TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/3 G308 2218602-9

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Veröffentlicht am 03.01.2020
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Entscheidungsdatum

03.01.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76

Spruch

G308 2218602-9/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft von XXXX (alias XXXX alias XXXX), geboren am XXXX, StA. Marokko, Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg Zl. XXXX, (im Folgenden: BFA) vom 19.01.2019, dem betroffenen Fremden (im Folgenden: BF) persönlich übergeben am 19.01.2019, wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG über den BF zwecks Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet und am XXXX.2019, XXXX Uhr in Schubhaft genommen.

2. Diesbezüglich erfolgte nach Vorlage des Aktes vor dem BVwG bereits wiederholt eine aktenmäßige Prüfung der Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der Fortsetzung der Schubhaft:

Nach mündlichen Beschwerdeverhandlungen vor dem BVwG am 14.05.2019, Zl. G307 2218602-1, am 11.07.2019, Zl. G301 22186802-2 und am 05.08.2019, G301 2218602-3, am 07.11.2019, Zl. G309 22186802-7/6E und 09.12.2019 Zl. G309 22186802-8/6E mit jeweils mündlich verkündeter Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist, und darauffolgenden Erkenntnissen vom 04.06.2019, 26.07.2019, 20.08.2019 und 16.09.2019, wurde auch im letzten amtswegigen Prüfungsverfahren, G309 2218602-8/6E, mit Erkenntnis des BVwG vom 09.12.2019 festgestellt, zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Dies wurde ebenso mit schriftlichen Erkenntnissen zur Zahl G312 2218602-4/2E vom 16.09.2019, G304 2218602-5/2E vom 03.10.2019 und G302 2218602-6/2E vom 21.10.2019 festgestellt.

3. Die verfahrensgegenständliche Aktenvorlage zur amtswegigen Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft erfolgte am 30.12.2019.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger des Königreiches Marokko.

1.2. Er stellte in mehreren EU-Mitgliedstaaten Asylanträge, und zwar

? in Griechenland am 15.12.2015,

? in Ungarn am 16.02.2016 und 13.04.2016, und

? in Österreich am 05.09.2016.

Alle diese Asylanträge blieben erfolglos.

1.3. Der BF stellte nach illegaler Einreise am 05.09.2016 in Österreich wie bereits angeführt einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.3.1. Mit darauffolgendem Bescheid des BFA wurde der Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat zulässig ist, ausgesprochen, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe, einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt, ausgesprochen, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verloren hat - in Zusammenhang mit seiner Straffälligkeit und seiner Untersuchungshaft, und gegen den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen, mit der Begründung, dass der BF missbräuchlich Asylanträge gestellt hat.

1.3.2. Nach Erhebung einer Beschwerde dagegen wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 27.12.2018 die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die Entscheidung der belangten Behörde bestätigt.

1.3.3. Der BF verwendete im Zuge seines Asylverfahrens Aliasnamen. Aus dem Zentralen Fremdenregister gingen weitere Aliasidentitäten hervor.

1.4. Auf die rechtskräftig negative Beendigung seines Asylverfahrens mit Erkenntnis des BVwG vom 27.12.2018 folgte jedenfalls keine Ausreise, sondern ein Untertauchen des BF im österreichischen Bundesgebiet.

Beim Versuch, sich nach Deutschland abzusetzen, konnte der BF am 18.01.2019 von den deutschen Behörden an der Einreise in Deutschland gehindert werden.

Nachdem am 17.01.2019 ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates eingeleitet und das entsprechende Dokument angefordert worden war, wurde der BF wegen illegalen Aufenthaltes im Bundesgebiet festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum gebracht.

Der BF wurde am 19.01.2019 niederschriftlich einvernommen, wobei ihm schubhaftrelevante Fragen gestellt wurden.

1.5. Mit oben genannten Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 19.01.2019 wurde über den BF zwecks Sicherung seiner Abschiebung die Schubhaft angeordnet.

Mit Verfahrensanordnung vom 19.01.2019 wurde dem BF ein Rechtsberater für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

Der BF befindet sich nunmehr jedenfalls seit XXXX2019, XXXX Uhr, in Schubhaft.

1.5.1. Diesbezüglich erfolgte vor dem BVwG bereits wiederholt eine Prüfung der Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der Fortsetzung der Schubhaft:

Nach mehreren mündlichen Beschwerdeverhandlungen vor dem BVwG mit jeweils mündlich verkündeter Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist, wurde auch im zuletzt amtswegig durchgeführten Prüfungsverfahren, G309 2218602-8, mit Erkenntnis des BVwG vom 09.12.2019 festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

1.5.2. Die verfahrensgegenständliche Aktenvorlage zur amtswegigen Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft erfolgte am 30.12.2019. Im Begleitschreiben wurde u.a. ausgeführt, dass

"Ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates wurde ohne sein Mitwirken eingeleitet und das entsprechende Dokument angefordert.

Entsprechende Urgenzen fanden am 18.02.2019, 10.04.2019, 03.05.2019, 04.06.2019, 12.07.2019, 14.08.2019 11.09.2019, 09.10.2019, 08.11.2019. und zuletzt am 06.12.2019 statt.

Das Ergebnis der letzten am 06.12.2019 stattgefunden Konsultation bei der marokkanischen Botschaft war, dass in XXXX noch keine positive Identifizierung (wohl auch aufgrund der Aliasdaten) von XXXX eingelangt ist. Fest steht jedoch, dass straffällig gewordene Landsleute, so wie hier der wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt zu acht Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilter Fremde, bevorzugt behandelt werden. "

Dieses mit Aktenvorlage erstattete Vorbringen wird gegenständlicher Entscheidung als Feststellung zugrunde gelegt.

1.6. Der BF wurde im Bundesgebiet rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, und zwar

? mit Urteil von Mai 2019 wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, gefährlicher Drohung und schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren.

1.7. Fest steht, dass der BF im Bundesgebiet keine Familienangehörigen, keine sonstigen nahen Bezugspersonen und keine sonstige berücksichtigungswürdige Bindung - etwa in beruflicher Hinsicht, und keine gesicherte Unterkunft und kein gesichertes Einkommen hat.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen beruhen auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

Dass sich der BF seit XXXX.2019, XXXX Uhr, in Schubhaft befindet, ergab sich aus einem Auszug "Referentenauskunft Portal" des Bundesministeriums für Inneres in Zusammenschau mit einem aktuellen Zentralfremdenregisterauszug, aus welchem auch sein im Dezember 2018 rechtskräftig abgeschlossenes Asylverfahren hervorgeht.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt A):

3.1. Zuständigkeit:

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a Abs. 4 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, idF BGBl. I Nr. 70/2015, lautet:

"§ 22a. (...)

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(...)."

3.2. Relevante Rechtsvorschriften und Judikatur:

3.2.1. Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG),

lautet:

"§ 76. (...).

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. (...),

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

(...).

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

(...)

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

(...)

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes."

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist oder wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-VO vorliegen (§ 76 Abs. 2 FPG). Dabei ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Der mit "Dauer der Schubhaft" betitelte § 80 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG),

lautet:

"§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. (...);

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) (...).

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. (...),

3. (...), oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(...).

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(...)."

3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Der BF ist marokkanischer Staatsbürger, demnach Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Die gegen den BF vom BFA erlassene Rückkehrentscheidung samt zweijähriges Einreiseverbot ist mit Erlassung des Erkenntnisses des BVwG vom 27.12.2018 rechtskräftig geworden.

Der BF ist jedoch seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und weiterhin - illegal - im Bundesgebiet verblieben.

Nachdem am 17.01.2019 ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates eingeleitet worden war, wurde über den BF, nachdem er vor dem BFA zu schubhaftrelevanten Fragen einvernommen worden war, mit Mandatsbescheid des BFA vom 19.01.2019 zwecks Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet.

Gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG darf die Schubhaft nur dann angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist.

Gegen den BF besteht mit der gegen ihn rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidung samt zweijähriges Einreiseverbot jedenfalls eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme, womit der Fluchtgefahr-Tatbestand nach § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG erfüllt ist.

Der BF hat bereits in seinem Asylverfahren - durch die Angabe von Aliasnamen - seine Mitwirkungspflicht verletzt. Es ist dem BF auch anzulasten, dass er nach rechtskräftig negativer Beendigung seines Asylverfahrens seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist, im Bundesgebiet untergetaucht ist und nicht bei der Identitätsprüfung und bei der Beschaffung eines Ersatzreisedokumentes mitgewirkt hat, infolgedessen am 17.01.2019 von der belangten Behörde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates eingeleitet werden musste.

Durch sein offensichtlich absichtlich verzögerndes Verhalten hat der BF seine ihm drohende Abschiebung behindert und dadurch auch den Fluchtgefahr-Tatbestand nach § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt.

Der BF hat im Bundesgebiet jedenfalls keine Familienangehörigen oder sonstige berücksichtigungswürdige nahe Bezugspersonen, kein gesichertes Einkommen und damit keine hinreichenden Existenzmittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes, und auch keine gesicherte Unterkunft, womit jedenfalls auch Fluchtgefahr iSv § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG besteht.

Eine Fortsetzung der Schubhaft des BF, in welcher sich der BF seit XXXX.2019, XXXX Uhr, befindet, ist wegen aktuell aufrechter Fluchtgefahr iSv § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und. 9 FPG jedenfalls gerechtfertigt.

Wie im Folgenden ausgeführt, ist die Aufrechterhaltung der Schubhaft auch verhältnismäßig.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Der BF wurde im Mai 2019 wegen im Zuge des Widerstands gegen die Staatsgewalt an Polizisten begangener Körperverletzung und gefährlicher Drohung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig strafrechtlich verurteilt.

Der BF zeigte sich in Österreich somit seit rechtskräftig beendetem Asylverfahren nicht nur besonders ausreiseunwillig, sondern auch zur jederzeitigen Gewaltausübung gegenüber Staatsgewalt ausübende Beamte bereit.

Seine missbräuchliche Asylantragstellung und sein übrigens rechtswidriges Verhalten im Bundesgebiet führte im Zuge seines Asylverfahrens zu einem rechtskräftigen zweijährigen Einreiseverbot. Auf die während seiner Schubhaft im Februar 2019 gesetzten strafbaren Handlungen - der im Zuge des Widerstands gegen die Staatsgewalt gegenüber Polizisten begangenen Körperverletzung und gefährlichen Drohung - folgte im Mai 2019 eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, welches Strafausmaß nach § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG die Annahme einer vorliegenden schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit rechtfertigt.

Diese Annahme einer vom BF im Bundesgebiet für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehenden schwerwiegenden Gefahr wird durch sein gesamtes im Bundesgebiet gesetztes rechtswidriges Verhalten, seiner Ausreiseverpflichtung nach rechtskräftiger Beendigung seines Asylverfahrens nicht nachgekommen zu sein, im Bundesgebiet untergetaucht zu sein, nicht bei der Identitätsprüfung und auch nicht bei der Beschaffung eines Ersatzreisedokumentes mitgewirkt zu haben, bestätigt.

Es besteht unter Berücksichtigung der Schwere seiner Straftaten von Februar 2019 in Gesamtbetrachtung seines rechtswidrigen Verhaltens jedenfalls ein öffentliches Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung des BF, welches den Schutz der persönlichen Freiheit des BF überwiegt.

Die Fortsetzung der mit BFA-Bescheid vom 19.01.2019 über den BF zwecks Sicherung der Abschiebung angeordneten Schubhaft wird somit wegen Vorliegens einer aufrechten Fluchtgefahr iSv § 76 Abs. 3 FPG nicht nur für rechtmäßig, sondern unter Berücksichtigung seiner im Bundesgebiet begangenen strafbaren Handlungen iSv § 76 Abs. 2a FPG auch für verhältnismäßig befunden.

Der BF hat sich durch sein bisheriges persönliches Gesamtverhalten insgesamt als nicht vertrauenswürdig und nicht kooperativ erwiesen, was sich insbesondere aus der fehlenden Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr nach negativem Abschluss des Asylverfahrens, der mehrfachen erfolglosen Asylantragstellungen, der Straffälligkeit (der BF ging im AHZ XXXX gegen Polizeibeamte vor und wurde am XXXX.2019 rechtskräftig vom Landesgericht XXXX wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, gefährlicher Drohung und schwerer Körperverletzung verurteilt), dem bereits gegen ihn erlassenen Einreiseverbot und der unterschiedlichen Angaben zu seiner Identität und Staatsangehörigkeit gezeigt hat. Es ist festzuhalten, dass der BF weder im vorangegangenen Asylverfahren noch später ein authentisches Dokument zum Nachweis seiner wahren Identität und Staatsangehörigkeit vorgelegt hat und durch sein bisheriges Verhalten auch sonst keine Mitwirkungsbereitschaft bei der Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit hat erkennen lassen.

Das Verfahren bei der marokkanischen Botschaft zur Ausstellung des für die Rückführung erforderlichen Heimreisezertifikates (HRZ) ist weiterhin im Laufen und vonseiten der belangten Behörde wird regelmäßig urgiert. Die Verzögerung des bisherigen Verfahrens ist überwiegend darauf zurückzuführen, dass aufgrund der unterschiedlichen Identitätsangaben (Alias-Namen) eine eindeutige und raschere Identifizierung des BF durch die Behörden in Marokko nicht möglich war.

Die positive Identitätsfeststellung und die anschließende Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) für die Rückführung des BF erscheint aus derzeitiger Sicht jedenfalls nicht als völlig ausgeschlossen oder unwahrscheinlich. Es kann auch angenommen werden, dass im Fall des Vorliegens eines HRZ eine tatsächliche Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat zeitnah möglich ist. Ein Schubhaftverfahren erfordert nämlich keine Gewissheit darüber, dass es letztlich zu einer Abschiebung kommen könnte. Sie muss sich nach Lage des Falles bloß mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als möglich darstellen (VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Die Fortsetzung der Schubhaft wegen Fluchtgefahr erweist sich schon vor diesem Hintergrund und des laufenden Verfahrens zur Identitätsfeststellung und Ausstellung eines HRZ sowie der sich daraus letztlich ergebenden tatsächlichen Möglichkeit einer nach Ausstellung eines HRZ zeitnah durchführbaren Abschiebung als verhältnismäßig.

Die Annahme, wonach es sehr wahrscheinlich ist, dass im Fall der Beendigung der Schubhaft und Freilassung letztlich eine Rückführung des rückkehrunwilligen BF durch Untertauchen vereitelt oder erschwert werden könnte, erweist sich nach wie vor als begründet. Ein gelinderes Mittel ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere des Vorliegens von verstärkter Fluchtgefahr, zur Erreichung des Sicherungszwecks nicht geeignet.

Die in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG grundsätzlich vorgesehene Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft im Ausmaß von sechs Monaten wurde zum Entscheidungszeitpunkt bereits überschritten. Allerdings liegt hier unzweifelhaft ein Sachverhalt im Sinne des § 80 Abs. 4 Z 1 und 4 FPG vor, weshalb die gegenständliche Schubhaft aus derzeitiger Sicht auch über die sechs Monate hinaus fortgesetzt werden kann.

3.2.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Fest steht, dass auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu keinem anderen Ergebnis führen würde, ging doch der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage klar hervor, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte. Es haben bereits mehrere mündliche Verhandlungen in der Sache stattgefunden, sodass der Sachverhalt ausreichend geklärt ist.

3.2.4. Zu Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; Des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Schubhaft, Sicherungsbedarf, Verhältnismäßigkeit,
Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G308.2218602.9.00

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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