TE OGH 2019/12/18 5Ob178/19s

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Veröffentlicht am 18.12.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in den verbundenen wohnrechtlichen Außerstreitsachen der Antragstellerinnen 1. J*****, 2. T*****, beide vertreten durch Mag. Dr. Martin Dercsaly, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin S*****, vertreten durch Mag. Stefan Hotz, Rechtsanwalt in Wien, wegen §§ 21 ff MRG iVm § 37 Abs 1 Z 12 MRG infolge des außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragstellerinnen gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. Juli 2019, GZ 39 R 109/19x-30, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 22. November 2018, GZ 5 Msch 7/18b (5 Msch 10/18v)-18 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 9. Jänner 2019, GZ 5 Msch 7/18b (5 Msch 10/18v)-25, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Rekursgericht übermittelt.

Text

Begründung:

Die Antragstellerinnen begehrten in ihren getrennt bei der Schlichtungsstelle eingebrachten und dann an das Gericht abgezogenen Anträgen die Feststellung, ob und in welchem Ausmaß von ihnen konkret bezeichnete, in der Betriebskostenabrechnung 2015 verrechnete Ausgaben auf sie überwälzbare Betriebskostenpositionen seien, die Feststellung der Überschreitung des gesetzlichen Zinsausmaßes im Umfang der Verrechnung unzulässiger Beträge sowie die Rückzahlung der sich ergebenden Guthaben gemäß § 37 Abs 1 Z 12 MRG.

Das Erstgericht, das die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hatte, gab den Anträgen hinsichtlich näher bezeichneter Positionen für Rauchfangkehrer, Strom bzw Gas, HB-Arbeiten und Firmenbetreuung, Haus- und Gartenbetreuung statt und wies sie im Übrigen ab.

Das Rekursgericht gab dem gegen den abweisenden Teil erhobenen Rekurs der Antragstellerinnen nicht Folge, wohl aber demjenigen der Antragsgegnerin und wies beide Anträge zur Gänze ab. Es sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige „insgesamt 10.000 EUR“ und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung nicht zu, es sei Frage des Einzelfalls, ob eine in einem konkreten Fall gelegte Abrechnung den Anforderungen des § 21 MRG entspreche.

Dagegen richtet sich das als „außerordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnete Rechtsmittel beider Antragstellerinnen.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof, dem die Akten unmittelbar vorgelegt wurden, ist (derzeit) zur Entscheidung über das Rechtsmittel noch nicht berufen:

1. Im allgemeinen Außerstreitverfahren ist der Revisionsrekurs – außer im Fall der Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs nach § 63 Abs 3 AußStrG – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat (§ 62 Abs 3 AußStrG). Das gilt gemäß § 62 Abs 4 AußStrG nicht, soweit der Entscheidungsgegenstand nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist.

2. In diesem wohnrechtlichen Außerstreitverfahren gelten für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nach § 37 Abs 3 Z 16 MRG die §§ 62 bis 64 AußStrG mit der Maßgabe, dass die Entscheidungsgegenstände rein vermögensrechtlicher Natur sind und die maßgebliche Wertgrenze 10.000 EUR beträgt.

3. Bei der Bewertung hat das Rekursgericht gemäß § 59 Abs 3 AußStrG die gesetzlichen Bewertungsregeln der §§ 54 Abs 2, 55 Abs 1 bis 3, 56 Abs 3, 57, 58 und 60 JN sinngemäß anzuwenden (5 Ob 13/17y; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I² § 59 Rz 34). Eine Zusammenrechnung mehrerer geltend gemachter Ansprüche kommt nach § 55 Abs 1 JN daher nur dann in Betracht, wenn sie entweder von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei erhoben werden und in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen oder sie von mehreren Parteien oder gegen mehrere Parteien erhoben werden, die Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO sind.

4. Den Begriff des Streitgenossen verwendet das AußStrG zwar nicht, regelt die Streitgenossenschaft aber im Wesentlichen gleich wie die ZPO. Auch im Verfahren außer Streitsachen ergibt sich aus der Rechtsnatur des geltend gemachten Anspruchs oder der Anordnung von Wirkungen allen aktenkundigen Parteien gegenüber, also aus dem materiellen Recht, ob Dispositionen über den Verfahrensgegenstand der Einstimmigkeit der Parteien bedürfen oder eine Partei allein tätig werden darf und was bei widerstreitenden Erklärungen gilt (vgl RIS-Justiz RS0125593). Allerdings ist es ständige Rechtsprechung zum streitigen Verfahren (RS0036717; RS0037236), dass die bloße Prozessverbindung nach § 187 ZPO nur die Verhandlungen, nicht aber die Rechtssachen zu einer Einheit verbindet, sodass eine solche Verbindung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ohne jede Bedeutung ist. Die Verbindung mehrerer Prozesse zur gemeinsamen Verhandlung im Sinn des § 187 ZPO schafft keine Streitgenossenschaft (RS0037236), was sogar für Fälle notwendiger Streitgenossenschaft bereits ausgesprochen wurde (RS0037236 [T1]). Für die hier erfolgte Verbindung von wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nach § 37 Abs 3 Z 12 MRG kann nichts anderes gelten.

5. Hier haben die beiden Antragstellerinnen getrennt die Überprüfung der Betriebskostenabrechnung für 2015 bei der Schlichtungsstelle beantragt und die Verfahren auch getrennt an das Gericht abgezogen. Unabhängig von der Frage, ob sie im Fall gemeinsamer Antragstellung als bloß formelle oder auch materielle Streitgenossen anzusehen gewesen wären, vermag der Umstand der Verbindung der wohnrechtlichen Außerstreitsachen durch das Erstgericht eine derartige Streitgenossenschaft nicht zu begründen. Die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung im Sinn des § 55 Abs 1 JN lagen daher nicht vor. Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses ist vielmehr für jede einzelne Antragstellerin nach § 55 Abs 4 JN gesondert zu beurteilen (vgl 5 Ob 13/17y).

6. Das Rekursgericht hat den Entscheidungsgegenstand allerdings nur „insgesamt“ mit 10.000 EUR übersteigend bewertet, die gebotene Differenzierung in Bezug auf die beiden Antragstellerinnen aber unterlassen, was – im Sinn einer getrennten Bewertung – zu berichtigen sein wird.

7. Sollte sich dabei ergeben, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands bei getrennter Betrachtung jeweils 10.000 EUR nicht übersteigt, käme eine Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs zur Entscheidung nur dann in Betracht, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 63 Abs 3 AußStrG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG ausspricht, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei. Ob der Schriftsatz der Antragstellerin diesfalls den Erfordernissen des § 63 Abs 1 AußStrG entspricht oder allenfalls einer Verbesserung bedarf, obliegt der Beurteilung der Vorinstanzen. Nur im Fall, dass das Rekursgericht aussprechen sollte, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich jeder Antragstellerin 10.000 EUR übersteigt, wird der außerordentliche Revisionsrekurs gleich wieder vorzulegen sein.

Textnummer

E127430

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00178.19S.1218.000

Im RIS seit

06.03.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.09.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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