TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/2 W211 2217705-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.01.2020
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Entscheidungsdatum

02.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W211 2217705-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA: Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigten bis zum 02.01.2021 erteilt.

III. Die Spruchpunkte III. bis VI. werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Somalias, stellte am

XXXX 2016 einen auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei seiner Erstbefragung am XXXX 2016 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er zusammengefasst an, in Bosasso geboren worden zu sein, den Madhiban anzugehören und über Äthiopien, den Sudan und Libyen Richtung Europa gereist zu sein. Somalia habe der Beschwerdeführer wegen des Krieges und der Al Shabaab verlassen sowie, weil es dort keine richtige Ausbildung gebe.

3. Bei der Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX 2018 führte er zusammengefasst aus, aus Gobweyn zu stammen, wo seine Eltern und sieben Geschwister leben würden. Durch Bosasso sei er nur durchgereist. Er habe wegen seiner Volksgruppe Probleme gehabt. Er sei über den Jemen in den Sudan und dann weiter nach Libyen gereist. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass er im Dezember 2014 beim Fußballspielen von Al Shabaab angesprochen worden sei. Er sei dann in ein Camp gekommen. Nach drei Tagen Training habe er auf einen Mann schießen müssen. Eine Woche später, an einem Freitag, sei er weggelaufen und zu seiner Mutter zurückgekehrt. Diese habe ihm gesagt, dass jener Mann, auf den er geschossen habe, verstorben sei. Die Behörde würde den Beschwerdeführer suchen. Wegen seiner Volksgruppe sei er zwar beschimpft, aber nicht verfolgt worden.

4. Die belangte Behörde leitete eine Sachverhaltsmitteilung an das BKA bzw. LKA Wien weiter, woraufhin der Beschwerdeführer am XXXX 2018 durch das LKA Wien einer Beschuldigtenvernehmung unterzogen wurde. Dabei gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, aus Gobweyn zu stammen; er wurde weiter nach dem Training bei Al Shabaab und der Tötung jenes Mannes befragt. Der Beschwerdeführer meinte unter anderem, er wisse nicht, ob jene Person wirklich getötet worden sei; die Übersetzung der Dolmetscherin bei der belangten Behörde dürfte da nicht richtig gewesen sein.

5. Die Vertretung des Beschwerdeführers brachte am XXXX 2018 eine schriftliche Stellungnahme ein, wonach in Bezug auf die Unstimmigkeiten des Vorbringens die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers zu berücksichtigen sei, die Al Shabaab dem Beschwerdeführer eine politische Gesinnung unterstellen würde, und außerdem in Somalia eine schlechte Versorgungslage herrschen würde.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ab (Spruchpunkt I.), den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.) und sprach aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.). Die belangte Behörde stellte weder die Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers noch seine Herkunftsregion in Somalia fest.

7. Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig eine Beschwerde eingebracht.

8. Am XXXX 2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seiner Vertretung sowie einer Vertretung der belangten Behörde eine mündliche Verhandlung durch. In der Verhandlung wurden Berichte zur aktuellen Versorgungslage in Somalia eingebracht, zu welchen schriftlich am XXXX 2019 Stellung genommen wurde.

9. Schließlich wurde zum aktualisierten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom XXXX 2019 ein Parteiengehör eingeräumt und dazu seitens der Vertretung des Beschwerdeführers am XXXX 2019 eine Stellungnahme eingebracht.

1. Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Somalias, der am XXXX 2016 den gegenständlichen, Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.

Der Beschwerdeführer stammt aus Bosasso in der Region Bari, Puntland, ist ledig, kinderlos und gehört dem Clan der Madhiban an.

Der Beschwerdeführer verfügt noch über seine Eltern und sieben Geschwister. Mit seinen Verwandten in Somalia hat der Beschwerdeführer zur Zeit keinen Kontakt.

Es wird keine Feststellung zur Schulausbildung des Beschwerdeführers in Somalia getroffen.

Der Beschwerdeführer leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung; er ist darüber hinaus gesund.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen:

Eine Gefährdung des Beschwerdeführers durch die Al Shabaab wird nicht festgestellt.

Ebenso wenig wird eine Gefährdung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den Madhiban festgestellt.

1.3. Zum Abschiebehindernis:

In der Herkunftsregion des Beschwerdeführers herrscht eine Dürre. Die Region ist in den verfügbaren Informationen und Karten zum Thema "projected food security outcomes" als IPC 2 -3 - stressed - crisis - vermerkt.

1.4. Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderberichten wiedergegeben:

a) Länderinformationsblatt Staatendokumentation, Somalia 17.09.2019 (Auszüge):

Puntland

Puntland ist eine relativ friedliche Region Somalias (VOA 8.1.2019). Die puntländische Regierung übt über das ihr unterstehende Gebiet die Kontrolle aus (USDOS 13.3.2019, S.1), und die Lage ist dort stabiler als in Süd-/Zentralsomalia (AA 5.3.2019b; vgl. LIFOS 3.7.2019, S.34). Es gibt im Land keine relevanten größeren Streitpunkte, und nur sporadisch werden Konflikte bewaffnet ausgetragenen (LIFOS 3.7.2019, S.34; vgl. BFA 8.2017, S.86). Stammesmilizen spielen eine untergeordnete Rolle (AA 4.3.2019, S.5). Die wichtigsten Clans sind in das staatliche Gefüge Puntlands eingebunden (LIFOS 3.7.2019, S.36).

Allerdings sind die Grenzen im Süden und Nordwesten nicht klar definiert. Dies führt immer wieder zu kleineren Scharmützeln, im Süden - v.a. um die Stadt Galkacyo - auch zu schwereren gewaltsamen Auseinandersetzungen (AA 4.3.2019, S.5/16).

In Garoowe gibt es kaum nennenswerte Vorfälle (LIFOS 3.7.2019, S.34), die Stadt wird als nahezu frei von al Shabaab beschrieben (BMLV 3.9.2019).

Al Shabaab ist weiterhin in Puntland aktiv (UNSC 21.12.2018, S.3). Al Shabaab kontrolliert in Puntland keine relevanten Gebiete, sondern ist nur in wenigen, schwer zugänglichen Bergregionen mit Lagern vertreten - namentlich im Gebiet der Galgala-Berge (AA 4.3.2019, S.5; vgl. LI 21.5.2019a, S.1). Es gibt Hinweise, wonach al Shabaab diese verstärkt hat (SEMG 9.11.2018, S.22). Von dort aus unternimmt die Gruppe - meist kleinere - Operationen ins Umland. Manchmal sickern Insurgenten nach Bossaso ein, wo sie in gewissem Ausmaß auch tatsächlich eine Bedrohung darstellen, und wo es ständig v. a. zu kleineren Anschlägen kommt (BFA 8.2017, S.92; vgl. LIFOS 3.7.2019, S.34). Auch Galkacyo ist davon betroffen. In beiden Städten treibt al Shabaab auch Steuern ein (LIFOS 3.7.2019, S.34f).

Al Shabaab verfügt in Puntland über finanzielle Netzwerke sowie über Möglichkeiten zur Rekrutierung, Propaganda und Indoktrination. Generell ist die al Shabaab in Puntland aber mangels Ressourcen in ihren Aktivitäten eingeschränkt (BFA 8.2017, S.92f; vgl. BMLV 3.9.2019).

Wehrdienst und Rekrutierungen (durch den Staat und Dritte)

Kindersoldaten - al Shabaab: Beginnend im Jahr 2017 hat al Shabaab immer mehr Kinder zwangsrekrutiert (NLMBZ 3.2019, S.11), teils mit aggressiven und gewalttätigen Methoden. Berichten zufolge wurden Kinder von Minderheitengruppen sogar systematisch entführt (BS 2018, S.21). Ein Grund dafür ist, dass aufgrund der umfassenden Rekrutierungsmaßnahmen unterschiedlicher bewaffneter Gruppen der Rekrutierungspool auch für al Shabaab immer kleiner geworden ist. Ein weiterer Grund ist, dass Kinder einfacher zu manipulieren sind (ME 27.6.2019). So indoktriniert und rekrutiert al Shabaab Kinder etwa gezielt in Koranschulen (LWJ 24.1.2018; vgl. USDOS 13.3.2019, S.15).

In Lagern werden Kinder einer grausamen körperlichen Ausbildung unterzogen. Sie erhalten keine adäquate Verpflegung, dafür aber eine Ausbildung an der Waffe, physische Strafen und religiöse Indoktrination. Al Shabaab zwingt Kinder, an Kampfhandlungen teilzunehmen; sie setzt diese auch für Selbstmordanschläge ein (USDOS 13.3.2019, S.13f). Außerdem rekrutiert die Gruppe Straßenkinder und -Waisen, die einfach zu manipulieren sind. Manche erhalten zur Ausführung einer Aktion (z.B. Wurf einer Handgranate) einen kleinen Geldbetrag (FIS 5.10.2018, S.34).

Manchmal werden Kinder aus den Händen der al Shabaab befreit. So z. B. Anfang 2018 durch somalische Kräfte im Bezirk Wanla Weyne (SEMG 9.11.2018, S.39) oder im Jänner 2018 durch US-Militär in Middle Shabelle. Die Kinder wurden der UN zur Rehabilitation übergeben (HRW 17.1.2019). UNICEF stellt 721 Buben und 96 Mädchen, die al Shabaab entkommen sind oder die von bewaffneten Gruppen entlassen wurden, Schutz zur Verfügung. So hat die Organisation z.B. 36 bei einer Operation in Middle Shabelle aus der Gewalt der al Shabaab befreite Kinder in einem Rehabilitationszentrum in Mogadischu untergebracht (USDOS 13.3.2019, S.14f).

(Zwangs-)Rekrutierung: Im Jahr 2017 begann al Shabaab noch intensiver, arbeitslose junge Männer zu rekrutieren (NLMBZ 3.2019, S.11). Es gibt sehr unterschiedliche Gründe, al Shabaab beizutreten:

die Aussicht auf Gehalt und Status, Abenteuerlust und Rachegefühle (Khalil 1.2019, S.33). Jugendliche selbst geben an, dass der Hauptgrund zum Beitritt zu al Shabaab oder zur Armee das Einkommen ist (DI 6.2019, S.22f). Von Deserteuren wurde der monatliche Sold für verheiratete Angehörige der Polizei und Armee von al Shabaab mit 50 US-Dollar angegeben; Unverheiratete erhielten nur Gutscheine oder wurden in Naturalien bezahlt. Jene Angehörigen der al Shabaab, welche höherbewertete Aufgaben versehen (Kommandanten, Agenten, Sprengfallenhersteller, Logistiker und Journalisten) verdienen 200-300 US-Dollar pro Monat; allerdings erfolgen Auszahlungen nur inkonsequent (Khalil 1.2019, S.16).

Meist erfolgt ein Beitritt zur al Shabaab aufgrund ökonomischer, sicherheitsbedingter und psycho-sozialer Motivation. Nur wenige der befragten Deserteure gaben an, al Shabaab aufgrund einer religiösen Motivation beigetreten zu sein; dahingegen maßen mehr als die Hälfte gesellschaftlichen Erwägungen eine besondere Rolle zu, darunter Status (inkl. Eheschließung) und Macht. Auch Abenteuerlust spielt eine große Rolle. Manche versprechen sich durch ihre Mitgliedschaft bei al Shabaab die Möglichkeit einer Rache an Angehörigen anderer Clans (Khalil 1.2019, S.14f). Für Angehörige marginalisierter Gruppen bietet der Beitritt zu al Shabaab zudem die Möglichkeit, sich selbst und die eigene Familie gegen Übergriffe anderer abzusichern (FIS 5.10.2018, S.34). Die Aussicht auf eine Ehefrau wird als Rekrutierungswerkzeug verwendet (USDOS 13.3.2019, S.32). Insgesamt handelt es sich bei Rekrutierungsversuchen oft um eine Mischung aus Druck und Anreizen (ICG 27.6.2019, S.2).

Knapp ein Drittel der in einer Studie befragten al Shabaab-Deserteure gab an, dass bei ihrer Rekrutierung Drohungen eine Rolle gespielt haben. Dies kann freilich insofern übertrieben sein, als Deserteure dazu neigen, die eigene Verantwortung für begangene Taten dadurch zu minimieren (Khalil 1.2019, S.14). Generell kommen Zwangsrekrutierungen ausschließlich in Gebieten unter Kontrolle der al Shabaab vor. So gibt es etwa in Mogadischu keine Zwangsrekrutierungen durch die al Shabaab (BMLV 16.9.2019; vgl. BFA 8.2017, S.51; DIS 3.2017, S.20f).

Verweigerung: Üblicherweise richtet die al Shabaab ein Rekrutierungsgesuch an einen Clan oder an ganze Gemeinden und nicht an Einzelpersonen. Die meisten Rekruten werden über Clans rekrutiert. Es wird also mit den Ältesten über neue Rekruten verhandelt. Dabei wird mitunter auch Druck ausgeübt. Kommt es bei diesem Prozess zu Problemen, dann bedeutet das nicht notwendigerweise ein Problem für den einzelnen Verweigerer (BFA 8.2017, S.52), denn die Konsequenzen einer Rekrutierungsverweigerung trägt üblicherweise der Clan. Damit al Shabaab die Verweigerung akzeptiert, muss eine Form der Kompensation getätigt werden (DIS 3.2017, S.21). Entweder der Clan oder das Individuum zahlt, oder aber die Nicht-Zahlung wird durch Rekruten kompensiert. So gibt es also für Betroffene manchmal die Möglichkeit des Freikaufens. Diese Wahlmöglichkeit ist freilich nicht immer gegeben. In den Städten liegt der Fokus der al Shabaab eher auf dem Eintreiben von Steuern, in ländlichen Gebieten auf der Aushebung von Rekruten (BFA 8.2017, S.54f).

Bevölkerungsstruktur

Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird (SEM 31.5.2017, S.8). Dieses Identifikationsmerkmal bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA 5.3.2019b). Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (SEM 31.5.2017, S.8). Es gibt keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen (LI 4.4.2016, S.9).

Grundversorgung / Humanitäre Lage

Die humanitäre Krise in Somalia bleibt eine der komplexesten und am längsten dauernden weltweit (SRSG 3.1.2019, S.4f). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist in weiten Landesteilen nicht gewährleistet (AA 5.3.2019a; vgl. AA 4.3.2019, S.20). Periodisch wiederkehrende Dürreperioden mit Hungerkrisen und die äußerst mangelhafte Gesundheitsversorgung sowie der mangelhafte Zugang zu sauberem Trinkwasser und das Fehlen eines funktionierenden Abwassersystems machen Somalia zum Land mit dem fünftgrößten Bedarf an internationaler Nothilfe weltweit (AA 4.3.2019, S.4; vgl. AA 5.3.2019a). Auch der bewaffnete Konflikt trägt seinen Teil dazu bei (SRSG 3.1.2019, S.4f).

Zwischenzeitlich hatte sich die humanitäre Situation aufgrund guter Regenfälle im Jahr 2018 etwas entspannt (SRSG 3.1.2019, S.4f; vgl. NLMBZ 3.2019, S.49). Die Sicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung hatte sich verbessert (UNSC 21.12.2018, S.14; vgl. USDOS 13.3.2019, S.22) - nicht zuletzt aufgrund fortgesetzter humanitärer Hilfe und aufgrund überdurchschnittlicher Regenfälle (USDOS 13.3.2019, S.22). Trotzdem blieb auch dann die Zahl der auf Hilfe angewiesenen Menschen bei 4,2 Millionen (SRSG 3.1.2019, S.4f; vgl. UNSC 21.12.2018, S.14).

Aktuelle Lage: Somalia steht wieder vor einem großen humanitären Notfall. Am meisten betroffen sind IDPs und marginalisierte Gruppen (SLS 12.7.2019; vgl. UNOCHA 31.7.2019, S.1). Das Land leidet unter den negativen Folgen unterdurchschnittlicher Regenfälle in der Gu-Regenzeit (April-Juni) 2019 (UNSC 15.8.2019, Abs.38ff). Letztere hat sehr spät eingesetzt. Der gefallene Regen hat die Dürre-Bedingungen zwar etwas entspannt und den Zustand des Viehs etwas verbessert; trotzdem reichte er nicht aus, um die Landwirtschaft nachhaltig zu stärken (UNSC 15.8.2019, Abs.38ff). Am Ende ist die Gu zwar normal oder fast normal ausgefallen; doch war der Niederschlag erratisch und schlecht verteilt. Außerdem kam er um ein Monat später als normal (FAO 19.7.2019, S.1). Bereits zuvor war die Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) 2018 schlecht ausgefallen und Anfang 2019 war ungewöhnlich trocken. Mit Ausnahme der Gu im Jahr 2018 ist seit Ende 2015 jede Regenzeit unterdurchschnittlich ausgefallen (UNSC 15.8.2019, Abs 38ff).

Versorgungslage / IPC: [IPC = Integrated Phase Classification for Food Security; 1-moderat bis 5-Hungersnot] Der humanitäre Bedarf ist nach wie vor hoch, Millionen von Menschen befinden sich in einer Situation akuter Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung (UNOCHA 31.7.2019, S.1). In Nord- und Zentralsomalia herrschen durchgehend moderate bis große Lücken in der Versorgung. Dort wird für August/September 2019 in einigen Teilen mit IPC 3 und IPC 4 gerechnet. Das gleiche gilt für den Süden, wo aufgrund einer unterdurchschnittlichen Ernte die Lebensmittelpreise steigen werden (FEWS 31.7.2019). Der Preis für Sorghum befindet sich bereits auf einer außergewöhnlichen Höhe (UNOCHA 9.9.2019, S.1). Viele Menschen aus ländlichen Gebieten sind in Städte gezogen, um Zugang zu Hilfsgütern zu erhalten (BAMF 20.5.2019, S.5).

Verarmte Pastoralisten mit kleinen Herden stehen in den nächsten Monaten vor Lücken in der Nahrungsmittelversorgung. Davon sind landesweit auch viele Agropastoralisten und Bauern betroffen. Während der Viehbestand vorübergehend von besserer Weide profitiert, ist in der Landwirtschaft mit einem Ernteausfall von 50% zu rechnen (UNSC 15.8.2019, Abs.38ff) - etwa bei Mais und Sorghum (DEVEX 9.7.2019). Nach neueren Angaben war die letzte Ernte in Südsomalia die schlechteste seit 1995 - 68% unter dem Durchschnitt; im Nordwesten lag sie mit 44% unter dem Durchschnitt (FEWS 2.9.2019a).

Schätzungen zufolge werden bis September 2019 5,4 Millionen Menschen von Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung betroffen sein; davon 3,2 Millionen in IPC-Phase 2 (UNOCHA 14.8.2019) und 2,2 Millionen in den Phasen 3 und 4 (UNOCHA 14.8.2019; vgl. UNSC 15.8.2019, Abs.38ff). Ca. eine Million Kinder unter fünf Jahren werden bis Mitte 2020 vor einer Situation der akuten Unterernährung stehen, 178.000 vor schwerer akuter Unterernährung. Bis zu 2,1 Millionen Menschen werden sich hinsichtlich Nahrungsmittelversorgung in einer Krisensituation finden (IPC >2), 6,3 Millionen werden von einer Versorgungsunsicherheit bedroht sein (UNOCHA 9.9.2019, S.1f; vgl. FEWS 2.9.2019a; STC 3.9.2019). Dieses Szenario gilt dann, wenn die gegenwärtig getätigten humanitären Interventionen nicht verstärkt werden (UNOCHA 9.9.2019, S.1). Mit Stand September 2019 verhindert eine großangelegte humanitäre Hilfe schlimmere Zahlen. Geht die Hilfeleistung zurück, ist von einer Verschlechterung auszugehen. Und auch für den Fall, dass die Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) besser ausfallen sollte, wird sich dies frühestens Ende Dezember auf die Versorgungslage auswirken (FEWS 2.9.2019a).

Bei gegebener humanitärer Hilfe gilt für die meisten ländlichen Gebiete im September 2019 IPC 2. In Agrargebieten von Guban (Somaliland), Bay und Bakool sowie in Teilen von Hiiraan, Galgaduud, Lower und Middle Juba gilt IPC 3. Dahingegen haben stabile Lebensmittelpreise und Arbeitsmöglichkeiten in den meisten städtischen Gebieten dazu beigetragen, dass IPC 2 nicht überschritten wurde oder auch nur IPC 1 gilt. Lediglich in Städten in Sool, Sanaag und Hiiraan wird mitunter auch IPC 3 verzeichnet - bedingt durch hohe Lebenskosten und begrenzte Einkommensmöglichkeiten (FEWS 2.9.2019a).

Gesellschaftliche Unterstützung: Es gibt kein öffentliches Wohlfahrtssystem (BS 2018, S.30), keinen sozialen Wohnraum und keine Sozialhilfe (AA 4.3.2019, S.20). In Mogadischu muss für jede Dienstleistung bezahlt werden, es gibt keine öffentlichen Leistungen (FIS 5.10.2018, S.22). Soziale Unterstützung erfolgt entweder über islamische Wohltätigkeitsorganisationen, NGOs oder den Clan. Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie Armutsminderung liegen im privaten Sektor (BS 2018, S.30). Das eigentliche soziale Sicherungsnetz für Personen, deren Unterhalt und Überleben in Gefahr ist, bilden (Sub-)Clan (OXFAM 6.2018, S.11f; vgl. BS 2018, S.30, AA 4.3.2019, S.20), erweiterte Familie (BS 2018, S.30; vgl. AA 4.3.2019, S.20) und Remissen aus dem Ausland (BS 2018, S.30). Während Krisenzeiten (etwa Hungersnot 2011 und Dürre 2016/17) helfen neben Familie und Clan auch andere soziale Verbindungen - seien es Freunde, geschlechtsspezifische oder Jugendgruppen, Bekannte, Berufsgruppen oder religiöse Bünde. Meist ist die Unterstützung wechselseitig. Über diese sozialen Netzwerke können auch Verbindungen zwischen Gemeinschaften und Instanzen aufgebaut werden, welche Nahrungsmittel, medizinische Versorgung oder andere Formen von Unterstützung bieten. Auch für IDPs stellen solche Netzwerke die Hauptinformationsquelle dar, wo sie z.B. Unterkunft und Nahrung finden können (DI 6.2019, S.15).

b) OCHA Humanitarian Bulletin Somalia, April 2019, S. 2 (Auszug - übersetzt aus dem Englischen):

Die Versorgungssicherheit in den Gebieten East Golis Pastoral of Bari, Hawd Pastoral of Nugaal, Mudug, Galgaduud, und Hiraan hat sich von der IPC Kategorie 2 (stressed) zur IPC Kategorie 3 (crisis) verschlechtert, insbesondere da im Juni 2019 mehr Haushalte Lücken in der Nahrungsmittelversorgung erleiden werden.

c) FSNAU - FEWS NET Food Security Quarterly Brief, April 2019, S. 10 (Auszug - übersetzt aus dem Englischen):

In den nördlichen Regionen Somalias (Bari und Sanaag) kam es zu Berichten von Fehlgeburten und Todesfällen den Viehbestand betreffend, wegen unzureichender Fütterung und dürrebedingten Krankheiten.

d) Joint FEWS NET-FSNAU Somalia Food Security Outlook Report for June 2019 to January 2020, S. 2 f (Auszug - übersetzt aus dem Englischen):

Der verspätete und schwache Beginn der Gu-Regenfälle von April bis Juni 2019 führte Anfang Mai zu einer schweren Dürre in ganz Somalia. Bedingt durch unterdurchschnittliche Deyr-Regenfälle von Oktober bis Dezember 2018 und eine überdurchschnittliche Jilal-Trockenzeit von Jänner bis März 2019, setzten die Gu-Regenfälle zwei bis drei Wochen später als üblich ein. Im April zeigten auf Satellitenbildern basierende Schätzungen, dass im Großteil Somalias weniger als 50% der üblichen Regenmenge niederfiel, in den am stärksten von der Dürre betroffenen Gebieten wie Bari, Galgaduud und Nugal hingegen weniger als 25%.

[...]

Ende Mai führten verstärkte Regenfälle zu einem Anstieg der Regenmenge auf 60-80% des Normalwertes, wobei erwartet wird, dass der normale Jahresdurchschnitt in den meisten Gebieten Somalias bis Ende 2019 erreicht wird. In Teilen von Awdal, Bari und Middle und Lower Shabelle, Bay-Bakool und Lower Gedo besteht jedoch weiterhin ein beträchtliches Regendefizit. Auch haben schwere Regenfälle besonders in den Regionen Nugaal und Bari auch Sturzfluten, beschädigte Straßen und Gebäude sowie eine Verringerung des Viehbestandes zur Folge gehabt.

e) EASO Country of Origin Information Report - Somalia Security Situation:

Die hauptsächlich vertretenen Bevölkerungsgruppen in Lower Jubba sind die Ogaden, Harti, Biyomaal und verschiedene Hawiye - Subclans.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden.

Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Zu folgenden Feststellungen unter oben 1. wird weiter näher ausgeführt wie folgt:

2.2.1. Zum Beschwerdeführer:

Die Clanzugehörigkeit des Beschwerdeführers wird auf Basis seines diesbezüglich konsistenten Vorbringens festgestellt.

Darüber hinaus ist das Vorbringen des Beschwerdeführers jedoch betreffend seine Herkunft und seine Fluchtgeschichte nicht glaubhaft, weshalb eine Herkunft aus Gobweyn in Südsomalia nicht festgestellt werden kann - auf die relevanten Widersprüche wird gleich weiter eingegangen werden. Hingegen geht aus der Erstbefragung am XXXX 2016 als Geburtsort und als letzter Wohnort Bosasso hervor, weshalb auf Basis dieser ersten Befragung im Asylverfahren in Österreich Bosasso und Puntland als Herkunftsregionen festgestellt werden soll.

Während die Erstbefragung gerade auch betreffend die Fluchtgründe grundsätzlich nur vorsichtig beweiswürdigend verwertet werden soll (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0061 und VfGH, 20.02.2014, U1919/2013), so stellt die Erstbefragung gerade auf die Erfassung der Daten des Beschwerdeführers und seiner Fluchtroute ab, und sind die dort dokumentierten Angaben im Rahmen sorgfältiger und offengelegter Überlegungen verwertbar (vgl. VwGH, 08.09.2015, Ra 2015/18/0090).

Gerade weil diese Erstbefragung auf die Erfassung der Daten eines Antragstellers und auf jene der Reiseroute ausgerichtet sind, sollen gegenständlich die Angaben des Beschwerdeführers gerade zu seinen Daten - Geburtsort, letzte Adresse - auch entsprechend gewertet werden, weshalb eine Feststellung zur Herkunft aus Bosasso erfolgen soll.

Dass eine Herkunft aus Gobweyn nicht festgestellt werden kann, beruht unter anderem auch darauf, dass der Beschwerdeführer zu seinem angeblichen Wohnort und zu seiner Reiseroute von Gobweyn nach Bosasso keinerlei relevante Angaben machen kann: aus dem Verhandlungsprotokoll:

" [...] R: Wo in Somalia haben Sie gelebt?

P: In Gobweyn.

R: Sind Sie sicher?

P: Ja.

R: Sind Sie wirklich sicher?

P: Ja.

R: Wie war Ihr Reiseweg aus Somalia?

P: Von Gobweyn nach Boosaaso.

R: Das möchte ich genauer wissen, bitte.

P: Mit einem LKW von Gobweyn weg. Der ist direkt nach Boosaaso gefahren.

R: Wie lange, an welchen Städten vorbei? Wo haben Sie Pause gemacht?

P: Ich kann mich nicht erinnern, davor habe ich Gobweyn nie verlassen. Ich bin in Gobweyn geboren, dort bin ich aufgewachsen und das war meine erste Ausreise aus Gobweyn.

R: Umso aufregender und interessanter, oder? Versuchen Sie die Frage zu beantworten.

P: Wie ich gesagt habe, ich bin in Gobweyn geboren und aufgewachsen und davor habe ich es nie verlassen. Ja, aber ich hatte Angst um mein Leben, deshalb. Ich war hinten versteckt und habe deshalb nichts gesehen.

R: Wie haben Sie das mit den Straßensperren abgewickelt?

P: Ich kann mich nicht erinnern, wie oft das Auto angehalten wurde. Es ist so, dass das Auto nur kurz angehalten wird und die Bescheinigungen vom Auto, bzw. die Bestätigung angeschaut wird und das war's.

R: Wie lange waren Sie unterwegs?

P: Mindestens zwei Tage.

R: Wo liegt Gobweyn?

P: Ca. 13 Kilometer von Kismayo entfernt.

R: Wie schaut es in Gobweyn aus? Können Sie mir das ein bisschen beschreiben?

P: Es ist ein kleines Dorf. Dort trifft sich das Meer und der Fluss. Dafür ist Gobweyn bekannt.

R: Welcher Fluss ist das?

P: Jubada Hoose. [...]

...

[...] R: Welche Clans sind in der Umgebung von Gobweyn und Kismayo vertreten?

P: Sheikhal, sie haben die Mehrheit in Gobweyn. Es gibt in meiner Gegend, dort waren viele Sheikhal. Die waren die Mehrheit. Die andere Gegend weiß ich nicht. Gobweyn teilt sich in zwei Bezirke/Stadtteile. Den anderen Teil weiß ich nicht.

R: Wer hat sonst noch in Gobweyn gelebt?

P: Ich weiß es nicht, ich kann mich nicht erinnern. Ich glaube aber, die Sheikhal waren dort die Mehrheit. Ich habe immer über Sheikhal gehört.

R: Mit wem waren Sie in der Schule? Mit welchen Clanangehörigen?

P: Von den Lehrern weiß ich es nicht, ich kann mich nicht erinnern. Die Mehrheitsclans verachten mich als Minderheitsangehöriger. Deshalb habe ich sie nicht begleitet, sondern mit anderen.

R: Wenn Sie sagen "Der Mehrheitsclan hat mich verachtet und diskriminiert". Wer war dann dieser Mehrheitsclan?

P: Sheikhal.

R: Welche Sheikhal?

P: Ich kenne mich nicht aus, aber ich weiß, dass sie die Mehrheit waren. [...]"

Aus diesen Auszügen aus dem Verhandlungsprotokoll vom XXXX 2019 fällt bereits auf, dass der Beschwerdeführer weder nähere Angaben zu seinem angeblichen Heimatort machen kann, noch zu seiner Reiseroute mit dem Bus nach Bosasso, die ihn durch das ganze Land gebracht haben muss, noch zur gesellschaftlichen Zusammensetzung seiner angeblichen Herkunftsregion. Auch wenn die Vertretung des Beschwerdeführers in der Stellungnahme vom XXXX 2019 anführt, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Beschwerdeführer in Gobweyn hauptsächlich mit Sheikhal zu tun gehabt haben würde, so müssen dennoch die relevanten Länderinformationen (oben unter e)) dahingehend zur Kenntnis genommen werden, dass die hauptsächlich in Lower Jubba vertretenen Clans Ogaden, Harti, Biyomaal und Hawyie - Subclans sind, und es tatsächlich nicht sehr wahrscheinlich ist, dass ein in Gobweyn geborener und aufgewachsener Somalier relevante und in der Region vertretene Hauptclans nicht zu benennen weiß. Darüber hinaus konnte er auch zu den von ihm angeblich als Hauptclan wahrgenommenen Sheikhal keine näheren Angaben, wie die Zugehörigkeit zu den relevanten Subclans, anführen. Dieses Unwissen muss vor dem Hintergrund der Länderinformation bewertet werden, wonach die Clanzugehörigkeit das wichtigste identitätsstiftende Merkmal in Somalia darstellt. Selbst wenn man nun die Jugend und vielleicht ein gewisses Desinteresse des Beschwerdeführers an der Gesellschaftsstruktur seiner Heimat mitbedenken wollen würde, bleibt dennoch übrig, dass der Beschwerdeführer nicht einmal grobe Umrisse der Bevölkerungsstruktur in Lower Jubba vermitteln kann. Aus dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers lässt sich also eine Herkunft aus Gobweyn nicht ableiten.

Daran ändert auch die mit der Stellungnahme vom XXXX 2019 vorgelegte Kopie einer undatierten Suchanfrage beim Roten Kreuz nichts, da auch aus dieser keine ausreichenden Informationen oder Details hervorgehen, die die oben dargelegten Zweifel an einer Herkunft aus Gobweyn entkräften könnten.

Die Feststellungen zu den Familienangehörigen und dem fehlenden Kontakt zu diesen ergibt sich aus den diesbezüglich konsistenten Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren.

Zu seiner Schulbildung machte der Beschwerdeführer in der Erstbefragung und in den weiteren Einvernahmen unterschiedliche Angaben (acht Jahre Grundschule bzw. acht Monate private Grundschule), weshalb dazu keine Feststellungen erfolgen können.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand beruhen auf einem Befundbericht von Hemayat vom XXXX2019 bzw. auf den sonstigen Angaben des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit basiert auf einem Auszug aus dem Strafregister.

2.2.2. Zum Fluchtvorbringen

Das eigentliche Fluchtvorbringen einer Zwangsrekrutierung durch die Al Shabaab in Gobweyn, eines Campaufenthalts mit Training, eines Mordauftrags eines Mannes bei einer Moschee sowie einer Flucht aus dem Camp an einem Freitag, leidet bereits darunter, dass eine Herkunft aus Gobweyn nicht festgestellt werden konnte. In Bosasso hingegen verfügt die Al Shabaab über keine entsprechende Präsenz und nimmt die Miliz nach den Länderinformationen auch nur dort Zwangsrekrutierungen vor, wo sie tatsächlich die Kontrolle überhat, was in Bosasso nicht der Fall ist.

Darüber hinaus ist das Vorbringen aber auch vage, oberflächlich und widersprüchlich:

So gab der Beschwerdeführer zum Beispiel bei seiner Einvernahme bei der belangten Behörde am XXXX 2018 im Rahmen der freien Erzählung an, dass ihm seine Mutter nach seiner Rückkehr/Flucht aus dem Camp gesagt habe, jener Mann sei verstorben, und der Beschwerdeführer würde von dessen Familie und den Behörden gesucht werden (AS 142). Auf die Frage, wer der Mann gewesen sei, meinte der Beschwerdeführer, er habe ihn noch nie getroffen (ebda.). Er würde von der Behörde gesucht, weil er einen Mann getötet habe (AS 144). Es bestehe ein Haftbefehl gegen ihn, weil er einen Mann getötet habe (ebda). Später befragt meinte er, er habe zweimal auf den Mann schießen müssen, was sehr weh tue, weil er (der Mann) ihm nichts getan habe (AS 146).

Bei der Beschuldigteneinvernahme bei der LKA Wien am XXXX 2018 gab der Beschwerdeführer hingegen an, er habe jenen Mann, den er töten sollte, erkannt, als er aus der Moschee gekommen sei; es habe sich um Yusuf, seinem Lehrer aus der Privatschule, gehandelt (AS 210). Der Beschwerdeführer habe nicht gewusst, ob jener Yusuf noch lebte oder gestorben sei; nach dem 2. Schuss habe er noch gelebt (AS 212). Schließlich gab der Beschwerdeführer da auch an, jener Yusuf habe seine kleine Schwester vergewaltigt und umgebracht (AS 213).

In der mündlichen Verhandlung am XXXX 2019 meinte der Beschwerdeführer, dass ihm die beiden Männer, die mit ihm für das Attentat zur Moschee gefahren seien, gesagt hätten, dass das Opfer jener Mann sei, der die Schwester des Beschwerdeführers vergewaltigt habe (vgl. S. 8 des Protokolls). Außerdem würde der Mann noch leben (vgl. S. 5 des Protokolls).

Im Ergebnis gab der Beschwerdeführer damit vor der belangten Behörde an, sein Opfer nicht gekannt zu haben, jener Mann habe ihm nichts getan, während er bei der LKA Wien meinte, in jenem Mann seinen ehemaligen Lehrer und den Vergewaltiger seiner Schwester erkannt zu haben, während er in der mündlichen Verhandlung anführte, dass ihm von den anderen Milizmitgliedern gesagt worden sei, dass es sich um den Vergewaltiger der Schwester handeln würde. Außerdem gibt es Diskrepanzen dahingehend, ob jener Mann - Yusuf - nun tot sei, oder eben nicht: während der Beschwerdeführer mehrmals bei der belangten Behörde anführte, dass der Mann gestorben wäre, so meinte er später, dass er ihn nur verwundet zurückgelassen hätte; in der mündlichen Verhandlung gab er schließlich an, dass der Mann noch leben würde.

Zu den angeblichen Verständnisschwierigkeiten mit den Dolmetscher_innen bzw. zu den angeblichen Protokollfehlern ist zu sagen, dass dem Beschwerdeführer bei der Erstbefragung, bei der Einvernahme bei der belangten Behörde und bei der LKA Wien Dolmetscher_innen für die somalische Sprache zur Seite gestellt waren, und der Beschwerdeführer die Richtigkeit des Protokolls (EB und EV) sowie die erfolgte Rückübersetzung mit seiner Unterschrift bestätigte (vgl. AS 13 und AS 148). Bei der Einvernahme vor der belangten Behörde waren außerdem die Vertretung des damals minderjährigen Beschwerdeführers und eine Vertrauensperson anwesend. Dort gab der Beschwerdeführer an, die Dolmetscherin verstehen zu können (AS 148). Stichhaltige Hinweise darauf, dass die mehrmalige Erwähnung des Faktums, dass jenes Opfer verstorben sein soll, tatsächlich ein (mehrmaliges) Missverständnis gewesen sein soll, kamen im Verfahren nicht hervor.

Damit mangelt es dem angeblichen Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht nur daran, dass es mit der negativen Feststellung einer Herkunft aus Gobweyn nicht mehr konsistent ist, sondern leidet es außerdem an wesentlichen Widersprüchen, die durch Verständnisschwierigkeiten im Laufe des Verfahrens nicht erklärt werden können.

Damit können ein Kontakt mit Al Shabaab, zB in Form einer Zwangsrekrutierung, sowie ein angebliches Attentat auf "Yusuf" nicht festgestellt werden. Im Lichte dessen sowie im Lichte der festgestellten Herkunftsregion kann darüber hinaus auch nicht von einer sonstigen Gefährdung des Beschwerdeführers durch Al Shabaab ausgegangen werden.

Insoweit der Beschwerdeführer Diskriminierung wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit anführt, so meinte er bei der belangten Behörde selbst, dass es sich dabei um Beschimpfungen, jedoch nicht um Bedrohungen gehandelt habe (AS 143), weshalb eine Feststellung dazu, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zu den Madhiban nicht gefährdet ist, erfolgen konnte.

2.2.3. Zum Abschiebehindernis

Die Feststellung zum Bestehen eines Abschiebehindernis beruht im Wesentlichen auf den aktuellen Informationen zur schlechten Versorgungslage infolge ausgefallener Regenfälle in Somalia allgemein und insbesondere in der Region Bari, in der der Herkunftsort des Beschwerdeführers liegt. Die herangezogenen Berichte führen aus, dass das verspätete Einsetzen der Gu-Regenfälle im ersten Halbjahr 2019 zu einer schweren Dürre geführt hat. In der Region Bari fiel nur 25% der sonst üblichen Regenmenge, was sich besonders negativ auf den dortigen Viehbestand auswirkte und es zu erheblichen Versorgungsengpässen kam.

Zwar haben die mittlerweile eingesetzten Gu-Regenfälle die Dürre-Bedingungen Gesamtsomalia betreffend etwas entspannt, doch war der Niederschlag erratisch und schlecht verteilt. Der FSNAU Somalia Food Security Outlook Report for June 2019 to January 2020 besagt die Region Bari betreffend einerseits, dass in Teilen der Region weiterhin ein Regendefizit herrscht und andererseits, dass es in anderen Teilen der Region zu schweren Regenfällen kam, die mit Sturzfluten einhergingen, welche zu einer Beschädigung der Infrastruktur und einer abermaligen Dezimierung des Viehbestandes führten. Gemäß einer in dem Dokument enthaltenen Grafik zur voraussichtlichen Versorgungslage in Somalia für den Zeitraum Oktober 2019 bis Jänner 2020 wird die gesamte Region Bari in der ICP Kategorie 3 (crisis) geführt.

Konkret den Beschwerdeführer betreffend muss darauf hingewiesen werden, dass er dem Minderheitsclan der Madhiban angehört, der in Somalia Diskriminierungen ausgesetzt ist, keine Feststellung zu einer Schulausbildung in Somalia getroffen werden konnte sowie aufgrund seines jugendlichen Alters im Zeitpunkt seiner Ausreise eine relevante Berufsausbildung nicht angenommen werden kann. Darüber hinaus konnte auch nicht festgestellt werden, wo sich seine Familienangehörigen aufhalten. Es kann daher nicht mit der nötigen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass der Beschwerdeführer vor dem Hintergrund der nach wie vor bestehenden und schweren Versorgungskrise in der Region Bari im Falle einer Rückkehr auf Unterstützung durch enge Familienangehörige zurückgreifen können würde, noch, dass er Zugang zu Hilfsleistungen durch seinen Clan hätte.

2.2.4. Zur maßgeblichen Situation in Somalia

Die Feststellungen zur Situation in Somalia basieren auf dem aktuellen Länderinformationsblatt aus September 2019, dem EASO CoI Somalia Bericht aus 2017, dem OCHA - Humanitarian Bulletin Somalia aus April 2019, dem FSNAU - FEWS NET Food Security Quarterly Brief, April 2019 sowie dem Joint FEWS NET-FSNAU Somalia Food Security Outlook Report for June 2019 to January 2020. Die drei letztgenannten Dokumente wurden in Auszügen und übersetzt aus dem Englischen unter 1.4. wiedergegeben.

Hinsichtlich des Länderinformationsblattes basieren die Feststellungen auf den folgenden Einzelquellen:

a) Länderinformationsblatt Staatendokumentation aus September 2019:

-

AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

-

AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (4.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

-

AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.3.2019b): Somalia - Innenpolitik, URL, Zugriff 10.4.2019

-

BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, URL, Zugriff 31.5.2019

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (20.5.2019): Briefing Notes 20. Mai 2019

-

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung (Österreich) (3.9.2019): Anfragebeantwortung an die Staatendokumentation

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Somalia Country Report, URL, Zugriff 19.3.2019

-

DEVEX / Sara Jerving (9.7.2019): Somali aid community faces up to a new reality of recurring drought, URL, Zugriff 23.7.2019

-

DI - Development Initiatives (6.2019): Towards an improved understanding of vulnerability and resilience in Somalia, URL, Zugriff 9.7.2019

-

DIS - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (3.2017):

South and Central Somalia Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups. Report based on interviews in Nairobi, Kenya, 3 to 10 December 2016, URL, Zugriff 25.7.2019

-

FAO - UN Food and Agriculture Organization / SWALIM (19.7.2019):

2019 Gu (March to June) Rainfall Performance and Impacts - Issued 19 July 2019, URL, Zugriff 23.7.2019

-

FEWS - Famine Early Warning System Network / FSNAU / FAO (2.9.2019b): A Briefing on the Outcome of the 2019 Post Gu Seasonal Food Security and Nutrition Assessment, URL, Zugriff 16.9.2019

-

FEWS - Famine Early Warning System Network (31.7.2019): Somalia Key Message Update, July 2019, URL, Zugriff 22.8.2019

-

FIS - Finnish Immigration Service (Finnland) (5.10.2018): Somalia:

Fact-Finding Mission to Mogadishu and Nairobi, January 2018, URL, Zugriff 4.6.2019

-

HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Somalia, URL, Zugriff 10.4.2019

-

ICG - International Crisis Group (27.6.2019): Women and Al-Shabaab's Insurgency, URL, Zugriff 8.7.2019

-

Khalil - Khalil, James/ / Brown Rory / et.al. / Royal United Services Institute for Defence and Security Studies (1.2019):

Deradicalisation and Disengagement in Somalia. Evidence from a Rehabilitation Programme for Former Members of Al-Shabaab, URL, Zugriff 17.5.2019

-

LI - Landinfo (Norwegen) (21.5.2019a): Somalia: Al-Shabaab-områder

i Sør-Somalia, URL, Zugriff 15.7.2019

-

LI - Landinfo (Norwegen) (21.5.2019b): Somalia: Rer Hamar-befolkningen i Mogadishu, URL, Zugriff 15.7.2019

-

LIFOS - Lifos/Migrationsverket (Schweden) (3.7.2019):

Säkerhetssituationen i Somalia, URL, Zugriff 29.8.2019

-

Maruf - Harun Maruf / Westminster Institute (14.11.2018): Inside Al-Shabaab: The Secret History of Al-Qaeda's Most Powerful Ally, URL, Zugriff 19.11.2018

-

Mohamed, Abdirizak Omar / Hiiraan.com (17.8.2019): The Recent Al-Shabab Resurgence: Policy Options for Somalia, URL, Zugriff 23.8.2019

-

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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