, und die Zahl nun bedeutend geringer ist. Vor dem Bürgerkrieg gab es in Syrien ungefähr 80.000 Jeziden (USDOS 21.6.2019).

Die alawitische Gemeinde, zu der Bashar al-Assad gehört, genießt einen privilegierten Status in der Regierung und dominiert auch den staatlichen Sicherheitsapparat und das Militär (USDOS 13.3.2019).

In Bezug auf die ethnische Zugehörigkeit besteht die syrische Bevölkerung zum Großteil aus Arabern (Syrer, Palästinenser, Iraker). Ethnische Minderheiten sind Kurden, Armenier, Turkmenen und Tscherkessen (AA 2.2018; vgl. MRG 5.2018a).

Religiöse bzw. interkonfessionelle Faktoren spielen auf allen Seiten des Konfliktes eine Rolle, doch fließen auch andere Faktoren im Kampf um die politische Vormachtstellung mit ein. Die Gewalt von Seiten der Regierung gegen Oppositionsgruppen aber auch Zivilisten weist sowohl interkonfessionelle Elemente als auch Elemente ohne interkonfessionellen Bezug auf. Beobachtern zufolge ist die Vorgehensweise der Regierung gegen Oppositionellengruppen, welche die Vormachtstellung der Regierung bedrohen, nicht in erster Linie konfessionell motiviert, doch zeige sie interkonfessionelle Auswirkungen. So versucht die syrische Regierung konfessionell motivierte Unterstützung zu gewinnen, indem sie sich als Beschützerin der religiösen Minderheiten vor sunnitisch-extremistischen Gruppen darstellt, während sie aber gleichzeitig auch radikale sunnitische Gruppen unterstützt und Religionsgemeinschaften kontrolliert. Manche Rebellengruppen bezeichnen sich in Statements und Veröffentlichungen explizit als sunnitische Araber oder sunnitische Islamisten und haben eine fast ausschließlich sunnitische Unterstützerbasis. Dies gibt dem Vorgehen der Regierung gegen oppositionelle Gruppen auch ein konfessionelles Element. Der Einsatz von schiitischen Kämpfern, z.B. aus Afghanistan, um gegen die mehrheitlich sunnitische Opposition vorzugehen, verstärkt zusätzlich die konfessionellen Spannungen. Laut Experten stellt die Regierung die bewaffnete Opposition auch als religiös motiviert dar, indem sie diese mit extremistischen islamistischen Gruppen und Terroristen in Zusammenhang setzt, welche die religiösen Minderheiten sowie die säkulare Regierung eliminieren wollen (USDOS 21.6.2019).

Dies führte dazu, dass manche Führer religiöser Minderheitengruppen der Regierung Präsident Assads ihre Unterstützung aussprechen, da sie diese als ihren Beschützer gegen gewalttätige sunnitisch-arabische Extremisten sehen (USDOS 21.6.2019; vgl. USCIRF 4.2019, FA 27.7.2017). Die Minderheiten sind in ihrer Einstellung der syrischen Regierung gegenüber allerdings gespalten. Auch die Alawiten sind in ihrer Unterstützung bzw. Ablehnung der syrischen Regierung nicht geeint. Manche Mitglieder der Minderheiten sehen die Regierung als Beschützer, andere sehen einen Versuch der Regierung die Minderheiten auszunutzen, um die eigene Legitimität zu stärken, indem zum Beispiel konfessionell motivierte Propaganda verbreitet, und so die Ängste der Minderheiten geschürt werden und deren empfundene Vulnerabilität vertieft wird (MRG 5.2018b). So werden Berichten zufolge auch alawitische oppositionelle Aktivisten Opfer von willkürlichen Verhaftungen, Folter und Mord durch die Regierung (USDOS 13.3.2019).

Alawitische Gemeinden und schiitische Minderheiten werden aufgrund ihrer wahrgenommenen Unterstützung des Regimes außerdem zu Opfern von Angriffen durch aufständische extremistische Gruppen (MRG 5.2018b). Sunnitische Araber sehen viele der syrischen Christen, Alawiten und schiitischen Muslime aufgrund ihrer fehlenden Unterstützung oder Neutralität gegenüber der syrischen Revolution als mit der syrischen Regierung verbündet an (USCIRF 26.4.2017).

In den unter Kontrolle des sogenannten Islamischen Staates (IS) oder der Gruppierung Hay'at Tahrir al-Sham (HTS) stehenden Gebieten wurden Schiiten, Alawiten, Christen und andere Minderheiten sowie auch Sunniten, die gegen deren strikte Auslegung des Islam verstießen, Zielscheibe von Tötung, Entführung, Verhaftung oder Misshandlung. Christen wurden gezwungen eine Schutzsteuer zu zahlen, zu konvertieren oder liefen Gefahr getötet zu werden. Der IS entführte tausende großteils jezidische aber auch christliche und turkmenische Frauen und Mädchen im Irak und verschleppte sie nach Syrien, wo sie als Sexsklavinnen verkauft und als Kriegsbeute an IS-Kämpfer verteilt wurden. Durch die Zurückdrängung des IS wurde dessen Herrschaft über Teile der Bevölkerung beendet und seine Möglichkeit religiöse Minderheiten zu unterdrücken und Gewalt auszusetzen, eingedämmt. Allerdings agiert er weiter als aufständische Gruppe und zielt als solche weiterhin mit Angriffen auch gegen Mitglieder religiöser Gruppen (USDOS 21.6.2019).

Im Jahr 2011, kurz vor Beginn des syrischen Bürgerkriegs, lebten in Syrien zwischen zwei und drei Millionen Kurden. Damit stellten sie etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Die Lebensumstände waren für die Kurden in Syrien lange Zeit noch kritischer als in der Türkei und im Iran. Ein Grund dafür war die brutale Repression aller oppositionellen Bestrebungen durch das Regime. Das Ergebnis waren sehr weitgehende Diskriminierungen. Im Nachgang einer Volkszählung im Jahr 1962 wurde rund 120.000 Kurden die syrische Staatsangehörigkeit aberkannt. Sie und ihre Nachfahren galten den syrischen Behörden seither als geduldete Staatenlose. Die Zahl dieser Ausgebürgerten, die wiederum in registrierte (ajanib) und unregistrierte (maktumin) Staatenlose unterteilt wurden, dürfte 2011 bei über 300.000 gelegen haben. Als im März 2004 im kurdischen Nordosten Unruhen ausbrachen, deren Wellen bis in kurdischen Viertel von Damaskus reichten, wurden sie brutal niedergeschlagen. Die schweren Diskriminierungen, die alle Kurden im Nordosten trafen, blieben bis 2012 bestehen. So durfte in den Schulen und Universitäten nicht in kurdischer Sprache gelehrt werden und kurdische Publikationen waren verboten (SWP 4.1.2019). Die fehlende Präsenz der syrischen Regierung in den kurdischen Gebieten in den Anfangsjahren des Konfliktes verlieh den Kurden mehr Freiheiten, wodurch zum Beispiel die kurdische Sprache an Schulen unterrichtet werden konnte. Die syrische Regierung erkennt die Legitimation der föderalen kurdischen Gebiete jedoch nicht an (MRG 3.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (2.2018): Syrien - Überblick, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Laender/Syrien.html, Zugriff 20.2.2019

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Syria - People and Society,

https://www.cia.gov/librarv/publications/the-world-factbook/geos/sv.html. Zugriff 21.2.2019

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FA - Foreign Affairs (27.7.2017): The Problem With Syria's Demographics,

https://www.foreignaffairs.com/articles/syria/2017-07-27/problem-syrias-demographics. Zugriff 13.12.2018

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MRG - Minority Rights Group International (5.2018b): Syria - Current Issues, https://minoritvrights.org/countrv/svria/. Zugriff 20.2.2019

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.1.2019): Kurden unter Druck: Die Folgen des US-Truppenabzugs für den PKK-Ableger in Syrien,

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USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (4.2018): United States Commission on International Religious Freedom 2018 Annual Report; Country Reports: USCIRF Recommended Countries of Particular Concern (CPC): Syria, https://www.ecoi.net/en/ file/local/1435660/1226 1529394927 tier1-syria.pdf, Zugriff 20.2.2019

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USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (4.2019): United States Commission on International Religious Freedom 2019 Annual Report; Country Reports: USCIRF Recommended Countries of Particular Concern (CPC): Syria, https://www.ecoi.net/en/ file/local/2008202/Tier1 SYRIA 2019.pdf, Zugriff 27.5.2019

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USDOS - United States Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2004226.html, Zugriff 19.3.2019

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USDOS - United States Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2011033.html, Zugriff 3.7.2019

Frauen

Frauen in Syrien haben eine relativ lange Historie der Emanzipation. Vor dem Konflikt war Syrien eines der vergleichsweise fortschrittlicheren Länder der Arabischen Welt in Bezug auf Frauenrechte (BFA 8.2017). Dennoch werden Frauen - teilweise aufgrund der Interpretationen der religiösen Gesetze - von verschiedenen Teilen des Familien- und Strafrechts und der Gesetze zu Personenstand, Arbeit, Erbschaft, Pensionierung, sozialer Sicherheit und Staatsbürgerschaft, diskriminiert (USDOS 13.3.2019).

Die Situation von Frauen verschlechterte sich durch den andauernden Konflikt dramatisch. Da Frauen immer wieder Opfer unterschiedlicher Gewalthandlungen der verschiedenen Konfliktparteien werden, zögern Familien, Frauen und Mädchen das Verlassen des Hauses zu erlauben. Sie nehmen diese aus der Schule, was zur Minderung der Rolle von Frauen und zu ihrer Isolation in der Gesellschaft führt (BFA 8.2017). Vor dem Konflikt nahmen 13% der Frauen am Arbeitsmarkt teil, verglichen mit 73% der Männer. Die Teilhabe sowohl von Männern als auch Frauen am Arbeitsmarkt hat durch Gewalt und Unsicherheit abgenommen. Zuletzt ist in einigen Gebieten, wie in Damaskus, Raqqa und Dara'a, die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt gezwungenermaßen wieder gestiegen, da viele Männer ihre Familien derzeit nicht unterstützen können (USDOS 13.3.2019).

Außerhalb der Gebiete, die unter der Kontrolle des Regimes stehen, unterscheiden sich die Bedingungen für Frauen sehr stark voneinander. Sie reichen von sexueller Versklavung und erdrückenden Kleidungsvorschriften in Gebieten unter Kontrolle von Extremisten einerseits, bis hin zu formaler Gleichberechtigung in den Gebieten unter Kontrolle der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD), wo Regierungssitze immer von einer Frau und einem Mann besetzt sind (FH 1.2018). In jenen oppositionellen Gebieten, welche von radikal-islamistischen Gruppen kontrolliert werden, sind Frauen besonders eingeschränkt. Es ist schwer für sie, für einfache Erledigungen das Haus zu verlassen. Die Situation hängt jedoch von der Region ab (BFA 8.2017).

Extremistische Gruppierungen wie der sogenannte Islamische Staat (IS) oder Hay'at Tahrir al- Sham (HTS) setzen Frauen in den von ihnen kontrollierten Gebieten diskriminierenden Beschränkungen aus. Solche Beschränkungen sind z.B. strikte Kleidervorschriften, Einschränkungen bei der Teilnahme am öffentlichen Leben, bei der Bewegungsfreiheit und beim Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt (USDOS 13.3.2019, MRG 5.2018). Generell wird die Lage junger unverheirateter Frauen in Syrien allgemein, im Speziellen jedoch in den von radikal- islamistischen Gruppierungen kontrollierten Gebieten, als prekär bezeichnet (BFA 8.2017).

Sexuelle Gewalt

Mit keiner oder nur schwacher Rechtsdurchsetzung und begrenztem effektiven Schutz in diesem Bereich haben alle Arten von Gewalt gegen Frauen an Verbreitung und Intensität zugenommen, darunter Versklavung, Zwangsheirat mit Vertretern bewaffneter Gruppen, häusliche Gewalt und Vergewaltigung (WB 6.2.2019). Vergewaltigungen sin

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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