TE Bvwg Beschluss 2020/1/14 L503 2153154-2

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Veröffentlicht am 14.01.2020
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Entscheidungsdatum

14.01.2020

Norm

ASVG §410
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

L503 2153154-2/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Mag. MERTEN und Mag. WOLTRAN über die Beschwerde des Tourismusverbands XXXX , vertreten durch die wirtschaftsberater Freyenschlag-Ganner-Mitterer SteuerberatungsGmbH, gegen den Bescheid der Salzburger

Gebietskrankenkasse vom 13.01.2017, GZ: XXXX , betreffend

Beitragspflicht und Verzugszinsen, beschlossen:

A.) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Salzburger Gebietskrankenkasse zurückverwiesen.

B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. Mit Bescheid vom 13.1.2017 sprach die Salzburger Gebietskrankenkasse (im Folgenden kurz "SGKK") aus, dass H. P. aufgrund der für den nunmehrigen Beschwerdeführer, den Tourismusverband B. (im Folgenden kurz: "BF") in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgeübten, entgeltlichen Tätigkeit im Zeitraum vom 1.5.2010 bis zum 31.12.2015 der Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung gemäß § 4 Abs 1 und 2 ASVG sowie gemäß § 1 Abs 1 lit a AlVG unterlag.

Begründend führte die SGKK kurz zusammengefasst aus, H. P. sei (unter anderem) im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Geschäftsführer des Tourismusverbandes B. (des BF) gewesen und als solcher in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit tätig geworden und somit in einem Dienstverhältnis im Sinne von § 4 Abs 2 ASVG gestanden (siehe dazu ausführlich das Erkenntnis des BVwG vom heutigen Tage betreffend Versicherungspflicht, Zl. L503 2153154-1).

2. Mit weiterem - gegenständlich bekämpften - Bescheid vom 13.1.2017 verpflichtete die SGKK den BF als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs 1 ASVG, die von der SGKK mit Beitragsabrechnung vom 1.6.2016 nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von €

125.093,61 sowie Verzugszinsen in Höhe von € 32.046,77 an die SGKK zu entrichten.

Begründend wurde (neben der Beitragsabrechnung vom 17.8.2016 und dem Prüfbericht vom 18.8.2016) im Wesentlichen auf den eben dargestellten Versicherungspflichtbescheid verwiesen; aufgrund der Einbeziehung von H. P. in die Pflichtvollversicherung sei die entsprechende Nachverrechnung der Beiträge evident.

3. Mit Schriftsatz seiner steuerlichen Vertretung vom 13.2.2017 erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen beide Bescheide der SGKK vom 13.1.2017 und beantragte die Entscheidung durch den Senat gemäß § 414 ASVG sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Im Hinblick auf den Bescheid der SGKK betreffend Beitragspflicht und Verzugszinsen führte der BF lediglich aus, da eine Versicherungspflicht von H. P. nicht hätte festgestellt werden dürfen, sei auch die Vorschreibung von Sozialversicherungsbeiträgen zu Unrecht erfolgt.

4. Am 14.4.2017 legte die SGKK den Akt dem BVwG vor.

5. Mit Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. L503 2153154-1, wies das BVwG die vom BF gegen den Versicherungspflichtbescheid vom 13.1.2017 erhobene Beschwerde als unbegründet ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der verfahrensgegenständliche Beitragspflichtbescheid der SGKK beruht darauf, dass die SGKK mit Bescheid vom 13.1.2017 die Vollversicherungspflicht von H. P. nach dem ASVG im Zeitraum vom 1.5.2010 bis zum 31.12.2015 festgestellt hat.

Die SVA wie auch H. P. waren ursprünglich von einer Pflichtversicherung von H. P. nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG im Hinblick auf die Geschäftsführertätigkeit beim BF ausgegangen. Von H. P. waren dem entsprechend Beiträge an die SVA geleistet worden.

Mit Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. L503 2153154-1, wies das BVwG die vom BF gegen den Versicherungspflichtbescheid der SGKK erhobene Beschwerde als unbegründet ab.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen zum Beitragspflichtbescheid der SGKK und zum Erkenntnis des BVwG betreffend Versicherungspflicht ergeben sich unmittelbar aus diesen Entscheidungen.

Darüber hinaus folgt aus der Aktenlage klar, dass die SVA wie auch H. P. ursprünglich von einer Pflichtversicherung von H. P. nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG im Hinblick auf die Geschäftsführertätigkeit beim BF ausgegangen waren; eine Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG in der verfahrensgegenständlichen Zeit ist etwa - wie eine entsprechende Abfrage des BVwG vom heutigen Tage ergeben hat - (nach wie vor) beim Hauptverband gespeichert. Zudem hat H. P. bei seiner niederschriftlichen Befragung durch die SGKK am 28.4.2016 damit im Einklang stehend angegeben, dass er Versicherungsbeiträge an die SVA bezahle.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zurückverweisung

3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 414 Abs 2 ASVG entscheidet das BVwG in Angelegenheiten unter anderem des § 410 Abs 1 Z 7 ASVG (wenn etwa der Dienstgeber die Bescheiderteilung zur Feststellung der sich für ihn aus dem ASVG ergebenden Pflichten verlangt - konkret: zur Beitragszahlung) auf Antrag einer Partei durch einen Senat. Da der BF in seiner Beschwerde die Entscheidung durch den Senat beantragt hat, liegt hier folglich eine Senatszuständigkeit vor.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gem. § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 28 VwGVG lautet auszugsweise:

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

[...]

3.2. Im konkreten Fall bedeutet dies:

Mit Erkenntnis des BVwG vom heutigen Tage wurde zwar die im Beitragsverfahren als Vorfrage zu wertende Versicherungspflicht von H. P. für den streitgegenständlichen Zeitraum ausdrücklich festgestellt. Die Voraussetzungen für eine Beitragsnachverrechnung - einschließlich der Vorschreibung von Verzugszinsen - sind folglich dem Grunde nach erfüllt.

Allerdings ist im gegenständlichen Fall § 41 Abs 3 GSVG idF des Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetzes, BGBl I 125/2017, zu beachten, wonach im Falle der nachträglichen Umqualifizierung (Pflichtversicherung nach ASVG statt GSVG) die SVA zu Ungebühr entrichtete Beiträge an den nunmehr zuständigen Krankenversicherungsträger zu überweisen hat, von dem die überwiesenen Beiträge auf die geschuldeten Beiträge anzurechnen sind. Diesbezüglich besteht eine aktuelle Rechtsprechung des VfGH:

So hat der VfGH in seinem Erkenntnis vom 27.11.2019, Zl. E 4911/2018-10, betont, dass die dargestellte Regelung in § 41 Abs 3 GSVG gemäß § 367 GSVG zum 1.7.2017 ohne weitere Übergangsanordnung in Kraft getreten ist. Aus diesem Grunde ist es dem BVwG nach Auffassung des VfGH verwehrt, im Falle einer nachträglichen Umqualifzierung den in einem vor Inkrafttreten des Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetzes von der GKK festgesetzten, nach dem ASVG nachzuentrichtenden Betrag zu bestätigen, wenn bereits Beiträge an die SVA geleistet worden waren (vgl. Rz 15 des Erkenntnisses vom 27.11.2019, Zl. E 4911/2018-10), zumal dies Willkür bedeuten würde. Vielmehr seien allfällige Überweisungsbeträge der SVA zu berücksichtigen.

Vor diesem Hintergrund sind die im Akt befindlichen Unterlagen betreffend Beitragsnachverrechnung (samt Verzugszinsen) vor dem BVwG nicht verwertbar. Dem BVwG liegt somit kein brauchbarer Sachverhalt im Sinne der Erkenntnisse des VwGH vom 10.09.2014, Zl. Ra 2014/08/0005 und vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063, vor. Hält man sich im konkreten Fall vor Augen, dass eine Entscheidung über die Beitragspflicht erst nach einer (durch das Erkenntnis des BVwG betreffend Versicherungspflicht veranlassten) - "Rückabwicklung" zwischen der SVA und der SGKK erfolgen kann - so müssen die von H. P. entrichteten Beiträge von der SVA an die SGKK überwiesen und von dieser wiederum auf die geschuldeten Beiträge angerechnet werden -, dann liegt es im Übrigen auf der Hand, dass diese rascher und zweckmäßiger durch die SGKK wird erfolgen können.

Aus den dargestellten Gründen war spruchgemäß mit einer Behebung und Zurückverweisung vorzugehen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da es zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Verwaltungsgericht kassatorisch entscheiden darf, eine klare gesetzliche Regelung (§ 28 Abs 2 und 3 VwGVG) und eine einheitliche Rechtsprechung des VwGH gibt. Im Übrigen besteht - wie dargestellt - eine aktuelle Rechtsprechung des VfGH (Erkenntnis vom 27.11.2019, Zl. E 4911/2018-10), wonach es dem BVwG verwehrt ist, im Falle einer nachträglichen Umqualifzierung den in einem vor Inkrafttreten des Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetzes von der GKK festgesetzten, nach dem ASVG nachzuentrichtenden Betrag zu bestätigen, wenn bereits Beiträge an die SVA geleistet worden waren.

Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. Aufgrund der Aufhebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Schlagworte

Beitragsnachverrechnung, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L503.2153154.2.00

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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