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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1 impl;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/19/1453Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der 1960 geborenen Z P in Wien, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Juli 1995, Zl. 302.011/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, sowie über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist, den Beschluß gefaßt:
Spruch
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Die Beschwerdeführerin erhob gegen den oben zitierten Bescheid des Bundesministers für Inneres, jeweils mit Schriftsätzen vom 6. September 1995, Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof und Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerden wurden jeweils am 6. September 1995 zur Post gegeben und langten am 7. September 1995 bei den beiden Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts ein. Die Beschwerdeführerin gab an, den angefochtenen Bescheid am 26. Juli 1995 persönlich übernommen zu haben.
Mit Beschluß vom 26. September 1995, B 2787/95-4, wies der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde zurück. Aus dem vom Verfassungsgerichtshof beigeschafften zugehörigen Rückschein gehe hervor, daß der Bescheid der Beschwerdeführerin im Administrativverfahren am 24. Juli 1995 durch persönliche Übernahme zugestellt worden sei. Die sechswöchige Beschwerdefrist sei daher am 4. September 1995 abgelaufen, die Beschwerde aber erst am 6. September 1995 zur Post gegeben worden. Die Zustellung dieses Zurückweisungsbeschlusses erfolgte am 27. Oktober 1995.
Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 1995 teilte die Beschwerdeführerin mit, ihr sei der Zurückweisungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes zugestellt worden, mit welchem die erhobene Beschwerde wegen Verfristung zurückgewiesen worden sei. Auf dem in Kopie beigelegten Kuverts des mit RSb zugestellten Bescheides des Bundesministers für Inneres scheine jedoch eindeutig der Poststempel des Zustellpostamtes mit 26. Juli 1995 auf. Die vom Verfassungsgerichtshof getroffene Feststellung sei demnach nicht richtig. Der Bescheid sei am 26. Juli 1995 durch persönliche Übernahme zugestellt worden, weshalb die am 6. September 1995 zur Post gebrachten Beschwerde rechtzeitig erfolgt sei.
Mit Schriftsätzen jeweils vom 9. November 1995 stellte die Beschwerdeführerin sowohl beim Verfassungsgerichtshof als auch beim Verwaltungsgerichtshof Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und begründete diese Anträge jeweils wie folgt:
"Wie bereits dargestellt, ist auf dem Originalkuvert des mit RSb zugestellten Bescheides des BMI auf der Rückseite eindeutig der Poststempel des Zustellpostamtes 1080 Wien vom 26-7-95-8 ersichtlich. Die Beschwerdeführerin hat am 24.08.1995, also in der 4. Woche nach Zustellung des Bescheides den ausgewiesenen Verfahrensvertreter mit der Einbringung einer Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofbeschwerde beauftragt. Die Beschwerdeführerin gab dabei dem Verfahrensvertreter unter Vorweis des Originalkuverts, auf welchem auf der Rückseite der Poststempel des Zustellpostamtes 1080 vom 26-7-95 ersichtlich ist, an, daß der Bescheid des BMI am 26.07.1995 durch persönliche Übernahme zugestellt worden ist. Ein anderes Datum als der 26.07.1995 ist auf dem Originalkuvert nicht ersichtlich. Die Beschwerdeführerin konnte daher also zu Recht davon ausgehen, daß ihr der Bescheid des BMI am 26.07.1995 zugestellt wurde. Unter Zugrundelegung dieses Zustellddatums wurde vom Verfahrensvertreter als letzter Tag der einzubringenden Beschwerde der 06.09.1995 im Fristenbuch vorgemerkt und von diesem fristgerecht die Beschwerde am 06.09.1995 eingebracht."
In einer Stellungnahme vom 29. November 1995 teilte die Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland dem Verfassungsgerichtshof mit, der gegenständliche RS-Brief sei laut Orts- und Tagesstempel des Zustellpostamtes 1080 Wien am 24. Juli 1995 beim Postamt eingelangt und von der Empfängerin laut Übernahmsbestätigung am selben Tag auch übernommen worden.
Nachdem die Beschwerdeführerin dem Verfassungsgerichtshof das Originalkuvert des RSb-Briefes übermittelt hatte und dieser der erwähnten Post- und Telegraphendirektion Gelegenheit zu einer ergänzenden Stellungnahme einräumte, teilte diese am 5. Februar 1996 mit, daß das Datum im "OT-Stempelabdruck" bei Betrachtung mit einem Vergrößerungsglas höchstwahrscheinlich "24.-7.95-12" laute. Die "Zahl 4" beginne mit einem schräggestellten geraden Strich, der von rechts oben nach links unten verlaufe. Ein mit demselben Stempel zu Vergleichszwecken angefertigter Musterabdruck weise die Zahl 6 auf. Hiebei sei auf die bei dieser Zahl ausgeprägte "obere Rundung" zu achten. Weiters weise die Post- und Telegraphendirektion darauf hin, daß bei Einlangen eines RS-Briefes bei einem Postamt dieser zunächst auf der Rückseite des Briefumschlages abgestempelt werde. Erst nach erfolgter Zustellung werde auf dem Rückschein im dafür vorgesehenen Feld "Zustellpostamt" ein OT-Stempelabdruck angebracht. Ihrer Stellungnahme schloß die Post- und Telegraphendirektion vergrößerte Kopien von Stempelabdrücken des Zustellpostamtes 1080 Wien bei, auf denen u. a. die Ziffer "6" zu erkennen ist.
Mit Äußerung vom 29. Februar 1996 brachte die Beschwerdeführerin, der diese Stellungnahme der Post- und Telegraphendirektion samt Beilagen übermittelt worden waren, gegenüber dem Verfassungsgerichtshof vor, wenn man den Stempelabdruck auf der Rückseite des Briefumschlages (des Originalkuverts) betrachte, so sei auch unter einem Vergrößerungsglas zu erkennen, daß die zweite Ziffer eine ausgeprägte obere Rundung "sowie auch eine ausgeprägte untere Rundung" besitze. Da dies charakteristische Merkmale der Zahl 6 seien, sei daher davon auszugehen, daß sich auf dem Briefkuvert der Poststempel "26-7-95-8" befinde.
Mit Beschluß vom 26. Februar 1996, B 3455/95-12, gab der Verfassungsgerichtshof dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht Folge. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof aus, soweit die Antragstellerin den Standpunkt vertrete, der Ministerialbescheid sei zwar schon am 24. Juli 1995 zugestellt worden, sie sei aber aufgrund des zugehörigen Briefumschlags, der auf der Rückseite einen auf 26. Juli 1995 lautenden Poststempel trage, der irrigen Meinung gewesen, die Zustellung habe erst am 26. Juli 1995 stattgefunden, sei ihr entgegenzuhalten, daß der Rückscheinbrief von der Adressatin am 24. Juli 1995 persönlich übernommen worden sei, wie die Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit Schreiben vom 29. November 1995 bekanntgegeben habe. In einer der Antragstellerin in Ablichtung zugemittelten ergänzenden Note vom 5. Februar 1996 habe die Post- und Telegraphendirektion darauf hingewiesen, daß ein bei einem Postamt einlangender RS-Brief zunächst auf der Rückseite des Briefumschlages abgestempelt werde ("24.7.95-8oo, 1080 Wien"). Erst nach der Zustellung werde der Rückschein im dafür vorgesehenen Feld "Zustellpostamt" mit einem Stempelabdruck versehen ("24.7.95-12oo, 1080 Wien"). Diese Mitteilungen stützten die Annahme des Verfassungsgerichtshofes über den Zustellungszeitpunkt, wie sie bereits im Beschluß vom 26. September 1995 getroffen worden seien. Ein Irrtum der Adressatin über den Zustellungstag wäre grob fahrlässig unterlaufen, weil der Ministerialbescheid nicht etwa durch postamtliche Hinterlegung, sondern (am 24. Juli 1995) durch persönliche, mit eigenhändiger Unterschrift bestätigte Übergabe zugestellt worden sei. Daß der Rückschein das Übernahmsdatum "24. Juli 1995" aufweise, bestreite die Antragstellerin gar nicht. Wenn sie daher ihrem Rechtsvertreter, wie im Wiedereinsetzungsantrag der Sache nach dargelegt, nicht das richtige Zustelldatum genannt habe, so handle es sich dabei nach den gegebenen Umständen keinesfalls mehr um einen bloß minderen Grad des Versehens im Sinne des § 146 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 35 Abs. 1 VerfGG 1953.
Über jeweiliges Ersuchen des Verwaltungsgerichtshofes legte der Verfassungsgerichtshof die Akten zu den Verfahren B 2787/95 und B 3455/95, die Beschwerdeführerin das Originalkuvert des RSb-Briefes vor. Auf dessen Vorderseite ist kein (durchgedrücktes) Datum der persönlichen Übernahme erkennbar.
2. Die §§ 26 Abs. 1 Z. 1 sowie 46 Abs. 1 und 3 VwGG lauten:
"§ 26. (1) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde gemäß Art. 131 B-VG oder gegen eine Weisung gemäß Art. 81a Abs. 4 B-VG beträgt sechs Wochen. Sie beginnt
1. in den Fällen des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer bloß mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung.
...
§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
...
(3) Der Antrag ist beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses, in den Fällen des Abs. 2 spätestens zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides zu stellen, der das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen."
3. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG setzt voraus, daß eine Partei eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten hat. Im vorliegenden Fall läge eine Fristversäumnis daher nur dann vor, wenn die Beschwerdeführerin die sechswöchige Frist zur Erhebung einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof versäumt hat.
Dies ist aus folgenden Gründen der Fall:
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, daß auf dem Rückschein des RSb-Briefes, mit dem ihr der angefochtene Bescheid zugestellt wurde, als Übernahmsdatum der 24. Juli 1995 vermerkt ist. Sie bestreitet auch nicht, daß der Stempelaufdruck auf dem Rückschein beim Feld "Zustellpostamt" die Angabe "24.-7.95-12" trägt. Ebensowenig hat die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof vorgebracht, die Darstellung der Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 5. Februar 1996, derzufolge bei Einlangen eines RS-Briefes bei einem Postamt dieser zunächst auf der Rückseite des Briefumschlages abgestempelt wird und erst nach erfolgter Zustellung auf dem Rückschein im dafür vorgesehenen Feld "Zustellpostamt" ein Stempelabdruck angebracht werde, sei unrichtig. Sie brachte jedoch im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof vor, der Stempelaufdruck auf der Rückseite des Originalbriefumschlages weise an der zweiten Ziffer "eine ausgeprägte obere Rundung sowie auch eine ausgeprägte untere Rundung" auf, weshalb charakteristische Merkmale der Ziffer 6 gegeben seien. Aus diesem Grund sei davon auszugehen, daß sich auf dem Briefkuvert der Poststempel "26-7-95-8" befinde. Dieser Schlußfolgerung vermag der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht zu folgen.
Der auf der Rückseite des (von der Beschwerdeführerin) zur Verfügung gestellten Originalkuverts des RSb-Briefes aufscheinende kreisrunde Stempel weist oben die deutlich lesbare Angabe "WIEN" und unten die ebenso deutlich lesbare Angabe "1080" auf. Daß es sich um einen Poststempel des Zustellpostamtes 1080 Wien (einen sogenannten Orts- und Tagesstempel) handelt, steht daher (unbestritten) fest.
In der Mitte des Stempels scheint der Abdruck einer Ziffernfolge auf: (von links gelesen) zunächst zwei Ziffern, daneben auf halber Höhe ein Bindestrich, daneben eine Ziffer nebst einem rechts auf der Basislinie (schwach erkennbaren) Punkt, daneben zwei Ziffern, abschließend ein weiterer Bindestrich sowie eine weitere Ziffer (ZZ-Z.ZZ-Z). Obwohl nicht alle Ziffern eindeutig lesbar sind, ist (unbestritten) davon auszugehen, daß die Zeichenfolge (von der zweiten Ziffer abgesehen) "2?-7.95-8" lautet. Geht man weiters davon aus, daß es sich dabei um eine Datumsangabe handelt, kann angenommen werden, daß bei einem besser lesbaren Stempelaufdruck auch rechts neben der zweiten Ziffer ein Punkt aufscheint. Die Zeichenfolge würde demnach "2?.-7.95-8" lauten. Strittig ist im vorliegenden Fall, ob die zweite Ziffer eine "6" darstellt, wie die Beschwerdeführerin vorbringt.
Vergleicht man die zweite Ziffer der Zeichenfolge mit den übrigen Ziffern, so ergäbe sich unter Zugrundelegung der Annahme, die zweite Ziffer sei eine "6", daß die Ziffer "6" auf dem verwendeten Poststempel, anders als die übrigen Ziffern, nicht die Basislinie berührt, sondern kleiner als die übrigen Ziffern gleichsam erhöht in der Zeichenfolge stünde. Diese Annahme erweist sich jedoch als unzutreffend, wie ein Vergleich mit den Stempelabdrucken des Zustellpostamtes 1080 Wien zeigt, wie sie von der Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit Schreiben vom 5. Februar 1996 in Kopie vorgelegt wurden und auch der Beschwerdeführerin vom Verfassungsgerichtshof übermittelt wurden (vgl. OZ. 9 im Akt des Verfassungsgerichtshofes zu Zl. B 3455/95). Diese Stempelabdrucke stellen das Datum "-5.-2.96-12" dar. Das Zeichen für die Ziffern "6" weist zwar oben und unten eine Rundung auf, wie sie für die Darstellung der Ziffer 6 üblich ist, weist aber links eine die beiden Rundungen verbindende (ausgeprägte) senkrechte Gerade auf. Überdies reicht das Zeichen für die Ziffer "6" bis auf die Basislinie der Ziffernfolge.
Angesichts der deutlich sichtbaren Unterschiede zwischen den Zeichen für die Ziffer "6" auf dem Stempel des Zustellpostamtes 1080 Wien und dem fraglichen Zeichen an der zweiten Stelle des Stempels auf dem Originalkuvert erscheint es ausgeschlossen, daß das fragliche Zeichen die Ziffer "6" darstellt. Diese Annahme des Verwaltungsgerichtshofes wird auch durch einen Vergleich des Zeichens für die Ziffer "4" im Stempelaufdruck "24.-7.95-12" auf dem Rückschein und der fraglichen Ziffer an der zweiten Stelle des Stempels auf dem Originalkuvert bestätigt. Rechts neben der (nach links gewölbten) Rundung, die von der Beschwerdeführerin anscheinend als charakteristische Rundung der Ziffer "6" gedeutet wird, ist, wenn auch undeutlich, ein von rechts oben nach links unten verlaufender Strich erkennbar, der bis zu einer kurz nach rechts führenden horizontalen Linie reicht. Sowohl die Neigung (ca. 72 Grad) dieses Striches als auch die Höhe des kurzen Querstriches decken sich mit der auf dem Stempelaufdruck "24.-7.95-12" an dessen zweiter Stelle, somit der Ziffer "4".
Sowohl auf der Grundlage dieser Vergleiche als auch vor dem Hintergrund der Stellungnahme der Post- und Telegraphendirektion, in der die Reihenfolge der Abstempelungen bei RS-Briefen dargestellt wird, ist daher davon auszugehen, daß das Originalkuvert den Stempelaufdruck "24.-7.95-8" zeigt, mag auch die zweite Ziffer schlecht lesbar sein und bei oberflächlicher Betrachtung den Eindruck erwecken können, es handle sich dabei um die Ziffer "6". Anders wäre es auch nicht zu erklären, daß auf dem Rückschein (unbestritten) als Datum der Übernahme durch die Beschwerdeführerin der "24.7.95" und im Feld "Zustellpostamt" der Stempelaufdruck "24.-7.95-12" aufscheinen.
Der angefochtene Bescheid wurde der Beschwerdeführerin daher bereits am 24. Juli 1995 zugestellt. Da die vorliegende Beschwerde erst am 6. September 1995 zur Post gegeben wurde, wurde die sechswöchige Beschwerdefrist versäumt.
4. Die Zustellung des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 1995, B 2787/95-4, mit dem ihre Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof als verspätet zurückgewiesen wurde, erfolgte am 27. Oktober 1995. Da die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt erstmals davon Kenntnis erlangte, eine Frist versäumt zu haben, erweist sich ihr am 10. November 1995 eingelangter Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als rechtzeitig.
5. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt gemäß § 46 Abs. 1 VwGG voraus, daß die Partei "durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Um welches unvorhergesehene oder unabwendbares Ereignis, das die Partei an der Einhaltung der Frist hindert, es sich handelt, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bereits im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beschreiben (vgl. die bei Walter-Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I (1998) S. 1601f (E 298.) wiedergegebene hg. Erkenntnisse). Diesen Erfordernissen wird der vorliegende Antrag jedoch nicht gerecht.
Soweit die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorbringt, sie habe davon ausgehen können, daß ihr der angefochtene Bescheid am 26. Juli 1995 zugestellt worden sei, ist dieses Vorbringen im Hinblick auf den festgestellten Zeitpunkt der Zustellung (24. Juli 1995) untauglich. Hat die Zustellung des angefochtenen Bescheides nämlich am 24. Juli 1995 stattgefunden und wurde der angefochtene Bescheid von der Beschwerdeführerin an diesem Tag persönlich übernommen, so könnte ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, das die Beschwerdeführerin an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert hätte, nur darin gelegen sein, daß sie aufgrund besonderer Umstände und weil das Datum der Übernahme des Bescheides auf der Vorderseite des Kuverts des RSb-Briefes nicht lesbar ist, zur Rekonstruktion des Zustelldatums zu einem späteren Zeitpunkt ausschließlich auf den Stempelabdruck auf der Rückseite des Kuverts angewiesen war, der ihr nahelegen konnte, daß die Zustellung erst am 26. Juli 1995 stattfand. Ein derartiges Vorbringen, demzufolge solche besondere Umstände vorgelegen seien, hat die Beschwerdeführerin jedoch nicht erstattet. Irrte die Beschwerdeführerin hingegen über den Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides und gab sie ihrem Rechtsvertreter am 24. August 1995 unter Vorlage des Originalkuverts als Zustelldatum den 26. Juli 1995 an, so ist ihr ein Verschulden an der Versäumung zur Last zu legen, das einen bloß minderen Grad des Versehens übersteigt.
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist war daher nicht stattzugeben.
5. Wegen Versäumung der Einbringungsfrist war die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG sowie die Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
7. Dieser Beschluß wurde in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat gefaßt.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995190811.X00Im RIS seit
03.04.2001