Entscheidungsdatum
16.01.2020Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
W264 2200226-2/13E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über den Antrag von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch ihre gesetzliche Vertretung XXXX vom 1.12.2018 auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen Landesstelle Kärnten, vom 9.5.2018, 610-826068-007, betreffend die Abweisung des Antrages auf Entschädigung nach dem Impfschadengesetz, beschlossen:
A)
Dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz stattgegeben und die Verfahrenshilfe für die Führung des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht bewilligt. Von der Verfahrenshilfe sind die Beigebung eines/einer Rechtsanwaltes/Rechtsanwältin und die notwendigen Barauslagen des/der beigegebenen Rechtsanwaltes/Rechtanwältin umfasst.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Die minderjährige Antragstellerin brachte am 31.5.2016, vertreten durch ihre Mutter, einen Antrag auf Entschädigung nach dem Impfschadengesetz ein. Der Antrag wurde mit erhaltenen Impfungen und einer daraufhin erfolgten Wesensveränderung der Antragstellerin begründet. Sie hätte im Alter von zwei Jahren aufgehört zu sprechen, nur mehr ins Leere gestarrt und nur mehr ihre Finger in den Mund genommen. Sie könne auch bis heute nichts alleine halten.
Nach Einholung sämtlicher medizinischer Unterlagen, wie Impfpass und Krankenhausunterlagen, sowie Angaben der Kindesmutter, welche Symptome sich nach welchen Impfungen gezeigt haben, wurde seitens des Sozialministeriumservice (im Folgenden: belangte Behörde) eine ärztliche Sachverständigenbeurteilung betreffend das Krankheitsbild der Antragstellerin und dessen Ursache, basierend auf der Aktenlage, eingeholt. Aus dieser sachverständigen Aussage vom 19.3.2018 geht hervor, dass der Leidenszustand aus medizinischer Sicht auf eine genetische Ursache, nämlich die Mutation im MECP2-Gen und nicht auf die Impfung zurückzuführen ist.
Mit Bescheid vom 9.5.2018 wies die belangte Behörde den Antrag der Antragstellerin auf Entschädigung nach dem Impfschadengesetz ab und stützte sich in ihrer Begründung auf den eingeholten Sachverständigenbeweis, wonach aus dem Befundnachtrag der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde Graz vom 27.12.2010 hervorgehe, dass bei der Antragstellerin in der genomischen DNA die Mutation im MECP2-Gen heterozygot nachgewiesen wurde und die Antragstellerin damit an dem Rett-Syndrom leide.
Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin, vertreten durch ihren bevollmächtigten Rechtsanwalt, fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin im Wesentlichen aus, dass die Behörde es unterlassen hätte ein Gutachten eines Sachverständigen aus dem Fachbereich der Kinder- und Jugendheilkunde einzuholen, um die Zusammenhänge zwischen den Impfungen und dem Auftreten des Rett-Syndroms zu untersuchen. Zudem stellen das Unterbleiben der Befragung der Kindesmutter sowie das Unterbleiben der Begutachtung der Beschwerdeführerin wesentliche Verfahrensmängel dar.
Die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 6.7.2018 vorgelegt.
Mit Auftragsschreiben vom 16.10.2018 wurde die Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde Dr. XXXX mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens basierend auf der persönlichen Untersuchung der Antragstellerin beauftragt.
Die persönliche Untersuchung der Antragstellerin fand am 19.11.2018 statt und erstattete die fachärztliche Sachverständige ihr Gutachten am 25.2.2019.
Mit Eingabe vom 1.10.2018 wurde die Vollmachtsauflösung des beauftragten Rechtsanwaltes bekannt gegeben.
Am 1.12.2018 stellte die Antragstellerin, vertreten durch ihre Mutter, einen Antrag auf vollumfängliche Verfahrenshilfe. Es mögen auch die Reisekosten zur persönlichen Untersuchung am 19.11.2018 ersetzt werden, wobei die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel aufgrund der Behinderung der Antragstellerin nicht möglich gewesen sei. Ein Ausweis gemäß § 29b StVO sei vorhanden.
Aus dem Gutachten vom 25.2.2019 geht hervor, dass die Gesundheitsschädigung der Antragstellerin nicht kausal auf die Impfungen zurückzuführen ist, sondern durch das Vorliegen eines Rett-Syndroms bedingt ist.
Das Bundesverwaltungsgericht hat der Antragstellerin im Rahmen des Parteigehörs mit Schreiben vom 28.3.2019 das eingeholte fachärztliche Sachverständigengutachten vom 25.2.2019 zur Stellungnahme übermittelt.
Dazu hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 14.5.2019, vertreten durch ihren zwischenzeitlich beauftragten Rechtsanwalt, vorgebracht, dass es sich bei dem Rett-Syndrom laut den Ausführungen der Sachverständigen um eine genetische Erkrankung handle. Hierbei sei die Sachverständige jedoch nicht darauf eingegangen, dass es eine "de-novo" Mutation des betroffenen Gens geben könne und das Rett-Syndrom auch ohne familiäre Vorbelastung auftreten könne. In weiterer Folge wurden die erhaltenen Impfungen der BF aufgelistet und ausgeführt, dass es bei der BF am XXXX nach einer Vorstellung bei der Kinderärztin Dr. XXXX zum Auftreten von über 40 Grad Fieber gekommen und daraufhin gemeinsam mit ihrer Mutter in der Universitätsklinik Graz einen Tag lang stationär behandelt worden sei. Nach diesem Vorfall sie die BF immer wieder stark erkältet gewesen, habe an Fieberschüben und -krämpfen, an Ausschlägen im Bereich des Mundes sowie an Windeldermatitis gelitten. In diesem Zusammenhang wurde im Schriftsatz auf eine Studie des Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der MedUni Wien verwiesen, in welcher ausgeführt werde, dass zu den seltenen bis sehr seltenen Impfnebenwirkungen, der Fieberkrampf zähle, welcher durch den MMRV-Impfstoff auftreten könne. Des Weiteren wurden einige Fragestellungen an die befasste medizinische Sachverständige formuliert.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Antragstellerin ist minderjährig und lebt mit ihrer Mutter im gemeinsamen Haushalt. Der Kindesvater lebt getrennt von der Antragstellerin.
Die Antragstellerin stellte am 31.5.2016 einen Antrag auf Entschädigungsleistungen nach dem Impfschadengesetz und wurde dieser Antrag mit Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom 9.5.2018 abgewiesen.
Dagegen erhob die Antragstellerin fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde, vertreten durch XXXX Rechtsanwälte GmbH.
Die Auflösung der Vollmacht der XXXX Rechtsanwälte GmbH wurde mit Schriftsatz vom 27.9.2018, einlangend beim Bundesverwaltungsgericht am 1.10.2018, bekannt gegeben.
Am 1.12.2018 stellte die Antragstellerin den gegenständlichen Antrag auf Verfahrenshilfe in vollem Umfang zur weiteren Führung des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht. Als Wunsch äußerte die Antragstellerin die rechtliche Vertretung durch Dr. XXXX
.
Die Antragstellerin bezog im Zeitraum vom 1.7.2014 bis zum 30.6.2019 Unterhaltsvorschussleistungen gemäß §§ 3, 4 Z 1 Unterhaltsvorschussgesetz 1985 (UVG) in Höhe von monatlich 230,00
EUR.
Aktuell gebührt der Antragstellerin ein gerichtlich festgelegter Unterhaltsvorschuss in Höhe von monatlich 366,00 EUR für den Zeitraum vom 1.7.2019 bis 30.6.2024.
2. Beweiswürdigung:
Die Wohnverhältnisse der Antragstellerin ergeben sich aus den Angaben des Verfahrenshilfeantrages der Kindesmutter. Die Antragstellerin wurde am XXXX geboren und ist damit noch minderjährig. Das gesetzliche Vertretungsrecht kommt der Kindesmutter zu.
Die Feststellungen zu den Unterhaltsvorschüssen beruhen auf dem einerseits mit dem Antrag vorgelegten Unterhaltsvorschussbeschluss des BG XXXX , vom 2.7.2014, XXXX , sowie dem aktuellen Unterhaltsvorschussbeschluss des BG XXXX vom 6.11.2019, XXXX .
Dass die Antragstellerin am 31.5.2016 einen Antrag auf Entschädigungsleistungen nach dem Impfschadengesetz stellte ergibt sich sowohl aus dem gegenständlichen Verfahrenshilfeantrag vom 1.12.2018, als auch aus dem hg. zur GZ W264 2200226-1 anhängigen Verwaltungsakt, dem der Bescheid über die Abweisung des Antrages auf Entschädigungsleistungen nach dem Impfschadengesetz einliegend ist und von der Antragstellerin fristgerecht mittels Beschwerde bekämpft wurde.
Die Auflösungserklärung ist ebenfalls in diesem Verwaltungsakt einliegend.
Aus dem vorliegenden Verfahrenshilfeantrag ergibt sich, dass eine Rechtschutzversicherung die Kosten der anwaltlichen Vertretung vor der belangten Behörde übernommen hat, hingegen die Kosten für die weitere Führung des Verfahrens von dieser nicht mehr gedeckt würden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 9 Abs. 1 BVwGG leitet und führt der Vorsitzende eines Senates das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 2008 BlgNR 24. GP, S. 4) bedeutet dies, dass der Senatsvorsitzende "insbesondere die Entscheidung über den Antrag auf aufschiebende Wirkung, gegebenenfalls über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und über die Gewährung eines Verfahrenshilfeverteidigers" ohne Senatsbeschluss erlassen darf. Die Entscheidung über die Gewährung der Verfahrenshilfe unterliegt somit der Einzelrichterzuständigkeit.
Zu A)
Die Antragstellerin beantragte am 1.12.2018 - während ihres laufenden Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht - die Gewährung von Verfahrenshilfe.
Im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ist die Gewährung der Verfahrenshilfe in § 8a geregelt. Diese Bestimmung wurde mit dem Erlass des BGBl. I Nr. 24/2017 in das VwGVG eingefügt und trat gemäß § 58 Abs. 4 VwGVG mit 1.1.2017 in Kraft.
Wenn das Verwaltungsgericht in der Sache selbst entscheidet, hat es seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten; allfällige Änderungen des maßgeblichen Sachverhalts und der Rechtslage sind also zu berücksichtigen (VwGH 30.03.2017, Ro 2015/03/0036, mwN).
§ 8a VwGVG idgF lautet wie folgt:
"(1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.
(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung - ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.
(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.
(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.
(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.
(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.
(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.
(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.
(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.
(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt."
Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist Verfahrenshilfe einer Partei zu gewähren, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist. Durch den Verweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (siehe auch das Erk. des VwGH vom 03.09.2015, Ro 2015/21/0032).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung des § 40 VwGVG führte, die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammengefasst, dass der "Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse"; in jenen Fällen, in denen es "unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde," müsse ein solcher beigestellt werden.
Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (siehe 1255 der Beilagen XXV. GP - Regierungsvorlage - Erläuterungen zu § 8a VwGVG).
Entsprechend der Rechtsprechung des EGMR im Fall Laskowska gegen Polen, Nr. 77765/01, und Airey gegen Irland, Nr. 6289/73, ist insb. relevant, ob es sich um ein komplexes Verfahren handelt sowie die Notwendigkeit, komplizierte Rechtsfragen zu klären oder Sachverhalte zu ermitteln unter Einbeziehung eines Sachverständigenbeweises und der Vernehmung von Zeugen. Unter solchen Umständen hielt es das Gericht für unrealistisch, dass die beschwerdeführende Partei - trotz der Unterstützung, die Richter den persönlich handelnden Parteien gewähren - ihre eigene Rechtssache wirksam führen kann. Dabei ist laut diesen Judikaten auch auf die Stellung des erkennenden Gerichts abzustellen.
Für die Frage, ob die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens zu bestreiten, sind die Bestimmungen der ZPO maßgeblich (siehe § 63 Abs. 1 ZPO zur Definition des notwendigen Unterhalts).
Zunächst ist in Anbetracht des Umstandes, dass die Antragstellerin im Alter von elf Jahren - sohin noch minderjährig - ist, zum Erfordernis, nicht in der Lage zu sein, die Kosten des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, auszuführen, dass es seit Jahrzehnten dem einhelligen Meinungsstand in Lehre und Rechtsprechung entspricht, bei einem Verfahrenshilfeantrag eines Minderjährigen auch die Verhältnisse der Unterhaltspflichtigen einzubeziehen (siehe Johannes Stabentheiner, Kindesunterhalt und Verfahrenshilfe, EF-Z 2006/4, 9). Bei getrennt lebenden Elternteilen, wobei das Kind im Haushalt eines Elternteiles lebt, wird unterschieden, ob der getrennt lebende Elternteil in dem dem Verfahrenshilfeantrag zugrunde liegenden Verfahren dem Minderjährigen als Verfahrensgegner oder sonst antagonistisch gegenübersteht. Außerhalb solcher gegensätzlicher Positionen, ist das Einkommen und das Vermögen des getrennt lebenden Elternteils einzubeziehen, sofern dieser entweder seiner Unterhaltspflicht freiwillig nachkommt oder der Minderjährige seine Unterhaltsansprüche gegen ihn ohne weiteres geltend machen und durchsetzen kann.
Im gegenständlichen Fall bezieht die Antragstellerin aktuelle Unterhaltsvorschüsse nach dem UVG in der Höhe von 366,00 EUR monatlich.
Mangels der freiwilligen Unterhaltsleistung des Vaters der Antragstellerin sowie der Möglichkeit für die Antragstellerin Unterhaltsansprüche gegen ihren Vater ohne weiteres geltend zu machen, wird das Einkommen des getrennt lebenden Elternteils jedenfalls nicht einzubeziehen sein.
Die Unterhaltsvorschussleistung in Höhe von 366,00 EUR monatlich wird jedenfalls zu gering sein, um davon ausgehen zu können, die Antragstellerin könne die Kosten des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts bestreiten.
Das von der Kindesmutter bezogene Einkommen, ist nach der herangezogenen bereits an vorheriger Stelle zitierten Literatur nicht zu berücksichtigen. Demnach ist der betreuende und damit bloß naturalunterhaltspflichtige Elternteil jedenfalls nicht in die Verfahrenshilfeprüfung miteinzubeziehen (Johannes Stabentheiner, Kindesunterhalt und Verfahrenshilfe, EF-Z 2006/4, 9).
Als weitere Kriterien haben in die Entscheidung die Komplexität des Falles und insbesondere auch die Erfolgsaussichten einzufließen.
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet gegenständlich aufgrund einer bescheidmäßigen Erstentscheidung. Das Bundesverwaltungsgericht ist letzte Tatsacheninstanz und für die Findung der Einzelfallgerechtigkeit zuständig. Nun sind die Hürden zur Einlassung in ein Verfahren für den Antragsteller beim Bundesverwaltungsgericht nicht durch die Vorschrift einer Anwaltspflicht gekennzeichnet. Besonders im gegenständlichen Fall geht es auch nicht um die Einbringung einer Beschwerde durch einen Rechtsanwalt, da dies bereits vor der Antragstellung auf Verfahrenshilfe erfolgte. Hingegen wurde ein Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der Kinder- und Jugendheilkunde eingeholt und gilt es dieses im weiteren Verfahren zu erörtern. Es wird nicht in jedem Verfahren nach dem Impfschadengesetz Verfahrenshilfe notwendig sein; etwa bei eindeutiger Rechtslage oder wenn absehbar ist, dass der Sachverhalt so einfach ist, dass es zur Klärung nur der Einvernahme des Antragstellers bedarf. Der gegenständliche Fall zeichnet sich jedoch durch höhere Komplexität aus, welche insbesondere durch die Notwendigkeit der weiteren Erörterung des eingeholten Sachverständigengutachtens bedingt ist, und agiert das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich als letzte Tatsacheninstanz.
Im konkreten Fall erfüllt die Antragstellerin die in § 8a Abs. 1 leg. cit. genannten Voraussetzungen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung ist auch nicht offenbar mutwillig oder aussichtslos. Über die konkreten Erfolgsaussichten können derzeit noch keine Aussagen getätigt werden.
Offenbar aussichtslos ist die Rechtsverfolgung dann, wenn sie schon ohne nähere Prüfung der vorgebrachten Argumente als erfolglos erkannt werden kann. Dies ist vom Verwaltungsgericht anhand der ihm vorgelegten Akten objektiv zu beurteilen. Der Erfolg muss zur Genehmigung von Verfahrenshilfe zwar nicht gewiss sein, aber nach der sofort erkennbaren Lage eine gewisse - wenn auch nicht allzu große - Wahrscheinlichkeit für sich haben. Erforderlich ist hierfür allerdings kein besonders strenger Maßstab, weil sonst unter Umständen durch die Verfahrenshilfeentscheidung bereits die Sachentscheidung vorweg genommen würde. Einzubeziehen sind daher vom Verwaltungsgericht nicht sämtliche, sondern nur die wesentlichen Gesichtspunkte. Erachtet das Gericht zur Beurteilung etwa Beweisaufnahmen oder sonstige Ermittlungen für erforderlich, ist nicht mehr von einer "offenkundigen" Aussichtslosigkeit auszugehen und der Verfahrenshilfeantrag bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zu bewilligen (Beate Sündhofer, Neuregelung der Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, ZVG 2018, 15ff; vgl. auch Götzl in Götzl, Gruber, Reisner, Winkler, Verwaltungsgerichtsbarkeit: Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte 2017, § 8a VwGVG, Rz 17f).
Folglich ist dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe spruchgemäß gemäß § 8a VwGVG stattzugeben.
Von der Verfahrenshilfe sind spruchgemäß die Kosten für die Beigebung eines/einer Rechtsanwaltes/Rechtsanwältin und die notwendigen Barauslagen des/der beigegebenen Rechtsanwaltes/Rechtanwältin umfasst, da derartige Kosten im gegenständlichen Verfahren anfallen.
Dass darüber hinaus andere ebenfalls von der Bestimmung des § 8a VwGVG umfasste Kosten anfallen werden, ist im aktuellen Entscheidungszeitpunkt nicht ersichtlich.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
finanzielle Mittel, Rechtsvertreter, VerfahrenshilfeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W264.2200226.2.00Zuletzt aktualisiert am
09.03.2020