TE OGH 2020/1/21 1Ob225/19y

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Veröffentlicht am 21.01.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M***** T*****, vertreten durch die Winternitz Rechtsanwalts GmbH, Wien, gegen die beklagte Partei Dr. C***** T*****, vertreten durch Mag. Claus Schmidt-Gentner, Rechtsanwalt in Wien, wegen 137.500 EUR sA, Übertragung von Liegenschaftsanteilen und Übertragung eines Gesellschaftsanteils auf den Todesfall, über den Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 11. Oktober 2019, GZ 12 R 32/19t-10, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 19. Februar 2019, GZ 9 Cg 43/19p-6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden abgeändert. Die Einrede der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs wird verworfen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 5.337,54 EUR (darin enthalten 889,59 EUR an USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Parteien wurde mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts M***** vom 7. 11. 2016 geschieden.

Seit Juli 2017 ist zwischen den Parteien bei diesem Bezirksgericht ein Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse anhängig. Gegenstand der Aufteilung sind unter anderem eine Liegenschaft, auf der sich die ehemalige Ehewohnung befindet, Gesellschaftsanteile an einer KG, die Eigentümerin eines von den Eheleuten als Zweitwohnsitz genutzten Hauses auf einer Insel ist, sowie eheliche Ersparnisse.

Mit ihrer im Jänner 2019 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin zusammengefasst, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihr eine Zahlung von 137.500 EUR zu leisten, die in seinem Eigentum stehende Liegenschaftshälfte an der vormals als Ehewohnung genutzten Liegenschaft lastenfrei zu übertragen und ihr einen 65%igen Kapitalanteil an der KG auf seinen Todesfall zu übertragen. Die Parteien hätten mit schriftlicher Vereinbarung vom 20. 3. 2018 die Aufteilung des Großteils des ehelichen Vermögens vorgenommen. Entsprechend dieser Vereinbarung sollte sie die klagsgegenständlichen Vermögenswerte erhalten. Um die zwischen ihnen abgeschlossene Vereinbarung in eine übersichtliche Form zu bringen, habe ihre Rechtsvertreterin einen entsprechenden Entwurf vorbereitet, den sie lediglich pro forma dem Vertreter des Beklagten (im Außerstreitverfahren) zur Annahme übermittelt habe. Dieser habe die Unterzeichnung der ausformulierten Vereinbarung abgelehnt, sodass sie aufgrund der vorliegenden, vom Beklagten bereits unterzeichneten Vereinbarung die gegenständliche Klage erhebe.

Der Beklagte wendete zusammengefasst ein, im Hinblick auf das anhängige Aufteilungsverfahren sei der streitige Rechtsweg unzulässig. Die Klägerin habe bereits im Aufteilungsverfahren mit Schriftsatz vom 10. 8. 2018 beantragt, die Aufteilung im Sinn einer Konkretisierung und Vervollständigung der von den Parteien getroffenen, grundsätzlichen Vereinbarung vom 20. 3. 2018 zu verfügen. Er habe in diesem Verfahren entsprechende Einwendungen erhoben und den Antrag gestellt, den Antrag der Klägerin mangels Vorliegens einer verbindlichen Vereinbarung abzuweisen. Er bestreite primär das Vorliegen einer verbindlichen Vereinbarung und wende in eventu insbesondere seine partielle Geschäftsunfähigkeit, Sittenwidrigkeit, Irrtum bzw Täuschung, Unvollständigkeit der von der Klägerin behaupteten Vereinbarung sowie Unschlüssigkeit des Klagebegehrens ein.

Das Erstgericht sprach aus, dass der streitige Rechtsweg für die vorliegende Klage unzulässig sei, und überwies die Rechtssache dem Bezirksgericht M***** als dem für die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse der Parteien zuständigen Außerstreitgericht. Nach ständiger Rechtsprechung zu § 97 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 EheG idF vor dem FamRÄG 2009 seien Ansprüche auf Zuhaltung zulässigerweise geschlossener Vereinbarungen über eheliche Ersparnisse im Streitverfahren geltend zu machen gewesen. Zwar sei der Oberste Gerichtshof zu 3 Ob 168/15z von dieser Rechtsprechungslinie mit der Begründung abgegangen, dass im Gegensatz zu § 97 Abs 1 EheG aF nunmehr nach dem FamRÄG 2009 der Außerstreitrichter von Vorausvereinbarungen bei Vorliegen der in § 97 Abs 2 und 3 EheG nF geregelten Voraussetzungen abweichen könne, und es daher verfahrensökonomisch und systemgerechter sei, die Durchsetzung von Vorwegvereinbarungen dem Aufteilungsverfahren vorzubehalten. Im vorliegenden Fall sei aber eine Vereinbarung während des Aufteilungsverfahrens zu beurteilen, für die § 97 Abs 5 EheG gelte. Nach den Klagsangaben betreffe die Vereinbarung vom 20. 3. 2018 die Aufteilung den Großteils des ehelichen Vermögens, „sodass die davon betroffenen Vermögenwerte grundsätzlich der Aufteilung“ unterlägen. Im anhängigen Aufteilungsverfahren sei als Vorfrage zu klären, ob durch eine wirksame Vereinbarung ein Teil des ehelichen Vermögens zulässig der gerichtlichen Aufteilung entzogen worden sei oder nicht. Dem Außerstreitrichter sei es zwar verwehrt, ein selbständiges Begehren auf Feststellung der zivilrechtlichen Ungültigkeit von Vereinbarungen bzw deren Anfechtung zu beurteilen. Lägen die Voraussetzungen für eine Unterbrechung aber nicht vor, so sei der Außerstreitrichter nicht nur befugt, Vorfragen wie die Rechtswirksamkeit oder Rechtsunwirksamkeit von Vereinbarungen selbst zu lösen, sondern dazu verpflichtet. Gegenstand der im streitigen Rechtsweg eingebrachten Klage seien Ansprüche der Klägerin aus der am 20. 3. 2018 abgeschlossenen schriftlichen Vereinbarung. Vorfrage dafür sei das wirksame Zustandekommen einer solchen Vereinbarung, deren Gültigkeit nicht unmittelbar Prozessgegenstand und damit Hauptfrage im Sinn des § 25 Abs 2 AußStrG sei. Gleichzeitig sei diese Frage entscheidende Vorfrage für den Umfang des der Aufteilung im Außerstreitverfahren unterliegenden Vermögens. Die Voraussetzungen für eine Unterbrechung des Aufteilungsverfahrens nach § 25 Abs 2 AußStrG lägen im Hinblick auf die vorliegende Klage nicht vor. Aufgrund des Vorrangs des Aufteilungsverfahrens für Rechtssachen, in denen Ansprüche zwischen ehemaligen Ehegatten hinsichtlich des ehelichen Vermögens geltend gemacht würden, falle auch das vorliegende Begehren in die Zuständigkeit des Außerstreitgerichts und das Verfahren sei gemäß § 44 JN dorthin zu überweisen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin nicht Folge. Rechtlich führte es unter Bezugnahme auf Gitschthaler (Aufteilungsrecht2 Rz 810, 852) aus, auf Vereinbarungen, die in Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren geschlossen wurden, seien auch die Regelungen des § 97 Abs 2 bis 4 EheG anzuwenden. Dem Gesetzgeber sei hier offensichtlich ein Redaktionsversehen unterlaufen. Die Ausschlussanordnung des § 97 Abs 5 EheG sei teleologisch auf die Formvorschriften des Abs 1 leg cit zu reduzieren. Es sei sachgerecht, sämtliche Mängel einer Aufteilungsvereinbarung (nicht nur einer Vorausvereinbarung) jedenfalls so lange im außerstreitigen Aufteilungsverfahren zu behandeln, solange ein solches anhängig sei bzw noch anhängig gemacht werden könne. Für diese Sichtweise spreche auch die Außerstreitreform 2003, deren Anliegen es unter anderem gewesen sei, das AußStrG als vollwertiges Pendant neben der ZPO zu etablieren, sodass es nicht mehr notwendig sei, die Parteien in „strittigen“ Fällen ins Streitverfahren zu verweisen. Fragen im Zusammenhang mit (angeblicher) Geschäftsunfähigkeit, Zwang, Irrtum udgl ließen sich im Verfahren außer Streitsachen genauso lösen, wie im Streitverfahren. Tatsächlich seien all diese Mängel vom Aufteilungsrichter im Rahmen einer Vorfragenprüfung zu beurteilen.

Selbst wenn man nicht von einer teleologischen Reduktion der Ausschlussbestimmung des § 97 Abs 5 EheG ausginge, wäre nicht einzusehen, warum der zusätzliche Verfahrensaufwand eines streitigen Verfahrens gerechtfertigt sein solle, wenn die behauptete Vereinbarung während des anhängigen Aufteilungsverfahrens geschlossen worden sei. Habe der Außerstreitrichter die Wirksamkeit einer zwischen den Parteien geschlossenen Vorausvereinbarung als Vorfrage zu prüfen, so könne er diese Prüfung genauso gut hinsichtlich einer von den Parteien behauptetermaßen erst während des anhängigen Aufteilungsverfahrens geschlossenen Vereinbarung vornehmen. Die Grundsätze des Vorrangs des Aufteilungsverfahrens und der Verfahrensökonomie gebieten es, die Frage, ob sich die Parteien über den anhängigen Aufteilungsanspruch wirksam und frei von Willensmängeln geeinigt haben, im anhängigen Aufteilungsverfahren zu klären. Damit habe das Erstgericht die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs zu Recht bejaht.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil die Frage, ob für die Durchsetzung einer während eines anhängigen Aufteilungsverfahrens geschlossenen außergerichtlichen Vereinbarung über aufzuteilendes Vermögen der streitige Rechtsweg zulässig sei, einer Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof bedürfe.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, den Beschluss des Erstgerichts dahin abzuändern, dass für die Klage der streitige Rechtsweg für zulässig erklärt werde; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und auch berechtigt.

1.1. Die Wahl der Verfahrensart durch die verfahrenseinleitende Partei bestimmt die anzuwendenden Rechtsmittelvorschriften (RIS-Justiz RS0046238 [T2]; RS0046245 [T4, T9]). Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses ist daher nach § 528 ZPO zu beurteilen.

1.2. Gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der erstinstanzliche Beschluss zur Gänze bestätigt wurde, es sei denn, dass die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen worden ist.

1.3. Die Überweisung einer Rechtssache vom streitigen in das außerstreitige Verfahren ist der Zurückweisung einer Klage gleichzuhalten, wenn mit der Überweisung der Rechtssache eine Veränderung der anzuwendenden materiellen Bestimmungen verbunden ist (RS0044538 [T4]; RS0103854 [T3, T4]; RS0106813 [T4, T5]). Das ist bei der Überweisung einer Streitsache in das nacheheliche Aufteilungsverfahren der Fall (RS0103854 [T4]; RS0106813 [T5]). Mit dieser Überweisung nach § 40a JN stehen der Unzuständigkeitsausspruch und die Überweisung der Außerstreitsache an das dafür zuständige Gericht nach § 44 JN in einem untrennbaren Zusammenhang.

1.4. Der Revisionsrekurs der Klägerin gegen den bestätigenden Beschluss des Rekursgerichts ist daher nicht nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

2. Bei der Beurteilung, ob eine Rechtssache im streitigen oder im außerstreitigen Verfahren zu erledigen ist, ist nicht auf die Bezeichnung des Sachantrags durch die Partei, sondern ausschließlich auf den Inhalt des Begehrens und das Parteivorbringen abzustellen (§ 40a JN; RS0005861 [T4]; RS0005896 [T17, T19]; RS0013639 [T11, T14, T23]). Die Einwendungen des Gegners oder die vom Gericht getroffenen Feststellungen sind hingegen für die Zulässigkeit der gewählten Verfahrensart nicht maßgeblich (RS0013639 [T9]). Dieser Grundsatz gilt nach Rechtsprechung und Lehre auch im Fall der Konkurrenz zwischen dem außerstreitigen Aufteilungsverfahren und einem streitigen Verfahren; auch in diesem Zusammenhang kommt es an sich ausschließlich auf den Inhalt des Begehrens und das Vorbringen des Klägers/Antragstellers an (zuletzt 5 Ob 229/18i mwN; Gitschthaler in Schwimann/Kodek4 § 85 EheG Rz 10; Deixler-Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR [2011] § 85 EheG Rz 11; Stabentheiner in Rummel3 § 85 EheG Rz 3; Nademleinsky in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 93 Rz 21).

3. Nach dem für die Zulässigkeit der Verfahrensart allein maßgeblichen Vorbringen der Klägerin schloss sie mit dem Beklagten während des anhängigen Aufteilungsverfahrens am 20. 3. 2018 (außergerichtlich) eine schriftliche Vereinbarung, wie der Großteil des ehelichen Vermögens aufzuteilen sei. Entsprechend dieser Vereinbarung soll sie vom Beklagten eine Ausgleichszahlung von 500.000 EUR in acht Jahresraten, von einem bestimmten Investment (von ursprünglich 150.000 EUR) die Hälfte, somit 75.000 EUR, 90 % des Hauses in Ma***** „und das schuldenfrei“ sowie 100 % des Hauses in Mö***** erhalten. Das Haus in Ma***** befinde sich derzeit im Eigentum einer KG, wobei die Parteien als Komplementär und Kommanditistin sämtliche Anteile an diesem Unternehmen hielten. Beim Haus in Mö***** handle es sich um eine Liegenschaft mit der früheren Ehewohnung.

4. Auch nach Einleitung des gerichtlichen Aufteilungsverfahrens kann eine Vereinbarung im Sinn des § 97 Abs 5 EheG getroffen werden, und zwar entweder in Form eines gerichtlichen Vergleichs oder als außergerichtliche Einigung. In beiden Fällen liegt eine zulässige und daher rechtswirksame Vereinbarung im Sinn dieser Bestimmung vor (vgl RS0057628 [zu § 97 Abs 2 EheG aF]), weil auch sie noch „im (kausalen) Zusammenhang“ mit der Scheidung steht (vgl RS0008495 [zu § 97 Abs 2 EheG aF]).

5. Thema des vorliegenden Zwischenstreits ist somit, ob die von der Klägerin behauptete Aufteilungsvereinbarung im Streit- oder im Außerstreitverfahren durchzusetzen ist:

5.1. Nach ständiger Rechtsprechung zu § 97 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 EheG idF vor dem Familienrechts-änderungsgesetz (FamRÄG 2009; BGBl I 2009/75) waren Ansprüche auf Zuhaltung zulässigerweise geschlossener Vereinbarungen über eheliche Ersparnisse im Streitverfahren geltend zu machen. Auch nach eingeleitetem Aufteilungsverfahren waren Ansprüche auf Durchsetzung oder Anfechtung von nach § 97 Abs 2 EheG aF zulässig getroffenen Vereinbarungen über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse im Streitverfahren zu verfolgen (RS0008518 [T4]).

5.2. Die hier anzuwendende Fassung des § 97 EheG (Art 18 Abs 3 FamRÄG 2009) lautet wie folgt:

„(1) Vereinbarungen, die im Voraus die Aufteilung ehelicher Ersparnisse oder die Aufteilung der Ehewohnung regeln, bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Form eines Notariatsakts. Vereinbarungen, die im Voraus die Aufteilung des übrigen ehelichen Gebrauchsvermögens regeln, bedürfen der Schriftform.

(2) Von einer im Voraus geschlossenen Vereinbarung über die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse und des ehelichen Gebrauchsvermögens mit Ausnahme der Ehewohnung kann das Gericht bei der Aufteilung nur abweichen, soweit die Vereinbarung in einer Gesamtbetrachtung des in die Aufteilung einzubeziehenden Vermögens im Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung einen Teil unbillig benachteiligt, sodass ihm die Zuhaltung unzumutbar ist.

(3) Von einer im Voraus geschlossenen Vereinbarung über die Nutzung der Ehewohnung durch einen Ehegatten kann das Gericht bei der Aufteilung nur abweichen, soweit der andere Ehegatte oder ein gemeinsames Kind seine Lebensbedürfnisse nicht hinreichend decken kann oder eine deutliche Verschlechterung seiner Lebensverhältnisse hinnehmen müsste.

(4) Weicht das Gericht von einer im Voraus geschlossenen Vereinbarung ab, ist insbesondere auf die Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse, die Dauer der Ehe sowie darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit der Vereinbarung eine rechtliche Beratung vorangegangen ist und in welcher Form sie geschlossen wurde.

(5) Die Abs 1 bis 4 gelten nicht für solche Vereinbarungen, die die Ehegatten im Zusammenhang mit dem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe geschlossen haben.“

5.3. Die Regelung des § 97 Abs 5 EheG entspricht an sich jener des § 97 Abs 2 EheG idF vor dem FamRÄG 2009 (Gitschthaler, Aufteilungsrecht2 [2017] Rz 810). Nach den Gesetzesmaterialien (Initiativantrag BlgNR 673/A 24. GP 33 und 35) sollen nach der Intention des Gesetzes die Ehegatten die Vermögensaufteilung (und allfällige Ausgleichszahlungen) nach einer Auflösung der Ehe vorrangig einvernehmlich regeln. Ein gerichtliches Aufteilungsverfahren sei nur insoweit vorgesehen, als eine solche Einigung nicht erzielt werden könne. Dieser Vorrang gelte insbesondere für Vereinbarungen, die im Zusammenhang mit einem Verfahren zur Auflösung der Ehe geschlossen werden. Für sonstige Vereinbarungen während aufrechter Ehe, mit denen eine künftige Vermögensaufteilung bei einer allfälligen Auflösung der Ehe im Vorhinein geregelt werde, würden (dagegen) die Einschränkungen des § 97 Abs 1 EheG gelten. § 97 Abs 5 EheG stelle klar, dass die Regelungen über „Vorweg-Vereinbarungen“ dann nicht gelten, wenn die Ehegatten die Aufteilung des Gebrauchsvermögens oder der Ersparnisse im Zusammenhang mit einem Verfahren über die Auflösung der Ehe einvernehmlich regeln.

5.4. Gitschthaler (aaO Rz 852) erscheint es sachgerecht, nunmehr sämtliche Mängel einer Aufteilungsvereinbarung jedenfalls so lange im außerstreitigen Aufteilungsverfahren zu behandeln, solange ein solches anhängig ist oder noch (§ 95 EheG) anhängig gemacht werden kann. Für diese Sichtweise spreche auch die Außerstreitreform 2003, deren Anliegen es gewesen sei, das Außerstreitgesetz als vollwertiges Pendant neben der ZPO zu etablieren, sodass es nicht mehr notwendig sein sollte, die Parteien in „strittigen“ Fällen ins Streitverfahren zu verweisen. Fragen im Zusammenhang mit (angeblicher) Geschäftsunfähigkeit, Zwang, Irrtum udgl ließen sich im Verfahren außer Streitsachen genauso lösen wie im Streitverfahren. Dem Ziel, weiteren Verfahrensaufwand zu vermeiden und dem Aufteilungsrichter gleichsam die „Gesamtentscheidung“ in die Hand zu legen, stehe deshalb auch nicht die Überlegung entgegen, dadurch würde das Aufteilungsverfahren völlig überfrachtet und der Vorrang des Aufteilungsverfahrens missachtet werden. Tatsächlich seien – so Gitschthaler – all diese Mängel vom Aufteilungsrichter im Rahmen einer Vorfragenprüfung zu beurteilen, sei doch die Hauptfrage, ob die Vereinbarung einem Aufteilungsverfahren entgegenstehe (vgl § 85 EheG), davon abhängig, ob überhaupt eine gültige Vereinbarung vorliege.

5.5. Nach Hinteregger (Privatautonomie in der Ehe, in FS 200 Jahre ABGB [2011], 1007 [1027] unter Verweis auf 7 Ob 687/80 = SZ 53/153; 4 Ob 546/90; 5 Ob 43/07w) sind Ansprüche aus Aufteilungsvereinbarungen im Sinn des § 97 Abs 5 EheG nicht im Aufteilungsverfahren, sondern im streitigen Verfahren geltend zu machen. Für Deixler-Hübner (Einige offene Fragen zum reformierten § 97 EheG, Zak 2010/8, 11 [13]; dieselbe in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR [2011] § 97 EheG Rz 28; dieselbe in Deixler-Hübner, Handbuch Familienrecht [2015] 876) sind Streitigkeiten über Vereinbarungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Eheauflösung im Sinn des § 97 Abs 5 EheG stehen, jedenfalls auf den streitigen Rechtsweg verwiesen. Nach Hopf/Kathrein (Eherecht3 § 97 EheG Rz 9) könne zur Frage der Durchsetzung von Vereinbarungen der Ehegatten über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse grundsätzlich die Rechtsprechung zur Fassung des § 97 EheG vor dem FamRÄG 2009 herangezogen werden. Demnach seien Ansprüche auf Einhaltung von zulässig geschlossenen Aufteilungsvereinbarungen im streitigen Rechtsweg geltend zu machen (RS0008518). Der Außerstreitrichter habe keinen Einfluss auf Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe.

Dazu hat der erkennende Fachsenat erwogen:

6. Ansprüche auf Durchsetzung von nach § 97 Abs 5 EheG zulässig getroffenen Vereinbarungen über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse im Zusammenhang mit dem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigkeit der Ehe sind im streitigen Rechtsweg durchzusetzen. (Nur) soweit sich die Ehegatten über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse nicht einigen, hat darüber auf Antrag das Gericht zu entscheiden (§ 85 EheG). Der Gesetzgeber räumt damit der Einigung der Ehegatten über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse den Vorrang gegenüber einer gerichtlichen Aufteilung ein; diese soll erst dann und nur soweit Platz greifen, als die Einigung ausbleibt („Subsidiarität des Aufteilungsverfahrens“; RS0046057 [T1]; Nademleinsky in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 93 Rz 27 mwN). Die Anrufung des Gerichts im Verfahren außer Streitsachen ist daher unzulässig, soweit die Ehegatten die Aufteilung in zulässiger Weise vertraglich geregelt haben. Das Außerstreitgericht hat nur die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse nach den Grundsätzen der Billigkeit, nicht aber eine Entscheidung über die nach § 1 Abs 2 AußStrG im Zweifel ins streitige Verfahren gehörenden Ansprüche auf Durchsetzung zulässig getroffener Vereinbarungen im Sinn des § 97 Abs 5 EheG vorzunehmen. Der Gesetzgeber hat solche einvernehmliche Regelungen ausdrücklich als erwünscht bezeichnet (Initiativantrag aaO 33). Das Gesetz sieht dementsprechend die gerichtliche Aufteilung nur vor, soweit sich die Ehegatten über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse nicht einigen (§ 85 EheG; vgl RS0113795). Der Oberste Gerichtshof hat zu 5 Ob 108/13p (= iFamZ 2013/240, 309 [Deixler-Hübner]; dazu Oberhumer, Rechtsentwicklungen im Aufteilungsrecht [Teil II], EF-Z 2016/5, 24) die Durchsetzung einer Vereinbarung im Sinn des § 97 Abs 5 EheG im streitigen Verfahren gerade nicht beanstandet. Der Außerstreitrichter hätte auch keine Möglichkeit, eine solche Aufteilungsvereinbarung mit den Mitteln des außerstreitigen Verfahrens an geänderte Verhältnisse anzupassen. Das Aufteilungsverfahren hat sich ja gerade auf jenen Teil des Aufteilungsanspruchs zu beziehen, der zuvor von den Parteien nicht vergleichsweise geregelt wurde (RS0046057 [T2, T3]). Daher sind – wie schon nach der früheren Rechtslage zu § 97 Abs 2 EheG aF – Ansprüche auf Durchsetzung von nach § 97 Abs 5 EheG zulässig getroffenen Vereinbarungen über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse im Streitverfahren zu verfolgen (RS0008518 [T4]).

7. Die Klägerin hat aus den dargelegten Gründen ihre aus einer behaupteten nachträglichen Vereinbarung abgeleiteten Ansprüche zutreffend im streitigen Verfahren geltend gemacht. Das Erstgericht hat daher das Verfahren über die Klage fortzusetzen.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO. Bei den Kosten des Rechtsmittelverfahrens handelt es sich um solche eines Zwischenstreits (RS0035955). Da im Rekurs- und Revisionsrekursverfahren keine Pauschalgebühren anfallen (vgl Anm 1 zu TP 2 und Anm 1 zu TP 3 GGG), steht der Klägerin ein Ersatz der für den Rekurs und den Revisionsrekurs verzeichneten Gebühren nicht zu. Der ERV-Erhöhungsbetrag gemäß § 23a RATG für den Rekurs und den Revisionsrekurs beträgt nur jeweils 2,10 EUR, weil ein Rechtsmittel kein das Verfahren einleitender Schriftsatz ist (RS0126594).

Textnummer

E127486

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00225.19Y.0121.000

Im RIS seit

06.03.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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