Entscheidungsdatum
20.01.2020Norm
BEinstG §8Spruch
W132 2220386-1/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende sowie Mag. Pia-Maria ROSNER-SCHEIBENGRAF, Mag. Harald STELZER, Mag. Josef FRAUNBAUM und Mag. Gerald SOMMERHUBER als fachkundige Laienrichterinnen und Laienrichter über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch XXXX , wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Behindertenausschuss beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Kärnten, betreffend den Antrag auf Zustimmung zur beabsichtigten Änderungskündigung des begünstigten Dienstnehmers XXXX , vertreten durch XXXX ,
A)
I. zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht wird gemäß Art 130 Abs. 1 Z 3 B-VG stattgegeben.
II. beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice, in der Folge belangte Behörde genannt) vom 08.05.2009 wurde festgestellt, dass der Dienstnehmer XXXX (in der Folge mitbeteiligte Partei genannt) aufgrund des in Höhe von 50 vH festgestellten Grades der Behinderung ab 16.04.2009 dem Personenkreis der begünstigten Behinderten zugehört.
1.1. Mit Bescheid des Sozialministeriumservice vom 04.09.2015 wurde der Grad der Behinderung von Amts wegen ab 01.05.2015 mit 70 vH neu festgesetzt.
2. Die XXXX (in der Folge Antragstellerin genannt) hat durch ihren bevollmächtigten Vertreter mit Schriftsatz vom 17.12.2015, eingelangt bei der belangten Behörde am 21.12.2015, einen Antrag auf Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung der mitbeteiligten Partei gestellt.
2.1. Die belangte Behörde hat mit dem Bescheid vom 09.03.2016 dem Antrag vom 21.12.2015 auf Zustimmung zur Kündigung der mitbeteiligten Partei keine Folge gegeben.
2.2. Die bevollmächtigte Vertretung der Antragstellering hat dagegen Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erhoben.
3. Mit Schriftsatz vom 06.12.2016, im Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 07.12.2016, hat die Antragstellerin den Antrag auf Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung der mitbeteiligten Partei bekräftigt und in eventu die Zustimmung zur beabsichtigten Änderungskündigung der mitbeteiligten Partei beantragt. Die Antragstellerin beabsichtigte für den Fall, dass keine Zustimmung zur Kündigung der mitbeteiligten Partei erteilt werde, die mitbeteiligte Partei von einem Arbeitsplatz in der Verwendungsgruppe PT3/Entlohnungsgruppe pt3 auf einen Arbeitsplatz in der Verwendungsgruppe PT8/Entlohnungsgruppe pt8 zu versetzen, womit eine maßgebende finanzielle Einbuße für die mitbeteiligte Partei verbunden wäre.
4. Die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 09.03.2016 erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.05.2017, GZ W115 2125007-1/13E, behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde mit der Begründung zurückverwiesen, dass umfassende Ermittlungen zu führen seien, ob, gegebenenfalls welcher, geeignete Ersatzarbeitsplatz im Unternehmen vorhanden ist.
4.1. Die vom bevollmächtigten Vertreter der Antragstellerin gegen diese Entscheidung erhobene (außerordentliche) Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 16.08.2017, Ra 2017/11/0212-3, zurückgewiesen.
4.2. Im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde Sachverständigengutachten eingeholt und eine weitere mündliche Verhandlung durchgeführt.
Mit Bescheid vom 12.03.2018 hat die belangte Behörde dem Antrag der Antragstellerin auf Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung keine Folge gegeben und die Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung nicht erteilt.
4.3. Dagegen hat der bevollmächtigte Vertreter der Antragstellering Beschwerde erhoben.
4.4. Mit Schriftsatz vom 12.12.2018 wurde vom bevollmächtigten Vertreter der mitbeteiligten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 23.02.2018, GZ 31 Cga 131/16 t, vorgelegt, in dem vom erkennenden Senat ausgesprochen worden ist, dass die Beschwerdeführerin schuldig ist, der mitbeteiligten Partei den Betrag von EUR 23.558,27 brutto zuzüglich 9,08 % Zinsen aus EUR 3.732,66 vom 30.10.2016 bis 22.02.2018 und 8,58 % Zinsen p.a. aus EUR 23.558,27 seit 23.02.2018 zu bezahlen und die mit EUR 6.830,12 bestimmten Prozesskosten (darin enthalten EUR 1.088,52 an 20-%iger USt. und EUR 305,20 an Barauslagen) zu ersetzen; dies alles binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu Handen der Klagevertretung (Spruchpunkt 1.). Unter Spruchpunkt 2. wurde erkannt, dass gegenüber der Beschwerdeführerin festgestellt wird, dass die mitbeteiligte Partei aufgrund der vertragswidrigen und rechtsunwirksamen Versetzung nicht verpflichtet ist, anstelle der vereinbarten Tätigkeit als Betriebsmanager nunmehr untergeordnete Tätigkeiten als Zusteller zu verrichten. Unter Spruchpunkt 3. wurde das Feststellungsbegehren der Beschwerdeführerin, dass gegenüber der mitbeteiligten Partei festgestellt werde, dass diese in der Verwendungsgruppe PT8/Entlohnungsgruppe pt8 bei der Beschwerdeführerin aufrecht beschäftigt sei, abgewiesen. Weiters wurde unter Spruchpunkt 4. das eventualiter gestellte Feststellungsbegehren der Beschwerdeführerin, dass festgestellt werde, dass zwischen den Streitteilen ein Dienstverhältnis bestehe, im Rahmen dessen die Hauptleistungspflicht der mitbeteiligten Partei die Erbringung von Arbeitsleistungen in der Verwendungsgruppe PT8 und die Entlohnung dieser Arbeitsleistungen in der Entlohnungsgruppe pt8 sei, abgewiesen.
Weiters wurde mit dem Schriftsatz vom 12.12.2018 das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 26.11.2018, GZ 7 Ra 32/18g, vorgelegt, mit dem der Berufung gegen das oben angeführte Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 23.02.2018, GZ 31 Cga 131/16 t, keine Folge gegeben wurde.
4.5. Die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 12.03.2018 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.03.2019, GZ W115 2125007-2/11E abgewiesen.
5. Am 07.03.2019 hat die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die gegenständliche Säumnisbeschwerde der Antragstellerin zum Antrag auf Zustimmung zur Änderungskündigung samt der bezughabenden Akten vorgelegt.
Die Akten wurden der belangten Behörde gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG retourniert.
5.1. Die Antragstellerin hat am 13.06.2019 beantragt, dass die belangte Behörde die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorlegt, weil die Frist gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG bereits abgelaufen sei.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht am 24.06.2019 vorgelegt.
5.2. Das Bundesverwaltungsgericht hat die belangte Behörde mit Schreiben vom 19.07.2019 aufgefordert, zur Verletzung der Entscheidungspflicht Stellung zu nehmen.
Mit Schreiben vom 26.07.2019 hat die belangte Behörde dazu im Wesentlichen ausgeführt, es werde die Rechtsansicht vertreten, dass mit dem Bescheid vom 12.03.2018 über den Antrag auf Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung der mitbeteiligten Partei vom 21.12.2015 negativ abgesprochen worden sei und dass in dieser Entscheidung auch der Antrag auf Zustimmung zur Änderungskündigung vom 06.12.2016 mitumfasst sei, weshalb keine gesonderte Entscheidung ergangen sei.
5.3. Die Antragstellerin wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 19.07.2019 aufgefordert, das Vorbringen dahingehend schriftlich zu ergänzen, aus welchen Gründen der Antrag auf Zustimmung zur Änderungskündigung der mitbeteiligten Partei aufrecht gehalten wird.
Mit Schreiben vom 19.08.2019 hat die Antragstellering dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde eine Entscheidungspflicht treffe. In der Sache werde auf die an den Verfassungsgerichtshof zum Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.03.2019, GZ W115 2125007-2/11E, erhobene Beschwerde hingewiesen.
5.4. Die Behandlung der vom bevollmächtigten Vertreter der Antragstellerin gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.03.2019, GZ W115 2125007-2/11E, erhobene Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 23.09.2019, E 1402/2019-5, abgelehnt und die Beschwerde mit Beschluss vom 07.11.2019, E 1402/2019-7, dem Verwaltungsgerichthof zur Entscheidung abgetreten.
Begründend wurde ausgeführt, dass der Gesetzgeber an die Kündigung eines begünstigten Dienstnehmers zusätzliche Voraussetzungen - hier die (erfüllbare) Beweislastumkehr gemäß § 8 Abs 4 lit. a BEinstG - knüpft, was aus Sicht des Verfassungsgerichtshofes nicht zu beanstanden ist. Auch ist dieser Bestimmung - unter Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden - eine hinreichende Determinierung des behördlichen Verhaltens im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu Art. 18 Abs. 1 B-VG (zum "differenzierten Legalitätsprinzip" vgl. zB auch VfSlg. 13.785/1994 mwN, 20.130/2016; VfGH 6.3.2018, G 129/2017) zu entnehmen. Es ist nicht erkennbar, inwiefern § 16 Abs. 1 BEinstG gegen das Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 Abs. 1 DSG 2000) verstoßen könnte.
5.5. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Ladungen vom 22.10.2019 für den 11.12.2019 eine mündliche Verhandlung anberaumt.
5.6. Dem Vertagungsersuchen der Antragstellerin stattgebend, wurde die mündliche Verhandlung mit Ladungen vom 08.11.2019 für den 13.01.2020 umberaumt.
5.7. Mit Schreiben vom 10.01.2020, eingelangt im Bundesverwaltungsgericht am 10.01.2020, hat die Antragstellerin im Wege der bevollmächtigten Vertretung den Antrag auf Zustimmung zur Änderungskündigung der mitbeteiligten Partei infolge kürzlich erfolgter Einigung zurückgezogen.
1. Feststellungen
1.1. Der Antrag auf Zustimmung zur Änderungskündigung der mitbeteiligten Partei ist am 07.12.2016 im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
Die Säumnisbeschwerde wurde im März 2019 bei der belangten Behörde eingebracht.
Die belangte Behörde hat in der Folge diesbezüglich, im Hinblick auf die dort vertretene Rechtsansicht, darüber sei bereits mit Bescheid vom 12.03.2018 abgesprochen worden, nicht entschieden.
1.2. Mit Schreiben vom 10.01.2020, eingelangt im Bundesverwaltungsgericht am 10.01.2020, hat die Antragstellerin den Antrag auf Zustimmung zur Änderungskündigung der mitbeteiligten Partei zurückgezogen.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1.) Der Verfahrensgang und der oben festgestellte und für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Zu 1.2.) Das Schreiben vom 10.01.2020 ist eindeutig formuliert und lässt kein Zweifel am Willen der Antragstellerin, den Antrag auf Zustimmung zur Änderungskündigung der mitbeteiligten Partei zurückziehen zu wollen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 19b Abs. 1 BEinstG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des § 8 durch den Senat.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG sind die Erkenntnisse zu begründen. Für Beschlüsse ergibt sich aus § 31 Abs. 3 VwGVG eine sinngemäße Anwendung.
Zu A)
3.1. Stattgabe der Säumnisbeschwerde
3.1.1. Änderungskündigung
Eine Änderungskündigung ist eine Kündigung unter der Bedingung, dass sich der Vertragspartner mit bestimmten, meist gleichzeitig vorgeschlagenen, Änderungen nicht einverstanden erklärt, zB mit der Herabsetzung des Entgeltes wegen zu hoher Einstufung. Leistung und Gegenleistung sind aber nur dann zu ändern, wenn sich der Sachverhalt wesentlich verändert hätte.
Als eventueller wirtschaftlicher Nachteil für den Dienstgeber wäre in diesem Fall eine gewährte Überzahlung im Rahmen der Interessensabwägung zu berücksichtigen. (in diesem Sinn VwGH vom 24. 9. 2003; Zl 2001/11/0332)
Der Antrag auf Zustimmung zur Änderungskündigung der mitbeteiligten Partei, gegenständlich als Eventualantrag zum Antrag auf Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung, eingebracht, stellt einen zulässigen Antrag dar, über den gesondert zu entscheiden ist.
Die Antragstellerin beabsichtigte für den Fall, dass keine Zustimmung zur Kündigung der mitbeteiligten Partei erteilt werde, die mitbeteiligte Partei von einem Arbeitsplatz in der Verwendungsgruppe PT3/Entlohnungsgruppe pt3 auf einen Arbeitsplatz in der Verwendungsgruppe PT8/Entlohnungsgruppe pt8 zu versetzen, womit eine maßgebende finanzielle Einbuße für die mitbeteiligte Partei verbunden wäre.
Ein Eventualantragstellt stellt keine bloße "Ergänzung" des Hauptantrages oder eine "Antragsänderung" dar; es handelt sich dabei um einen eigenständig zu beurteilenden (weiteren) Antrag, der unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Primärantrag erfolglos bleibt. Eine Entscheidung über den Eventualantrag ist somit überhaupt erst zulässig, wenn über den Hauptantrag (abschlägig) entschieden worden ist. (u.a. Ra 2017/05/0215 vom 24.04.2018)
Da die belangte Behörde im Bescheid vom 12.03.2018 über den Eventualantrag nicht abgesprochen hatte, war der Antrag auf Zustimmung zur Änderungskündigung der mitbeteiligten Partei nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens und hat das Bundesverwaltungsgericht darüber nicht abgesprochen (siehe Erkenntnis Seite 32 des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.03.2019, W115 2125007-2/11E).
3.1.2. Säumnis
Gemäß Art 130 Abs. 1 Z 3 B-VG erkennen Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.
Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. (§ 8 Abs. 1 VwGVG)
Ist die Säumnisbeschwerde zulässig und nicht abzuweisen, geht die Zuständigkeit zur Entscheidung auf das Verwaltungsgericht über.
Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann die Behörde innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid erlassen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, ist das Verfahren einzustellen. (§ 16 Abs. 1 VwGVG)
Holt die Behörde den Bescheid nicht nach, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. (§ 16 Abs. 2 VwGVG)
Der Antrag auf Zustimmung zur beabsichtigten Änderungskündigung ist spätestens im Zuge der Aktenübermittlung nach Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.05.2017, GZ W115 2125007-1/13E (Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG), sohin im Mai 2017, bei der belangten Behörde eingelangt.
Die belangte Behörde hat darüber nicht abgesprochen.
Die Säumnisbeschwerde wurde im März 2019 bei der belangten Behörde eingebracht.
Die belangte Behörde hat auch die Frist gemäß § 16 VwGVG ungenützt verstreichen lassen.
Die Verzögerung ist jedenfalls dann auf ein überwiegendes Verschulden der belangten Behörde zurückzuführen, wenn in der Entscheidungsfrist keinerlei Verfahrensschritte durch die Behörde gesetzt wurden (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, 2017, § 8 VwGVG, K 8).
Für diese Beurteilung gilt es auch auszumachen, ob die Ursache einer Verzögerung des Verwaltungsverfahrens (überwiegend) im Einflussbereich der belangten Behörde liegt; gegebenenfalls ist das Verschulden der Partei an der Verzögerung des Verfahrens gegen jenes der Behörde abzuwägen (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 73 Rz 126 ff).
Ein überwiegendes Verschulden ist auch anzunehmen, wenn die Behörde nicht durch ein schuldhaftes Verhalten der Partei (vgl VwGH 22.12.2010, 2009/06/0134; VwGH 18.11.2003, 2003/05/0115) oder durch unüberwindliche Hindernisse von der Entscheidung abgehalten wurde (vgl VwGH 26.09.2011/2009/10/0266); etwa wenn die Behörde, die für eine zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt, oder mit diesem grundlos zuwartet (vgl. VwGH 26.01.2012/2008/07/0036).
In der Abwägung des Verschuldens der Partei an der Verzögerung gegen jenes der Behörde genügt ein "überwiegendes" Verschulden der Behörde (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 8 VwGVG, Anm 9).
Aus dem Akteninhalt ergibt sich nicht, dass die Verzögerung durch ein schuldhaftes Verhalten der Antragstellerin, oder durch unüberwindliche Hindernisse verursacht war.
Die Verzögerung ist auf ein überwiegendes Verschulden der belangten Behörde zurückzuführen, weil diese rechtsirrig, davon ausgegangen ist, darüber mit Bescheid vom 12.03.2018 bereits abgesprochen zu haben.
Da der Eventualantrag zulässig und die belangte Behörde aus überwiegendem Verschulden säumig ist, ist die Säumnisbeschwerde zulässig und berechtigt.
Daher war der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht stattzugeben und ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig, über den Eventualantrag abzusprechen.
3.2. Einstellung des Verfahrens
Da der Antrag auf Zustimmung zur Änderungskündigung der mitbeteiligten Partei zurückgezogen wurde, ist einer Sachentscheidung die Grundlage entzogen und das Verfahren einzustellen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl die oben angeführte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Eventualantrag, Säumnisbeschwerde, Verfahrenseinstellung, VerletzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W132.2220386.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.03.2020